3. Spieltag der Fußball-Bundesliga, Borussia Dortmund gegen SC Freiburg

Samstag, 3. Oktober 2020, 15.30 Uhr

Signal-Iduna-Park, Dortmund

Borussia Dortmund - SC Freiburg

Das Vorspiel

Selten bin ich so früh ins Tagebuch zu einem SC-Spiel eingestiegen… Dienstagabend – die Partie bei Vizemeister Borussia Dortmund startet erst am Samstag um 15.30 Uhr.  Andererseits sitze ich gerade in der Redaktion, die Arbeit ist „durch“, ich warte aber noch auf ein letztes Foto für die aktuelle Ausgabe. Da kann ich doch einfach die Zeit mal nutzen, um ins „Vorspiel“ zu starten…

11.500 Zuschauer – ausschließlich BVB-Fans oder SC-Anhänger aus NRW, die sich als BVB-Fans ausgeben – dürfen am Samstag live im Stadion dabei sein. Das verspricht Stimmung, auch wenn 69.000 Plätze frei bleiben und die „Gelbe Wand“ komplett fehlt. Natürlich könnte es sein, dass die Infektionszahlen in Dortmund bis zum Spieltag noch sprunghaft ansteigen, dann ändert sich natürlich auch diese Zahl wieder – bis hin zum Geisterspiel ist alles möglich. 11.500 Fans – Stand heute.

Ich werde meine Reise bereits am Donnerstag antreten und meine Mutter besuchen; so der Plan – jetzt ist meine Heimatstadt Bielefeld aber gerade zum Risikogebiet erklärt worden – zumindest können BVB-Fans aus Ostwestfalen nicht auf Tickets für das Spiel hoffen, habe ich gelesen – der Grund: zu hohe Infektionszahlen. Ich denke, ich werde meine Mutter trotzdem besuchen, bei Restaurant- und Café-Besuchen aber Vorsicht und Zurückhaltung walten lassen.

Mein Countdown zum dritten Spieltag startet mit diesem Anfang des Dortmund-Tagebuchs am heutigen Dienstag. Morgen Vormittag um 11 Uhr werde ich über Skype von den Ruhrnachrichten aus Dortmund angerufen – die machen einen Videotalk zum Spiel BVB – SCF und stellen den dann auf ihre Homepage. Was die genau von mir wissen wollen, weiß ich natürlich noch nicht aber ich werde ganz bewusst kleine Brötchen backen – gerade so, wie es Trainer Christian Streich machen würde. Der letzte und einzige Bundesligasieg des SC in Dortmund ist ja jetzt auch schon ein paar Jahre her – 2001 haben die Jungs mit 0:2 bei den Schwarz-Gelben gewonnen. Coulibaly und witziger Weise Sebastian Kehl haben die Tore geschossen. Im Januar 2002 wechselte „Kehle“ dann zum BVB und bis bis heute ein Borusse – inzwischen fungiert er als Leiter der Lizenzspielerabteilung. Sebastian war ein Netter. Er war als junges Talent vom damaligen Zweitligisten Hannover 96 zum SC gekommen und war ganz schnell einer der Leader im Team. Und beim einzigen Freiburger Bundesligasieg beim BVB hat er getroffen; in der 90. Minute. Nein, ich erinnere das nicht mehr wirklich aber für solche Dinge gibt es ja die sehr empfehlenswerte Seite www.fussballdaten.de, die so etwas alles weiß. Übertragen habe ich das Spiel damals aber – so viel steht fest. Und dass Kehl damals gegen Dortmund getroffen hat, wissen die Kollegen von den Ruhrnachrichten morgen wahrscheinlich nicht.

Präsenter als dieser 0:2-Auswärtssieg ist mir der erste Auswärtspunkt in Dortmund. Ein 1:1 – Torschütze Ralf Kohl. Ich sehe den „Kanzler“ vor meinem geistigen Auge noch jubeln.

Ein anderes Remis ist vergleichsweise frisch: 2018 war ein SC-Sieg beim großen BVB greifbar nahe – Nils Petersen gelang nach der frühen Dortmunder Führung durch Shinji Kagawa ein Doppelpack, darunter das spätere „Tor des Jahres“ und eigentlich war der Auswärtserfolg in trockenen Tüchern – bis zur Minute 90.+3 – dann gelang Jeremy Toljan doch noch das 2:2. An jenem 27.Januar 2018 war unser kleiner SC auf Augenhöhe mit der damals schon finanziell wie sportlich im Grunde schon weit enteilten Borussia.

Und irgendwie machen es die Freiburger in Dortmund ab und an ganz gut. Die denkbar knappe 1:0-Niederlage im Januar dieses Jahres war ja aus Dortmunder Sicht auch äußerst dünn. Jadon Sancho hatte in der 15. Minute getroffen aber mehr ließ der SC nicht zu. „A bisserl was geht immer“ würde der ewige Stenz sagen, wenn er noch lebte…

Und so präsentiert sich das vermutlich auch am Samstag: Borussia ist der Mega-Favorit, auf der Gegenseite steht aber ein Team, das alles gibt und ein Trainer, der weiß, was gegen Borussia zu tun ist, um an guten und glücklichen Tagen nicht unterzugehen. Ärgerlich für den SC Freiburg ist natürlich, dass Borussia gerade in Augsburg gestolpert ist und hellwach sein wird, womöglich sogar mit Wut im Bauch Satisfaktion gegen einen anderen „Kleinen“ der Liga von sich selbst fordert. Angst wäre aber ein falscher Berater, denn der SC kann auch gut kicken. Nicht immer aber immer öfter.

Donnerstag

Die digitale Pressekonferenz mit Christian Streich ist heute der Startschuss für meine Reise in Richtung Westfalen. Zunächst werde ich zum Funkhaus Freiburg fahren und meinen privaten Ford Kuga gegen den Hybrid-Hyunday von baden.fm eintauschen und mich auf den Weg machen.

Gestern fand das angekündigte Skype-Gespräch mit den Ruhrnachrichten statt. Das Video wird am Samstag in einer BVB-Show ausgestrahlt, die der Zeitungsverlag(!) – wie ich weiß werbefinanziert – jede Woche in der Stunde vor den Bundesligaspielen ausstrahlt und dabei offenbar hohe Zugriffzahlen erfährt. Ich finde, das ist für Verlags- oder Radio-Menschen ein wahnsinnig spannendes Format.

In unserem Gespräch ging es natürlich im Schwerpunkt um das Spiel BVB gegen SCF. Ich habe darauf hingewiesen, dass Freiburg nur durch kluges Zusammenarbeiten im Verbund eine Chance hat. Bei der Frage nach Spielern, die das Spiel prägen oderr gar entscheiden könnten, habe ich Nils und Vince erwähnt, die speziell bei Standards gut miteinander harmonieren. Außerdem habe ich auf das zweite Spiel von Rekord-Neueinkauf Baptiste Santamaria hingewiesen, der für die defensive Stabilität von Bedeutung sein könnte, um dann aber zu betonen, dass es letztlich auf das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft ankommen wird, um an einem besonders guten Tag eine Chance bei Borussia zu haben.

Ich hatte ja hier im Tagebuch „kleine Brötchen“ angekündigt – so sehe ich das Ganze aber auch tatsächlich.

Ich übertrage das Bundesligaspiel Borussia Dortmund gegen SC Freiburg am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 984. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Es war nicht der „worst case“ – aber fast. Der SC Freiburg bekam in Dortmund die Klatsche, mit der man immer mal rechnen muss, wenn man als SC Freiburg bei den „Granden“ der Liga unterwegs ist; etwa in Dortmund, bei den Bayern oder auch in Leipzig. Die wirtschaftliche Schere zwischen den Spitzenclubs der Bundesliga und den „Normalos“ geht so weit auseinander, dass sich an manchen, sagen wir mal „normalen Tagen“, auch die sportliche Diskrepanz erkennen lässt. Nicht immer aber immer öfter gewinnen die Favoriten, meistens klar und deutlich. Ausnahmen, wie etwa der Augsburger Sieg gegen BVB in der Vorwoche oder das Freiburger Remis in Dortmund 2018, bestätigen die Regel.

Was im Signal-Iduna-Park passierte, entnimmt der geneigte Leser am besten meiner Zeitungskolumne „SC INTEAM“, die am morgigen Mittwoch in den lokalen Wochenzeitungen ReblandKurier und Wochenblatt erscheinen wird; hier ist der Wortlaut:

SC INTEAM

Rumms! Es hat „rumms“ gemacht: Mit 4:0 ging das Bundesligaspiel des in den ersten drei Pflichtspielen ungeschlagenen SC Freiburg bei Borussia Dortmund krachend verloren. Keinen Zweifel gab es darüber, dass das Endergebnis auch in seiner beachtlichen Höhe für den BVB verdient war. Ein sogenannter herber Rückschlag war es freilich nicht; aus Dortmund kann Freiburg in aller Regel nur etwas Zählbares mit in den Schwarzwald nehmen, wenn Borussia keinen guten Tag hat, im Gästeteam alle Räder ineinandergreifen und in einigen wenigen Situationen auch etwas Glück dazu kommt. All das war am Samstag vor 11.500 zugelassenen Zuschauern im riesigen Signal-Iduna-Park nicht der Fall – oder nur ein halbes Stündchen...

Die Analyse: Um der gefürchteten BVB-Offensive um den bulligen aber wieselflinken norwegischen Goalgetter  Erling Haaland etwas entgegenzustellen hatten sich SC-Trainer Christian Streich und seine Mitstreiter für einen Dreier-/Fünferkette – also bei Dortmunder Ballbesitz für eine 5-2-3 Formation und bei eigenem Ballbesitz für ein 3-4-3 entschieden. Gleichzeitig wurde die Dortmunder Abwehr durch konsequentes, laufintensives Offensivpressing früh unter Druck gesetzt. Diese Spielweise hatte anfänglich Erfolg. Während der kompletten ersten halben Stunde erspielte sich der Favorit keine einzige ernst zu nehmende Torchance. Borussia tat sich schwer, Räume für die schnellen Spitzen zu finden. Die Chancenlosigkeit galt freilich auch für den SC, der bei eigenem Ballbesitz Präzision und Zielstrebigkeit vermissen ließ. Das hinten die „Null“ stand, versöhnte zunächst mit dem Offensivmanko. Unter den BVB-Fans auf der Tribüne machte sich erste Unzufriedenheit bemerkbar – vereinzelte Pfiffe erklangen; bis zur 31. Minute: Nicolas Höfler, eigentlich ein Sicherheitsanker, der Bälle halten und verteilen kann, verlor in Strafraumnähe den Ball gegen Reus. Es folgte ein schneller Pass auf Reyna, der trickreiche Youngster schickte Haaland in den Strafraum und es hieß 1:0 für den BVB. Als der wuchtige Can gleich nach der Pause einen Eckball zum 2:0 einköpfte, war der Freiburger Matchplan über den Haufen geworfen und das Spiel entschieden. Die diesmal kreativ unauffälligen, im Pressing aber ungeheuer fleißigen Offensivkräfte Petersen, Höler und Sallai wurden nach 55 Minuten erlöst und durch Kwon, Jeong und Grifo ersetzt, die in der Folge zwar mehr Offensivgeist entwickelten aber in entscheidenden Szenen überhastet und  ungenau  agierten und der Borussia so zwei weitere Treffer durch Fehlpässe auflegten. Am Ende war es ein gebrauchter Tag für den SC, bei dem – das ist die positive Erkenntnis – Neuzugang Santamaria erneut überzeugen konnte. Die defensiv sehr gelungene erste halbe Stunde und die Entwicklung des Franzosen im Team machen Mut für die Herausforderungen der Zukunft: Am 17. Oktober kommt Werder Bremen.  (Zitatende)

 

Das Nachspiel

Meine Stimmung war nach dem 0:4 aus Freiburger Sicht irgendwie verhagelt. Obwohl in Dortmund eine Pressekonferenz mit Präsenzmöglichkeit angeboten wurde, ließ ich diese sausen, da die vor Corona üblichen Face-to-Face-Interviews mit Trainer Christian Streich noch nicht wieder möglich sind und ich keine öffentlichen Fragen an den Trainer hatte. Aus seinen später online veröffentlichten Statements habe ich entnommen, dass wir die Geschehnisse in etwa gleich beurteilen.

Von Dortmund fuhr ich noch einmal zurück nach Bielefeld, wo ich – wie schon am Freitag – den Abend mit Freunden im kultigen Restaurant „Kreta“ verbrachte. Irgendwann hatte ich den sportlichen Nackenschlag und auch die köstlichen Lammlachse mit Rotweinsauce verdaut, verbrachte eine traumlose Nacht in meinem Elternhaus und machte mich morgens gegen 9 Uhr auf die lange Rückreise.

Ich freute mich, meine Familie wiederzusehen – gratulierte Ben zum Auftaktsieg des Neulings FC Bad Krozingen in der D-Junioren-Bezirksliga Südbaden gegen Denzlingen, schenkte mir das Nachmittagsspiel zwischen Wolfsburg und  Augsburg (hatte wohl einen guten Riecher) und nervte meine Familie erst wieder mit TV-Fußball als Bayern gegen Hertha kickte.

Montag war dann Deadline-Day am Transfermarkt. Florian Kath wird wieder nach Magdeburg verliehen, die Verträge von Frommann und Terrazzino wurden aufgelöst, um ihnen einen Wechsel nach dem Ende der normalen Transferperiode zu ermöglichen. Zum Fall Haberer, wo ich das Gefühl habe, dass das Tischtuch zwischen dem Spieler und dem SC Freiburg zerschnitten ist, blieb unerwähnt. Das heißt, der talentierte Mittelfeldspieler riskiert seine vielversprechende Karriere – der SC ein paar Milliönchen. Ich fürchte, Janick hat sich selbst ein wenig überschätzt und sein SC-Herz ist insgesamt zu schwach ausgebildet. Ich habe aber keine Insiderinformationen, abgesehen von unbestimmten Hinweisen aus verschiedensten Quellen, dass es wohl häufiger Konflikte gab.

Mit Schwolow, Koch, Frantz, Waldschmidt und mutmaßlich Haberer sind fünf Spieler nicht mehr dabei, die in der jüngeren Vergangenheit durchaus wichtig im SC-Team waren. Das ist ein Aderlass, der Spuren hinterlässt. Die Situation im Tor spitzte sich zu, als sich „Flekki“ Flekken in Mannheim schwer verletzte. Die Reaktion des Vereins mit der Blitzverpflichtung von Florian Müller aus Mainz per Leihe war klug und richtig.

Die Rückkehr von Keven Schlotterbeck als gestandener Bundesligaspieler nach der Leihe an Union Berlin komplettiert die Reihe der Innenverteidiger, von denen sich Philipp Lienhart deutlich weiterentwickelt hat, sodass der Verlust von Koch in Summe vielleicht verschmerzen lässt. Robin war, wie auch Haberer (mit anderen Schwerpunkten) auch ein Kandidat für die Besetzung der Doppel-Sechs. Hier hat sich der SC nach meiner Einschätzung mit dem Transfer von Baptiste Santamaria sogar verbessert. Gegen Wolfsburg hat sich der Franzose auf beachtlichem Niveau in die Mannschaft und ihr Spielsystem hineingearbeitet – in Dortmund war Santamaria für mich der beste Freiburger. Auf seinen weiteren Weg im Team bin ich gespannt. Ich bin sicher, er wird sich weiter steigern und womöglich irgendwann eine große Nummer in der Bundesliga.

Dass Luca Waldschmidt ein Mega-Talent ist, wird kaum ein Fußballkenner abstreiten. Dass er jetzt da steht, wo er steht, hat er sicher auch der Arbeit von Christian Streich zu verdanken, der den gebürtigen Siegener nur sehr dosiert zum Einsatz gebracht hat. Insofern gehen in der Offensive nicht alle Lichter aus, weil Luca nicht mehr zur Verfügung steht – oft genug war er ja gar nicht dabei, auch wegen der schweren Verletzung nach dem Länderspieldebüt. Dennoch hat der SC zwei Neue für die Offensive verpflichtet: Der Niederländer Guus Til von Spartak Moskau ist sicher der namhaftere der beiden Strategen. Er wechselte letztes Jahr für einen stattlichen zweistelligen Millionenbetrag von AZ Alkmaar nach Moskau, wo er nicht wirklich gut zurecht kam. So ergab sich jetzt die Leihe nach Freiburg, wo Guus sich neu beweisen kann. War er bislang verletzt, dürfte in einem anberaumten Freundschaftsspiel in der Länderspielpause und vielleicht schon gegen Werder Bremen seine Stunde schlagen. Vermutlich wird er aber ähnlich langsam an die Besonderheiten der Bundesliga und des SC Freiburg herangeführt wie der Deutsch-Bosnier Ermedin Demirovic, der zuletzt für den FC St. Gallen viele Tore in der Schweizer Super-League erzielt hat. Es sind zwei neue Alternativen, zu denen sich Rückkehrer Wooyeong Jeong gesellt, dem die halbjährige Leihe Zum FC Bayern II sichtbar weiter gebracht hat. Die Entscheidung, den Südkoreaner zu halten und nicht etwa erneut zu verleihen fiel spät aber sie war richtig. Ich sehe Jeong gerne beim Fußballspielen zu – er gibt dem Offensivspiel des SC eine besondere Note.

Mit der Transferbilanz des SC bin ich also recht zufrieden, ohne zu übersehen, welcher Aderlass zu verzeichnen war. Die finanziellen Überschüsse, die deutlich über 20 Millionen Euro liegen müssten, helfen in der Corona-Krise, beim Abbezahlen des neuen Stadions und bei der Zukunftsplanung. Sollte es nötig werden, könnte der SC Freiburg in der Winter-Transferperiode locker noch ein- oder zweimal zuschlagen, um die Mannschaft zu verstärken – wenn das nötig wäre, um die gesteckten Ziele zu erreichen.

Durch die 4:0-Klatsche von Dortmund lasse ich mich jedenfalls nicht in Verunsicherung stürzen und bleibe dabei: Dem SC könnte erneut eine entspannte Saison winken. Vier Punkte aus den nächsten beiden Spielen gegen Werder Bremen und bei Union Berlin sollten meine These untermauern.

Ich habe fertig.