33. Spieltag der Fußball-Bundesliga, Hannover 96 gegen SC Freiburg

Samstag, 11. Mai 2019, 15.30

Arena in Hannover

Hannover 96 - SC Freiburg

Das Vorspiel

Es war der 23. Mai 2015.Eine Woche nach dem viel umjubelten Heimsieg gegen den FC Bayern München trat der Sport-Club am letzten Bundesligaspieltag bei Hannover 96 an. Beide Mannschaften hatten 34 Punkte, der SC hatte als Tabellenvierzehnter das bessere Torverhältnis. Paderborn (31 Punkte, schlechtes Torverhältnis) hatte Heimrecht gegen Stuttgart (33 Punkte, Platz 16) und konnte die Schwaben ins Verderben ziehen und selbst eventuell die Relegation erreichen, im günstigsten Fall sogar mehr. Hamburg (32 Punkte, Platz 17) spielte daheim gegen EL-Kandidat Schalke und war angesichts der permanent schwachen Leistungen ganz sicher kein Favorit gegen die Knappen.

Dem Sport-Club hätte ein Unentschieden zum Klassenerhalt gereicht, Hannover brauchte wegen des schlechteren Torverhältnisses einen Sieg, um der Relegation unabhängig von den anderen Ergebnissen des letzten Spieltages zu entgehen. Die Vorzeichen für den Klassenerhalt des SC Freiburg standen sehr gut; wegen der Punkte und vor allem wegen der starken Leistungen, die der SC in den Wochen zuvor, beim 1:1 in Hamburg, wo sie von Schiri Knut Kircher um den Sieg gebracht worden waren, und gegen Bayern gezeigt hatten. Wenn es ganz schlecht lief müsste man, so das höchste der negativen Gefühle, eventuell in die Relegation.  

Es kam anders. Schnell zeichnete sich ab, dass es von Schalke keine Schützenhilfe geben würde und dass Paderborn der Nervenbelastung gegen Stuttgart nicht gewachsen war. Außerdem geriet der SC in Hannover schon nach drei Minuten auf die Verliererstraße und kickte nachher wie gelähmt. 96 war auch nicht gut, führte aber ab Minute drei mit 1:0. Eigentlich war es ein Unentschieden-Spiel auf schwachem Niveau. Die Nerven spielten mit; auch bei mir. Als Pavel Krmas in der 86. Minute ein Eigentor unterlief, blieb mir in der Livereportage die Stimme weg. Ich wusste, das war der Abstieg. Der Kloß im Hals war unerträglich. Ich schüttelte mich und zwang mich, das Fußballspiel weiter zu schildern. Ich kommentierte Petersens Anschlusstor in der Nachspielzeit, hatte noch einmal ein paar Sekunden Hoffnung, dann war der Abstieg Realität.

Wie mechanisch machte ich meinen Job, die Routinearbeiten, für ein Interview in der Mixedzone fand sich nur Sportvorstand Jochen Saier bereit. Die Spieler verschwanden in der Kabine und trauerten auf ihre Weise. „Nils Petersen sitzt in der Kabine und heult wie ein Schlosshund“, sollte Christian Streich später im Interview mit mir erklären, kurz bevor der Cheftrainer selbst von den Gefühlen übermannt wurde und wir das Interview abbrechen mussten.

Zuvor war der Trainer, als er den Pressekonferenzsaal in Hannover betrat, überraschend zu mir gekommen und hatte mich umarmt. Ich glaube, der Trainer weiß genau, wer von den ständigen professionellen Begleitern seines Teams tatsächlich ein SC-Herz hat und dass dieses Herz jetzt blutete.

Wieviel entspannter kommen wir alle jetzt, vier Jahre nach diesen bitteren Momenten, zurück nach Hannover. Es ist nicht der letzte, sondern erst der vorletzte Spieltag, der Klassenerhalt des SC ist in trockenen Tüchern – der Sport-Club bleibt erstklassig und am Flugplatz entsteht ein neues Stadion. Die Zukunft kündigt sich bereits an und sie sieht gut aus. Ich werde die Auswärtsreise nach Hannover genießen…

 

Mit dem Schicksal des Gegners gilt es seriös und respektvoll umzugehen. Nach menschlichem Ermessen wird 96 absteigen; vermutlich schon am Samstag, am Ende des Spiels gegen den SC. Für die Menschen, deren Fußballherz für 96 schlägt, tut es mir leid. Ansonsten verbinde ich ambivalente Gefühle mit dem Hannoverschen Sportverein. So wie Dortmund im Westen war und ist Hannover im Norden der meistens etwas erfolgreichere Nachbar meines Heimatvereins Arminia Bielefeld. Die Distanz ist mit jeweils etwa 100 km überschaubar. Ich habe früher oft in Hannover Fußball geschaut, hatte vor meiner Zeit in Freiburg auch mal Verhandlungen mit dem in Hannover ansässigen Radiosender „Antenne Niedersachsen“. Am nahegelegenen Steinhuder Meer habe ich als junger Erwachsener sehr viel Freizeit verbracht, meine Familie hatte dort mehrere Ferienwohnungen, mein Bruder stets ein Segelboot.

Mit Hannover 96 anno 2019 verbinde ich ein ziemlich unseliges Konstrukt. Der Investor Kind ist mir irgendwie ein Dorn im Auge. Sein Kampf gegen die 50+1-Regel, sein Anspruch zu bestimmen, obwohl er von Tuten und Blasen im Fußball keine Ahnung hat, nerven mich. Erst kürzlich erzählte Ewald Lienen in einem Podcast von seinen Verhandlungen mit Kind über ein Trainer-Engagement in Hannover. Der 96-Boss fragte ihn tatsächlich: „Herr Lienen, haben Sie früher auch mal Fußball gespielt?“

Der aktuelle Trainer Thomas Doll wirkt ein bisschen wie ein Coach aus einer anderen Zeit. Ich höre seinen Hamburger Slang ganz gerne, seine Inhalte finde ich dagegen häufig problematisch.

Jetzt geht es also mit dem Sport-Club nach Hannover; sorgenfrei, unbeschwert und mit der Hoffnung, die seit sieben Spielen sieglose Mannschaft endlich wieder erfolgreich zu sehen. Ich wünsche mir am Ende der Saison 39 Punkte also eine Gesamtpunktzahl, mit der seit vielen Jahren niemand mehr abgestiegen ist. So kriegt man den falschen Zungenschlag aus den Diskussionen, der SC sei nur in der Liga geblieben, weil die anderen so schlecht wären und extrem wenig Punkte gesammelt hätten. Zwei Siege, jetzt gegen Hannover und Nürnberg und dieser dumme Spruch, den ich dieser Tage bereits gehört habe, ist mausetot. Und wenn das dazu führt, dass der SC höchst persönlich in den beiden letzten Spielen der Saison den jeweiligen Gegner quasi begräbt, also zum Abstieg verurteilt, dann ist das eben so. Da müssen wir und könn(t)en wir durch.

Fein, dass Christian Streich zum Ende der Saison wieder mehr Auswahl hat. Petersen und Sallai sind einsatzbereit, Lienhart trainiert wieder. Haberer ist zwar Gelb-Rot-gesperrt, dafür kommt Abrashi aus seiner Gelb-Sperre zurück. Die letzten News zum Personal gibt es am Donnerstag auf der PK, von der ich hier dann wieder berichten werde.

Vorab schon mal mein Reiseplan: Nach der PK am Donnerstag tausche ich am Funkhaus Freiburg die Fahrzeuge und übernehme den weißen Toyota Auris Hybrid von baden.fm. Ich gebe zu, in meinem privaten Ford Kuga sitzt man höher, entspannter und den Rücken schonender aber mit dem Kuga war ich gerade schon aus den genannten Gründen fürs Radio beim Frauen-Finale in Köln. Diesmal also lieber der Geschäftswagen, damit der private nicht zu viele Kilometer auf die Uhr bekommt und Hannover ist ja eine kleine „Weltreise“ von Deutschland Süd nach Deutschland Nord. Deshalb und um meine Mutter in Bielefeld mal wieder zu besuchen, starte ich auch schon am Donnerstagabend und bringe die erste Etappe bis Gießen hinter mich. Hier, so etwa auf halber Strecke übernachte ich in einem mir lieb gewordenen Hotel mit feinem Restaurant. Freitagmorgen geht es dann – wie immer überwiegend per Landstraße (über Marburg und Korbach) bis in die Heimat. Das übliche Programm ist dann mit meiner Mutter zu Café Knigge zum Mittagessen gehen, eventuell ein Friseurbesuch, nachmittags etwas ausruhen und abends ins kultige „Kreta“ zu alten Wegbegleitern, Freunden und natürlich zum Essen.

Am Samstag, dem Spieltag, sind die Fahrt nach Hannover und zurück letztlich nur kleine „Hüpfer“. Fahrtzeit etwa 45 Minuten, höchstens eine Stunde.

Am Sonntag ist Muttertag – ein ausgedehntes Frühstück mit meiner alten Dame und ein Blumengesteck sind da Ehrensache.

Spätestens um 11 Uhr muss ich dann aber los – schließlich spielt Arminia auf meinem Weg zurück in den Süden, quasi einen Steinwurf von der A5 entfernt, beim SV Sandhausen. Hier heißt es einmal mehr alte Bekannte zu treffen und in der Vergangenheit zu „baden“. Ganz nebenbei werde ich auf der Pressetribüne des Sandhäuser Stadions mit dem SC Paderborn mitfiebern, der im Heimspiel gegen den HSV den entscheidenden Schritt im Aufstiegskampf machen könnte. Ich bin ja davon überzeugt, dass es für den SC Freiburg besser wäre, wenn Paderborn aufsteigt als wenn es nach den Kölnern mit dem HSV ein weiterer „dicker Fisch“ schaffen würde. Christian Streich fragte mich bei diesem Thema neulich, ob ich denn glaubte, dass Hamburg nächstes Jahr sportlich so viel höher einzuschätzen sei und ich verwies darauf, dass beim HSV immer die Gefahr besteht, dass sich irgendein Milliardär findet, der in den Hamburgern ein interessantes Investitionsobjekt sieht. Der SC-Trainer stimmt mir zu.

Neulich hatte ich sogar die verrückte Idee, dass der Scheich aus Katar, der sich Gerüchten zu Folge von Paris Saint Germain zurückziehen will, auf die Idee kommen könnte, sich der Hamburger anzunehmen: Eine Weltstadt, ein Verein mit großem Namen in einem Land, in dem der Fußball weitaus populärer ist und deutlich mehr Menschen in die Stadien und in seinen Bann zieht als zum Beispiel in Frankreich. Also wenn ich Scheich wäre, ich fände Hamburg ein interessantes Thema. Zum Glück haben wir hier die 50+1-Regel und zum Glück bin ich kein Scheich… Ich bin sehr glücklich als Radioreporter den SC Freiburg zu begleiten; am Wochenende einmal mehr nach Hannover – diesmal unbeschwert, sorglos und bestens gelaunt. Ich werde mir ein Fest daraus machen…

 

(Fortsetzung folgt)