8. Spieltag der Fußball-Bundesliga, 1. FC Union Berlin gegen SC Freiburg

Samstag, 19. Oktober 2019, 15.30 Uhr *

Stadion "An der Alten Försterei", Berlin-Köpenick *

1. FC Union Berlin - SC Freiburg *

Das Vorspiel 

 

Eigentlich war der SC gegen Borussia Dortmund so stark, dass die Unterbrechung des Bundesligabetriebs durch die Länderspielpause für den SC nicht wirklich gelegen kam. Dennoch erlebten dann ja Luca Waldschmidt und – für viele etwas unerwartet- auch Abwehrstratege Robin Koch ihr Debüt im Trikot der deutschen A-Nationalmannschaft. Die beiden Vize-Europameister der deutschen U21 machten ihre Sache gegen Argentinien – beide in der Startelf und 90 Minuten plus Nachspielzeit dabei – und in Estland – hier stand nur Luca in der Startelf, Robin blieb auf der Bank – durchaus ansprechend.

Derweil übten die Daheimgebliebenen im französischen Colmar. Trotz der vielen Abstellungen für internationale Aufgaben, stand im schmucken kleinen Stadion des französischen Kooperationsvereins immer noch eine veritable Bundesligamannschaft auf dem Platz. Nach müder und torloser erster Halbzeit, wurde der Klassenunterschied nach dem Wechsel deutlich. In der zweiten Hälfte stürmte nur noch der SC. Ein Kopfballtor von Höler, nach Flanke von Petersen, blieb aber der einzige Treffer, auch weil Terrazzino mit einem herrlichen Schuss nur  die Querlatte traf. Der KSC kam dem Ausgleich zu keinem Zeitpunkt nahe, auch nicht, als der SC Freiburg die letzten 20 Minuten mit fünf Regionalligaspielern aus der U23 bestritt. Unter dem Strich, war es ein gelungener Test der Daheimgebliebenen. Nicht mit dabei war Pechvogel  Lukas Kübler, der mit einer Knieverletzung lange ausfallen wird. „Chico“ Höfler zog sich, wie man heute weiß, weine Zehenverletzung zu, die ihn aber nicht länger aus dem Rennen nahm.

Dieses, wegen viel Arbeit im Verlag, mit großer Verspätung nachgeschobene „Nachspiel“ zum Dortmund-Kick ist zugleich der Anfang des Vorspiels für die Auswärtspartie beim 1. FC Union Berlin.

Es ist ungewohnt, dass ich erst am Spieltag anreise, erst recht wenn das Spiel so weit entfernt stattfindet; Köpenick ist schließlich eine der besonders weiten Auswärtsreisen unseres SC, aber morgen nutze ich die Direktverbindung vom Euroairport Basel-Mulhouse-Freiburg nach Berlin-Schönefeld, was ja wirklcih nicht weit von Köpenick ist. Ich fürchte, den Ku'damm werde ich diesmal nicht sehen. Um 5 Uhr geht der Wecker - um 5.45 Uhr fahre ich los und um 8.15 Uhr geht der Flug. Das müsste entspannt zu machen sein. Ankunft in Schönefeld ist um 9.50 Uhr.  Dann übernehme ich direkt den reservierten Mietwagen und fahre in das das kleine Privathotel, ein paar Minuten vom Flughafen entfernt, wo ich schon häufiger war und in dem ich auch schon um 10 Uhr ohne Aufpreis einchecken kann. Ich ahne, dass ich mich dann erstmal ein wenig ausruhen werde, bevor es in der Mittagszeit weiter nach Köpenick geht.

Als ich das letzte Mal im Stadion "An der Alten Försterei" war, funktionierte die Technik nicht wie gewünscht. Ich bekam ersatzweise ein Telefon oben unter dem Stadiondach zugewiesen und übertrug mit dem Telefonhörer am Ohr. Angesichts des Höllenlärms, der bei Union-Spielen veranstaltet wird, war das nicht unproblematisch, weil ich die Anmoderationen aus dem Studio praktisch nicht hören konnte.  Die rührige Presseabteilung des Erstligaaufsteigers, der mir absolut nicht unsympathisch ist, hat mir versichert, dass die Technik geprüft ist und morgen alles funktionieren müsste. Nun haben wir inzwischen eine andere Technik als damals - ich bin also tiefenentspannt, wobei der Lärm, der von den Fans gemacht wird, durchaus Probleme bereiten könnte - ich muss entschlossen und laut und gaaanz nahe am Mikrofon sprechen, damit ich die Union-Fans überstimme; oder die SC-Fans, denn sage und schreibe 2.500 Sport-Club-Anhänger werden im Stadion sein. Geile Scheiße, oder!?

Sportlich wird der SC dann erfolgreich sein, wenn er an seine guten Leistungen aus dieser Saison anschließen kann; ich denke dabei vor allem an Dortmund und Hoffenheim. Wer meint, Union mit weniger Einsatz und Spielkunst erledigen zu können, ist auf dem Holzweg. Die Köpenicker haben, wenn sie verloren haben, jeweils denkbar knapp verloren und fast immer haben sie vorher eine große Anzahl klarer Torchancen liegen lassen. Union hat ein Effizienzproblem. Wenn sie aber mal effizient spielen, und drei von vier Chancen nutzen, dann schlagen sie sogar ein Kaliber wie Borussia Dortmund. Der SC ist also gewarnt. 

Nach vier Auswärtssiegen in vier Saisonspielen in Liga und Pokal wäre es doch zu ärgerlich, würden Nachlässigkeiten zu einer Niederlage bei einem vergleichsweise kleinen Gegner, obwohl es die in der Bundesliga ja gar nicht gibt, mehr als ärgerlich. Man muss auch warnend zu bedenken geben, dass sich der SC gegen die anderen beiden Aufsteiger etwas schwer getan hat... Klar, in Paderborn haben sie gewonnen aber da war auch eine Menge Glück dabei; Glück, dass Paderborn nicht effozient spielte und der SC seine drei Chancen in Tore ummünzte, was auch nicht alle Tage vorkommt. Köln, der zweite Aufsteiger, hat in Freiburg gewonnen. Zwar diesmal mit viel Pech auf Freiburger Seiten aber der SC hat verloren, ein Spiel, für das die meisten drei Punkte hochgerechnet hatten.

Und morgen? Ich bin gespannt und wäre ich von der Arbeit der letzten Wochen im WZO-Verlag, wo in meiner Redaktion zurzeit durch Krankheit und Urlaub stets zwei Kräfte ausfallen, nicht einwenig gerädert, würde es vermutlich schon kribbeln. Ich bin sicher, das beginnt morgen, wenn der Flieger abhebt...

Ich übertrage das Spiel 1. FC Union Berlin gegen SC Freiburg am Samstagnachmittag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 953. SC Pflichtspiel als Livereporter im Radio)

Es begann katastrophal und es ging katastrophal weiter: Kurz vor dem Anpfiff zündeten einige besonders engagierte SC-Fans, die zuvor ihre IBAN-Codes bei SC Finanz-Boss Oliver Leki abgegeben hatte, damit der den Sport-Club bei der zu erwartenden hohen Strafe der DFL an den Konten der Zündler schadlos halten kann, Pyro gezündet und für eine Rauchwolke gesorgt. Dann begann das Spiel und schon in der ersten Spielminute hieß es 1:0 für Union. Ein Sonntagsschuss von Bülter, der den Ball freilich unbedrängt annehmen und draufhalten konnte, flog unhaltbar für Schwollow in den Knick.

Ich erfahre gerade, dass das gar nicht stimmt mit der Kostenübernahme durch die Pyro-Idioten – sorry, dann nehme ich diesen Hinweis zurück. Solche Leute mögen sich aber bitte nie mehr SC-Fans nennen, sie schaden dem Club nämlich massiv.

Auf dem Spielfeld war es ähnlich traurig. In der 22. Minute signalisierte Alex Schwollow, dass es für ihn nicht mehr weiterging. Ein Muskelfaserriss, wie man heute weiß, nimmt die Nr. 1 für drei, vier Wochen aus dem Rennen.

Beim Duell des Tabellensechzehnten gegen den potenziellen neuen Spitzenreiter gab der  Tabellensechszehnte den Ton an; knallhart, energiegeladen und mit dem absoluten Willen, im eigenen Stadion zum zweiten Saisonsieg zu kommen. Zuletzt hatten die „Eisernen“ mit ihrer Härte und ihrem Einsatz Borussia Dortmund beeindruckt und mit 3:1 geschlagen. Dieses Mal wirkte der Sport-Club beeindruckt und in seinen Reaktionen eher zaghaft und schüchtern als ebenso entschlossen wie Union. Christian Streich ärgerte sich am Spielfeldrand und trieb seine Strategen gestenreich an – vergeblich.

In der Pause wurde gewechselt: Der schwach spielende Abrashi blieb draußen, Nils Petersen kam rein. Taktisch rutschte Robin Koch, der einer der Besten in einem schwachen Freiburger Team war, rutschte auf die Abrashi-Position im defensiven Mittelfeld und der SC agierte fortan statt im 3-4-3 in einer Grundordnung mit 4-4-2; Peteren und Waldschmidt als Doppelspitze, Haberer und Höler – ab der 56. Minute Grifo – über die Außenpositionen; welch eine namhafte Offensive… Die Folgen für Union blieben überschaubar. Der SC hatte fortan zwar mehr Ballbesitz, holte aber nur wenige wirklich erwähnenswerte Chancen heraus. Ein Angriff war wirklich sehenswert und wurde von Petersen abschlossen – leider traf Nils den Freiburger Leihspieler im Union-Trikot, Keven Schlotterbeck. So kam es, wie es kommen musste, statt des Ausgleichs kam Union in der 84. Minute zum 2:0; Schwollow-Ersatz Niclas Thiede, der bis dahin bravourös gehalten hatte, denn Union hatte mehr Chancen als der SC…, dieser Niclas Thiede stand kurz vor Schluss vielleicht etwas zu weit vor seinem Tor und wurde durch den wuchtigen Schuss von Ingvartsen etwa überrascht. Er schlug zwischen Fingerspitzen und Querlatte ein.

Es war ein gebrauchter Samstag und das sollte auch so bleiben.

 

Das Nachspiel

Unmissverständlich kritisierte Trainer Christian Streich sowohl in der Pressekonferenz als auch bei mir im Interview die Pyro-Idioten und auch seine eigene Mannschaft. Ich selbst musste erstmal runterkommen. Da fliegst Du nach Berlin, verzichtest auf jedes touristische Beiprogramm, fokussierst alles auf das Spiel und die Radioübertragung und dann geht das sportlich so schief und ein paar Knallköppe unter 2.500 treuen SC Fans ruinieren den Ruf des Clubs und seines Anhangs. Ich war sauer. Stocksauer.

Irgendwann nach 20 Uhr entschloss ich mich, mir durch ein richtig gutes Essen bei einem sehr feinen Italiener in Schönefeld Trost zuzuführen. Ich bestellte, weil es scheiß egal war und ich nur Trost wollte, das Menü für über 50 Euronen und dann erreichte mich, während der Vorspeise die Nachricht und ein Bild von dem brennenden Fan-Zug. Ich dachte, das wäre ein Fake, ein schlechter Gag wegen der Pyro-Aktion oder so, doch dann checkte ich, fern von Facebook und Co. Die Angelegenheit bei der Onlineausgabe einer Berliner Zeitung und merkte, dass das ernst war, womöglich todernst… Mit dem gemütlichen Essen war es vorbei – meine Nerven spielten verrückt. Und da ich Journalist bin und für baden.fm in Berlin war, musste ich natürlich auch Programmchef Reyk Heyer informieren, ist ja klar. Gemütlich essen? Gut und teuer? Vergiss es! Klar habe ich alles irgendwie verschlungen, aber keine Spur genossen und die Gefahr, in der ich die SC-Fans wähnte beschäftigte mich sehr. Die ganze Nacht im Hotel hatte ich Verdauungsprobleme, einen Mega-Schluckauf und so weiter. Die Gedanken spielten verrückt. Immer wieder wurde ich wach, schielte zur Uhr, denn um 4.30 Uhr war die Nacht für mich vorbei. Die kurze Strecke mit dem Mietwagen zum Flughafen, Check-In, wie immer in Berlin überfüllt, selbst so früh am Tage, dann warten auf das Gate, dass erst kurz vor dem geplanten Abflug bekannt gegeben wurde und dann heim nach Südbaden. Ich war freilich total gerädert, will das aber gar nicht mit dem vergleichen, was die Zuginsassen erlebt hatten. Immerhin wusste ich, dass ein Drama ausgeblieben war. Und das ist gut so.

Sämtliche Spekulationen über die Brandursache hielt und halte ich für fehl am Platz.

Sonntag war dann ein bisschen Familie und viel ausruhen. Montag war Zeitungsarbeit - Alltag. Hier ist meine Kolumne "SC INTEAM", die diese Woche in den Wochenzeitungen am Oberrhein erscheinen wird:

SC INTEAM

Nach drei Bundesliga-Auswärtssiegen hat es den SC Freiburg am achten Spieltag erwischt: Bei Aufsteiger  1. FC Union Berlin kassierte der Sport-Club völlig verdient eine 2:0-Niederlage. Union spielte energiegeladen, rustikal und mit vielen langen Bällen. Obwohl die Freiburger das Team aus Köpenick genauso erwartet hatten, fanden sie in 90 Minuten kein Mittel dagegen. Union Berlin kämpfte bis zum Umfallen, wobei damit durchaus auch das Umfallen der Freiburger gemeint ist. Viele Zweikämpfe der „Eisernen“ gerieten grenzwertig und es hätte dem Freiburger Spiel sicher gut getan, wenn Schiedsrichter Benjamin Cortus strenger regulierend eingegriffen hätte. Da er das nicht tat, kaufte Union dem SC auch durch grenzwertige Härte den Schneid ab, was aber keine Entschuldigung  für die insgesamt schwache Leistung der Schwarzwälder sein kann. „Das ist Bundesliga“ lautete der lakonische Kommentar der SC-Kicker, wenn sie auf die Zweikampfhärte der Gastgeber angesprochen wurden. Niemand versteckte sich hinter einer Ausrede. Fest steht, hätte der Sport-Club bei Neuling Union, wo er als Favorit galt, gewonnen, wäre Freiburg heute Bundesliga-Spitzenreiter – egal  wie weit der Auftritt im Stadion „An der Alten Försterei“ vom Glanz eines Tabellenführers auch entfernt war. Durch die Niederlage ist der Sport-Club, zwei Punkte hinter Spitzenreiter Mönchengladbach, auf Rang sechs der Tabelle und damit immer noch erfolgreicher als erwartet. Es fällt auf, dass der SC seine stärksten Leistungen gegen Mannschaften brachte, die als Favorit galten und schon von der sogenannten Papierform her eine Herausforderung darstellten. In Hoffenheim oder daheim gegen Borussia Dortmund – das waren Top-Auftritte. Verloren hat der SC hingegen gegen die Aufsteiger Köln und Union Berlin. Der Sieg in Paderborn kam zudem überaus glücklich zu zustande. Es würde zu kurz greifen, diese Beobachtungen alleine auf psychologische Momente zurückzuführen. Gravierend  unterscheiden sich auch die jeweiligen Spielweisen von Favoriten und Außenseitern, gegen die der SC anzutreten hat. Entsprechend beeinflusst das die Mittel, zu denen der SC Freiburg jeweils zu greifen hat und es scheint, als kämen Freiburger Stärken gegen Mannschaften, die fußballerisch ansprechend zu kicken verstehen, besser zum Tragen. Mit Julian  Nagelsmanns Leipzigern kommen am Samstag, 26. Oktober,  Spitzenkönner ins Schwarzwaldstadion. Vielleicht kann der SC  dann wieder Qualitäten  beweisen, die in Berlin-Köpenick so schmerzlich vermisst wurden. Man darf aber auch schon gespannt sein, welche Mittel sich der SC Freiburg zurecht legt, wenn es gilt, am Dienstag, 29. Oktober, um 18.30 Uhr, im DFB-Pokal-Heimspiel  Revanche an Union Berlin zu nehmen. (Zitatende)

 

Man ließt sich am Freitag... Leipzig kommt.