Zwischen den Spielen
Sorry, Freunde, das Tagebuch am Ende des letzten Spieltags der Vorsaison blieb unvollendet. Zu sehr schmerzte die knappe Niederlage bei Union Berlin, das Abrutschen auf Platz 10, das Verpassen eines europäischen Wettbewerbs. Bitter für den Verein, den zurückgetretenen Trainer Christian Streich, die SC-Fans – besonders bitter auch für mich persönlich. Die zwei Jahre, in denen ich als Radioreporter auf den Spuren des SC Freiburg durch Europa reisen durfte, meistens begleitet von guten Freunden, waren ein Traum. In meinem Fall muss ich jetzt ehrlicher Weise fragen – war es das mit internationalem Fußball im (Neben-)Job? Ich hatte zwar die Kraft, die Freude und die professionelle Einstellung, um in der Saison 23/24, neben meinem 40-Stunden-Hauptjob im Zeitungswesen, im Hörfunk Bundesliga, DFB-Pokal, Europa-League + Dritte Liga zu stemmen – ohne einen Krankheitstag, ohne einen Ausfall und ohne Panne und ich würde mir einen ähnlichen Kraftakt heute im Zweifel auch noch einmal zutrauen, ich weiß aber auch, zumindest, wenn ich im Pass nachschaue, ich werde im September 64 Jahre alt und alles ist endlich.
Nein, ich plane in absehbarer Zeit keinen Ausstieg, ich weiß aber, dass es auch völlig normal wäre, wenn der SC mal fünf, sechs Jahre nicht international spielt, denn das war ja auch in der Vergangenheit eher die Ausnahme. 40 Punkte + x – das ist die Währung, die in Freiburg gilt. Und womit? Mit Recht!
Jetzt schließe ich ja nicht aus, dass ich meinem Bochumer Kollegen Günther Pohl nacheifere, der auch mit 70 Jahren noch alle Spiele des VfL wunderbar kommentiert – nur eine Garantie auf Europapokal wäre das ja auch in Freiburg nicht…
Deshalb war ich so enttäuscht am Ende der Vorsaison und weigerte mich innerlich, meinen Tagebucheintrag zu komplettieren.
Jetzt sind mehr als zwei Monate seit Berlin-Köpenick vergangen und ich brenne schon wieder auf die neue Saison.
Gestern, am Mittwoch, 24. Juli, habe ich im Kurhaus Bad Krozingen, im Rahmen des örtlichen Rotary Clubs, dem ich angehöre, einen Fußballvortrag gehalten, an dem ich Euch gerne teilhaben lasse:
Rotary Club Bad Krozingen
Mittwoch, 24. Juli 2024
Vortrag: Nach der EM ist vor der Bundesliga – Einsichten, Ansichten und Erwartungen im Fußball
Von Frank Rischmüller
Was bleibt von der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land?
Die Stadien waren voll
Die Stimmung in den Stadien und im Umfeld der Spiele, auf den Fanmeilen, in den Innenstädten, bei Public Viewings war gut
In einer verrückt spielenden Welt blieb dieses vierwöchige internationale Großereignis ohne irgendeine Katastrophe – ein Lob den Sicherheitskräften im Vorder- und im Hintergrund!
Es war ein „Sommermärchen light“
Warum war es überhaupt so etwas wie ein Sommermärchen?
Die deutsche Nationalmannschaft hat positiv überrascht. Dem neuen, vergleichsweise jungen und nach seiner Berufung ins Amt durchaus auch umstrittenen Bundestrainer Julian Nagelsmann ist es gelungen, eine spannende Mischung aus alten und neuen Stars zusammenzustellen: Toni Kroos, der größte deutsche Fußballer der vergangenen 15 Jahre und individuell der erfolgreichste deutsche Fußballer aller Zeiten wurde von Nagelsmann für die Nationalmannschaft reaktiviert und seine Routine wurde mit dem überbordenden Talent der neuen Generation, Musijala, Wirtz, Havertz und Co. kombiniert.
Bei der Kaderzusammenstellung hat Nagelsmann klare Rollenbeschreibungen eingeführt und deren Akzeptanz eingefordert und abgefragt. Das war neu. Der Bundestrainer hat intern klar benannt, wer Stammspieler, wer Ergänzungsspieler ist und wer die EM womöglich komplett auf der Bank verbringt.
Der einzige Feldspieler, den dieses Schicksal, neben den Ersatztorhütern André ter Stegen und dem Bad Krozinger Oliver Baumann in der Praxis traf, war Robin Koch, früher mal SC Freiburg, dann Leeds United, aktuell Eintracht Frankfurt.
Wichtig war: Die vorgegebenen Rollen wurden angenommen und akzeptiert – so gab es keinen Stunk und einen menschlich funktionierenden deutschen EM-Kader, der stets als verschworene Einheit auftrat.
Mit der vorhandenen fußballerischen Qualität und der Harmonie im Kader gelang der deutschen Mannschaft das beste Turnier seit 8 Jahren.
Warum aber blieb es aber beim „Sommermärchen light“?
Am Anfang begegnete dem deutschen Team viel Skepsis. Als diese sich, nach einer guten Vorrunde mit dem Gruppensieger Deutschland immer mehr zu Begeisterung wandelte, war das Turnier für Deutschland auch schon wieder zu Ende.
Die ganz große Begeisterung im Land erstickte im Viertelfinale an einem Freitagabend gegen Spanien…
Ihr erinnert Euch – es war der Abend des Stabwechsels in unserem Rotary Club. Nochmal mein Dank an die Verantwortlichen, dass die Fußballfans zur Einstimmung gemeinsam Fußball schauen durften!
Rückblickend war das Viertelfinale Deutschland gegen Spanien tatsächlich das vorweggenommene Endspiel, denn es standen sich tatsächlich die besten Mannschaften dieses Turniers gegenüber.
Die beste Mannschaft war der spätere verdiente Europameister Spanien – die zweitbeste Mannschaft des Turniers war Deutschland, auch wenn im Detail, dieses oder jenes hätte besser gemacht werden können.
Bei der Turnierbetrachtung war Spanien sehr gut – Deutschland war gut. An diesem Freitagabend aber, als sich beide Mannschaften im Viertelfinale gegenüberstanden, war Deutschland sogar eine Spur besser als Spanien.
Deutschland hat das Spiel mutmaßlich nur deshalb kurz vor einem eventuellen Elfmeterschießen in der Verlängerung verloren, weil der Schiedsrichter den Deutschen in der 106. Minute einen Handelfmeter NICHT gegeben hat, der bei der aktuellen Auslegung der Handregel unbedingt hätte gepfiffen werden müssen. Es hätte Elfmeter für Deutschland geben müssen, Punkt.
Warum hat es keinen Elfmeter gegeben, warum hat der VAR nicht eingegriffen?
Nun – es war derselbe Videoschiedsrichter am Bildschirm dabei, der beim 2:0 von Deutschland gegen Dänemark als VAR im Einsatz war. Da hatte es, nach Eingriff des Video-Assistent-Referees (VAR) einen Elfmeter gegeben; die Situation war ähnlich aber längst nicht so eklatant. Gegen Dänemark war es eine Flanke, die vom leicht abgespreizten Arm eines Dänen – fürs menschliche Auge nicht wahrnehmbar – berührt worden war. Durch Hightech lässt sich die Berührung durch die Erschütterung des Balles aber wahrnehmen.
Diese Situation hat der VAR als elfmeterreif wahrgenommen und das Spiel unterbrochen. Es gab den Elfmeter und es gab im Anschluss, nach allem was man hört, intern mächtig viel Kritik an diesem Eingreifen des VAR.
Kurz: Es hätte keinen Elfmeter geben dürfen.
Im Viertelfinale gegen Spanien war es keine Flanke, sondern ein Torschuss, der Arm des Spaniers war deutlich weiter vom Körper abgespreizt als im umstrittenen Vergleichsfall gegen Dänemark, das Handspiel war für jedermann sichtbar und verhinderte, dass der Schuss von Musiala aufs Tor kam, vielleicht sogar ins Tor gegangen wäre.
Der VAR aber, wegen des Dänemark-Spiels ein gebranntes Kind, blieb still – hatte er sich doch ein paar Tage zuvor mächtig viel Kritik eingefangen, weil er in einer im Ansatz vergleichbaren Situation korrigierend eingegriffen hatte.
Das Ende vom Lied: Nach einem Abwehrfehler kassierte Deutschland, kurz vor Ende der Verlängerung, das Gegentor von Spanien, schied aus und Spanien wurde später verdienter Europameister.
Das Ausscheiden im Viertelfinale ließ kein Sommermärchen wie 2006 zu, als Deutschland WM-Dritter wurde, trotzdem hat die Nationalmannschaft bei dieser EM einen guten Job gemacht.
Und damit legen wir die EM zu den Akten.
Denn:
Nach der EM ist vor der Bundesliga!
Und damit sind wir beim SC Freiburg. Nach zwei wunderbaren Jahren auf europäischer Bühne hat der SC das internationale Geschäft in der vergangenen Saison knapp verpasst. Es fehlte ein Punkt. Genauer betrachtet, hätte es gereicht, am vorletzten Spieltag, beim 1:1 im Heimspiel gegen Heidenheim
oder am letzten Spieltag, bei der knappen 1:2-Niederlage bei Union Berlin, ein Tor mehr zu schießen, dann wäre der SC auch in der nun beginnenden neuen Saison wieder international dabei.
OBWOHL und darauf muss bei einer Einschätzung der vergangenen Saison hingewiesen werden, der SC im Spieljahr 23/24 so viel Verletzungspech hatte, wie noch nie zuvor in den 30 Jahren, die ich den Verein als Hörfunkreporter begleiten darf. Ich nenne mal ein Beispiel: Die Innenverteidigung. Bei einem gängigen Spielsystem benötigt man zwei dieser Spezialisten, die gegen die zentralen Stürmer des Gegners spielen. Wenn man zwei benötigt, nimmt man als Proficlub vier oder fünf unter Vertrag, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Der fünfte ist dann meist ein Talent aus der Jugend oder so. Das war auch beim SC der Fall.
Das Problem: Beim SC Freiburg waren bis zum Saisonabschluss, über Wochen und Monate VIER von diesen fünf gelernten Innenverteidigern verletzt.
Allen voran die beiden Stammverteidiger Matthias Ginter, deutscher Nationalspieler und verhinderter EM-Teilnehmer, und Philipp Lienhart, österreichischer Nationalspieler und dort Stammspieler bei der EM, weil er gerade noch rechtzeitig wieder fit geworden ist. In der Bundesliga, beim SC, fehlten beide über Monate wegen Verletzung, und zwei ihrer Ersatzleute obendrein. Trotzdem fehlte nur ein Punkt, fehlte nur ein Tor, um auch in der nächsten Saison wieder europäisch dabei zu sein.
Jetzt kann man sagen, ja, ärgerlich, Schwamm drüber – Ihr könnt Euch aber gar nicht vorstellen wie viel Geld dem SC dadurch verloren geht… Und noch viel schlimmer ist ein anderer Umstand: Der Sportvorstand Jochen Saier hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass der SC Freiburg für die neue Saison mit drei, vier herausragenden neuen Spielern praktisch handelseinig war – Spieler, die aber nicht nur für den SC, sondern auch mit dem SC international spielen wollten. Als nach dem letzten Spieltag der vergangenen Saison feststand, dass Freiburg in 24/25 nicht international dabei sein wird, sind diese Kandidaten abgesprungen.
Denn die internationale Bühne ist für richtig gute Fußballer ein ganz wichtiger Faktor bei der Karriereplanung.
Vor diesem Hintergrund hat sich beim SC am Transfermarkt noch nicht allzu viel bewegt. Es gibt aber auch keine bedeutenden Abgänge – auf Seiten der Spieler zumindest nicht. Ein anderer Abgang fällt schwer ins Gewicht:
Die gravierendste Änderung gibt es auf der Trainerposition. Nach knapp 13 Jahren hat Christian Streich seinen Rücktritt erklärt. Streich war und ist eine prägende Figur in diesem Verein. Sein Abschied hat die ganze Region und die ganze Fußballrepublik bewegt.
Der ReblandKurier und auch ein paar andere Zeitungen haben vor dem letzten Spiel unter Streich einen Text von mir veröffentlicht, den ich selbst als „offenen Brief“ an den scheidenden Trainer bezeichnet habe – den Text habe ich hier nochmal ausgegraben, weil er ganz gut den Menschen Christian Streich skizziert.
Überschrift: So viele Fragen – eine habe ich Ihnen nie gestellt…
Lieber Herr Streich,
Am Samstag steigt das letzte SC-Spiel mit Ihnen als Trainer. Gerne wollte ich Ihnen etwas schreiben, eine Erinnerung wachrufen – unsere langjährige Zusammenarbeit würdigen und Ihnen dafür danken. Aber welche Erinnerung soll ich nehmen, angesichts der Tatsache, dass ich – mit Ausnahme eines Spiels, wegen eines Krankenhausaufenthalts, und der zwei oder drei Corona-Kicks, die ich am Bildschirm kommentieren musste – bei jedem einzelnen Ihrer Spiele als Cheftrainer, in meiner Rolle als Kommentator, dabei war? Und Sie – wegen der Medienpartnerschaft zwischen Ihrem Arbeitgeber SC Freiburg und meinem Auftraggeber, baden.fm – nach jedem dieser Spiele interviewen durfte beziehungsweise musste; egal wie es ausgegangen war. Was wähle ich aus, um mich mit Ihnen zu erinnern?
Das Interview nach dem verlorenen Pokalfinale, das trotzdem irgendwie ein Sieg war, spät nach Mitternacht in den Katakomben des Olympiastadions? Oder soll ich das Spiel thematisieren, in dem es Ihnen und Ihrer Mannschaft erstmals überhaupt in der Geschichte gelungen ist, den FC Bayern in München zu schlagen? Ich könnte über Pressekonferenzen schreiben, in denen Sie von den Kollegen gerne auch zu Themen außerhalb der Fußballwelt befragt wurden; weil die Antworten gleichermaßen klug und unterhaltsam waren und sich abhoben vom üblichen Grundrauschen über Mannschaftsaufstellungen und taktische Pläne. Kritiker motzten dann stets: „Muss der Streich sich denn zu allem äußern? “ Ich konnte dann immer nur sagen: „Sorry, er wurde danach gefragt. Warum sollte er keine Antwort geben?“
Aber auch das ist es nicht, was mich persönlich am meisten an unsere gemeinsame Zeit erinnert.
Ich hoffe, Sie sehen es mir nach, wenn ich eine Geschichte aus der vermutlich dunkelsten Stunde unserer Zusammenarbeit erzähle. Eine Geschichte, der ich – obwohl ich Ihnen beruflich schon weit über 1.000 Fragen gestellt habe – eine Frage anfügen möchte, die noch nie zur Sprache kam...
Rückblende: 23. Mai 2015. Zwei Wochen nachdem uns (als SC-Mitglied und Förderer der Freiburger Fußballschule erlaube ich mir in diesem Rahmen die 1. Person Plural) der ansonsten hoch geschätzte Sportkamerad Knut Kircher an einem schwachen Tag um den verdienten Sieg in Hamburg gebracht hatte und eine Woche nach dem umjubelten Heimsieg gegen den FC Bayern, spielten wir am 34. Spieltag in Hannover. Hiroshi Kijotake schoss schon in der 3. Minute das 1:0 für 96 und von da an begann dieses lähmende Entsetzen; diese innere Verzweiflung und das sichere Vorgefühl einer nahenden sportlichen Katastrophe. In den Stadien, in denen die knapp hinter dem Sport-Club platzierten Konkurrenten spielten, fielen auch Tore; für die Konkurrenz...
Ich kommentierte das Spiel in Hannover mit zitternder Stimme, fast wie ein Ertrinkender. Als Pavel Krmas den Ball in der 84. Minute ins eigene Netz drosch, versagte mir die Stimme. Kloß im Hals. Es war furchtbar. Auch für mich, glauben Sie es mir!
Nils traf noch – aber zu spät. Abpfiff, Abstieg, Verzweiflung, Unglaube.
„Du musst funktionieren“, sagte ich mir. Interviews machen, Radio-Profi sein. Ich zwang mich und irgendwie ging es zunächst. Interviews in der Mixedzone, das übliche Programm; wenn auch anders und voller Traurigkeit.
Dann die Pressekonferenz. Ich wartete, entgegen meiner Gewohnheiten, ganz hinten im Presseraum, auf die Ankunft der Trainer und des Leiters der PK. Dann kamen Sie rein. Ihr Blick scannte den Saal. Dann ließen Sie die anderen Herren warten, gingen nicht zum Podium, sondern quer durch den Presseraum zu mir und nahmen mich in den Arm; wortlos. Mich, den Radio-Fuzzi von dem eher unbedeutenden Lokalsender. Ein Gänsehautmoment.
Unser letztes Interview in jener Saison, Minuten nach dieser Szene, mussten wir vorzeitig abbrechen, weil wir beide weinen mussten.
Nun, Herr Streich, die Frage, die ich nie gestellt habe: Wie kam es zu Ihrer ungewöhnlichen, oben beschriebenen Geste?
Abschließend möchte ich mich bedanken – für den stets freundlich gesinnten und wertschätzenden Umgang, auch wenn ich im großen Medienrummel nur an einem kleinen Rädchen drehe. Unser Umgang miteinander macht vermutlich die Besonderheit unserer vielen hundert Audio-Interviews aus. Bis heute siezen wir uns auch ohne Mikrofon. Hinterzimmer-Kumpanei ist uns fern. Ich denke, wir sind uns trotzdem nahe; weil wir den Fußball lieben; und den Sport-Club. Wir sehen uns im Stadion!
Herzlichst, Frank Rischmüller
Zitatende –
und dieser Christian Streich, dieser besondere Trainer ist nun nicht mehr dabei.
Aber der Sport-Club wäre nicht der Sport-Club, hätte er nicht eine fast einmalige Nachfolgelösung gefunden. Der Streich-Nachfolger und neue Cheftrainer hat noch nie eine Profimannschaft, er hat noch nie eine Erwachsenenmannschaft trainiert. Aber Achtung: Das galt für Streich auch, als er Cheftrainer beim SC Freiburg wurde…
Der neue Mann heißt Julian Schuster, ist 39 Jahre jung – zwei Jahre älter als der Bundestrainer – und seit 16 Jahren beim SC. Er kam damals als talentierter Spieler vom VfB Stuttgart – als Streich Trainer wurde machte er Schuster zum Kapitän und in dieser Rolle blieb Julian bis zum Ende seiner Aktiven-Karriere vor sechs Jahren. In seiner letzten Saison spielte Schuster nur noch sporadisch, sein Trainer, Streich, wies aber immer darauf hin, wie wichtig der Kapitän auch außerhalb des Platzes, als Führungspersönlichkeit für die Mannschaft sei.
Noch als Spieler und vor allem nach der Karriere ließ sich Julian Schuster zum Trainer ausbilden.
Julian Schuster besitzt seit Januar die Pro-Lizenz, die ihn formal für die Rolle qualifiziert, die er vor kurzem übernommen hat: Cheftrainer beim SC Freiburg. In den letzten Jahren hat er sein Geld als sogenannter Verbindungs- und Co-Trainer beim SC verdient. Der Verbindungstrainer kümmert sich insbesondere um die Spieler, die von der U19 in die U23 bzw. von der U19 oder der U23 in den Profikader aufsteigen. Schaut man sich die letzten Jahre diesbezüglich an, drängt sich der Eindruck auf, er habe da einen richtig guten Job gemacht: Torwart Noah Atubolu und die Feldspieler Kiliann Sildillia, Kenneth Schmidt, Max Rosenfelder, Jordy Makengo, Bruno Ogbus, Berkay Yilmaz, Noah Weißhaupt, Merlin Röhl und Johan Manzambi aus dem aktuellen Kader kommen aus dem eigenen Nachwuchs (10 Spieler!) – ganz zu schweigen von Talenten, die inzwischen für zig Millionen weiterverkauft wurden – Nico Schlotterbeck zu Borussia Dortmund und Kevin Schade zum FC Brentford in England spülten jeweils mehr als 20 Mio. Euro in die Vereinskasse. Julian Schuster hat als Verbindungstrainer eng mit all diesen Spielern zusammengearbeitet.
Fachlich steht der neue Trainer sicher außerhalb jeder Kritik.
Wie sieht es mit der persönlichen Ausstrahlung aus? Kann Schuster diese herausragende und prägende Persönlichkeit Christian Streich ersetzen?
Nun, liebe Freunde, ich habe im Januar 2012 die erste Pressekonferenz des damaligen A-Jugendtrainers Christian Streich als Cheftrainer erlebt und kürzlich auch jene des ehemaligen Verbindungstrainers Julian Schuster als neuer Cheftrainer. Und es war beeindruckend. Ausstrahlung und Wirkung von Schuster waren eindrucksvoller als vor knapp 13 Jahren die Ausstrahlung von Wirkung von Christian Streich zum damaligen Zeitpunkt, dem Beginn der Ära Streich.
Julian Schuster war sehr nahbar und persönlich – und trotzdem kam nie ein Zweifel darüber auf, wer der Chef, respektive der Cheftrainer im Raum war. Ich habe eine moderne Führungspersönlichkeit erlebt, der ich inzwischen ohne Weiteres zutraue, in diese Rolle und in
die großen Fußstapfen seines Vorgängers hineinzuwachsen.
Christian Streich hatte gleich zu Beginn seiner Tätigkeit die Ergebnisse auf seiner Seite. Die kann man Julian Schuster nun nur wünschen. Schwer genug wird es:
Die Feuertaufe, das Pokalspiel am 17. August im Hexenkessel Bremer Brücke bei Zweitligaabsteiger VfL Osnabrück, ist kein Selbstgänger. Das enge Stadion ist ein heißes Pflaster, da kommt sehr viel Energie von den Rängen und der VfL lebt von dieser Energie. Zudem ist Osnabrück am Spieltag schon im Spielrhythmus – Freiburg fängt erst an. Das wird haarig…
Eine Woche später, der Bundesligastart gegen Vizemeister VfB Stuttgart, danach geht’s zum Rekordmeister Bayern München – beides auch nicht leicht. Ich wünsche Julian Schuster gute Ergebnisse, um schnell überall die Akzeptanz zu finden, die es braucht, um mit Gelassenheit und erfolgreich zu arbeiten.
Zur Mannschaft:
Die Abwehr wird viel besser besetzt sein als in der Vorsaison – auch wenn kein Neuzugang zu verzeichnen ist. Die vielen verletzten Spieler kommen alle zurück. Das macht schon mal Hoffnung.
Im Mittelfeld und Angriff gibt es zwei – eigentlich drei Neue: Mit Vorgriff auf die neue Saison wurde schon im vergangenen Winter Florent Muslija vom SC Paderborn verpflichtet. Ein sehr trickreicher, wuseliger Spieler, dem ich in der neuen Saison einen Leistungssprung zutraue.
Als Alternative zu dem inzwischen 34-jährigen Nicolas Höfler wurde der zehn Jahre jüngere Patrick Osterhage vom VfL Bochum verpflichtet. Er übernimmt die Stelle des legitimen und potenziellen Höfler-Nachfolgers als zentraler defensiver Mittelfeldspieler von Yannik Keitel, der zum VfB Stuttgart gewechselt ist. Yannik Keitel ist ein Eigengewächs des SC, der sich aber in den Jahren als deutlich zu verletzungsanfällig erwiesen hat, um Planungssicherheit zu geben und deshalb in Freiburg keinen neuen Vertrag mehr bekommen hat.
Weiter vorne im Mannschaftsgefüge kommt der 22-jährige Eren Dinkci neu dazu. Dinkci war in der letzten Saison von seinem Ausbildungsverein Werder Bremen an den 1. FC Heidenheim ausgeliehen und hat dort eine fantastische Bundesliga-Saison gespielt. Er ist brutal schnell und ich gebe zu, als ich ihn im Winter in Heidenheim gegen Freiburg habe kicken sehen, hatte ich die Fantasie – das wäre einer für uns. Toll, dass es so gekommen ist. Dieses besondere Element „Schnelligkeit“ tut der SC Offensive sicher gut.
Ob der stets nach Höherem strebende und abwanderungswillige ungarische EM-Teilnehmer Roland Sallai den SC noch verlässt, ob der SC – was ich mir wünschen würde – im Angriff noch eine neue Alternative dazu holt, man weiß es zur Stunde noch nicht.
Das sogenannte Transferfenster, in welchem Spielerwechsel hierzulande durchgeführt werden können, schließt Ende August – bis dahin wird sicher noch kräftig spekuliert und verhandelt.
Ich persönlich sehe den SC am Ende der neuen Saison irgendwo im Mitteldrittel der Bundesliga, also zwischen Platz 7 und 12.
Der im vergangenen Jahr leider verstorbene Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer sagte immer: Schaun mer mal…
Liebe Freunde – it’s only soccer, but I like it!
Danke für Eure Aufmerksamkeit! (Zitatende)
Es ist Donnerstag, 25. Juli. Unsere Jungs sind zur Stunde noch im Trainingslager in Schruns, wo sie morgen um 14 Uhr auf den Zweitligisten Greuther Fürth treffen. Den Stream werde ich mir über die HP des SC Freiburg genau anschauen. Bin gespannt, ob die Jungs Fortschritte gemacht haben, ob die beiden Schweizer Talente aus der U23, Bruno Ogbus und Neftali Manzambi, weiter so gut mithalten und ob Noah Weißhaupt erneut so auffällig agiert wie in Altach. Florent Muslija, Noah Weißhaupt, Merlin Röhl – das sind Jungs, von denen ich mir für die nächste Saison einen weiteren Leistungssprung erhoffe. Vielleicht gibt es gegen Fürth ja schon erste Aufschlüsse darüber, ob das tendenziell gelingt. Spannend wir auch sein, wie sich Patrick Osterhage und Eren Dinkci, die beiden Neuen, mehr und mehr einfinden.
Am Samstag gibt es dann auch für mich endlich wieder ein Pflichtspiel auf dem Platz zu bestaunen. Um 14 Uhr spielt die U23 des SC Freiburg in der Regionalliga Südwest gegen Kickers Offenbach. Durch den Abstieg aus der Dritten Liga sind die Freiburger Talente nicht mehr im Fokus meiner Radioarbeit, will sagen, ich kommentiere die Spiele nicht mehr live. Anschauen will ich sie trotzdem, wann immer ich kann, nicht zuletzt um die Spieler und ihre Besonderheiten schon zu kennen, bevor sie eventuell bei den Profis ankommen und dann regelmäßig von mir am Mikrofon begleitet werden.
Die neue U23 besteht zum Großteil aus der U19, die im Mai in Potsdam das DFB-Pokalfinale gegen Hoffenheim bestritten hat, das ich live bei baden.fm kommentieren durfte. Ich habe damals schon angekündigt, dass zum Beispiel ein Bruno Ogbus – Innenverteidiger – relativ schnell im Bundesligakader auftauchen könnte. Aktuell ist er mit in Schruns und wird vermutlich beim Test der Profis gegen Fürth mitwirken, statt mit der U23 gegen Offenbach zu kicken. Ein anderer, der mir beim U19-Finale und auch schon in der Drittligasaison aufgefallen war, ist der Deutsch-Türke Berkay Yilmaz, der heute in Belfast mit der U19 der Türkei noch ein Playoff-Spiel absolvieren muss. Sonst wäre er auch in Schruns dabei, gehört er, neben Ogbus und Manzambi doch zum offiziellen Trainingskader des Bundesligateams von Julian Schuster. Luca Marino und Yann Sturm sind ebenfalls in Schruns mit dabei, wurden aber schon zum Test gegen Basel II in Hartheim (3:3) „eingeflogen“, sodass sie wohl auch gegen Offenbach wieder die U23 verstärken werden.
Das Spiel im Dreisamstadion schaue ich mir jedenfalls mit großer Freude an, gefolgt von Fernsehfußball am Abend: Gold-Favorit Frankreich spielt um 21 Uhr mit Kiliann Sildillia gegen Guinea. Beim 3:0 gestern Abend gegen die Auswahl der USA spielte der Freiburger über 90 Minuten, obwohl er recht früh eine (unberechtigte) Gelbe Karte gesehen hatte. Der Samstagabend ist also auch gerettet…
Und auch der Sonntag bringt Fußball: Um 11 Uhr kickt in Bad Krozingen-Tunsel die U17 der SG Markgräflerland mit meinem Junior Ben gegen die U20-Frauen des SC Freiburg. Die sind freilich inzwischen in die zweite Bundesliga aufgestiegen und haben sich, so mein Eindruck von der Truppe von Teamchef Armin Jungkeit, personell richtig gut verstärkt. Das wird deutlich schwerer als vor ein paar Monaten, als Ben und seine Komplizen überraschend einen 4:1-Sieg gegen die weiblichen SC-Talente einfahren konnten, nachdem sie vor genau einem Jahr noch souverän von den Mädels besiegt worden waren. Ich werde es mir mit Interesse anschauen – genau wie am Abend um 21 Uhr das Spiel der weiblichen Olympiaauswahl von Deutschland gegen die USA. Die Mädels kicken zwar auch heute, am Donnerstagabend schon – und zwar gegen Australien – doch da bin ich beruflich beim Konzert von Beatrice Egli im Kurpark (smile). Beruflich, wie gesagt.
Ansonsten wird Frauenfußball immer mehr zu meinem Thema – in der neuen Saison werde ich alle Bundesligaspiele der SC-Frauen live kommentieren. Wenn immer möglich live im Stadion, ansonsten auf Bildschirmbasis. Die Arbeit mit den Mädels, die ich jetzt bei den Testspielen gegen Bern und Basel aus der Nähe betrachtet habe, macht Spaß.
Trotzdem spielt die baden.fm-Bundesligashow mit den Spielen der männlichen SC-Profis für mich die Hauptrolle, steht ganz klar und ohne Kompromisse im Vordergrund. Deshalb freue ich mich auch jetzt schon auf das erste heimatnahe Testspiel der Jungs. Am Samstag, 3. August, um 15.30 Uhr kickt der SC im „Colmar-Stadium“ im benachbarten Elsass gegen Racing Strasbourg. Es handelt sich um einen Kadervergleich über zwei Mal 90 Minuten. Bis dahin werden auch die EM-Fahrer Philipp Lienhart, Michael Gregoritsch und Roland Sallai wieder am Start sein. Ob noch ein neues Gesicht dazukommt bleibt abzuwarten. Julian Schuster hat mir gesagt, dass er auch vollstes Vertrauen zu dem jetzt vorhandenen Kader hat. Die Panikmache einiger sogenannter Fans im Netz ist völlig unangebracht. Ja, Hugo Siquet wurde an den FC Brügge verkauft und der bedauernswerte Kofi Kyereh musste erneut operiert werden und fällt lange, lange, vielleicht auch für immer, aus. Nur: Beide Spieler spielten auch in der letzten Saison keine Rolle beim SC, sind also nicht wirklich als Abgänge zu betrachten, die zwingend ausgeglichen werden müssten.
Ohne die internationale Bühne ist es auch für den SC Freiburg schwieriger geworden, richtig gute neue Spieler zu finden, die dann auch noch finanzierbar sind, was Ablöse und Gehalt betrifft. Da sollte man nichts übers Knie brechen und mein Vertrauen in die Entscheider beim SC, Sportvorstand Jochen Saier, Sportdirektor Klemenz Hartenbach und Cheftrainer Julian Schuster ist groß. Die werden es richten – so oder so.
Die Saisoneröffnung mit dem Galaspiel gegen Florenz, am Samstag, 10. August, werde ich verpassen. Geplant war ein einwöchiger Familienurlaub in Athen. Alles gebucht, alles bezahlt. Jetzt hatte meine Tochter Amelie, sie wird Ende August 12, am Montag einen Fahrradunfall, wurde operiert und hat beide Arme in Gips. Niederschmetternd für die Kleine zu Beginn der Sommerferien… Ob wir jetzt trotzdem zu viert nach Athen fliegen oder vielleicht nur Ben und ich – keiner weiß es zur Stunde. Bei Stornierung gibt es kein Geld zurück, deshalb scheidet das für mich aus. Das klimatisierte Appartement mit Roof-Top-Pool und ein Wiedersehen mit Athen, wo ich zuletzt ja schon zweimal durch meine Fußballreisen war, reizt mich schon…
Spannend wird’s dann auf der Rückreise. Der Flieger aus Athen landet am Freitag, 16. August, um 12.50 Uhr in Basel. Spätestens um 15 Uhr geht’s dann mit dem baden.fm-Corolla Richtung Bielefeld, wo Ben und ein halbes Dutzend Freunde von mir anlässlich des DFB-Pokalspiels des SC Freiburg in Osnabrück wohnen werden. Zwei von unserer Truppe sind beruflich da und entsprechend akkreditiert. Für die anderen bedurfte es Kaufkarten – und das Stadion an der Bremer Brücke ist eher klein und das Auswärtskontingent entsprechend gering. Und es ist Sommerferienzeit – heißt, viele Auswärtsfans. Durch einen Tipp aus Osnabrück konnten wir uns gestern, gleich nach Eröffnung des freien Verkaufs, online mit Sitzplatzkarten versorgen. Kleiner Tipp: Das ist zur Stunde auch immer noch möglich. Trotzdem rechne ich am 17. August mit einer ausverkauften Bremer Brücke. Das atmosphärereiche Stadion, 60 Kilometer von meiner Heimatstadt Bielefeld entfernt – wenn auch in Niedersachsen und nicht in Westfalen – habe ich schon sehr oft besucht; als Arminia-Fan zum Beispiel. Aber auch als Radioreporter: 1991, ich war ganz frisch dabei, kommentierte ich eines meiner ersten größeren Fußballspiele dort – quasi als Übung für meine Einsätze an der Seite von Arminia Bielefeld. Der VfL spielte damals gegen Krefeld-Uerdingen und Bielefelds Kult-Trainer Ernst Middendorp war mein Co-Kommentator. Unvergessen…
Auch deshalb hatte ich mich über das Pokal-Los Osnabrück gefreut. Vor ein paar Jahren haben wir da ja schon mal im Pokal gespielt und – wenn auch erst im Elfmeterschießen – gewonnen. Und in der vorletzten Saison habe ich das Drittligaspiel VfL Osnabrück gegen SC Freiburg U23 (0:1) live im Stadion an der Bremer Brücke kommentiert. Also: Ich bin da immer gerne…
Wir wohnen aber im Altstadthotel in Bielefeld, einen Steinwurf weg vom „Kreta“ und von Café Knigge meinen „Must-Have-Locations“ bei Besuchen in der Heimat. Wenn dann auch noch das Ergebnis in Osnabrück stimmt, dürfte der Samstagabend in Bielefeld richtig nett werden. Da Armina am gleichen Tag, aber abends, gegen Hannover 96 spielt, dürfte einiges los sein in der Stadt…
Wegen meiner eng getakteten Reisepläne, von Athen über Freiburg nach Bielefeld und Osnabrück, könnte es sein, dass ich kein klassisches Vorspiel hinbekomme. Für diesen Fall fungiert der letzte Teil dieses Tagebucheintrags als solches…