1. Spieltag der Bundesligasaison 2018/2019, SC Freiburg gegen SG Eintracht Frankfurt

Samstag, 25. August 2018, 15.30 Uhr *

Schwarzwald-Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - SG Eintracht Frankfurt *

Prolog

Im Vorfeld des DFB-Pokalspiels in Cottbus habe ich mit meiner Familie ein paar Tage in einem Ferienhaus in der Nähe von Luckau in der Niederlausitz verbracht. Das liegt eine halbe Autostunde von Cottbus entfernt. Es war toll! Natur pur, ein Pool nur für uns – ein großer See ganz in der Nähe – es war aber auch unglaublich einsam. Keine Feldstärke fürs Handy, kein W-LAN, kein LTE – nichts; und keine Menschen. Ich habe es nach anfänglichem Fremdeln genossen, für die Kids war es ein Paradies, meine Frau war arg verunsichert im wahrsten Wortsinn. Sie war froh als wir einen Tag vor dem Spiel, nach einer zwischengeschalteten Kahnfahrt durch den Spreewald, in die Innenstadt von Cottbus gezogen sind.

Ich musste schmunzeln, als während der Tage in dem verlassenen Kaff plötzlich ein grüner Flix-Bus an mir vorbeirauschte, der – so stand es dran – die Strecke Freiburg – Dresden anbietet. So ganz aus der Welt waren wir also doch noch nicht…

Nach dem Kick in Cottbus, das meine Frau und Kinder auf der Haupttribüne verfolgt und ich – aus diversen technischen Gründen – auf einem Stuhl im Presseraum stehend und durch ein Oberlicht schauend bei baden.fm übertragen habe, meinte meine Angetraute leicht genervt: Das war für mich Fußball in Cottbus zum ersten und zum letzten Mal. Grund für die Verstimmung war nicht etwa der SC-Sieg nach Elfmeterschießen, sondern das Verhalten einiger Haupttribünenbesucher… Als sich mein neunjähriger Sohn Ben und noch ein anderer SC-Anhänger, der sich da verlaufen hatte, über den Ausgleich durch Mike Frantz freuten, wurden sie angefeindet, beleidigt und von einem Idioten sogar bedroht. Es war also nicht alles nur Friede-Freude-Eierkuchen in der Lausitz, wie es in der Berichterstattung herüberkam. Die eindrucksvolle und laute Energie-Fantribüne hatte zwar Tim Kleindienst und vor allem Nils Petersen als ehemalige Cottbuser euphorisch begrüßt, von der Haupttribüne sei Nils aber durchaus auch beleidigt worden. „Petersen du Arschloch, du bist genauso ein Schwein wie dein Vater“ sei gerufen worden, berichtete mir der kleine Ben. Auch das hat meiner Frau nicht gefallen (und ich habe plötzlich drei Sitzplatzkarten zu viel für das Auswärtsspiel in Hoffenheim…).

Solche Anekdoten von meinen Fußballeinsätzen als Radioreporter von baden.fm erzähle ich ja gerne und seit 12 Jahren bereits in meinem Reportertagebuch. Und diese subjektive und sehr persönliche Wahrnehmung des Geschehens rund um den SC über diese Texte zum Ausdruck zu bringen und öffentlich zu machen, bereitet mir immer noch Freude. Wie der eine oder andere Stammleser aber gemerkt hat, riss in der vergangenen Saison ab und zu der Faden beziehungsweise die Serie. Ganz zum Schluss brach das dann komplett ab. Schuld war einfach eine gewisse Arbeitsüberlastung. Ich musste andere Prioritäten setzen. Zwischenzeitlich habe ich überlegt, das Tagebuch ganz einzustellen, konnte mich aber doch nicht wirklich dazu entschließen. Baden.fm will vielleicht eine Kurzfassung als Podcast veröffentlichen – klingt spannend, mal schauen. Die geschriebene Version will ich aber nicht ganz aufgeben. Ob es mir gelingt, zu jedem Spiel etwas zu verfassen, wird die Zukunft weisen. Aber jetzt fange ich erstmal wieder an, schließlich steht 25 Jahre nach dem ersten Bundesligaaufstieg des SC, der mich letztendlich als Reporter hier in den Süden lenkte, die 56. Bundesligasaison vor der Tür.

 

Das Vorspiel

SC Freiburg gegen Eintracht Frankfurt – gerade so wie im vergangenen Jahr – lautet die Partie. Damals verhinderte der neu eingeführte Videobeweis einen möglichen SC-Sieg und das Ding ging 0:0 aus. Ach ja, der Videobeweis… Ich bin nach wie vor ein absoluter Gegner und verspreche mir auch von der angekündigten neuen Handhabung keine Verbesserung.

Vom ersten Heimspiel 18/19 versprechen ich mir allerdings mehr als im Vorjahr. Ich empfand die Testspiele in Imst (Tirol) gegen Swansea (3:0) und in Bahlingen gegen Straßburg (2:3), die ich beide live erlebt habe, als sehr viel versprechend. Der Kick zur offiziellen Saisoneröffnung im Schwarzwald-Stadion gegen San Sebastian (1:1) war dann nicht so toll – aber diese letzten Vorbereitungsspiele des SC vor dem Pflichtspielstart waren in den vergangenen Jahren höchst selten „Schmankerl“, meistens ein bisschen wild und oft eher besorgniserregend als Mut machend. Der Kick in Cottbus brachte neben dem Weiterkommen im Pokal unter dem Strich eher positive als negative Erkenntnisse. Die Dominanz war ja eindeutig. Fehlte es in der ersten Halbzeit im vordersten Drittel noch am letzten oder vorletzten Pass, fehlten nach dem Wechsel oft nur wenige Zentimeter zu zählbaren Erfolgen. Wenn es nach 90 Minuten plus Nachspielzeit 1:3 oder 1:4 geheißen hätte, wäre das Ergebnis auch in Ordnung gegangen. Klar, es fehlt noch die Feinabstimmung, aber ich ahne, dass im Offensivspiel unseres SC in dieser Saison einiges möglich sein wird…

Hinten droht bei Eckbällen der Gegner Gefahr. Sowohl Straßburg als auch San Sebastian trafen in den Testspielen gegen den SC jeweils nach einem Eckstoß. Daran hat die Mannschaft in den letzten Tagen gearbeitet, hat mir Christian Günter gestern in einem Video-Interview, das ich für baden.fm mit ihm, Nils Petersen und Dominique „Heintzi“ Heintz gemacht habe, versichert.

Insgesamt gehe ich also guter Dinge in diesen ersten Spieltag, wohl wissend, dass bei der Eintracht längst noch nicht alles nach Plan läuft. Mit Trainer Kovac, Torhüter Hradecki, Saisonentdeckung Wolf und dem unangefochtenen Boss Kevin Prince Boateng hat die Eintracht neben Mascarell und Dadashov absolute Korsettstangen verloren und steht im Grunde vor einem Neuaufbau; insbesondere vor einem Neuaufbau der mannschaftsinternen Hierarchie und des Spielsystems. Unter Kovac und auch in der Vorbereitung spielte Frankfurt in aller Regel defensiv mit einer flexiblen Dreier -/Fünfer-Kette. Der neue Trainer, der Österreicher Adi Hütter, der zuletzt in der Schweiz mit YB Bern großartige Erfolge feierte, steht aber eher für ein 4-4-2- oder 4-2-3-1-System, also mit Viererkette. Könnte durchaus sein, dass eine Systemwechsel im Vergleich zu den bisherigen Auftritten, zusammen mit dem Einsatz von Neuzugang Kostic aus Hamburg nun als Hoffnungsanker für eine Wende der in Supercup und DFB-Pokal so desaströs begonnenen, freilich noch extrem jungen Saison herhalten sollen. Neuer Mut durch ein neues System und einen neuen Mann – so könnte das Motto der Frankfurter in Freiburg lauten. Die gegebene Drucksituation der Hessen – in Internetforen wird bereits der Kopf von Trainer Hütter gefordert – kann für die Eintracht in Freiburg nach vorne oder nach hinten losgehen. Kommen die Jungs mit weichen Knien und nervös an die Dreisam, könnte der SC nach 17 Jahren endlich mal wieder zu einem Sieg in einem Erstligaauftaktspiel kommen und die Frankfurter endgültig in die Krise stürzen. Kommen sie todesmutig und mit guter Tagesform ist auch eine Kehrtwende vorstellbar, wenn der SC weiter nach der Feinabstimmung im Offensivspiel suchen muss.

Ich bin natürlich Optimist und bin mit Blick auf morgen guter Dinge für den Sport-Club. Ich werde, wenn es die Kinder morgen früh zulassen lange schlafen und ausgiebig frühstücken. Da meine Frau am Vormittag arbeitet, habe ich ein Auge auf die Kids und dann, so gegen 13.15 Uhr geht es los Richtung Freiburg. Bei baden.fm werde ich – schon mit Blick auf das Spiel nächste Woche in Hoffenheim – ein LAN-Kabel besorgen und dann zum Stadion fahren; geduldig und genussvoll. Auch im 25. Jahr meiner Reportertätigkeit an der Seite des SC Freiburg habe ich Spaß an der Arbeit.

Und dann, schauen wir mal…

Ich übertrage das Spiel SC Freiburg gegen Eintracht Frankfurt am Samstag ab 15 Uhr live bei baden.fm.       

 

 

Das Fußballspiel

(Mein 910. SC-Pflichtspiel im Radio)

 

Der SC begann gegen Frankfurt wie die Feuerwehr, holte Chance auf Chance heraus, doch Tausendsassa Nils Petersen, der sonst immer trifft wenn sich die Chance dazu bietet, hatte keinen Sahnetag erwischt und ließ – genau wie seine offensiven Nebenleute Niederlechner, Waldschmidt und Frantz – gute, sogar sehr gute Möglichkeiten ungenutzt. Anders die Frankfurter, die zunächst gar nicht am Spiel teilzunehmen schienen. In der 10. Minute bringt ein Hackentrick von Haller den früheren Hamburger Müller in Schussposition – die Abwehrspieler sind viel zu weit weg von dem Flügelflitzer, der weitgehend unbedrängt  abziehen kann und Schwolow  keine Abwehrchance gibt. Freiburg bleibt überlegen und hat auch im Laufe der zweiten Hälfte grandiose Möglichkeiten. Doch entweder traf Petersen nicht das Tor oder Niederlechner geriet beim unbedrängten Torschuss in Rückenlage und knallte das Ding drüber oder Gondorf spielt, statt aus aussichtsreicher Position draufzuhalten selbstlos auf den durchstartenden Niederlechner, der sich aber beim Abspiel klar in Abseitsposition aufhielt.

Irgendwie drängte sich das Gefühl auf, der SC könnte noch fünf Stunden weiter stürmen – ein Tor würde wohl nicht fallen.

Dann kam die 82. Minute: Torwart Rönnow hatte den Ball, Frankfurts Spanier Torró krümmte sich am Boden. Daraufhin versucht der dänische Keeper den Ball mit einem langen Abschlag ins Seitenaus zu befördern, was ihm misslingt. Der Ball landet bei Freiburgs Stenzel, der die Kugel fair ins Seitenaus prallen lässt. Schnell kommt Torró wieder auf die Beine und Willems schickt sich an, den Einwurf auszuführen. Eigentlich rechnen alle, vor allem die Freiburger damit, dass der Niederländer den Ball nun zu einem SC-Spieler (der ihn dann zu Rönnow zurück gespielt hätte) oder in die eigene Abwehr beziehungsweise oder zu seinem Torwart zurückwirft, um die alte Spielsituation wieder herzustellen. Willems aber wirft den Ball direkt in den Angriff, wo Eintracht schnell kombiniert und Sekunden später durch Haller zum 0:2 kommt. Die SC-Defensive, teils perplex, teils überrumpelt, schaut nur zu. Regelkonform war das Vorgehen der Frankfurter schon, aber wider aller Üblichkeiten und in Sachen Fairness ein Boxhieb in die Magengrube der Freiburger.

0:2 im Rückstand liegend war die von den Fans und mir als „heiß“ erhoffte Schlussphase dann kalter Kaffee. Ernüchterung im Schwarzwald-Stadion.

 

Das Nachspiel

 

„Business as usual“ in der Mixedzone. Mit Nicolas Höfler und Christian Günter bekomme ich zwei interessante Interviewpartner zugeführt, die in der Regel in ganzen Sätzen sprechen, auf die gestellten Fragen wirklich eingehen und die Arbeit so erleichtern. Beispiel: Höfler frage ich sinngemäß, ob beim 0:2 die  Frankfurter unfair oder die Freiburger zu naiv agiert hätten: Darauf „Chico“:  „Wir waren definitiv zu naiv.“

In der PK schlägt sich Streich-Vertreter Lars Voßler prächtig. Sowohl beim offiziellen Teil als auch beim Audiointerview danach. Beim Rausgehen lobe ich den „Co“ mit den Worten „Hut ab, Lars, souverän gemacht in der PK“ – Voßler bedankt sich höflich, stellt aber klar „Innerlich sieht‘s anders aus.“ Letzteres hängt sicher mit der Niederlage zusammen, weniger mit dem „handwerklichen“ Abwickeln der Medienarbeit.

Auf der Pressetribüne packe ich meine Sachen zusammen und gehe. Es 18.40 Uhr – Feierabend. Auf dem Heimweg beschließe ich, noch beim Edeka-Markt Hieber vorbei zu fahren und eine Flasche Rotwein einzukaufen, um die Enttäuschung zuhause zu verarbeiten. Ich rufe zuhause an und frage, ob wir noch andere Sachen brauchen. „Drei Liter Milch“ bittet meine Frau, „Monte-Snacks!“ ruft Ben. So bin ich nach Radioshow und Bundesliga ganz schnell wieder geerdet und im Alltagsleben angekommen.

Am Sonntag besuchen wir einen Freund, der seit ein paar Tagen weiß, dass er Krebs hat. Scheiß Krebs.  Ich schaffe es in Rekordgeschwindigkeit, mich nicht mehr über die Niederlage gegen Frankfurt zu grämen.

 

Der Montag im Verlag beginnt wie immer mit dem Verfassen der Kolumne „SC INTEAM“ für knapp 300.000 Wochenzeitungen am Oberrhein (WZO), die am Mittwoch und Donnerstag verteilt werden.

Hier schon mal vorab – und nur für Euch…

 

SC INTEAM

Nach der mitunter quälenden Saison 17/18, in der der Klassenerhalt lange Zeit in Frage- und erst am 34. Spieltag feststand, hofften (und hoffen) viele Anhänger des SC Freiburg heuer auf eine entspanntere Spielzeit; womöglich eine ohne permanente Existenzangst und Zitterspiele. Durch einen gelungenen Saisonstart gegen Eintracht Frankfurt sollte ein solcher Saisonverlauf eingeleitet werden. Ein Heimsieg gegen die Hessen, die auch im Sommer 2017 Auftaktgegner waren und beim 0:0 einen Punkt aus Freiburg entführt hatten, sollte der Startschuss werden. Und? Pustekuchen! 0:2 verloren –  schon beim ersten Spiel wurden  die bekannten Sorgen wieder wachgerufen und die Emotionen der Fans fuhren Achterbahn. Mit dem Schlusspfiff machte sich Ernüchterung breit. Ist der misslungene Saisonauftakt nun Symptom für eine weitere Zittersaison?

Es lohnt sich, genau hinzuschauen. Mit Ausnahme der Torstatistik lag der Sportclub gegen Frankfurt in allen relevanten statistischen Werten vorn. Freiburg hatte mehr Ballbesitz, die höhere Passquote, weitaus mehr Torschüsse und und und. Ja, der SC war, so kurios das nach einem 0:2 auch klingen mag, die dominierende Mannschaft im ausverkauften Schwarzwald-Stadion. Als Beispiel diene die erste halbe Stunde, in der die Platzherren auf neun Abschlüsse kamen, Eintracht Frankfurt aber nur ein einziger Schuss auf Schwolows Tor gelang. Das Fatale: Dieser eine Schuss traf ins Netz, während der SC auch hochkarätige Möglichkeiten ungenutzt ließ. Niederlechners Pech im Abschluss lässt sich mit der langen Verletzungspause im Frühjahr erklären, Petersens Fehlschüsse wohl eher mit Pech und/oder schlechter Tagesform. Auch Waldschmidt und Frantz war das Glück (noch) nicht hold.

Wenn das Runde vorne einfach nicht ins Eckige will, sollte möglichst hinten „die Null stehen“. Das gelang nicht, weil sich die Defensive einmal durch einen simplen Hackentrick aushebeln ließ und kurz vor Schluss etwas zu naiv mit Frankfurter Fairness rechnete, als die Eintracht nach einer Verletzungsunterbrechung mit einem Einwurf einen Angriff startete, statt den Ball nach hinten zu werfen oder zunächst  einem Freiburger zu überlassen, wie es in solchen Situationen eigentlich Usus ist . Durch Pech im Abschluss wurde das Spiel nicht gewonnen, durch fehlende Cleverness „gegen den Ball“ wurde es verloren. Darauf aufbauend eine Zittersaison zu prognostizieren, wird der gezeigten Gesamtleistung aber nicht gerecht. Allerdings erhöht die Auftaktniederlage den Erfolgsdruck für das Auswärtsspiel am kommenden Samstag; dass der Gegner dann ausgerechnet Hoffenheim heißt und nach Expertenmeinung zu den Spitzenteams der Liga zu zählen ist, macht die Sache nicht leichter. (Zitatende)

 

 

Man hört und/oder liest sich!