1. Spieltag der Fußball-Bundesliga, DSC Arminia Bielefeld gegen SC Freiburg

Samstag, 14. August 2021, 15.30 Uhr

Schüco-Arena, Bielefeld

DSC Arminia Bielefeld - SC Freiburg

Das Vorspiel

 Mit dem Abschluss der Auswärtsreise Würzburg (Pokal) hatte ich zumindest gefühlt Urlaub. Ich schreibe gefühlt, weil das ja nur für meine Arbeit im WZO-Verlag galt – und selbst da – ich hatte also keine Präsenzpflicht aber es ist ja klar, dass ich für baden.fm Bundesliga machen würde und dann auch meine allwöchentliche Kolumne für die Zeitung schreiben würde. So habe ich das dann auch gehandhabt. Gelitten oder besser geruht hat freilich das Tagebuch. Dazu fehlten mir in dieser Zeit Energie und technische Mittel. Bis einschließlich SCF – BVB schreibe ich also alles quasi als Nacherzählung und deshalb vielleicht auch etwas kompakter als sonst.

Am Montagmittag war ich zurück aus Würzburg beziehungsweise von der Übernachtung in Stuttgart. Schon am Mittwoch sollte es zur Bundesligapremiere in Bielefeld weitergehen. Darauf freute ich mich – wie immer, wenn sich in meinem Leben Vergangenheit und Gegenwart irgendwie kreuzen. Auf dem weg in die Heimat nachten wir ein paar Stunden Station in Frankfurt, bei meiner Tochter Caroline. Caro und ihr Partner Fabian präsentierten meiner Frau Yoany und mir unsere Enkelin und unseren Kindern Ben und Amelie die kleine Nichte. Lara ist ein süßer kleiner Wonneproppen, bei bester Gesundheit und so richtig zum Knuddeln. Zugleich ist die kleine der lebende Beweis für den Umstand, dass ich jetzt ein Opa bin, auch wenn ich mich alterstechnisch und auch sonst gar nicht so fühle wie ein klassischer Großvater. Nach dem inspirierenden Besuch bei Lara und ihren Eltern ging es weiter nach Bielefeld, wo wir – wie immer – bei meiner fast 90-jährigen Mutter im Stadtteil Jöllenbeck abstiegen. Ja genau, der Stadtteil heißt genauso wie der Freiburger beziehungsweise Müllheimer Bundesligaschiedsrichter oder besser umgekehrt; Dr. Matthias Jöllenbeck heißt so wie der Ort, wo meine Mutter ihren Lebensabend verbringt. Am Donnerstag akklimatisierten wir uns und saßen abends in großer Runde mit Freunden und Bekannten auf der Terrasse des kultigen Restaurants Kreta. Ich lebte Heimat; aber sowas von.

Der Freitag brachte etwas Spannendes mit sich. Ich betreue ja für baden.fm, so gut ich kann, auch die U23 des SC, die jetzt bekanntlich in der 3. Liga kickt. Wir begleiten das natürlich nicht so intensiv wie die Bundesliga aber ein Vorbericht, meistens eine halbe Stunde vor Spielbeginn, ein Zwischenbericht in der ersten, einer in der zweiten Halbzeit und dann ein Schlussbericht, kurz nach Spielschluss sind vereinbart. Bei Heimspielen bin ich in der Regel im Stadion dabei, Auswärtsspiele verfolge ich via „Pay-Stream“ (MagentaSport) und berichte aus dem Homeoffice. Da es immer nur um relativ kurze Nachrichten-Flashes geht, ist das auch überhaupt kein Problem. Im Rahmen der Corona-Krise ist ja das Kommentieren auf Basis von Bildschirm-Bildern eh üblich geworden (Beispiel: DAZN-Kommentatoren, die auch nicht im Stadion sind). Bei meinem Job an der Seite der U23 hat sich das auch ganz gut eingespielt. Als etwas skurril empfand ich es dann aber doch, das Drittliga-Heimspiel der U23 gegen die Kollegen von Borussia Dortmund vom Homeoffice aus zu kommentieren, weil ich ja schon in Bielefeld weilte – es war der Vorabend des Bundesligaspiels Arminia gegen SCF. Um meine Mutter nicht zu verschrecken, verlegte ich mein Homeoffice in einen riesigen Bielefelder Biergarten (Bar Celona), wo ich dann bei meinen Liveschalten lediglich die Gäste in meiner Nähe verschreckte, die das dann aber alle mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nahmen. Schade, dass das sehr unterhaltsame und temporeiche Spiel am Ende mit 2:5 verloren ging. Die Bilder hatte ich sehr intensiv auf meinem mitgebrachten iPad verfolgt und die Schalten waren wirklich live – und das stresst… Am Ende verwarfen mein mich begleitender Sohn Ben und ich den Plan, das Bundesligaauftaktspiel Gladbach gegen Bayern im Innenbereich der Bar Celona zu verfolgen – ich war einfach zu kaputt. Konzentration kostet Körner. Wir fuhren nach Jöllenbeck, ich machte ein mitgebrachtes Fläschchen vom Waßmer Fritz auf und wir schauten das Spiel in Omas Wohnzimmer…    

Es folgte der Spieltag. Um 12 Uhr trafen wir uns mit Freunden im Café Knigge. Auch SC-Edelfan Dr. Stephan Morbach aus Soest stieß zu uns. Stephan ist Allesfahrer, war aber durch die Corona-Krise böse ausgebremst worden. Ein langjähriger Freund aus dem engsten Umfeld von Arminia hatte mir für das Spiel, bei dem Gästefans bekanntlich verboten waren, zwei VIP-Tickets geschenkt; für meinen Sohn Ben und einen erwachsenen Begleiter. Mit der Karte (und der damit verbundenen Aufgabe) hatte ich Stephan eine Freude gemacht, sodass er endlich wieder SC live sehen konnte und das in seiner westfälischen Heimat. Wir drei Jungs fuhren dann von Knigge zum Stadion, ich brachte die beiden noch zu ihrem Eingang und lief, beladen mit meiner Übertragungstechnik auf den Stadioneingang für Presse etc. zu (der war inzwischen verlegt worden aber das wusste ich da noch nicht). Seit 50 Jahren renne ich auf die Alm – es war mir noch nie irgendwas passiert. Jetzt war ich einen Steinwurf vom Eingang entfernt, trat auf dem unebenen Asphalt in eine Kuhle und kam ins Straucheln. Ich schmiss meine Übertragungstechnik fort, um mich bei dem drohenden Sturz abstützen zu können, knallte runter und lag da, vor „meiner“ Alm, wie ein Maikäfer auf dem Rücken. Zwei nette Arminia-Fans hatten gesehen, dass da ein alter Mann gestürzt war und kamen, um mir aufzuhelfen. Das war auch nötig, denn mir schmerzten und zitterten die Knie. Ich bedankte mich höflich und begutachtete den Schaden. Ich war primär mit der Handfläche, dem Ellbogen und dem rechten Knie aufgekommen. An der Hand blutete eine Risswunde, das Knie tat höllisch weh aber sonst war ich noch ganz. Wegen der Vorfreude auf das Spiel bekam ich auch meine Nerven schnell wieder in den Griff.

„Vielleicht bist Du ja doch schon ein bisschen Opa“, schoss es mir durch den Kopf und ich musste trotz der Schmerzen grinsen…

Ich suchte und fand den neuen Pressecounter, wo ich meine Akkreditierung abholte, ging dann auf das Stadiongelände, das mir trotz der vielen Um- und Ausbauten der vergangenen 30 Jahre irgendwie sehr vertraut ist und bat an einem Rot-Kreuz-Wagen um erste Hilfe.  Die blutende Wunde am Handballen wurde desinfiziert und mit einem Pflaster versehen, die Schmerzen am Knie verschwieg ich. Sie sollten mich noch fast zwei Wochen begleiten…

Auf der Pressetribüne begrüßte ich viele alte Bekannte, genoss die Alm-Atmo und bekam eine Gänsehaut als Tausende die Arminia-Mannschaft mit dem Schlachtruf „Bielefeld – Bielefeld – Bielefeld“ begrüßte, zu dem ich, wie ich schon oft hier im Tagebuch und andernorts erzählt habe, ein besonderes Verhältnis habe. Und dann zog ich eine innere Grenze zu den nostalgischen Gefühlen und konzentrierte mich auf meine Arbeit…

 

Das Fußballspiel

(Mein 1017. SC-Livespiel am Radio-Mikrophon)

 

Da das Spiel knapp zwei Wochen zurückliegt, will ich mich kurzfassen. Ich fand, es war ein ansehnlicher Bundesligaauftakt beider Mannschaften. Wobei der SC gegenüber Arminia ein klares Chancenplus aufwies. Das war auch schon zur Pause so aber als ich während der Unterbrechung diese Sichtweise in einem Liveinterview des von Arminia-Fans betreuten Audiostreams äußerte, erntete ich verdutzte Blicke. Ich bleibe aber bei meiner Sichtweise. Schaue ich mir den Ticker an, den „Kicker online“ damals veröffentlicht hat sehe ich mich bestätigt. Gute Chancen für den SC: Keitel (17.), Höfler (19.), Schlotterbeck (30.) und Höler (38.). Für Arminia durch Klos (8.) und Okugawa (31.). Ich hatte scheinbar die passenden Eindrücke vom geschehen, zumal ein mutmaßlicher Treffer von Okugawa die Überprüfung durch den VAR wohl kaum überstanden hätte, gab es doch beim Ballgewinn der Arminia ein klares Foulspiel.

In der zweiten Halbzeit sah das mit dem Chancenverhältnis ähnlich aus: Für Freiburg waren Höler (55.), Schmid und Keitel (beide 57.) und noch einmal Höler (84.) nahe dran zu treffen, für Arminia zweimal Okugawa (48. Und 50.). Leider hielt das Spiel in der zweiten Hälfte nicht mehr ganz das Niveau der ersten 45 Minuten. Unter dem Strich ging die Punkteteilung zwischen meinen beiden Herzensclubs aber in Ordnung. Die B-Note sprach aber für den Sport-Club.

 

Das Nachspiel

In der Präsenz-Pressekonferenz sprach mich Arminias Pressesprecher Daniel Mucha, als ich eine Frage stellen wollte, mit „Herr Riethmüller“ an, was Christian Streich zum Grinsen brachte. Es ist aber verzeihlich, denn zu meiner Zeit bei Arminia war Daniel noch ein Kleinkind und er selbst ist auch erst seit ein oder zwei Jahren bei meinem Heimatclub in Amt und Würden.

Ein großes Nostalgietreffen war die zweite große „Sitzung“ auf der Kreta-Terrasse. Neben Yoany und den Kindern sowie Dr. Stephan Morbach – quasi aus der Neuzeit – fanden sich ein: Mein alter französischer Mentor und Partner in Sachen Jugend-Sprachreisen, Gilbert, inzwischen über 70 Jahre alt, meine alten Kumpels aus der Clique, im Ursprung Schulfreunde, Lars aus Düsseldorf, „der Chemiker“ aus Porta-Westfalica und so weiter (für den Fall, dass ich eine Namensnennung vergessen habe, seht es mir nach – es war einmal mehr ein toller Abend). Vasili, der Kreta-Wirt, der Ben erklärte, dass er vor 40 Jahren schon mit seinem Papa beim FC Teutonia Altstadt gekickt habe, erwies mir die Ehre eines Privatparkplatzes mitten im Bermudadreieck – das nenne ich mal Freundschaft und Kundenbindung in einem Abwasch oder einer Zaziki. Nie mehr Parkplatzsorgen in der Bielefelder City, die gerade die Autos großräumig rausschmeißt, das ist mal ein Luxus. Danke Vasili!

Am nächsten Tag verbrachten wir als Familie einen wunderschönen Tag in einer modernen Strandbar am Dümmer See, Kultort meiner Kindheit. Sophie aus Paris, einstige Sprachschülerin von mir, die in Ostwestfalen ihren Mann und eine neue Heimat gefunden hat, war mit ihrer Familie dabei – und natürlich meine Mutter. Diese – wie erwähnt, fast 90 Jahre alt - hatte anlässlich eines der Kreta-Abende folgendes zu Ben gesagt: „Stell Dir mal vor Ben, wenn wir hier in zehn Jahren sitzen, bin ich eine alte Oma und Du ein junger Mann.“ Ich fand es herrlich…

Wegen der katastrophalen Wetterprognosen für Ostwestfalen zu Wochenbeginn fuhren wir am Montag wieder in den Süden. So endete die Auswärtsreise Bielefeld. Einen Punkt konnte ich mitbringen, ein schmerzendes Knie aber vor allem viele nette Begegnungen und Erlebnisse. Wie heißt es in dem Lied von Niedecken und Clueso? „Diese Augenblicke nimmt mir keiner mehr“