12. Spieltag der Fußball-Bundesliga, FC Schalke 04 gegen SC Freiburg

Mittwoch, 16. Dezember 2020, 18.30 Uhr

Veltins-Arena, Gelsenkirchen

FC Schalke 04 - SC Freiburg

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Da es in der Bundesliga eine „Englische Woche“ gibt, dient dieses „Nachspiel“ zugleich als „Vorspiel“ für den Mittwochskick auf Schalke. Doch zunächst Rückblende auf Samstagabend: Für die Pressekonferenz ziehe ich mich wieder in eine der jetzt leeren Sprecherkabinen zurück; diesmal in die Kabine, die viele Jahre lang mein Arbeitsplatz war, bevor die Privatradios und damit ich, auf Geheiß der DFL, Platz für Scouts und andere Beobachter machen mussten. Streng genommen sind das jetzt keine Sprecherkabinen mehr aber das ist ja Wortklauberei. Ich habe mein Schicksal auf der Pressetribüne zu sitzen längst angenommen. Auch wenn es am Samstag nicht so kalt war, sitze ich lieber alleine in der geschlossenen Kabine, denn – so meine Logik – darin benötige ich keine Maske mehr. Die Kabine ist geheizt, sodass ich auch Mütze und Anorak ablege. Bild- und Ton-Kontakt zur Pressekonferenz habe ich schon hergestellt. In meiner einstigen Sprecherkabine steht noch ein Bistrotisch, den unser Sender da mal platziert hat. Darauf lege ich meine Technik-Tasche ab, wobei mir ein Kamm entgegenrutscht. „Gute Idee“, denke ich, denn nachdem ich die Puma-Mütze abgesetzt habe, könnte ich ja mal mein Haare in Ordnung bringen. Etwas gedankenverloren kämme ich mich ausgiebig, als mich plötzlich via iPhone jemand anspricht: „Sieht gut aus, Frank“, frotzelt die Stimme, die ich zunächst nicht zuordnen kann. Als nächstes fragt mich der Mann nach meinen Eindrücken vom Spiel – ein Bielefelder denke ich. Und ich habe Recht: Philipp Kreutzer von der neuen Westfälischen ist mein Gesprächspartner. Ich kann ihn auch deshalb so gut zuordnen, weil er das Buch „111 Gründe, Arminia Bielefeld zu lieben“ geschrieben hat und letzte Woche, also eine Woche vor mir, Interviewgast in dem Podcast „Absolut Arminia“  (anzuklicken über die App „Football was my first love“) war. Wir kennen uns aber nur medial – trotzdem gehe ich nach der digitalen PK, in der sich beide Trainer einig waren, dass der SC verdient gewonnen hat und auch zum Ausdruck gebracht hatten, warum das so war, zu dem Kollegen der größten Bielefelder Tageszeitung und biete ihm an, ihn im Auto mit zum Hauptbahnhof zu nehmen, von wo aus er die weite Heimreise Richtung Ostwestfalen antreten wird. Ich gebe ihm noch auf den Weg, dass ich auch bald komme, da ich nach dem Auswärtsspiel auf Schalke, am Mittwochabend, zum Übernachten nach Bielefeld fahren werde – die Frau Mama besuchen.

Damit sind wir schon beim Schalke-Kick. Doch bevor ich mich mit der Auswärtsreise und sozusagen dem klassischen „Vorspiel“ auseinandersetze, platziere ich hier und heute meinen bereits geschriebenen Text für die Mittwochskolumne in den Wochenzeitungen ReblandKurier und Wochenblatt:

 

SC INTEAM

Lockdown in Deutschland – und schon ploppen wieder Diskussionen auf, wie es denn sein könne, dass die Bundesliga weiter spielt. Ob Siemens weiter produziert, Radio- und Fernsehprogramme weiter ausgestrahlt werden, wird nicht in Frage gestellt – aber die Bundesliga, die brennt einigen, vermutlich nicht Involvierten, auf den Nägeln. Warum gibt es einen Lockdown? Zum Schutz vor der Ausbreitung der Covid19-Infektion. Wenn es eine Branche geschafft hat, Krisenmanagement und Infektionsschutz unter einen Hunt zu bringen, dann der Berufsfußball. Das Hygienekonzept der DFL wird weltweit kopiert und hat sich im Übrigen im sogenannten „Sonderspielbetrieb Bundesliga“ während des ersten harten Lockdowns bestens bewährt: Es gab keine einzige, durch den Spielbetrieb begünstigte oder hervorgerufene Neuinfektion. Um jegliche  Neiddiskussion im Keim zu ersticken: Die Bundesliga macht nicht einfach weiter als ob nichts wäre – sie findet ohne Zuschauer statt und verliert dadurch Millionen und   Abermillionen ursprünglich eingeplanter Einnahmen. Das ist im Prinzip so, als würde die Regierung der Gastronomie erlauben, zu öffnen, ihr aber auferlegt, keine Gäste zu empfangen. Genau das passiert übrigens. Der Sonderspielbetrieb ohne Zuschauer ist  in etwa wie die Möglichkeit des Außer-Haus-Verkaufs in der Gastro-Branche. Praktikabel ist das Modell im Profifußball wegen der Medienerlöse. Und das ist gut so: Der sportliche Wettbewerb ermöglicht den Menschen in kargen Zeiten über die mediale Verbreitung zumindest etwas Ablenkung und Zerstreuung.

Es wird also gespielt; was den SC betrifft, schon heute Abend um 18.30 Uhr auf Schalke (live bei Sky und baden.fm). Vier Tage nach dem verdienten 2:0 gegen Arminia Bielefeld   und nach drei starken Auftritten mit  neuer Grundformation und in  ansteigender Form,  hat der Sport-Club heute Abend  die Chance, das Tabellenbild zu korrigieren. Durch zahlreiche Unentschieden in Spielen, die von der Leistung her eigentlich einen Sieg möglich erscheinen ließen, hatte sich der Vorjahresachte, der in der Spielzeit 19/20 kein einziges Mal in Abstiegsgefahr geraten war, plötzlich im Tabellenkeller wiedergefunden. Das hatte durchaus zu Irritationen an der Schwarzwald-Straße geführt; es soll sogar „geknallt“ haben, wie der „Kicker“ Sportvorstand Jochen Saier zitiert. Eine neue taktische Grundformation und vier personelle Wechsel nach der Heimniederlage gegen Mainz dokumentieren die zurückliegende Zäsur. Die Folge: 1:1 in Augsburg, 2:2 gegen Mönchengladbach und 2:0 gegen Bielefeld – das kann sich sehen lassen und lässt auf ein erfolgreicheres letztes Drittel der Bundesliga-Hinrunde hoffen. Natürlich ist Schalke 04, nach 27 sieglosen Spielen, angeschlagen und deshalb vielleicht sogar besonders gefährlich. Fest steht aber auch: An guten Tagen spielt der SC Freiburg deutlich besser Fußball als Schalke 04. Ein SC-Sieg wäre der Schritt ins Tabellenmittelfeld. (Zitatende)

 

Die turnusmäßige Pressekonferenz vor dem Schalke-Spiel findet am heutigen Montag um 14 Uhr und natürlich nur virtuell beziehungsweise digital statt. Was Trainer Christian Streich plant, weiß ich zur Stunde (noch)  nicht, werde es aber auch um 14 Uhr kaum erfahren… Was ich plane, verrate ich gerne: Ich werde am Mittwoch, nach der zweitätigen meist stressreichen Zeitungsproduktion, zunächst mal ausschlafen. Am späteren Vormittag des ersten (fast) Komplett-Lockdown-Tages werde ich mich dann in meinen privaten Ford Kuga setzen und gen Westfalen fahren. Ziel-Ankunftszeit ist 16.30 Uhr, Abfahrt daher 10.30 Uhr oder so. Ich gehe davon aus, dass mir, wie bei normalen Spielen mit Zuschauern, wieder ein Parkplatz auf der Fläche der Veltins-Arena zugewiesen wird, auf der außerhalt von Spielen gemeinhin der Stadion-Rasen gelüftet wird – also sehr nahe dran. Nach dem Kick und der Pressekonferenz mit den Trainern gehe ich dann auf die A2 und fahre noch ein Stündchen bis nach Bielefeld-Jöllenbeck. In meinem Elternhaus werde ich ein oder zwei Nächte übernachten. Eigentlich waren zwei geplant – angesichts des Total-Lockdowns fallen aber die sonst üblichen Rituale mit meiner Mutter, wie Besuche im Café Knigge oder im kultigen Restaurant Kreta diesmal aus. Da ich schon zum Weihnachtsfest – natürlich coronakonform – wieder bei meiner Mutter sein werde, muss ich den Aufenthalt im Rahmen der Dienstreise ja nicht unbedingt so lange ausdehnen. Vermutlich werde ich also am Donnerstagnachmittag zurückreisen – in jedem Fall habe ich Donnerstag und Freitag als Urlaubstage eingereicht. Und dann steht ja schon das Hertha-Spiel vor der Tür.

Ich hoffe sehr, dass der SC seine gute Form der letzten zwei, drei Spiele mit nach Schalke nimmt. Wenn das gelingt, halte ich sogar einen Sieg bei den Königsblauen, die in diesem Jahr das Sorgenkind der Liga sind, für sehr wahrscheinlich.

 

Das Fußballspiel

(Mein 993. SC-Pflichtspiel am Radio-Mikrofon)

 

Schalke – Freiburg 0:2: ein unglaublich wichtiger Sieg in einer schwierigen Zeit, in der so vieles wichtiger ist als Fußball – aber dennoch, everybody does his job – meiner ist es, Fußball im Radio zu kommentieren und in Print und Onlineveröffentlichungen darüber zu berichten. Selbst mein im Grunde sehr privates Reportertagebuch ist übrigens ein Produkt des WZO-Verlags. Aber das nur nebenbei. Zurück zum Schalke-Spiel, das zu gewinnen – wie gesagt – unglaublich wichtig war, sportlich unglaublich wichtig, das zur Einordnung.

Der SC begann in der in ihrer Leere bedrückenden Veltins-Arena ballsicher und zielorientiert. Schon in den ersten zehn Minuten hatten die Gäste aus dem Schwarzwald zwei gute Möglichkeiten, sodass ich dachte, ich würde in der Folgezeit ein Feuerwerk erleben, was dann zunächst nicht so kam; aber zurück zur überlegen gestalteten Anfangsphase: In der 8. Minute wird Roland Sallai klug auf die Reise geschickt, dringt von der rechten Seite in den Strafraum ein und zieht aus aussichtsreicher Position ab. Schalke-Torwart Fährmann kann den Ball nur abfälschen und etwas bremsen, sodass S04-Verteidiger Salif Sané den Ball kurz vor der Linie noch mit einem langen Bein erwischt und quasi mit einem Fallrückzieher bei schlechten Haltungsnoten einen möglichen frühen Freiburger Treffer verhindert. Wenig später dringt Vincenzo Grifo von links in den Strafraum ein und hält drauf – Fährmann ist zur Stelle, hat aber durchaus Mühe mit dem Grifo-Schuss.

Danach schläft die Partie ein wenig ein. Die beiden Mannschaften neutralisieren sich zwischen den Strafräumen, sind bemüht Fehler zu vermeiden und Strafraumszenen werden zur absoluten Seltenheit. In der 27. Minute wehrt Sané einen Petersen-Schuss mit der erhobenen Hand ab – eigentlich ein klarer Elfmeter. In der Zeitlupe lässt sich aber erkennen, dass der Ball von einem anderen Körperteil des Schalkers an die Hand springt, das ist dann nicht zwingend Elfmeter – Schalke hat Glück, dass der VAR die Situation zu Gunsten des Schalkers auslegt. Kein Elfmeter. Der SC ist so etwas bekanntlich gewohnt…

In der 39. Minute folgte dann die Ausnahme von der Regel, dass die Angriffe hüben wie drüben in aller regel ohne konkrete Torgefahr so dahinplätschern: Christian Günter prescht über links nach vorne und bedient den ebenfalls aufgerückten Jonathan Schmid auf halbrechts mit einer scharfen, hohen Flanke. Schmid geht volles Risiko und haut den Ball volley drauf. Leider trifft er die Kugel mehr mit dem unteren Schienbein als mit dem Spann, sodass er seinen Schuss nicht wirklich kontrollieren kann – der Ball geht klar „drüber“ aber es war ein Weckruf in einem in dieser Phase müden Spiel. Am Ende einer wenig attraktiven ersten Halbzeit steht es 0:0.

Offenbar hat Christian Streich in der Pause die richtigen Worte gefunden, denn der SC kommt kreativ und unternehmungslustig wieder auf den Platz. Fünf Minuten nach Wiederbeginn hat mit Vincenzo einer der Besten auf dem Platz die geniale Idee zu einer Spielverlagerung auf die rechte Seite. Der lange Ball erreicht den frei stehenden Jonathan Schmid, der nicht lange fackelt, sondern gekonnt ins Sturmzentrum flankt, wo Sané dem Freiburger Ungarn-Import Roland Sallai zu viel Platz lässt: dem Nationalspieler, der schon beim Heimsieg gegen Bielefeld eine entscheidende Rolle gespielt hatte, als er zur Beginn der Schlussphase, beim Spielstand von 0:0 im Strafraum gefoult wurde, gelingt ein schulbuchmäßiger Kopfball; unhaltbar für Fährmann senkt sich der Ball zur Freiburger Führung ins Netz. In der Abwehr steht Freiburg besser als Schalke – wie durch den Treffer deutlich wird – und in der Offensive sind es solche kleinen kreativen Fingerzeige, wie zwei-, dreimal in der ersten Halbzeit und jetzt in Perfektion in der zweiten Hälfte, die die SC-Führung auch klar als verdient erscheinen lassen.

Gewonnen ist das Spiel freilich noch nicht – also legt der SC nach: In der 68. Minute erkämpft Kapitän Christian Günter mit einem Hackentrick gegen Raman den Ball und spielt ihn auf Vincenzo Grifo. Der italienische Internationale spielt nun einen Zuckerpass in den Lauf von Roland Sallai, der die Kugel im Strafraum annimmt und Torwart Fährmann mit einem kleinen Lupfer außer Gefecht setzt. 2:0 – welch eine Befreiung. Der Rest sind dann zahlreiche personelle Wechsel auf beiden Seiten und geschickte  Ergebnisverwaltung des SC Freiburg.

Es war einer der unaufgeregtesten Auswärtssiege meiner Reporterkarriere; weil keine Zuschauer im Stadion waren, der SC unstrittig die bessere Mannschaft war und der Sieg in der Folge nur logisch. Hinzu kam viel Leerlauf, vor allem in der ersten Halbzeit und letztlich  so etwas wie Spannung, weil Schalke nach dem Rückstand nie ernsthaft für einen eigenen Treffer in Frage kam.

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Ich schenkte mir die Pressekonferenz, lief zu meinem Auto, schaltete das Radio ein, um die 20.30 Uhr-Spiele der Bundesliga zu verfolgen und fuhr Richtung Bielefeld. Ich wollte meine Mutter natürlich nicht nötigen allzu spät ins Bett zu kommen. Die alte Dame (89) erwartete mich dann um kurz nach 22 Uhr auch schon an der geöffneten Haustür. Yoany, meine Frau, hatte mir eine große Tafel Schokolade eingepackt und mir zudem geraten, eine gute Flasche Wein mitzunehmen, um beides mit meiner Mama zu genießen. Das taten wir dann auch – Motto: Genuss statt Verdruss. Ein Gläschen reichte ihr dann aber auch und sie verabschiedete sich ins Bett. Ich goss mir ein zweites Glas vom feinen Fritz-Waßmer-Wein ein, schaltete den Fernseher ein und verfolgte interessiert die ARD-Sportschau.

Am Donnerstag, nach einem gemeinsamen Mittagessen, zu dem auch meine Schwester und meine Schwägerin kamen, machte ich mich auf den Weg zurück in die Wahlheimat und kam pünktlich zur in Baden-Württemberg geltenden Ausgangssperre wieder in Bad Krozingen an.

Am heutigen Freitag nahm ich zunächst bei baden.fm zum SC-Spiel am Sonntag gegen Hertha  BSC Stellung. Themen waren die Freiburger Herangehensweise, die Berliner Auswärtsstärke, Bruno Labbadias schicker Mantel und das bevorstehende Wiedersehen mit Alex Schwolow. Später räumte ich ein bisschen meinen völlig verwahrlosten Schreibtisch in der privaten Büroecke auf, nahm dann an der digitalen Pressekonferenz mit Christian Streich teil und fuhr am Nachmittag, trotz Urlaubstag, in den Verlag. E-Mailbearbeitung und Tagebuch hatte ich mir auf die innere Agenda geschrieben. Beim Tagebuch sitze ich jetzt.

Mit Blick auf das Hertha-Spiel hat Christian Streich natürlich wieder hoch gepokert… Der Trainer sprach von mehreren angeschlagenen und auch einzelnen müden Spielern, die personelle Wechsel wahrscheinlich erscheinen ließen. Wenn er das so sagt, tippe ich jetzt mal, dass die gleiche Startelf „ran“ darf, wie auf Schalke. Hinten hat ja alles sehr gut funktioniert – in der Offensive waren Grifo und Sallai überragend und spielentscheidend – es würde mich wundern, ließe er einen von beiden gegen Berlin zunächst draußen. Die Position des zentralen Stürmers können sowohl Petersen als auch Höler und Demirovic bestens ausfüllen. Von meinem Bauchgefühl her könnte es so sein, dass Streich gegen die auswärtsstarken Berliner (1:4 in Bremen und 0:3 in Augsburg gewonnen, Remis in Mönchengladbach und Leverkusen) auf die besonderen Joker-Qualitäten von Nils Petersen setzt und Lucas oder Demi anspielen lässt. Abwarten.

Ein dritter Sieg in Folge wäre grandios; dann hätte der SC erstmals in der Bundesliga alle drei Spiele einer Englischen Woche gewonnen. Ich drücke die Daumen und würde ein solches Erfolgserlebnis am Sonntag nur zu gerne reportieren…

Ich übertrage das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen Hertha BSC am Sonntag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.