13. Spieltag der Fußball-Bundesliga, Borussia Dortmund gegen SC Freiburg

Samstag, 1. Dezember 2018, 15.30 Uhr *

Signal-Iduna-Park, Dortmund *

Borussia Dortmund - SC Freiburg *

Das Vorspiel

 

Ich will das 1:1 gegen Bremen, das zwar guten Fußball und spektakuläre Torszenen aber am Ende nur einen Punkt brachte, möglichst schnell abhaken und – auch gedanklich – hinter mir lassen. Deshalb beginne ich schon heute mit dem „Vorspiel“ für das Auswärtsspiel am Samstag, 1. Dezember, in Dortmund. 

Meine Reiseplanungen, Abfahrt Donnerstag, Besuch des Spiels Paderborn gegen Bielefeld etc. hatte ich ja schon anlässlich des Bremen-Tagebuchs recht ausführlich erläutert, deshalb will ich es hier nicht noch einmal aufbrühen.

Als ich letzte Woche hier im Tagebuch über das Spiel Paderborn gegen Bielefeld erzählte, dann auf Dortmund kam, klingelte es irgendwie in meinen Ohren. Da gibt es einen Text, in dem diese Vereine auch eine Rolle spielen. Den Text habe ich vor ein paar Jahren für die Medienecke im Arminia-Museum auf der "Alm" bzw. in der Schüco-Arena geschrieben. Ob er da Verwendung gefunden hat, weiß ich gar nicht. Aber hier kann ich ihn aus gegebenem Anlass ja noch einmal aktivieren. Der gegebene Anlass ist, dass ich im Winter 1993, also vor genau 25 Jahren, mit meiner Familie hier her nach Südbaden gezogen bin. Am 4. Dezember übertrug ich den SC Freiburg ein erstes Mal im Radio und ab Januar wurde ich dann Redakteur/Sportchef bei Radio Freiburg FR 1, dem heutigen baden.fm. Der Text erzählt die Geschichte, wie alles begann. Wer Lust hat, sich mit mir zurück zu erinnern, bitte sehr:

 

Wie alles begann…

 

Im April 1991 ging Radio Bielefeld "on Air" und ich, damals schon seit 20 Jahren ein eingefleischter Fan der Arminia und zudem seit einem Jahr „Macher“ der Vereinszeitung "Almpost", sollte der Arminia-Reporter des Senders werden. Während des Studiums in Montpellier war ich ein paar Monate Radio-DJ in Frankreich gewesen. Dies und eine Empfehlung von Karlgerd Büttemeier aus der Geschäftsstelle des DSC Arminia hatte mir eine Einladung zum "Radio-Casting" eingebracht. Wir müssen vier oder fünf Kandidaten gewesen sein, die damals im Gütersloher Heidewaldstadion, anlässlich eines Aufstiegsspiels zur zweiten Liga zwischen dem SC Verl und dem VfL Wolfsburg, nacheinander ihre Probereportagen über Telefon für das Tonband ablieferten, das im nagelneuen Produktionsstudio in Bielefeld mitschnitt. Eine von uns, Bettina Wittemeier, heute wie damals eine geschätzte Kollegin und Freundin, ist übrigens noch heute als Redakteurin bei Radio Bielefeld am Mikrofon.

Für den Sport waren damals die beiden Volontäre des Senders zuständig: Dietrich Mohaupt, heute in Hannover Niedersachsen-Korrespondent für Deutschlandfunk und Deutschlandradio, und Matthias Knop, inzwischen ein bundesweit bekannter Comedian.

 

Als wir Reporter-Kandidaten aus Gütersloh zurückkamen, hockten alle um das Tonbandgerät herum und lauschten den mitgeschnittenen Reportagen. Als alle Mitschnitte gelaufen waren, hätte man eine Stecknadel auf den blauen Teppich des Senders hätte fallen hören können, so mucksmäuschenstill war es. Alle wollten wissen, was Didi und Matze, die Jungs, die unter der Leitung des früheren Sportschau-Moderators und damaligen Chefredakteurs Jürgen Mahncke, die Mütze auf hatten für den Sport bei Radio Bielefeld, zu unseren Probe-Reportagen sagen würden. Dietrich Mohaupt liebte Kunstpausen. Nach einer solchen und einem gedehnten, nachdenklichen "Jahhh" formulierte er Wörter, die letztlich mein ganzes weiteres Berufsleben beeinflussen sollten: "Was Frank Rischmüller gemacht hat, ist Maßstab für alle anderen."

Wums! Das saß - vor allem bei mir. Ich hätte jetzt freie Bahn, dachte ich, und sollte, so der Plan, alsbald Arminia Bielefeld als Reporter betreuen, vor allem live von allen Spielen des DSC in der Oberliga Westfalen berichten. Da schien ein Traum für mich wahr zu werden...

 

Bevor es mit der neuen Saison so richtig losging, haben wir - quasi als Übung - ein Spiel zwischen dem Bezirksligisten SV Heepen und Arminia live ins Programm gehoben. Ich meine, es wäre ein Kreispokalspiel gewesen, kann aber auch nur ein Testkick gewesen sein. In jedem Fall gab es Heepen gegen Arminia live im Radio - mit mir als Reporter. War das geil oder war das geil? Zumal für einen wie mich, der in manchen Phasen seiner Schulzeit fehlenden schulischen Erfolg emotional durch Arminia-Siege in der ersten und zweiten Liga kompensiert hatte!? Also ich fand es total geil...

In meiner Begeisterung und hohen Motivation war ich dann auch,  in Zeiten, in denen das Wort "Mobilfunk" sich noch ziemlich abstrakt und unrealistisch anhörte, derjenige, der die Liveübertragung technisch überhaupt erst möglich machte. Ich brachte mein drahtloses Telefon von zu Hause mit nach Heepen und schloss das Basis-Teil im Clubheim an die TAE-Dose des Vereins an. Draußen am Spielfeldrand hatte ich dann mit dem mobilen Teil tatsächlich Verbindung ins Studio und konnte meine Einblendungen mitten im Publikum stehend und frei drauflos plaudernd euphorisch und trotzdem unfallfrei über den Sender bringen. Das war glaube ich wirklich okay... Das große Problem sollte aber noch kommen...

 Nach dem Abpfiff musste ich einen vorher niedergeschriebenen „Aufsager“ per Telefon aus dem stillen Kämmerlein live ins Programm sprechen, was zu ungeahnten Problemen führte: Ich hatte zuvor noch nie in meinem Lben einen Text speziell zum dynamischen Vorlesen geschrieben. Ich hatte auch noch nie einen „Aufsager“ im Radio vorgetragen, schon gar nicht live und... ich war dumm, naiv und nervös wie ein kleiner Junge. Alleine mit Dietrich Mohaupt, meinem „Vorgesetzten“, saß ich im Clubraum des SV Heepen. Im Radio liefen die letzten Takte irgendeines Songs. Ich hörte das über das Telefon, denn ich war bereits zugeschaltet, während Dietrich sein Ohr an das ganz leise laufende Radio am anderen Ende des Clubraums hielt. Letzteres nervte mich – warum auch immer - wahnsinnig. „Oh je, der Mohaupt hört jetzt mit...“ Während ich im Studio anmoderiert wurde, schlug mein Herz immer lauter und in meiner Brust irgendwie immer höher. Schließlich schlug mein Herz genau da, wo eigentlich die Stimme entsteht - so habe ich es zumindest empfunden. Ich schluckte erstmal, schüttelte mich und legte dann los. Die niedergeschriebenen Sätze waren freilich viel zu lang und verschachtelt zum Vortragen. Ich wollte aber unbedingt dynamisch klingen und nahm mir deshalb nicht einmal mehr die Zeit zum Einatmen. So wurde meine Stimme von Sekunde zu Sekunde immer dünner und leiser. Zeitgleich rutschte das Herzklopfen immer höher und wurde "lauter" - ich wusste natürlich, während ich da irgendwas über diesen eigentlich bedeutungslosen Kick immer dünner und immer leiser über den Sender piepste, dass es ein absolutes Fiasko war, was ich da gerade ablieferte. Und das zu spüren machte es noch viel schlimmer.  Und Dietrich Mohaupt, der gesagt hatte, meine Leistung sei Maßstab  für alle anderen, stand in diesem halbdunklen großen Raum, gebückt vorm Radiogerät und hörte zu. Es war ein Bild und ein desaströses Gefühl – beides werde ich nie im Leben vergessen.

Ich sah das Ende meiner Radiokarriere gekommen, bevor sie überhaupt richtig losgegangen war. Also ich, als Chefredakteur, der ich sieben Jahre später in Freiburg mal werden sollte, hätte mich nach dem Auftritt vermutlich gefeuert. 

 

Radio Bielefeld hat mich zum Glück nicht fallen gelassen. Aber der Absturz in der Live-Situation war natürlich Thema im Funkhaus; vor allem hinter meinem Rücken, vermute ich. Erst Jahre später bin ich aber darauf gestoßen, dass es vermutlich dieses Desaster von Heepen war, das im Sommer dazu führte, dass das erste große Spiel der Arminia, ein DFB-Pokalspiel gegen Mainz 05, von Matze Knop und nicht von mir übertragen wurde. Offizielle Begründung: Wenn ein Festangestellter einen Termin besetzen will, hat er immer Vorrecht vor einem freien Mitarbeiter, der ich ja gerade geworden war. Meine Empörung hielt sich in Grenzen, weil ich wegen Heepen ein schlechtes Gewissen hatte und ohnehin zum Zeitpunkt des Pokalspiels, als Leiter eines Feriensprachzentrums in Südfrankreich, terminlich gebunden war. Klar: Ich wäre gekommen, wenn man mich gerufen hätte, logisch, aber das hat man ja nicht. Ich gebe zu, das nagte an mir. 

So stieg ich dann mit Beginn der Oberliga-Saison in mein neues Reporterleben ein. Nach dem Dämpfer etwas weniger euphorisch als ursprünglich mal angenommen, dafür mit Respekt vor der Aufgabe. Ein Respekt, der mir übrigens bis heute geblieben ist und der der Sache, glaube ich, ganz gut tut. Auch wenn es sich meistens locker und gut gelaunt anhört, ich nehme eine Radio-Liveschalte nie auf die leichte Schulter. Ich bin zum Beispiel auch noch nie zu spät gekommen, egal, was auf Autobahnen oder bei der Bahn bei easyJet passiert. Ich reise immer so früh an, dass eine Verspätung bei allen Eventualitäten eigentlich ausgeschlossen ist. Das ist aber nur ein Beispiel dafür, dass man den Job ernst nehmen muss, damit er gut funktioniert.

 

Zurück zur Anfangszeit nach Bielefeld: Das nächste große Match war dann das Pokalspiel des Oberligisten Arminia gegen die Bundesliga-Profis von Borussia Dortmund. Diesmal durfte ich mit ran - als einer von Dreien: Chefredakteur Jürgen Mahncke, Typ Tausendsassa, sollte den Fieldreporter geben, Matze Knop und ich, inzwischen schon ein paar Wochen in der Oberliga mit Arminia unterwegs, sollten live kommentieren. 

Während der groß angekündigten Sondersendung von der Alm, der bis dahin größten Nummer des neuen Senders Radio Bielefeld überhaupt, merkte ich, dass auch die anderen nur mit Wasser kochten und verdammt nervös waren. Jürgen Mahncke zum Beispiel rief mehrfach ins eingeschaltete und bestens funktionierende Mikrofon die Worte "Mein Mikrofon ist kaputt!" - wie gesagt, ein Trugschluss, der peinlicher Weise über den Sender ging. Bei der Liveschilderung des Spiels zeigte sich sehr schnell, dass ich das sehr gut drauf hatte, sogar besser als Matze Knop. Es gelang mir als freiem Mitarbeiter, also quasi als schwächstem Glied der Kette, tatsächlich, die Pokalshow zu rocken. Das war ganz ohne Frage ein Meilenstein in meiner Reporterkarriere. Von diesem Zeitpunkt an war ich wirklich und uneingeschränkt der anerkannte Arminia-Reporter von Radio Bielefeld; alle Spiele live... – ein Traum wurde wahr.

 

Der Reinfall von Heepen sollte mich aber noch lange Zeit als Trauma verfolgen. Über Jahre versuchte ich, wenn es irgendwie ging, das Vorlesen von aufgeschriebenen Texten im Radio zu vermeiden. ich entwickelte sogar eine gewisse Meisterschaft darin, klassische „Aufsager“ frei und ohne Manuskript fehlerfrei vorzutragen, nur um nicht noch einmal beim Vorlesen eines Textes in diese unsägliche Situation zu kommen, wie kurz nach dem Sendestart, bei Arminias Kick in Heepen. Einmal wäre mir dasselbe beinahe noch einmal passiert, obwohl ich mir nur Stichworte aufgeschrieben hatte. Es war bei der Spiel-Zusammenfassung, live aus dem Stadion auf dem  Stimberg, bei  einer Auswärtspartie der Arminia in Erkenschwick. Irgendwie kam ich aber wieder rein und es ging gerade noch mal gut…

 

Schnell wurde ich als "Stimme von der Alm" bekannt und war bald so etwas wie das Sportreporter-Aushängeschild von Radio Bielefeld. Im Mittelpunkt meiner Arbeit stand immer Arminia. Für Radio Bielefeld war ich immer live am Ball wenn Arminia spielte. Kleine andere Jobs kamen dazu:  Eine kurze, sicherheitshalber frei gesprochene und nie vorgeschriebene Zusammenfassung vom jeweiligen Arminia-Spiel sowie die anderen Ergebnisse der Oberliga präsentierte ich - von der Alm oder, bei Auswärtsspielen, aus der Telefonzelle irgendeiner Autobahnraststätte heraus - für den Nachbarsender Radio Lippe. Als Schalke 04 zu einem Gala-Freundschaftsspiel beim SC Herford antrat und Radio Herford live dabei sein wollte, wurde Rischmüller angefordert, die "Fußballnase" von Radio Bielefeld. Mit Arminia an meiner Seite wuchs ich Schritt für Schritt in diese Branche hinein, wurde quasi zu einer "Marke" in der Sport-Livereportage in meiner Heimatregion Ostwestfalen.

 

Als ich so richtig gut etabliert war, merkte ich, wie ich bei meiner Arbeit genau beobachtet wurde. Ein gewisser Ulrich Zwetz folgte mir auf Schritt und Tritt. Ich weiß noch, dass Uli anfangs von den Profis im Sender und auch von mir nicht wirklich ernst genommen und eher als nervig empfunden wurde. Einmal fragte mich der heutige Dr. phil. Ulrich Zwetz, ob er mich zum Auswärtsspiel nach Münster begleiten dürfe und da mir so schnell keine Ausrede einfiel, stimmte ich zu. Auf der Fahrt in die "verbotene Stadt" (PrXXX MXXX war immer der große Rivale der Arminia) löcherte Ulrich Zwetz mich mit Fragen; wie man es anstellt, Reporter im Radio zu werden und solche Dinge. Ich weiß noch, dass ich ihm damals empfohlen habe, sich ein lokales Sport-Thema zu suchen, welches noch kein anderer Reporter im Sender „beackerte“ und dann müsse er das Thema vorschlagen und einfach gut sein. Wochenlang bearbeitete Uli daraufhin Chefredakteur Jürgen Mahncke sowie Dietrich Mohaupt und Matze Knop, die Jungs vopm Sport, man müsse unbedingt mal Tennis vom BTTC (Bielefelder Tennis Turnier Club) ins Programm nehmen und er, Ulrich Zwetz, müsse dabei der Reporter sein. Irgendwann durfte er dann tatsächlich mal ein Tennis-Regionalligaspiel übertragen und stellte sich dabei äußerst geschickt an. Tennis war damals durch Becker und Graf ein weitaus größeres Thema als heute. Glück hatte Uli Zwetz, dass dann gerade zu dieser Zeit die Gerry-Weber-Open in Halle/Westfalen ins Leben gerufen wurden. Plötzlich versorgte Uli, der anfangs bei Radio Bielefeld intern so große Akzeptanzprobleme gehabt hatte, Radio-Deutschland mit Tennis-Livereportagen; auch die ganz großen Sender wie FFH, RSH und so weiter - zum Teil die gleichen Sendeanstalten, die ich inzwischen nebenbei mit Fußball-, Handball- und auch Tischtennis-Bundesliga versorgte. Und Uli machte seinen Job höchst professionell. Ich bewunderte rückblickend den Mut, die Hartnäckigkeit und den nimmer müden Eifer, mit dem sich der Kollege auch gegen Widrigkeiten und Zweifler durchgesetzt hatte. Zwei Jahre gingen ins Land...

 

Bei einem Oberligaspiel der Arminia in Paderborn verabschiedete ich mich im Herbst 1993 als Arminia-Reporter von Radio Bielefeld. Die Mannschaft mit Kapitän Gerrit Meinke als Wortführer verabschiedeten mich im Rahmen der obligatorischen Interviewrunde nach dem Paderborn-Spiel „on Air“ überaus freundlich. Doch nicht nur das: Kurz bevor die letzte Klappe fiel, damals im alten Stadion am Hermann-Löns-Weg, hatte ich einen dicken Kloß im Hals. Matze Knop war zufällig Moderator meiner letzten Arminia-Show. „Wir, die Kollegen und ich, haben uns etwas für Dich überlegt“ erklärte er den Hörern und mir und spielte - als Spaßvogel, der er damals schon war, ein Lied, dass ich noch nie gehört hatte. "Einer ist immer der Loser"... Hä? Was sollte das denn? „Oh , sorry“ meinte Matze, „Ich habe den falschen Knopf gedrückt“. Jetzt folgte die Hookline von „Simply The Best“ von Tina Turner und ich habe zum ersten Mal in einer Fußballsendung eine Träne verdrückt, aber die sah ja keiner. „Mach's gut in Freiburg“, rief Matze Knop noch ins Mikrofon und ich war raus aus der Nummer, weg von Arminia - ich räumte freiwillig meinen Platz als Arminia-Reporter bei Radio Bielefeld, um einen weiteren Karriereschritt in Süddeutschland zu machen.

Nur meine Leidenschaft für den DSC Arminia hatte ich damit nicht abgegeben, die existierte und existiert weiter – und ich lasse sie mir von niemandem nehmen. Auch, weil sie sich mit meiner Leidenschaft für den SC Freiburg sehr gut verträgt.

 

Es war übrigens keine große Überraschung mehr, dass bei Radio Bielefeld Ulrich Zwetz mein Nachfolger als Arminia-Reporter wurde. Etwas Besonderes ist allerdings, dass Uli seither alle Spiele der Arminia übertragen hat, bis jetzt (fast) 25 Jahre lang.

Ich weiß wovon ich rede, denn ich habe es auf meiner nächsten Station, Freiburg, genauso gehalten und übertrage in demselben Zeitraum, seit Januar 1994 also, sämtliche Spiele des SC Freiburg live im Radio. Ulis Einsätze auf den Spuren der Arminia verfolge ich via iPhone-App regelmäßig bei mir im Süden. Man weiß doch: Einmal Armine, immer Armine!

 

So weit mein an ein paar Stellen aktualisierter Text von vor ein paar Jahren.

Jetzt im Dezember feiere ich dann „Silberhochzeit“ mit dem SC. Im Herbst/Winter 1993 war ich im Rahmen der Bewerbungsphase bei Radio Freiburg FR 1 auf Tuchfühlung gegangen. Die Heimspiele gegen Stuttgart und Bayern - da wusste ich schon, dass ichg den Job sicher hatte - habe ich im Dreisamstadion verfolgt, den Auswärtskick in Wattenscheid schon mal als Vorgriff auf meine spätere Tätigkeit live für FR 1 übertragen. Wattenscheid 09 gegen SC Freiburg, es war am 4. Dezember 1993 und es war mein erstes SC-Spiel, das ich im Radio übertragen durfte. Am kommenden Samstag, 1. Dezember 2018, folgt mit Borussia Dortmund gegen SC Freiburg die Nummer 923; mit gleicher Begeisterung für und Respekt vor der Aufgabe. 

Ob das 1000. Spiel dann schon im neuen Stadion stattfinden wird, ist noch offen. Einige Anwohner haben ja geklagt und wollen den Bau des Stadions verhindern. Das wird ihnen nicht gelingen, aber verzögern könnten sie den Baubeginn vermutlich. Nach dem eindeutigen Bürgerentscheid, ist der Rechtsweg, den die Kläger nun beschreiten zwar Zeugnis eines mangelhaften Demokratieverständnisses, aber mit dieser Vorgehensweise war leider zu rechnen.

 

Die rein sportliche Vorschau auf BVB gegen SCF folgt in Kürze an dieser Stelle.

 

…viel Arbeit im Verlag und ein grippaler Infekt haben verhindert, dass ich im Vorfeld des Spiels noch sportliche Fakten zusammentragen konnte. Deshalb springen wir jetzt direkt in den Spielbericht, bevor ich im „Nachspiel“ noch einmal auf Begebenheiten von Donnerstag und Freitag zu sprechen komme.

 

Das Fußballspiel

(Mein 923. SC-Livespiel im Radio)

Als ich am Samstagmorgen aufwachte, war ich noch nicht ganz sicher, ob ich das Spiel unfallfrei über den Sender bekommen würde. Der grippale Infekt, der mich seit Mittwoch zumindest teilweise aus dem Rennen genommen hatte, war nicht besser sondern ernster geworden und ich bangte am Samstagvormittag vor allem um meine Stimme. Ich dopte mich mit "Aspirin Complex" und pflegte Hals und Kehlkopf mit einer Überdosis an "Kamillosan-Spray" und "GeloRevoice"-Lutschtabletten.

Das Ergebnis konnte sich dann hören lassen. Erst beim abschließenden Trainerinterview mit Christian Streich knickte die Stimme etwas ein.

Sportlich lief es so schlecht nicht beim SC: Mit tief stehender Dreier-/Fünferkette einem sehr emsigen Haberer zwischen den Linien und fleißig mit verteidigenden Offensivkräften nahm der SC dem hoch favorisierten BVB die Leichtigkeit. Besonders stark fand ich Torhüter Schwolow, Koch als zentrales Glied in der Abwehrkette und den sehr agilen und zweikampfstarken Haberer. Blass blieben Spieler wie Frantz und Petersen, die sonst gemeinhin zu den Leistungsträgern zählen. Zu den schwächeren Elementen in einer insgesamt recht guten Freiburger Mannschaft zählte ich in Dortmund Heintz und Gondorf. Beide waren auch an der Entstehung des Elfmeters beteiligt, der in der 40. Minute zum 1:0 für Borussia führte. Einer von drei ärgerlichen Fehlpässen von Gondorf in dieser Partie führte zu dem schnellen Gegenangriff der Gastgeber, an deren Ende Sancho von Heintz im Strafraum etwas tapsig attackiert und leicht berührt wurde. Der wendige Engländer ging zu Boden – es gab Elfmeter. Reus verwandelte zum 1:0. Ärgerlich! Fast hätte Jérôme Gondorf seinen Fehler gleich darauf wieder gut gemacht, doch sein herrlich gezirkelter Freistoß aus gut und gerne 25 Metern sprang von der Unterkante der Latte kurz vor die Torlinie und dann wieder ins Spielfeld. In der zweiten Hälfte vertändelte Heintz den Ball im Strafraum, brachte Gondorf dadurch in eine schwierige Situation, die Reus nutzte, der dem sympatischen Ex-Bremer den Ball stiebitzte und alleine auf Schwollow zu lief – nur gut, dass sich „Schwolli“ in Topform präsentierte und den Schuss von Reus abwehren konnte. Insofern war es nicht wirklich der Tag von Dominique und Jérôme, wobei beide natürlich auch gute Szenen hatten und der SC insgesamt einen starken und intakten Eindruck hinterließ. In der Schlussviertelstunde war der SC Freiburg sogar fast ein wenig dominant, ohne vor dem Dortmunder Tor aber so richtig gefährlich zu werden. Da fehlte es an Durchschlagskraft. Ein Punkt in Dortmund lag am Samstag aber durchaus im Bereich des Möglichen. Einen Knopf auf den Dortmunder Sieg machte Super-Joker Alkácer erst in der Nachspielzeit.

 

Das Nachspiel

Petersen und Heintz in der Mixedzone sowie Streich nach der PK standen mir am Mikrofon Rede und Antwort. Dann packte ich meinen Kram zusammen und fuhr, gemeinsam mit Gottfried Kreis, meinem einstigen Englischlehrer aus Bielefeld, einem Dauerkartenbesitzer von der Dortmunder Südtribüne, mit schwarz-gelber Mütze und Schal unterwegs, zurück in meine ostwestfälische Heimat. Da hielt ich mich ja schon seit Freitag auf, war mit meiner Mutter unterwegs gewesen und hatte am Abend das Nachbarschaftsderby SC Paderborn gegen Arminia Bielefeld verfolgt. Für die Freiburger Stadionzeitung „Heimspiel“ sollte und wollte ich mich auch noch mit Mo Dräger treffen, der Freiburger Leihgabe an den SCP. Um mich mit Mo für nach dem Spiel zu verabreden, hielt ich mich schon vor der Partie eine zeitlang in der kleinen aber sehr zentralen Mixedzone der Paderborner Benteler-Arena auf. Mo bekam ich (noch) nicht zu sehen, aber Arminia-Trainer Jeff Saibene, bei dem ich mich vor Jahr und Tag mal via einer privaten Nachricht bei Facebook über den damaligen Neuzugang des SC Freiburg, Yoric Ravet erkundigt hatte, kam plötzlich auf mich zu und begrüßte mich freundlich. Ich war ganz baff und meinte, „Sie überraschen mich, Herr Saibene, wir sind uns doch noch nie persönlich begegnet…“ der Luxemburger, der lange als Erstligatrainer in der Schweiz gearbeitet hatte, bevor er in die 2. Bundesliga zu Arminia Bielefeld gekommen war, grinste und meinte, „ja, aber wir kennen uns doch über Facebook“, was mich tatsächlich arg verblüffte. Hut ab, Jeff, kann ich da nur sagen! Der Arminia-Trainer wirkte ziemlich entspannt, obwohl eine Niederlage im OWL-Derby  – nach bis dato acht sieglosen Spielen in Folge – womöglich das Ende für ihn bei meinem Verein bedeutet hätte. Zumindest die Bielefelder Journalisten waren sich da ziemlich sicher. Bielefeld ist halt nicht Freiburg…

Arminia spielte klasse und dominant in Paderborn, ging zwei Mal in Führung, kassierte aber in der 90. Minute den Ausgleich. Endstand 2:2. Enttäuschung über den verpassten Sieg – klar! Und dennoch: Die Leistung wirkte wie ein Wendepunkt, wie ein Ende der Krise. Die Fans forderten und feierten den Trainer. Die Arminen stehen hinter Jeff Saibene.  Das fand ich gut. „Du musst jetzt immer kommen“ flachste der gut gelaunte Luxemburger nach der Pressekonferenz und verabschiedete sich freundlich von mir, nicht ohne darauf aufmerksam zu machen, dass das nächste Arminia-Spiel am Sonntag, 9. Dezember, gegen Sandhausen stattfinden würde… (Ich habe Familie, Jeff…)

Vor der Pressekonferenz in Paderborn hatte ich Gelegenheit zu dem geplanten Gespräch mit Mo Dräger, der sich als ein netter Bursche erwiesen hatte. Das Audiotape wie auch die schriftliche Synthese daraus habe ich, wie vereinbart, der Stadionzeitung „Heimspiel“ zur Verfügung gestellt. Was die daraus machen, weiß ich nicht. Tagebuch-Lesern möchte ich die Mo-Dräger-Story aber nicht vorenthalten:

 

Die Mo-Dräger-Story

Mo Dräger ist ein echtes Freiburger Bobbele – Der Sohn einer tunesischen Mutter und eines deutschen Vaters wurde hier geboren und in der Freiburger Fußballschule zu einem viel versprechenden Kicker ausgebildet. Bei den SC-Profis reichte es für den Spezialisten für die rechte Außenbahn zunächst nur für zwei Teileinsätze: Im Sommer 2017 international in der EL-Qualifikation gegen NK Domzale und Anfang dieses Jahres beim Bundesligaspiel in Frankfurt.

Wie vor einiger Zeit bei den heutigen SC-Leistungsträgern Alexander Schwolow (nach Bielefeld) und Nicolas Höfler (nach Aue), wurde zur neuen Saison vom Sport-Club auch für Mo Dräger eine zweijährige Leihe an einen unterklassigen Proficlub vereinbart. Dort soll das Freiburger Eigengewächs Spielpraxis bekommen und reifen. So landete der heute 22-Jährige beim Zweitligisten SC Paderborn… und startete durch. Bei den Ostwestfalen, die im Tabellenmittelfeld stehen und eine über Erwarten gute Saison spielen, avancierte Mo Dräger von Beginn an zum Stammspieler, fehlte nur einmal wegen einer Gelb-Rot-Sperre. Im November debütierte er im A-Nationalteam von Tunesien, dem Heimatland seiner Mutter. „Stand jetzt läuft es gut“, freut sich der sympathische Freiburger über seinen Schritt nach Paderborn. Die Stadt sei, ähnlich wie Freiburg, eine Studentenstadt mittlerer Größe, einen Kulturschock habe es für ihn daher nicht gegeben. Das Verlassen des Elternhauses und der gewohnten Umgebung sei schon ein bedeutender Schritt für ihn gewesen, der ihm aber umso leichter falle, da es sportlich so gut für ihn laufe: „Ich fühle mich wohl; ich bekomme Vertrauen, ich bekomme Spielzeit und es gelingt mir, das Vertrauen zurückzuzahlen, sonst würde ich nicht auf die Anzahl von Spielen kommen.“ Mo Dräger schätzt an seiner neuen Wahlheimat die räumliche Nähe zu den Metropolen Köln und Düsseldorf oder auch zu den größeren Städten in der näheren Umgebung, wie Bielefeld und Dortmund, wo er am 1. Dezember natürlich hingefahren ist, um den SC zu unterstützen – denn eines ist klar: Bobbele bleibt Bobbele: „Natürlich hänge ich an meiner Familie in Freiburg und an der SCF-Familie“, bekennt er.  Trotzdem ist Mo Dräger ganz auf Paderborn fokussiert: „Ich bin hierhergekommen, um mich als Mensch und als Fußballer weiterzuentwickeln. Und ich fühle mich sehr wohl hier. Was in zwei Jahren passiert,  ist eine Sache zwischen dem SC Paderborn und dem SC Freiburg. Das ist noch weit weg.“ Ungefähr so weit weg, wie die eigene Ausbildung in der Freiburger Fußballschule. Daran erinnert sich Mo sehr gerne, gerät schließlich sogar ins Schwärmen: „Freiburg lebt von der Nachwuchsarbeit. Wenn man sich beim SC und in der Bundesliga umschaut, wer alles aus der Freiburger Fußballschule hervorgegangen ist, dann ist das sicher der größte Baustein im Fundament des Clubs.“  Keine Frage ist es daher für Mo Dräger, dass er auch den Förderverein Freiburger Fußballschule durch seine Mitgliedschaft unterstützen will. „Da bin ich bestimmt schon Mitglied, weil ich bin in Freiburg eigentlich überall Mitglied, wo man Mitglied sein kann“, lacht der vielseitige Rechtsfuß. „wenn ich aber noch nicht Mitglied im Förderverein Freiburger Fußballschule bin, dann werde ich es sofort. In der Fußballschule wird hervorragende Arbeit geleistet. Was da alles dazu gehört, angefangen bei den Füchsletagen und den Sichtungstagen – das unterstütze ich gerne.“ Keine Frage, Mohamed Dräger, Fußballprofi und Nationalspieler, hat nicht vergessen, woher er kommt und wie er den Weg in seinen Traumberuf gefunden hat. (Zitatende)

 

Es folgte der Samstag in Dortmund, ein