16. Spieltag der Fußball-Bundesliga, 1. FC Union Berlin gegen SC Freiburg

Mittwoch, 15. Dezember 2021, 20.30 Uhr

Stadion an der Alten Försterei, Berlin-Köpenick

1. FC Union Berlin - SC Freiburg

Das Vorspiel

…war stressig, denn Montag und Dienstag sind bei uns im Verlag die Hauptproduktionstage für den ReblandKurier. Mein Team und ich mussten also richtig Gas geben, damit ich am Dienstag früher gehen konnte - den Flug hatte ich schon sehr früh und deshalb auch entsprechend günstig gebucht, als noch gar nicht feststand, ob Dienstag oder Mittwoch gekickt wird. Eigentlich wäre es sogar der Nachmittagsflug gewesen aber den hat easyJet gecancelt und auf den Abend verlegt, sodass ich richtig froh war, dass das Spiel des SC bei Union Berlin dann auf Mittwoch terminiert wurde. Ich beließ es also bei dem Hinflug am Dienstagabend und konnte so den Großteil meiner üblichen Arbeit vor der Abfahrt zum EuroAirport erledigen.

Um 16.30 Uhr fuhr ich zum Flughafen, stellte fest, dass der relativ günstige Außenparkplatz eine „fermeture hivernale“, also eine Winterschließung hatte. Ich entschied mich – was soll der Geiz? – für den teuren Tiefgaragenplatz direkt unter der Abflughalle und war dann fast alleine; in der Tiefgarage, in der Abflughalle, beim Sicherheitscheck und auch im Flieger. Corona und die Folgen, fürchte ich…

In Berlin bekam ich einen Fiat 500 vom gebuchten Autovermieter, gab die Adresse der gebuchten Ferienwohnung in Schönefeld ein (war günstiger als jedes Hotel) und stellte fest, dass ich nur 9 km zu fahren hatte. Der Hausbesitzer empfing mich freundlich und führte mich in eine der im Erdgeschoss zu vermietenden Wohnungen. Es war alles drin, was man braucht, es war sauber aber auch ein bisschen karg und wegen des Fliesenbodens auch ein bisschen kühl, wenn man barfuß herumrannte. Insgesamt war es aber rückblickend eine gute Entscheidung gewesen, zumal ich den Fiat 500 direkt vor dem Appartement in einem abgeschlossenen Hof parken konnte.

Über die entsprechende App von Radio Bielefeld hörte ich, wie Arminia den VfL Bochum schlug – bei meinem einstigen Haussender ist ja immer noch Dr. Uli Zwetz, mein direkter Nachfolger als Arminia-Reporter, am „Rohr“.  Dann erreichte mich die E-Mail einer Kollegin vom Verlag – ich hatte vergessen, ihr die Schlagzeilen für die Online-Veröffentlichungen des ReblandKuriers mitzuteilen – ich hatte sogar vergessen, sie vorzubereiten. Das holte ich nach zwei Anrufen bei Kollegen unseres Verlages nach, da wir ja diverse Lokalausgaben haben und ich nicht alles im Kopf haben konnte. Als ich meine der reisestressbedingten Vergesslichkeit geschuldeten Nachlässigkeit ausgeglichen und die 20 Schlagzeilen verfasst und kommuniziert hatte, konnte ich mich über Arminias Sieg freuen, um dann erneut konzentriert zu arbeiten… Ich bereitete den Talk für die Morningshow von baden.fm inhaltlich und technisch vor – erst dann orderte ich bei Lieferando (ich weiß, soll man eigentlich nicht…) eine Pizza, die ich dann aber nur gut zur Hälfte gegessen habe. Ihr wisst schon, meine hungerarme Spezialdiät (-27 Kilo bislang) Den Rest wollte ich mir am Mittwoch aufwärmen. Lieferando hatte sich angeboten, weil ich einfach zu müde und zu träge war, um noch mal rauszugehen oder zu fahren. Ich gönnte mir noch die Sportschau mit den Bundesligaspielen des Dienstagabend und schlummerte ein…

Am Mittwoch, dem Spieltag, zog ich mir zunächst via App die Stunde von 8 Uhr bis 9 Uhr der baden.fm-Morningshow rein, in der – meistens um 8.40 Uhr – der Fußballtalk läuft (Die Erstausstrahlung um 6.40 Uhr wäre mir schlicht zu früh gewesen) , dann ging ich duschen, zog mich an und lief zum Frühstück… in diesem Fall in die nahegelegene HEM-Tankstelle.  Ich orderte einen großen Milchkaffee und ein knackig frisches Käsebrötchen und nahm an einem der wenigen Bistroplätze der "Tanke" Platz. Langsam kehrten die Lebensgeister ein. Den größten Teil des Tages verbrachte ich mit Müßiggang, meistens im Bett liegend. Ich hörte meinen Hörbuch-Krimi, zappte ein bisschen durchs Fernsehen oder surfte im Netz. Bis 18 Uhr tat ich das, ohne mich zu sehr zu langweilen. So ein bisschen Erholung tat mir offenbar gut und war vielleicht auch nötig.

Um 18 Uhr brach ich auf, Richtung Köpenick / Alte Försterei. Fahrtzeit war eine gute halbe Stunde. Im Stadion wurde ich nett empfangen, erhielt meine Akkreditierung nebst Zugang für die Präsenz-PK und begab mich auf die Pressetribüne der Stadions, in dem 5.000 Zuschauer dem Spiel beiwohnen sollten. Der mir zugeteilte Platz war der letzte in Reihe 14, direkt neben einer Mauer. Das fand ich jetzt weniger sympathisch denn diese „Berliner Mauer“ nahm mir die Sicht auf gut 25 Prozent des Spielfelds, es sei denn ich stand auf oder reckte und streckte mich unnatürlich. Mit Verlaub, dass ist eigentlich nicht zumutbar – schon gar nicht in einem fast leeren Stadion. Immerhin, zumindest die Technik funktionierte perfekt und durch diese war ich an den mir zugewiesenen Platz gebunden, sonst hätte ich den natürlich gewechselt.  „Scheiße Union statt Eisern Union“, dachte ich ob dieser Platzierungs-Frechheit. Dass es auch in der Pause, wegen der Enge und den an ihren Plätzen verweilenden Kollegen,  unmöglich war, zum Beispiel mal zur Toilette zu gehen – kommt noch dazu. Aber sei es drum…

Dann begann das Spiel.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.032. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

 

Eigentlich weiß man ja: Union spielt knallhart, sehr körperbetont, wartet ab und spielt dann, wenn der Gegner weit aufgerückt ist, lange Bälle auf die schnellen Spitzen. Konterfußball halt, ohne viel Schnickschnack. Ganz anders begann das Spiel am Mittwochabend: In den ersten Minuten griff Union beherzt an und sorgte für viel Unruhe im Freiburger Strafraum. Die noch ungewohnte 3-5-2-Formation, mit der die Gäste der üblichen Union-Taktik antworten wollten, mag auch noch eine Rolle gespielt haben – man musste erst seine Ordnung finden, oder so. Jedenfalls knallten dem guten Mark Flekken die Bälle in den ersten drei, vier Minuten nur so um die Ohren. Immerhin: Der Niederländer bestand die Herausforderung und war stets zur Stelle. „Das mag ja heiter werden“, dachte ich bei mir – schöpfte aber neue Hoffnung, als auch der SC zu Chancen kam: In der 5. Minute taucht Maxi Eggestein am gegnerischen Strafraum auf und zieht ab. Angefälscht touchiert der Ball die Latte… Das war knapp…

Insgesamt aber macht Union Berlin in den ersten 45 Minuten den besseren Eindruck. Ob Haraguchi, dem, eingesetzt von Khedira, lediglich die Ballmitnahme misslingt oder Awoniyi, der aus aussichtsreicher Position über das Tor schießt – irgendwie sind die Köpenicker näher dran am ersten Tor als der SC, der zurückhaltend spielt, das war gewollte Taktik, um Berlin nicht ins offene Messer zu laufen, bei eigenem Ballbesitz aber auch nicht wirklich ballsicher wirkt. Das Spiel „schmeckt“ mir in der ersten Hälfte nicht wirklich.

In der 33. Minute spielt Lucas Höler den Ball in die Gasse und Wooyeon Jeong sprintet hinterher. Es fehlte vielleicht ein halber Schritt, doch Luthe kommt vor dem Südkoreaner im hellblauen Freiburg-Trikot an den Ball und schlägt ihn in höchster Not weg.

Fast jeder Zweikampf ist hart an der Grenze des Erlaubten, manchmal auch drüber. Schiri Deniz Aytekin pfeift relativ großzügig. Dass er ausgerechnet dem Freiburger Nicolas Höfler in der 35. Minute „Gelb“ zeigt, überrascht dann doch etwas, denn die aggressiver agierende Mannschaft ist eindeutig Union. Dann ist Pause und ich denke erstmals an ein 0:0 als mögliches Ergebnis – und dass das gar nicht so schlecht wäre, angesichts des Spielgeschehens und weil man ja weiß, Union liegt dem SC nicht…

 

Eingekeilt an meinem Mauer-Platz verzichte ich auf den Toilettengang und harre der Dinge, die die zweite Halbzeit bringen wird. Kaum wieder angepfiffen hat Vincenzo Grifo plötzlich eine Mega-Möglichkeit, schießt aus spitzem Winkel ganz knapp am zweiten Pfosten vorbei. Der SC ist nach dem Wechsel aktiver und torhungriger als zuvor. Die Partie beginnt, mir endlich Spaß zu bereiten. In der 50. Minute schießt wieder Grifo – der Schlenzer aus der Distanz geht über das Tor. In der 56. Minute müsste es dann eigentlich klingeln. Freiburg dominiert in dieser Spielphase und bekommt durch einen Fehler von Berlins Gießelmann eine Riesenchance „geschenkt“: Lukas Kübler reagiert richtig und steht plötzlich im Straftraum frei vor Torhüter Luthe. Der Schuss ist aber zu harmlos und geht genau auf den Mann. Eigentlich war das eine Hundertprozentige. Ein gelernter Stürmer hätte zu 90 Prozent ein Tor daraus gemacht. Kübler ist gelernter Verteidiger….

Die Freiburger Dominanz der ersten Phase in Halbzeit zwei endet mit einer kuriosen Szene in der 66. Minute. Union hat Eckball und der sorgt für Torgefahr, weil der SC die Kugel einfach nicht aus der Gefahrenzone weg bolzt. Zunächst trifft Awoniyi, bedient von Baumgartl, die Latte. Der Ball landet im Gewühl vor dem Tor, Khedira nutzt die Gunst der Sekunde und hält drauf – auf der Linie steht Lukas Kübler und wird angeschossen, immernoch ist die Kugel gefährlich im Getümmel, Gießelmann versucht es per Kopf – jetzt ist Mark Flekken zur Stelle und kann klären. Das Ganze passierte während einer Liveeinblendung, sodass ich diese fast schon groteske, flipperartige Szene live kommentieren muss und ich gebe zu, das war nicht so einfach, so schnell flipperte der Ball hin und her… Ich „roch“ den Rückstand, er kam aber nicht zu Stande.

Dennoch war die Szene wie ein Warnschuss für den zuvor mutigeren SC – das Spiel verflacht wieder etwas, Union scheint am Drücker, auch wenn weitere ganz große Möglichkeiten ausbleiben. Daran ändern auch zahlreiche Spielerwechsel auf beiden Seiten nichts mehr. Obwohl… In der Nachspielzeit hat Philipp Lienhart noch eine veritable Kopfballchance… Leider gerät auch dieser aussichtsreiche Abschluss zu zentral und Luthe kann den Ball halten.

Dann ist Abpfiff – 0:0 aber beide Seiten scheinen ganz zufrieden damit zu sein. Ich bin es auch mit dem Auswärtspunkt.

 

Das Nachspiel

Nachdem ich mich ein letztes Mal live in der baden.fm-Bundesligashow gemeldet habe, packe ich meinen Kram in den Rollkoffer. Gar nicht so einfach angesichts der Enge auf der Köpenicker Pressetribüne. Als alles verstaut ist, stelle ich fest, dass die Kollegen schon gegangen sind – ich kann also entspannt meine Reihe 14 verlassen und – endlich – drängende Flüssigkeit loswerden. Dann laufe ich in den Presseraum, der dann doch voller ist als erwartet – aber immerhin, alle mit Maske. Die Trainer kommen und geben ihre Statements ab. Ich habe Blickkontakt mit Christian Streich und es ist klar – heute bekomme ich mein Interview. Gegen Hoffenheim war er, erbost über den Spielverlauf und die späte Niederlage nach Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, (zu) schnell verschwunden.

Bei uns , also bei baden.fm, nutzen die Nachrichtenredakteure die O-Töne der Trainerinterviews und seit Neuestem laufen die kompletten Talks zwischen dem Trainer und mir auf der HP www.baden.fm – wenn sie denn vorliegen… Also meistens. Bundesliga-Show-Moderator Benny Resetz, der auch die Nachberichte für die HP verfasst, baut die Aufnahmen zum mithören immer in den jeweiligen Nachbericht ein.  Das nur als Tipp. In Berlin haben wir also „getalkt“, der Trainer und ich und danach bin ich, mein Köfferchen ziehend und irgendwie befriedigt nach getaner Arbeit und zugleich durchaus angetan von einem wichtigen Auswärtspunkt, zum Presseparkplatz. Das Navi leitete mich durch viele leere und verlassene Straßen des einstigen Ost-Berlins bis nach Schönefeld. An der HEM-Tankstelle tanke ich den Mietwagen wieder auf und fahre 150 Meter weiter auf den Hof meiner Privatherberge.

Es geht gegen Mitternacht als ich den Fußballtalk für die Morningshow vorbereite und nach Freiburg schicke. Nebenbei trinke ich die Flasche Rotwein aus, die ich am Vortag begonnen hatte. Dann schalte ich die Einschlaffunktion meines Hörbuchs ein, stelle sie auf 10 Minuten und werde am nächsten Morgen feststellen – ich war echt müde und bin schon nach etwa drei Minuten eingeschlafen.

Um sechs Uhr in der Frühe weckt mich die Weckfunktion meines iPhones. Ich springe unter die Dusche, ziehe mich an, schaue noch mal durch die Wohnung und dass ich nichts vergesse und fahre wieder die 9 km zum BER. Gegen 6.45 Uhr gebe ich den Mietwagen zurück, stehe gegen 7 Uhr in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle und verbringe dort etwa eine Stunde... „Das Team vom Pannenflughafen kriegt es einfach nicht gebacken“, sage ich mir. Nebenbei beobachte ich  asoziale Passagiere, die keinen Bock haben in der Schlange zu stehen und einfach alle Regeln und Begrenzungsbänder ignorieren und auf extremste Weise vordrängeln. Keiner sagt was. Ich beobachte panische Passagiere mit weinenden, ja hysterischen Kindern, die unter Hinweis auf das bald schließende Gate ihres Fluges darum bitten, vorgelassen zu werden. Die meisten - aber nicht alle - sind einverstanden. Um 8 Uhr schließt mein Gate, steht auf dem Ticketausdruck, stelle ich fest. Um kurz vor 8 Uhr bin ich durch den Sicherheitscheck, was mit der Radiotechnik im Koffer immer ein bisschen zeitraubend ist. Ich schiebe durch den Duty-Free-Shop und entdecke, gemeinsam mit ein paar SC-Fans, die mit mir in der Schlange gestanden hatten, (Zitat: "Der Bart ist ab") auf einem Bildschirm, dass wir zum Gate A36 müssen - und dass es bis dahin 12 Minuten Fußweg sind. Also Gas geben… Um 8.10 Uhr kommen wir an. Es gibt noch eine kleine Schlange vor dem Gate, das noch nicht geschlossen hat. Für einen kleinen Aufpreis hatte ich „Speedy Bording“ sowie ein zweites Handgepäckstück gebucht – die „Speedy-Bording“-Schlange existiert fast nicht. Schnelle sitze ich im Flieger auf meinem Platz und keine drei Stunden später, so gegen halb elf, an meinem Schreibtisch im WZO-Verlag.

Das war das letzte Auswärtsspiel des Jahres. Ja, es war auch stressig und nicht alles war toll. But I love it…