16. Spieltag der Fußball-Bundesliga, VfL Wolfsburg - SC Freiburg

Samstag, 21. Januar 2023, 15.30 Uhr

Volkswagen Arena, Wolfsburg

VfL Wolfsburg - SC Freiburg

Das Vorspiel

Die Bundesliga geht wieder los und ich hätte fast das Tagebuch verpennt. Aber nur fast - und aus Gründen… am Mittwoch und Donnerstag, klassischer Weise „Vorspiel“-Tage, hatte ich die Ehre und das Vergnügen, an einem Führungskräfte-Seminar der „bz-medien“-Gruppe teilzunehmen - absolut keine Chance auf und keine Zeit für das Fußball-Tagebuch. Am gestrigen Donnerstag schloss sich dann noch der Neujahrsempfang „Anstoß“ des SC Freiburg an. 550 geladene Gäste - Sponsoren, Hochkaräter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sowie - ganz wenige - Medienbegleiter. Auch hier schätze ich mich glücklich, unter den Gästen gewesen zu sein. Wichtigster Programmpunkt, neben einem Talk vom DAZN-Kollegen Alex Schlüter mit den Cheftrainern der drei Vorzeigeteams, also Bundesligamannschaft (Streich), U23 (Stamm) und Frauen  (Merk), war die offizielle Bekanntgabe des künftigen Trikot- und Hauptsponsors, nachdem Cazoo aus dem Laufenden Vertrag heraus wollte, da sich das britische Unternehmen aus dem deutschen Markt zurückzieht. Künftig wirbt die Freiburger Firma „JobRad“ auf den Trikots des SC - das passt irgendwie sehr gut zum SC. 

Heute ist Freitag, seit einer Viertelstunde läuft Leipzig gegen Bayern und ich sitze in einem Wettbüro in Frankfurt - also in etwa auf halbem Weg nach Wolfsburg.  In meinem Hotel funktioniert die TV-Anlage nicht. Also bin ich um die Ecke in die nahegelegene „Wett-Arena“, hab einen Zehner auf ein Remis gesetzt und mit dem Invest quasi das Recht erworben, das Spiel hier auf Flat-Screen zu verfolgen. Zwei Dosen mit Wodka/Lemon habe ich mitgebracht…

Morgen um 15.30 Uhr kickt unser SC beim VfL Wolfsburg. Schon am Mittwoch gehts dann gegen Eintracht Frankfurt weiter - zwei Verfolger als Startgegner im neuen Jahr. Das kann höllisch schief gehen und die Tabellen-Statik der Bundesliga zu Ungunsten des SC ganz schön durcheinander bringen. Aber natürlich bieten die Konstellation und der Spielplan auch richtig gute Chancen für den aktuellen Tabellenzweiten aus Freiburg. Wolfsburg hat sein neun Spieltagen keine Partie mehr verloren; die letzten vier Spiele vor der WM- und Winterpause hat der VfL gewonnen. Die Mannschaft von Neu-Trainer Nico Kovac hat sich von Platz 17 auf Platz 7 verbessert und nimmt jetzt die Tabellenplätze in Angriff, die in die europäischen Wettbewerbe führen. Ja, Wolfsburg ist ein starker Gegner, keine Frage. Aber der SC ist auch bärenstark - also er war es vor der Pause und hat seine außergewöhnliche Qualität auch in den Testspielen der letzten Wochen unter Beweis gestellt.  Vor allem die allererste Reihe, die 13, 14 Jungs, die zur Stammelf zu zählen sind, waren überzeugend, haben Basel klar beherrscht und den HSV (fast) aus dem Stadion geschossen (4:1 nach einer Viertelstunde). Ich denke, das wird morgen ein 50:50-Spiel. Ich persönlich fände auch ein Remis in Ordnung. Gegen Wolfsburg und Frankfurt ohne Niederlage bleiben - das wäre großartig, finde ich. 

 

Um 10 Uhr plane ich die Abfahrt im baden.fm-Corolla, von Frankfurt Richtung Niedersachsen. Um 13 Uhr/13.30 Uhr sollte ich dann an der Volkswagen-Arena ankommen.  Um 15 Uhr beginnt dann unsere Bundesligashow, um 15.30 Uhr das Spiel. 

Den Punktgewinn - oder gerne auch den Sieg, es wäre ja nicht der erste in Wolfsburg - würde ich dann in Hannover feiern. Da habe ich ein Hotelzimmer gebucht. Zum Abendessen bin ich mit Didi Mohaupt verabredet. Didi lebt in Hannover und ist Niedersachsen-Korrespondent beim Deutschlandfunk. Er war vor rund 30 Jahren Sportchef bei Radio Bielefeld und ich war sein Arminia-Reporter. Wir haben uns später nie mehr aus den Augen verloren. 

Am Sonntag geht es dann zurück in Richtung Süden. 

Ich kommentiere das Bundesligaspiel VfL Wolfsburg gegen SC Freiburg am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow. 

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.078. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Katastrophe. Das Spiel vor knapp 24.000 Zuschauern in der Volkswagen Arena hatte kaum begonnen, da stand es schon 1:0 für den VfL Wolfsburg. Dem Treffer von Wimmer ging eine Verkettung von Fehlern voraus – Manuel Gulde, Christian Günter und Matthias Ginter sahen da gar nicht gut aus.

In den folgenden 20 Minuten kickte der SC dann durchaus ganz gut mit, obwohl der VfL schneller und agiler wirkte, erspielte sich der SC Vorteile, entwickelte aber nicht die nötige Durchschlagskraft vor des Gegners Tor. In der 17. Minute lag der Torschrei allerdings auf meinen Lippen:  Michael Gregoritsch verlängert per Kopf auf Nicolas Höfler, der zentral im Strafraum stehend per Dropkick abzieht. VfL-Keeper Coen Casteels reißt die Fäuste hoch und verhindert den möglichen Ausgleich.

Ein schwacher Pass von Mark Flekken leitet in der 28. Minute das 2:0 für Wolfsburg ein:  Arnold schlägt einen langen Ball in den Strafraum, Wimmer setzt sich gegen den erneut schwächelnden Christian Günter durch und köpft den Ball gekonnt zu Mittelstürmer Wind, der den Ball mit Freude ins Netz hämmert.

Im Gegenzug hat Daniel Kofi Kyereh den Anschlusstreffer auf dem Fuß, tunnelt, von Michael Gregoritsch angespielt, van de Ven, spitzelt den Ball aber auch haarscharf am Pfosten vorbei. Wieder den Treffer nur knapp verpasst – die Hoffnung lebt… bis zur 37.Minute: van de Ven flankt flach und scharf in die Mitte, Matthias Ginter fälscht ab, der Ball prall Wind, der von Gulde erfolglos attackiert wird, ans Schienbein und landet aus kurzer Distanz im Tor; höchst unglücklich für den SC, sehr glücklich für den VfL; aber: 3:0 – die vorzeitige Entscheidung. „Das Spiel kannst du knicken“ erkläre ich enttäuscht am baden.fm-Mikrofon. Wolfsburg schießt vier Mal aufs Tor und sammelt drei Treffer – der SC schließt zwei Mal aussichtsreich ab und hat nichts auf der Uhr. Dann ist Halbzeit.

Kopfschütteln bei den Kollegen aus Freiburg im Presseraum, wo Kaffee und Kuchen gereicht wird. Eine Erklärung findet niemand.

Nach 56 Minuten gibt es einen weiteren Tiefschlag: Wind lässt Manuel Gulde stehen, bedient Nmecha, der den Ball zu Gerhardt passt. Das geht alles viel zu schnell für die an diesem Tag zaghaft zauderlichen Gäste. Schon zappelt der Ball wieder im Netz – 4:0…

Nach einer Stunde Spielzeit muss der Videoassistent ran; van de Ven hat den Ball im Strafraum an die Hand bekommen. „Keine Absicht“ lautet wohl die Interpretation – einen Elfmeter gibt es nicht.

Es folgen zahlreiche Wechsel auf beiden Seiten – besser wird das Spiel der Gäste nicht. In der 80. Minute kombiniert Wolfsburg einmal mehr blitzschnell: Waldschmidt – Paredes – Baku heißen die Stationen, am Ende steht es 5:0. Und es war noch nicht das Ende…

Am Ende der vierminütigen Nachspielzeit unterläuft Yannik Keitel im Strafraum ein unnötiges Foul gegen van de Ven, als der Freiburger schlicht zu spät kommt. Es gibt Elfmeter und ausgerechnet der frühere Freiburger Waldschmidt darf gegen Flekken antreten. Luca läuft an und lässt Mark keine Chance. 6:0 – Abpfiff, Enttäuschung pur.

 

Das Nachspiel

In der Mixedzone stellt sich nur Christian Günter unseren Fragen – alle anderen haben sich enttäuscht in die Kabine verdrückt. Kommen zwar geschlossen nochmal raus, um sich bei den Fans für die Unterstützung zu bedanken, ignorieren aber die drei aus Freiburg angereisten Hanseln von den Medien. Nur Günni nicht – der Kapitän muss halt immer ran. Ich sacke das Interview ein und fahre mit dem Lift in den dritten Stock zur PK mit den beiden Cheftrainern. Christian Streich hat Mühe, Worte zu finden. Trotzdem stellt er sich hinterher auch mir zum obligatorischen Interview. Die Talks mit dem Kapitän und dem Trainer sind im Internet auf der HP des SC Freiburg und von baden.fm zu hören.

Dann gehe ich zurück an meinen Kommentatoren-Platz und packe meinen Kram zusammen. Danach trotte ich langsam zum baden.fm-Corolla. Ich brauche eine gute Stunde bis Hannover. Unterwegs schaue ich aufs Handy und sehe, dass Bremen in Köln mit 5:0 zurückliegt. Nach einer halben Stunde… Ich rufe Werder-Fan Didi Mohaupt an, mit dem ich eigentlich in Hannover essen gehen wollte. Sinngemäß sage ich, dass wir an diesem Tag  scheinbar ein vergleichbares Problem hätten. Und ich gebe ehrlich zu, keinen Bock auf ein beschwingtes Restaurantessen zu haben. Völlig einer Meinung stornieren wir den Termin – verschieben ihn auf irgendwann einmal. Vielleicht, wenn Werder in Freiburg kickt oder so.

In Hannover beziehe ich ein Zimmer in meinem einstigen Stammhaus Hotel Königshof am Fernsehturm. In einer benachbarten Bar gebe ich mir vier oder fünf Whisky-Cola – dann ist Bettruhe.

Am nächsten Morgen ist Hannover eingeschneit. Ich fahre zwischen verunfallten Autos hindurch zur A2 und dann nach Bielefeld-Jöllenbeck. Hier lade ich am Haus meiner Mutter, die seit einer knappen Woche im Altenheim in Bad Krozingen lebt, ein paar Sachen ein, gehe mit meiner Schwester Elke bei Café Knigge zu Mittag essen – das Kreta hatte um 12 Uhr noch zu. Dann geht’s weiter Richtung Südbaden. Gegen 18 Uhr bin ich wieder zu Hause. Es war ein Auswärtswochenende, das ich schnell verdrängen möchte.

Am Montag muss ich aber noch die Zeitungskolumne „SC INTEAM“ für den ReblandKurier verfassen. Sie erscheint morgen, wenn es in der Bundesliga schon wieder weiter geht. Hier ist sie:

 

SC INTEAM

Zehn Wochen und sechs Tage durften sich Spieler, Trainer und Fans des SC Freiburg trotz  winterlicher Temperaturen im Licht des Erfolgs sonnen: Tabellenzweiter in der Bundesliga, national und international noch in den  Pokalwettbewerben  vertreten – Fußball Freiburg schwamm, auch ohne zu spielen, auf einer Erfolgs- und Euphoriewelle. Umso schmerzhafter dürfte die 6:0-Niederlage zum Bundesliga-Jahresauftakt beim VfL Wolfsburg empfunden werden. Nicht die Niederlage bei den starken Wolfsburgern  als solche, sondern die Trostlosigkeit ihrer Höhe und das Zustandekommen des sportlichen Desasters bereiten im Verein und im Umfeld Kopfzerbrechen. Leistungs- und Sympathieträger wie Torwart Mark Flekken und Kapitän Christian Günter spielten ungewohnt  fahrig und fehlerhaft. Lienhart-Vertreter Manuel Gulde, in seiner Freiburger Zeit nie überragend, aber immer zuverlässig,  war bis zu seiner Auswechslung ein wackeliger Unsicherheitsfaktor in der insgesamt überfordert wirkenden Defensive. Wolfsburg war agiler, zweikampfstärker und schneller. Offensiv musste der SC zwar auf den erkrankten Top-Scorer Vincenzo Grifo verzichten, das allein kann aber nicht Erklärung für den Umstand sein, dass dieser Mannschaftsteil mit drei WM-Teilnehmern im offensiven Mittelfeld und Torjäger Michael Gregoritsch in seiner Paraderolle als einzige Spitze keinerlei Torgefahr ausstrahlte. Abgesehen von einer Phase zwischen dem frühen 1:0 (2. Minute) und dem 2:0 (28. Minute) – beide Treffer wurden durch persönliche Fehler begünstigt – in der die Gäste „den Ton angaben“ (VfL-Trainer Nico Kovac) stand der SC weitgehend neben sich und war, gemessen an den allermeisten Pflichtspielauftritten  vor der Winterpause, nicht wiederzuerkennen. Trainer Christian Streich war jedenfalls bedient („ich sage besser nichts, sonst sage ich was Falsches“) und Kapitän Christian Günter begrüßte achselzuckend die Möglichkeit des Teams, sich aufgrund der Englischen Woche bereits am Mittwoch rehabilitieren zu können. Das Problem ist freilich, dass der heutige Gegner, der amtierende  Europa-League-Sieger  Eintracht Frankfurt (Anstoß: 20.30 Uhr, live bei Sky und baden.fm) als neuer „Bayern-Jäger Nr. 1“ gehandelt wird und ähnliche Qualitäten aufweist wie der VfL Wolfsburg: Tempo, Agilität und Selbstvertrauen. Der SC muss sich gegen den punktgleichen Tabellenzweiten in allen Bereichen deutlich steigern, um heute eine Chance auf einen oder gar drei Punkte zu haben.  Sportvorstand Jochen Saier hatte beim Neujahrsempfang des SC, zwei Tage vor dem Wolfsburg-Spiel, eine „realistische Erwartungshaltung und eine Portion Demut“ eingefordert. Das ist Voraussetzung, um im Heimspiel gegen Eintracht zu bestehen. (Zitatende)

 

Man liest (und hört) sich morgen…