18. Spieltag der Fußball-Bundesliga, FSV Mainz 05 gegen SC Freiburg

Samstag, 18. Januar 2020, 15.30 Uhr

Opel Arena, Mainz

FSV Mainz 05 - SC Freiburg

Das Vorspiel

Exakt vier Wochen nach dem sehr respektablen Auswärtspunkt auf Schalke geht die Bundesliga für den SC Freiburg am morgigen Samstag wieder los; wieder auswärts, diesmal in Mainz. Hinter uns liegt eine extrem kurze Winterpause, in der die Profis auch ein paar Tage Urlaub hatten. Dass dabei nicht immer alles Gold war, was glänzte, ist klar – und manchmal war es halt doch Gold. Blattgold. Die Aufregung, gemeint ist die in den sozialen Medien, über die Dubai-Eskapaden einiger SC-Kicker hielt sich in Grenzen. Irgendwie ist es dem SC gelungen, das Thema klein zu halten und das ist vermutlich auch gut so. Ich selbst habe mich zum Beispiel gefragt, wie ich denn so drauf war als „junger Stier“, ob ich auch mal was Dekadentes gemacht habe. Ich bin fündig geworden:

Ich war so um die 20 als ich ein paar Jahre lang an der rumänischen Schwarzmeerküste Urlaub gemacht habe. Mamaia war damals mein alljährliches Ziel. Mamaia ist beinahe eine Halbinsel – auf der einen Seite der Schwarzmeerstrand, auf der anderen ein Binnensee. Keine Ahnung, welche Rolle der See heute spielt, damals – ich rede von der Zeit unter Staatschef / Diktator Nicolae Ceausescu – gab es auf dem See ein einziges Segelboot. Das konnte man mieten. Ich fragte den Anbieter, was das Boot eine Stunde kostet, einen Nachmittag oder einen Tag. Ausgestattet mit einer sehr großen Menge von zu einem sehr guten Kurs in Deutschland gegen harte D-Mark erworbene Lei, die ich dann verbotener Weise eingeschmuggelt hatte, war ich in Rumänien finanziell etwa so „frisch“ wie – in der Relation – heute ein deutscher Fußballprofi in Dubai. Ich mietete das stets aufgetakelte Segelboot also für die ganze Woche und hatte eine diebische Freude daran, dass alle anderen Touris vom einzigen Vermieter weit und breit, mit dem Hinweis auf den Status „bereits vermietet“  freundlich abgewiesen wurden und ich, wann immer ich wieder eine nette Begleitung kennengelernt hatte mit „meinem“ Boot und einem entsprechenden Segelturn auf dem See Eindruck schinden konnte. Doch, das war ähnlich dekandent wie ... na ja, Ihr wisst schon. Und ich habe mir nichts Schlimmes dabei gedacht, außer "mir gehört die Welt" - ich war jung, so wie die SC-Helden heute.

Ich finde, meine Segelbootgeschichte ist an Dekadenz in etwa mit dem Verzehr eines vergoldeten Steaks vergleichbar, macht nur mehr Spaß. Insofern fällt auch mein kleiner Rüffel in der Zeitungskolumne der vergangenen Woche recht harmlos aus:

 

SC INTEAM

Einige wenige SC-Profis haben ihren kurzen Winter-urlaub mit einem Besuch in Dubai verbunden. Dort hat der eine oder andere das durch ein Video von Franck Ribéry als Promi-Restaurant bekannt gewordene Lokal von Starkoch Nusret Gökce besucht, in dem man unter anderem mit Blattgold überzogene Steaks ordern und verzehren kann. Von dem Restaurantbesuch Bilder in die sozialen Netzwerke zu stellen, muss jetzt nicht unbedingt als klug und weise gelten, erst recht nicht nach den Erfahrungen des „Ersttäters“, Franck Ribéry mit dem Shit-Storm nach der Veröffentlichung seines Dekadenz-Videos. Trotzdem soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass der eigentliche Skandal im Fall Ribéry nicht der im Video dokumentierte  Verzehr des Steaks mit seiner in doppelter Hinsicht geschmacklosen Goldverzierung war, sondern die Reaktion des französischen Fußballstars  auf den bereits erwähnten Shitstorm. Ribéry hatte seine Kritiker, darunter auch viele Fans, öffentlich niedergemacht und auf das Obszönste beleidigt. Von einer solchen oder ähnlichen Reaktion der betroffenen SC-Profis auf ihre wenigen in den Netzwerken anzutreffenden teils verunsicherten, teils verärgerten Kritiker, ist nichts bekannt. Auch sind die entsprechenden Bilder weitestgehend aus den Netzwerken verschwunden. Es ist davon auszugehen, das – wie beim Sport-Club in solchen Situationen üblich – besonnene Kollegen ihre eventuell etwas (zu) ausgelassenen urlaubenden Mannschaftskameraden aus der Ferne zurückgepfiffen haben. Das wiederum wäre eher ein Zeichen für eine im besten Sinne funktionierende Mannschaft, in der gewisse Werte gelten und  wenn diese von Einzelnen kurzfristig mal außer Acht gelassen werden, intern erinnert und  eingefordert werden. Wer den beim SC Freiburg gepflegten Umgang oder gar „die Philosophie  bröckeln“ sieht, wie in manchen Reaktionen zu lesen war, ist selbst Opfer einer Empörungs-kultur, die mit den sozialen Netzwerken, in denen jeder zu allem öffentlich Stellung nehmen kann, Einzug in unsere Gesellschaft gehalten hat. Opfer sind in gewisser Weise auch die betroffenen Freiburger Fußballer. Als Gourmets werden sie fortan nicht mehr gelten, denn geschmacklich taugt die Gold-Panade überhaupt nichts, wobei unklar ist, ob eine solche bei den SC-Kickern überhaupt im Spiel war. Zudem haben sich die Jungs, genau wie damals Kollege Ribéry, vor den Werbekarren des  türkischen Kochs Nusret Gökce spannen lassen und sie sind Opfer der verlockenden Dekadenz geworden, der sie sich, wenn die Bilder authentisch sind,  kurzzeitig hingegeben haben. Vielleicht war es auch nur ein Gag und bedarf gar keiner tiefenpsychologischen Einordnung.

In jedem Fall gibt es wichtigere Probleme zu lösen; etwa die Torwartfrage zu klären, das ideale Spielsystem zu finden, um möglichst viele der nun wieder zur Verfügung stehenden „Offensiv-Waffen“ effektiv einsetzen zu können und – last but not least – wie während der Hinrunde angekündigt, den etwas zu aufgeblasenen Kader  zu reduzieren. Antworten bringen die nächsten Wochen. (Zitatende)

 

Es ist gut, dass die Winterpause zu Ende ist. Morgen ist Bundesliga, morgen geht es nach Mainz. Ein bisschen ärgerlich ist, dass ausgerechnet jetzt bei uns in der Regio eine mittelschwere Bronchitis-Welle grassiert. Luca Waldschmidt und Nico Schlotterbeck fallen deswegen ziemlich sicher aus, auch Dominique Heitz hustet, hört man aus dem Freiburger Lager. Da Manuel Gulde unmittelbar vor Vaterfreuden steht, könnte auch er für das Mainz-Spiel „wackeln“ und das wären dann im „worst case“ schon drei Innenverteidiger, die nicht oder nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte zur Verfügung stünden. Im „worst case“, wie gesagt. Wenn es in diesem Mannschaftsteil eng wird, könnte das ein Argument für die Viererkette sein, die nur zwei Innenverteidiger benötigt; Robin Koch und Philipp Lienhart sind – Stand heute – beschwerde- und babyfrei. Und im Trainingslager wurde ja auch die Vierkette geprobt.

Eine Formation mit Viererkette ist die ideale Formation, um auf der linken Seite Vincenzo Grifo einzusetzen, auf der rechten Seite könnte Shanghoon Kwon eine Chance bekommen. Im Angriff dürften Lucas Höler, der gestern seinen Vertrag in Freiburg verlängert hat, und Nils Petersen erste Wahl sein.

Ich hoffe also, dass die Grippewelle im Team nicht weiter um sich greift und dass der SC in Mainz voller Energie und Tatendrang auf den Rasen läuft.

In Mainz, wo wir ja alle schon sehr viel erlebt haben… Vor zwei Jahren diesen Elfmeter mitten in der Halbzeitpause, in der vergangenen Saison dieses kuriose Spiel, in dem der SC 20 Minuten lang hoch überlegen spielte, wie der sichere spätere Sieger aussah und dann mit 5:0 verprügelt wurde. In diesem Mainz, wo der SC in der Bundesliga noch nie gewonnen hat, dafür aber ein unvergessliches DFB-Pokal-Viertelfinalspiel erlebte: Es war im Februar 2013, vor sieben Jahren also. Mainz führte nach vier Minuten 2:0 und das blieb bis tief in die Schlussphase so. Dann gelang Ivan Santini in der 86. Minute der Anschlusstreffer und Daniel Caligiuri traf in der 90. Minute zum Ausgleich - es gab Verlängerung.  In der 108. Minute traf dann erneut der heutige Schalke Caligiuri zum 2:3 Endstand. Ich habe am Radiomikrofon so dermaßen gebrüllt – es war der reine Wahnsinn. Schade, dass die Jungs die große Chance auf den Finaleinzug damals in Stuttgart dann „verkackt“ haben, obwohl sie in der Saisonphase damals eigentlich besser drauf waren als der VfB aber um den Zweitligisten aus Schwaben geht es ja heute nicht, sondern um Mainz.

Die „05er“, die im Hinspiel dieser Saison in Freiburg lange ein 0:0 gehalten hatten, bevor Lucas Höler, Jonathan Schmid und Luca Waldschmidt in den letzten zehn Minuten einen 3:0-Sieg herausschossen, haben im Abstiegskampf recht früh die Reißleine gezogen und – für viele überraschend – ihren Trainer, Sandro Schwarz, gefeuert haben, um den kurz zuvor in Köln geschassten Bertram Beierlorzer zu verpflichten. Unter dem neuen Trainer lief es dann etwas besser und die Stimmung ist gut bei Mainz 05, erst recht, nachdem sie jüngst in Marbella ein Testspiel gegen Borussia Dortmund mit 2:0 gewonnen haben. Ich habe mir das Spiel im Fernsehen angeschaut – DAZN hat übertragen – und war beeindruckt von der frechen und mutigen Spielweise der Mainzer. Aufgefallen ist mir, dass der FSV, wenn Dortmund in der eignen Hälfte den Ball hatte, mit sechs, sieben Spielern in der BVB-Hälfte attackierte – was es den müde wirkenden Dortmundern sehr schwer machte, sich zu befreien. Gleichzeitig fiel auf, dass aber, wenn Dortmund in der Mainzer Hälfte war, die „05er“ auch wieder kompakt zusammen und hinter dem Ball standen. Will sagen, die Mainzer sind läuferisch stark, mutig, frech und – bedingt durch die Einzelspieler – übrigens auch höllisch schnell.

Mainz wird eine harte Nuss für den SC. Und doch erlaube ich mir, an die starken Auswärtsauftritte in Hoffenheim, Düsseldorf und Schalke zu erinnern. Alles ist möglich morgen Nachmittag – auch der erste Punktspielsieg des SC Freiburg in einem Erstligakick in Mainz. Warum denn nicht?

Die ersten Wochen der Rückrunde sind für den SC Freiburg insgesamt voller Chancen und Risiken. Diesem Umstand habe ich mich in dieser Woche ausgiebig in meiner Zeitungskolumne gewidmet:

 

SC INTEAM

„Ich glaub, es geht schon wieder los“ könnte man mit Roland Kaisers Hitparadenstürmer aus dem Jahr 1988 sagen: Nach einer denkbar kurzen Winterpause startet die Fußball- Bundesliga bereits am Wochenende wieder in die Rückrunde. Hintergrund ist die im Sommer stattfindende Europameisterschaft der Nationalmannschaften. Die Situation des SC Freiburg sei vor diesem Hintergrund noch einmal kurz zusammengefasst: Die Mannschaft von Trainer Christian Streich hat eine sehr ordentliche Hinrunde gespielt. Mit einer Ausbeute von 26 Punkten liegt diese erste Halbserie, zusammen mit jener aus der Saison 12/13, auf Rang zwei der besten SC-Hinrunden aller Zeiten im Fußball-Oberhaus.  Seine 26 Punkte hat der SC nicht „gestohlen“, auch wenn erfolgreiche  Spiele dabei waren, die anders hätten enden können – das gilt freilich auch für verlorene oder Remis-Spiele und hält sich in etwa die Waage. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es in der Bundesliga in den meisten Spielen extrem eng zugeht...

In der Hinrunde der laufenden Saison fiel zudem auf, dass sich der SC häufig  leichter mit „großen Kalibern“, wie Leipzig, Hoffenheim und selbst Bayern München  getan hat, als mit weniger prominenten Teams, wie die Niederlagen bei Union Berlin und gegen den 1. FC Köln zeigen. Es wäre schlicht zu kurz gedacht, hier Konzentration und Motivation in Frage zu stellen. Eher sind es fußballstrukturelle Fragen, die den Unterschied ausmachen: Welche Mannschaft übernimmt die Aufgabe, das Spiel zu machen? Welche kann abwarten und durch schnelles Umschaltspiel ihren Erfolg suchen? Letztere Spielweise scheint dem SC besser zu gelingen. Eine andere Einflussgröße ist die Effizienz. Beim ersten Auswärtsspiel der Saison, in Paderborn – das Rückspiel steigt in zehn Tagen – war der Neuling aus der ostwestfälischen Provinz klar überlegen, vergab  aber eine Vielzahl bester Möglichkeiten, während der SC Freiburg aus vier Tormöglichkeiten drei Treffer zum 1:3-Auswärtssieg machte. In der Hinrunde ist  es dem Sport-Club gelungen, aus den ersten vier Spielen gegen Mainz, Paderborn,  Köln und  Hoffenheim neun Punkte zu erringen. Gelingt das in der Rückrunde erneut, könnte in Freiburg die Abstiegsfrage extrem früh zu den Akten gelegt werden.  Dann dürften Spieler und Fans ohne „wenn und aber“ von zeitnahen internationalen (Pflicht-)Spielen im neuen Stadion träumen. Gibt es aber einen Fehlstart, etwa eine Auftaktschlappe am Samstag in Mainz, gefolgt von einer bösen Überraschung gegen nach wie vor unbequeme und  unorthodox spielende Paderborner, würden schon in Köln erste Zweifel aufkommen und die Nerven mitspielen. Spätestens, wenn das dann auch schief ginge, wäre klar, dass es – wie fast immer in Freiburg – auch 2020 nur um den Klassenerhalt geht und dass sich dieser noch in weiter Ferne befände. Freilich hat sich die Mannschaft in der Hinrunde das Vertrauen verdient, im Umfeld  ruhig und gelassen  von einem gelungenen Start ins neue Jahr und einer zeitnahen „Rettung“ auszugehen. Und danach „schaun mer mal“. (Zitatende)

 

Der treue Tagebuchleser weiß: Es fehlt noch mein persönlicher Reiseplan. Der sah erst völlig anders aus als jetzt. Da meine Mutter in Bielefeld am Mittwoch 88 Jahre alt geworden ist, wollte ich dahin, die zweite Wochenhälfte in meiner Heimatstadt verbringen und dann von Bielefeld aus nach Mainz und später weiter nach Hause fahren. Dann kam die Einladung zum „Anstoß“, dem Neujahrsempfang des SC Freiburg im „Volante“ in Kirchzarten für den gestrigen Donnerstag und ich plante um – besuchte meine Mutter in der ersten Wochenhälfte und feierte am Mittwoch mit ihr, besuchte gestern Abend den wie immer gediegenen und sehr entspannten Empfang des SC und plane die Mainz-Reise nun wie folgt:

Heute um 17 Uhr hole ich den baden.fm-Toyota vom Funkhaus ab und fahre morgen früh um 9.30 Uhr Richtung Mainz. Ich fahre ungern am Spieltag selbst, will keinerlei Risiko eingehen, schließlich bin ich noch nie zu spät gekommen... deshalb habe ich auch den zeitlichen Puffer eingebaut, sollte es mal Stau geben. Sollte ich „zu früh“ vor Ort sein, entspanne ich mich mit meinem aktuellen Hörbucch - einem Krimi, aber nicht der Rede wert. Geht so.

Möglichst mit Punkten im Gepäck geht es dann nach dem Spiel zunächst zurück bis Frankfurt, wo ich übernachte, um dann ganz entspannt am Sonntagmorgen die Heimreise anzutreten. Hin- und zurück an einem Tag, das tue ich mir schon seit Jahren nicht mehr an – den Stress brauche ich nicht. Vielleicht macht es mir auch deshalb nach all den Jahren noch immer so verdammt viel Spaß, dem SC als Reporter hinterher zu reisen. Ich freue mich jedenfalls auf morgen.

Ich übertrage das Bundesligaspiel FSV Mainz 05 gegen SC Freiburg morgen Nachmittag ab 15 Uhr bei baden.fm.

 

Das Fußballspiel

(Mein 964. SC-Pflichtspiel als Livereporter im Radio)  

Das Auswärtsspiel bei den gefürchteten Mainzern, wo der SC in der Bundesliga noch nie gewinnen konnte, wurde zu einem gelungenen Jahresauftakt inklusive der erträumten Drei-Punkte-Premiere zum Start ins neue Jahrzehnt. Der Sport-Club gewann vor gut 23.000 Zuschauern in der überraschend schlecht besuchten Opel-Arena mit 1:2. Entscheidend war die Effizienz der Gäste, die aus ihren drei oder vier Torgelegenheiten der ersten Hälfte zwei blitzsaubere Treffer machten und mit einer 0:2-Führung in die Pause gingen, obwohl Mainz 05 die optisch aktivere Mannschaft stellte, die in den ersten 45 Minuten auf – gefühlt – sieben gute Abschlussmöglichkeiten kam aber ohne Treffer blieb. Letzteres lag an mangelnder Präzision der Platzherren, vor allem aber an ausgezeichneten Paraden von Alexander Schwolow, der seinen Status als Nr. 1 des SCF nach langer Verletzungspause eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Die Schwolow-Show begann bereits in der dritten Spielminute als der Keeper einen gefährlichen Aufsetzer von Uwe Seelers Enkel Levin Öztunali um den Pfosten herum lenkte. Geradezu heroisch klärte Schwolow, der   vor allem in der ersten Hälfte häufig zu Paraden gezwungen wurde, in der 25. Minute, als der vorzügliche französische Mittelstürmer Jean-Philippe Mateta aus 15 Metern zum Schuss kam, Schwolow sich breit machte und mit einer Fußabwehr, die jedem Handballtorwart gut zu Gesicht stehen würde, einen Gegentreffer verhinderte. Allerdings wäre der Treffer, wäre es denn einer geworden, vermutlich vom VAR aberkannt worden, der der Mainzer Ballbesitz in der Nähe des Freiburger Strafraums nur zu Stande gekommen war, weil der den Ball führende Amir Abrashi von einem Gegenspieler klar mit beiden Händen umgestoßen worden war. Schiedsrichter Sven Jablonski aus Bremen hatte aber weiterspielen lassen, sodass Mateta zu seiner Schussmöglichkeit kam. Natürlich ist das mit dem VAR nur eine Spekulation _ die TV-Bilder scheinen meinen Eindruck – Foul! – aber zu bestätigen.

So stand es 0:0 als der der bärenstarke Changhoon Kwon, der das Tor wenige Minuten zuvor mit einem Flachschuss aus spitzem Winkel nur denkbar knapp verpasst hatte, in der 28. Minute ins Netz traf. Der bienenfleißige Lucas Höler hatte Nils Petersen auf dem rechten Flügel angespielt. Dessen halbhoher Hereingabe sprang Kwon entgegen und bugsierte den Ball kontrolliert mit dem Spann ins Tor – Ein Treffer der Kategorie „technisch anspruchsvoll“. Nicht minder geschickt stellte sich der aufgerückte und gekonnt freigespielte Innenverteidiger Manuel Gulde in der 41. Minute an, als er den Mainzer Torhüter Zentner mit einem Lupfer aus dem Spiel nahm, FSV-Kapitän Niakhaté den Ball als letzter Mann nur unzulänglich abwehren konnte und Nils Petersen, der darauf gelauert hatte, den Ball aus der Luft ins leere Tor schießen konnte.

In der zweiten Hälfte machte Mainz mächtig Druck, die besseren Chancen aber verzeichnete der auf Konter ausgerichtete SC. Binnen weniger Sekunden konnte mit Shnaghoon Kwon der auffälligste Feldspieler gleich zweimal etwa von der Strafraumgrenze aus abziehen; beim ersten Mal rettete Niakhaté auf der Linie, den zweiten Schuss klärte Zentner mit einer Glanzparade. In diesen Minuten, eine knappe Viertelstunde nach Wiederbeginn lag das 0:3 in der Luft – es wäre wohl der vorzeitige „k.o.“ der Mainzer gewesen, die sich in der Folgezeit aber noch einmal aufrafften und viel Druck Richtung Freiburger Strafraum erzeugten. Die Defensive um den glänzend disponierten zentralen Innenverteidiger Robin Koch, ließ aber kaum Chancen für die Mainzer zu. So mussten ein Standard und für Mainz glückliche Umstände helfen: In der 82. Minute traf der eingewechselte Onisiwo nach einer Freistoßflanke den Ball nicht, der so dem Freiburger Verteidiger Manuel Gulde auf den Oberschenkel flog, von da aus wie eine Flipperkugel wieder in die Luft sprang, wo er von Mateta mit dem Kopf erwischt wurde. Der Franzose köpfte die Kugel über Schwolow hinweg ins Netz – ein Glückstor, das freilich noch einmal für aufregende Minuten in Mainz sorgen sollte. Das Publikum, zwischendurch durchaus auch mal murrend wahrgenommen, stand jetzt wieder wie eine Eins hinter der Beierlorzer-Elf, die beherzt angriff, es aber weiter im Abschluss an Präzision fehlen ließ und mit Schwolow auf einen glänzend aufgelegten Torhüter traf, der nichts mehr anbrennen ließ.

 

Das Nachspiel

Es waren ungewohnte Eindrücke im „gefühlt“ immer noch neuen Mainzer Stadion, das aus der Distanz betrachtet den Charme einer Müllverbrennungsanlage verströmt, zugleich aber sehr funktional ist und für uns Journalisten relativ kurze Wege zwischen Arbeits- und Aufenthaltsraum, Pressetribüne, Mixedzone und Pressekonferenzraum bereithält. So kurze Wege, dass ich darauf verzichtete, die sogenannte Spielanalyse zeitsparend aufzuzeichnen und stattdessen den Musiktitel im Radioprogramm abwartete und meinen Kommentar mit den Spielernoten etc. live ins Mikrofon sprach. Dies aber auch, weil ich mir in der heiß umkämpften Schlussphase noch gar keine Gedanken und schon gar keine Notizen gemacht hatte. Das geschah jetzt. Bestnoten für Schwolow, Kwon und Petersen, ein pauschales „gut“ für die drei Innenverteidiger, aus denen Koch freilich herausragte, der Rest bekam Normalform attestiert. Dann lief ich in die Mixedzone und fing die Interviews mit Günter, Petersen und Schwolow ein. Letzterer war ja auch mal für meinen Heimatverein aktiv, weshalb er meine verbale Vorlage auch grinsend aufnahm, als ich ihm sinngemäß darauf ansprach, dass es nun ja gegen die Nr. 2 aus Ostwestfalen ginge, was „Schwolli“ bestätigte, indem er meinte, „ja, das stimmt, die Nr 1 ist ja die Arminia.“

Es folgte die PK, das obligatorische Interview mit Christian Streich, danach ging ich zurück zu meinem Kommentatoren-Platz auf der Pressetribüne, trennte die noch offene LAN-Verbindung zum Sendestudio und packte meinen Kram zusammen. Zum Parkhaus sind es ein paar hundert Meter, dann saß ich wieder im Auto, ließ mich vom Hörbuch-Krimi berieseln und fuhr die gute halbe Stunde bis Frankfurt, wo ich mein Hotelzimmer gebucht hatte. Mit ein paar Jacky-Cola genoss ich den ersten Pflichtspielsieg des Jahres. Irgendwann so gegen 1 Uhr nachts schlief ich dann, angenehm aber bei weitem nicht „sturz“ berauscht, in jedem Fall aber glückselig ein. Ja, Fußball kann mich auch mit 59 Jahren noch happy machen…

So etwas verrate ich hier im Tagebuch, klar. In anderen Pressetexten eher nicht, auch nicht in der Kolumne „SC INTEAM“, die diese Woche wieder in den Wochenzeitungen ReblandKurier und Wochenblatt erscheinen wird. Hier ist sie im Wortlaut:

 

SC INTEAM

Optimaler Start für den SC Freiburg ins Fußball-Jahr 2020 – mit dem 2:1-Auswärtssieg in Mainz beißt sich der Sport-Club in der oberen Tabellenhälfte fest und könnte – bei anhaltendem Engagement und der gebotenen Demut auch gegen vermeintlich schwächere Gegner – so früh wie selten zuvor den angestrebten Klassenerhalt unter Dach und Fach bringen. Im ersten Pflichtspiel des neuen Jahrzehnts bestätigte nicht nur Alexander Schwolow bei seinem Comeback den berechtigten Anspruch auf die Nummer eins im Tor, auch Jung-Nationalspieler Robin Koch und Torjäger Nils Petersen bestätigten in der Opel-Arena die hohe Wertschätzung, die sie beim SC intern und bei den Fußballfans bundesweit genießen. Auffälligster Freiburger Spieler war dennoch ein anderer Akteur. Der südkoreanische Nationalspieler Shanghoon Kwon, am 2. Januar dieses Jahres in dieser Kolumne als „großer Hoffnungsträger für die Rückrunde“ bezeichnet, bestätigte bei seinem erst zweiten Startelfeinsatz in der Bundesliga diese Vorschusslorbeeren. Der 25-jährige Mittelfeldakteur prägte das Offensivspiel des SC durch dynamische Dribblings, kluge Pässe und eine Reihe von guten Abschlüssen. Technisch hoch anspruchsvoll war sein Treffer zum 0:1, als er in eine halbhohe Flanke von Nils Petersen sprang und den Ball trotz Bedrängnis kontrolliert im Tor unterbrachte. Das Tor war der „Eisbrecher“ in einem Spiel, das  nicht zwingend den SC Freiburg als Sieger hervorbringen musste, hatte Mainz 05 doch deutlich mehr Torabschlüsse als der SC, der aber durch tolle Paraden von Schwolow im Spiel gehalten wurde und durch die Effizienz von Kwon und Petersen in der ersten Halbzeit auf die Siegerstraße kam. Shanghoon Kwon ist nach Monaten der Anpassung und den Anpassungsprozess bremsenden Abwesenheiten zu Länderspielen in weit entfernten anderen Regionen dieser Welt endlich in der Bundesliga und der Startelf des SC Freiburg angekommen. Es macht Freude, dem Südkoreaner beim Kicken zuzuschauen. Dennoch ist das bevorstehende Heimspiel gegen Schlusslicht Paderborn am kommenden Samstag (live bei Sky und baden.fm) alles andere als ein Selbstgänger. Die Ostwestfalen spielen nach wie vor ihren schnellen, aggressiven und für „Kellerkinder“ völlig unüblichen konsequenten Offensivfußball. Sie sind immer und gegen jeden Gegner für ein, zwei Tore gut. Mit einem Auswärtssieg in Bremen und einem Heimerfolg gegen Frankfurt setzte der freche Aufsteiger kurz vor Weihnachten zwei Ausrufezeichen. Neben der offensiven Spielweise zeichnet die Paderborner aus, dass sie – egal wie es gerade steht – immer weitermachen, nie aufgeben und ihre Gegner 90 Minuten lang fordern, unabhängig davon, was auf der Anzeigentafel steht. Im Hinspiel bot der SCP eine bessere Leistung als der SCF, der – ähnlich wie in Mainz – bedingt durch hohe Effizienz zum Erfolg kam. Aus vier Chancen machten die Freiburger in Paderborn drei Tore zum Sieg, während die Platzherren nach ihrer frühen 1:0-Führung zahlreiche Chancen versiebten. Ein reizvolles Duell steht am Samstag an. (Zitatende)

 

Ansonsten, liebe Freunde, gehe ich heute wieder meinem bürgerlichen Beruf nach, baue Seiten für die nächste Wochenzeitungsausgabe, unterstütze die verschiedenen Lokalredakteure, interviewe Bürgermeisterkandidaten, schreibe dieses Tagebuch, das übrigens ganz offiziell im WZO-Verlag erscheint  und besuche heute Abend das sogenannte Jahrespressegespräch des Regierungspräsidiums in Freiburg. Eine hauptberufliche Tätigkeit, in der Regel fern des Fußballs aber nicht immer – Kolumne, Tagebuch etc..  Und dennoch spielt der Fußball fast immer irgendwie mit. Am vergangenen Freitag war ich noch dienstlich beim Neujahrsempfang des Gewerbevereins Breisgau im schmucken Weinstetter Hof. Kaum hatte ich mein Sektglas übernommen wurde ich von anderen netten Besuchern des Empfangs direkt auf die neueste Ausgabe des Tagebuchs angesprochen – beide hatten „das Vorspiel“ gelesen, was mich durchaus positiv überrascht und erfreut hat. Dass ich dann noch ein Dutzend mal auf den am nächsten Tag bevorstehenden Kick angesprochen wurde, liegt in der Natur der Sache. Die meisten, mit denen ich über die Aussichten für Samstag gesprochen habe, waren sehr optimistisch – sie sollten, wie wir heute wissen, Recht behalten. Und das ist gut so.

„Das Vorspiel“ zum Kick gegen die Nr. 2 aus Ostwestfalen geht am Donnerstagnachmittag online. Ciao, ciao!