18. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen TSG 1899 Hoffenheim

Samstag, 20. Januar 2024, 15.30 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - TSG 1899 Hoffenheim *

Das Vorspiel als Nacherzählung

Die Redaktion im WZO-Verlag hat neue Computer bekommen. Auf meinem alten pc waren diverse Links gespreichert, über die ich ohne Passwörter etc. ins backoffice komme und zum Beispiel das Tagebuch einpflegen kann. Und das war erstmal alles weg. So ein Mist. Seit heute bin ich wieder  "à jour"  und kann am Tagebuch arbeiten. Heute ist allerdings Dienstag, der 23. Januar, also ein intensiver Produktionstag. Ich habe keinen Kopf für eine Nacherzählung des vergangenen Fußballwochenendes. Das war so geil, das braucht Zeit und Konzentration. Spätestens Mittwoch oder Donnerstag gebe ich Vollgas - versprochen!

Ich hatte großen Respekt vor dem Heimspiel gegen Hoffenheim. Die Kraichgauer sind richtig gut besetzt und haben es in dieser Saison geschafft, speziell auswärts zu den besten und erfolgreichsten Teams der Liga zu gehören – auf einem Level wie der FC Bayern oder Bayer Leverkusen. Die große Frage war: Wie würde sich der SC gegen einen so starken Gegner behaupten, nachdem gegen die eher biederen Köpenicker von Union Berlin am Ende ein 0:0 zu Buche stand. Mut machte allerdings der Umstand, dass mich der SC – ergebnisunabhängig – beim Test in Frankfurt und auch  beim Jahresauftakt gegen die Berliner fußballerisch absolut überzeugt hatte; neben den etablierten Korsettstangen, wie Eggestein und Grifo und dem formstarken Sallai, hatten es mir vor allem die Youngster angetan, die aus der Freiburger Fußballschule kommend, „oben“ für richtig viel „Alarm“ sorgen und quasi die nächste Generation SC-Kicker einläuten, also jene, die mutmaßlich auf Flecken, Günni, Chico und Vince folgen wird, wenn sie vorher nicht weggekauft werden: Noah Atubolu, das größte deutsche Torwarttalent, wird mit Geduld und Verständnis für anfängliche Fehler, schon in sehr jungen Jahren an das Stahlbad  Bundesliga herangeführt. Inzwischen hat er zehn Pflichtspiele ohne Gegentor  absolviert (sieben in der Bundesliga, zwei in der UEFA Europa League und eins im DFB-Pokal) – damit zählt Noah schon jetzt in Deutschland zu den drei, vier Besten seines Fachs – egsl, wo der Kicker ihn verortet... Kiliann Sildillia, die Allzweckwaffe in der hintersten Reihe, darf als Entdeckung  gelten, nach einem Zwischentief ist der 21-jährige  Franzose, U-Nationalspieler seines Landes, der im Sommer 2020 aus dem lothringischen Metz (FC Metz II) zur Freiburger Fußballschule kam und inzwischen eine große Hilfe im Abwehrbereich der Profis geworden ist. Toll, dass er auch gut Deutsch spricht und neuerdings auch für Hörfunk-Interviews zur Verfügung steht. Eine tolle Entwicklung des Jungprofis! Als Notnagel rutschte ein anderer junger Franzose ins Team: Nachdem sich Kapitän Christian Günter längerfristig verletzt hatte, fehlte eine Alternative auf der linken Außenverteidigerposition; also haben sich Christian Streich und sein Trainerteam eine „gebastelt“: Im Sommer 2021, also ein Jahr später als Kiliann Sildillia, war Jordy Makengo aus der zweiten Mannschaft des französischen Zweitligisten AJ Auxerre in die Fußballschule gewechselt. Bei dem 1,92 großen und auffallend schnellen Franzosen mit kongolesischen Wurzeln, vor 22 Jahren in Saint Denis bei Paris geboren, musste nun alles schneller gehen als bei Kiliann, denn plötzlich fiel „Günni“ aus, der Stammverteidiger auf der linken Bahn. Das Talent lief nur sechs Mal mit der U23 in der Dritten Liga auf und schaffte den Sprung in die Bundesliga und auf das internationale Parkett in Windeseile. Hinten zuverlässig und durch sein wahnsinniges Tempo auch in der Offensive eine Waffe des SC hat sich der Youngster inzwischen mit sieben Bundesliga- und drei Europa-League-Einsätzen inzwischen bei den Profis akklimatisiert. Der Marktwert, der ihm vom Internetportal Transfermarkt.de zugeschrieben wird – zwei Millionen Euro – dürfte sich schon bald jenem seines Landsmanns auf der anderen Seite der Abwehrkette, Kiliann Sildillia (18 Millionen) angleichen. Bei Jordy ist die Entwicklung also gewissermaßen „über Plan“, während sie bei Merlin Röhl grundsätzlich im Plan liegt. Der intelligente Junge aus Berlin/Brandenburg wurde in Babelsberg und durch eine Eigeninitiative später beim FC Ingolstadt in Bayern ausgebildet. Als der Sport-Club Merlin im Sommer 22 vom Drittligisten Ingolstadt verpflichtete, galt er dort bereits als Tafelsilber. Die Ablöse war bereits siebenstellig. In Freiburg lief der vielseitig einsetzbare Mittelfeldspieler, deutscher U-Nationalspieler, und perspektivisch natürlich für die Profis des SC verpflichtet, 12 Mal für die U23 auf. Es dauerte seine Zeit bis sich Merlin Röhl in ungewohnter Umgebung akklimatisierte und zur Bestform auflief. Seit dieser Bundesligasaison ist das der Fall. Eigentlich für die Doppelsechs verpflichtet, reißt Merlin die Fans aber auch als hängende Spitze oder auf der Außenbahn mit. Jetzt, so hat man den Eindruck, ist Merlin Röhl so richtig in Freiburg angekommen und die hohe Investition sowie die Geduld, die Verein und Spieler bewiesen haben, zahlt sich aus. Bei Merlin ist das Auffällige nicht etwa, dass er – wie Kiliann und Jordy – richtig gut mitspielt bei den „großen Jungs“, sondern die besondere Qualität und das Mitreißende seiner Spielweise reißen es heraus. Meine Prognose: Merlin Röhl könnte mal ein ganz Großer werden…

Der fünfte Youngster, der in der Aufzählung der Hoffnungsträger und der „neuen SC-Generation“ nicht fehlen darf ist mit Noah Weißhaupt, ein Kind der Freiburger Fußballschule. Der in Rostock geborene Sohn des früheren SC-Profis Marco Weißhaupt kam schon vor 12 Jahren als Zehnjähriger vom, benachbarten SV Ebnet in die Freiburger Talentschmiede und durchlief hier alle Jahrgänge. Für den DFB stand der Außenbahnspieler mit „Eins-gegen-eins-Qualität“ in der U18- und der U20 auf dem Platz. Neun Jahre nach seinem Debüt an der Freiburger Fußballschule unterschrieb er seinen ersten Bundesligavertrag und debütierte ein Jahr später in der deutschen U21-Auswahl. Inzwischen kann Noah Weißhaupt 15 Bundesliga- und sechs Europa-League-Einsätze vorweisen. Dass es bislang nicht mehr sind, liegt einzig und allein daran, dass der trickreiche Offensivspieler zunächst mal auf einer Position zuhause ist, für die er mit Vincenzo Grifo einen absoluten Leistungsträger und Stammspieler verdrängen muss. Auch auf der anderen Seite steht mit „Litz“ Doan einer der internationalen Stars des SC auf dem Platz – und Merlin Röhl rückt gerade nach und kann hier auch Akzente setzen. Andererseits hat Noah auch schon bewiesen, dass er bei einer Grundformation mit Dreier-/Fünferkette durchaus als Schienenspieler für die linke Bahn in Frage kommt, wenn Vince dann etwas weiter innen, den linken Halbstürmer gibt.

Die aufgezählten jungen Himmelsstürmer sind es, die mir ganz allgemein und insbesondere vor dem Hoffenheim-Spiel Mut machen und machten.  

 

Das Fußballspiel     

(Mein 1.127. SC-Livespiel am Radiomikrofon)       

Die Jungs boten dem Publikum im (im Heimbereich) ausverkauften Europa-Park Stadion eine flotte Partie, die in der 37. Minute ihren ersten wirklichen Höhepunkt hatte. Der bis dahin mehrfach klasse haltende Oliver Baumann, ein Kind meiner Wahlheimat-Stadt Bad Krozingen und ehemaliger Freiburger Fußball-Schüler und Bundesligatorwart, war machtlos, als Lukas Höler einen butterweichen Flankenball von Vincenzo Grifo, in den Fünfmeterraum springend, mit der Hacke ins Tor verlängerte. Der Jubel hielt sich aber in Grenzen, denn die Fahne des Schiedsrichter-Assistenten ging nach oben. Jetzt war der VAR gefragt. Ich sah das Stopp-Bild der Szene auf einem Bildschirm der SWR-Kollegen in der Sitz-Reihe vor mir und war mir sofort mit meinem Sitznachbarn und Freund Andreas einig: „Das war kein abseits – das Tor wird zählen“. So schilderte ich es auch meinen Hörerinnen und Hörern in der baden.fm-Bundesligashow. Es zog sich aber – denn Günter Perl im Kölner Keller musste auch noch überprüfen, ob der hoch springende Merlin Röhl den Ball auf dessen Weg zu Hölers Hacke noch mit dem Kopf berührt hatte – dann wäre es abseits gewesen – dann stand fest: Das Tor zählt! Freiburg führte 1:0. Es war auch der Pausenstand.

Zehn Minuten nach Wiederbeginn schlenzte Jubilar Vincenzo Grifo den Ball in seinem 250. Spiel für den SC mit dem eigentlich nicht ganz so starken linken Fuß ins lange Eck. Mit dieser Aktion düpierte der Italiener nicht nur seine ihn attackierenden Gegenspieler, sondern auch Baumann im Tor… wann schießt Vince schon mal mit links… Damit hatte keiner gerechnet. 2:0; verdient; die Entscheidung? Weit gefehlt!

Unkonzentriert ließ die komplette SC-Defensive zwei Minuten nach dem Jubel über das 2:0 eine so simple wie wirkungsvolle Hoffenheimer Offensivkation zu: Freistoß von Weghorst  auf Beier, der schnelle Stürmer ließ für Weghorst klatschen und der traf mit einem überraschenden, da durchaus laschen, aber exakt platzierten Schuss en Innenpfosten des Freiburger Tores; vom Alu prallte der Ball ins Netz.

Fortan dominierte der Gast aus Hoffenheim das Spiel und drängte auf den Ausgleich. In der 77. Minute passierte es dann: Grillitsch spielte einen Traumpass über die Freiburger Kette hinweg in den Lauf des durchstartenden Beier und der an jenem Nachmittag beste Hoffenheimer jagte den Ball von der Strafraumgrenze in den Winkel. 2:2 – Freiburg in Not… Erst recht als fünf Minuten später Stach einen Pass für Beier in die Tiefe spielt und sich auf dem Weg zum Ball die Laufwege von Beyer und Manuel Gulde kreuzen. Gulde macht nichts Falsches, spielt kein Foul, die beiden Spieler berühren sich aber und Beier nutzt das geschickt zu einem Sturz. Zum Entsetzen aller Freiburger zieht Schiedsrichter Stegemann die Gelb/Rote Karte und stellt Gulde vom Platz.

Es ist nicht auszuschließen, dass alles was folgte, von dieser Fifty -Fifty-Entscheidung zu Ungunsten des SC beeinflusst wurde: Zum Beispiel, dass Hoffenheim jetzt den Sieg vor Augen hatte und die Defensive vernachlässigte. Dass der SC auch in Unterzahl, beinahe trotzig weiter angriff und dass der Schiri bei der nächsten Fift-Fifty-Situation zu Gunsten der Freiburger entschied. Im Mittelfeld umarmte Maximilian Eggesgtein den Hoffenheimer Kramaric, ohne ihn festzuhalten oder umzureißen. Kramaric stellte aber das Weiterspielen ein und Freiburg gewann den Ball. Stegemann, der die Trillerpfeife schon im Mund hatte, deutete an: Weiterspielen! So geschah es. Den ersten Anlauf währten die Gäste ab, beim zweiten Anlauf hatte Eggestein, weil viele Hoffenheim auf Angriff gepolt und aufgerückt waren viel Zeit zu einer platzierten Flanke auf Roland Sallai. Der Ungar stieg hoch, köpfte aufs Tor, doch Baumann zeigte eine Monsterparade. Den Nachschuss brachte Sallai dann aber unhaltbar im Tor unter – 3:2 in Unterzahl, kurz vor Schluss, der Jubel kannte keine Grenzen.

 

Das Nachspiel

Hochstimmung im Europa-Park Stadion! Dafür Nullpunkt-Stimmung in der Hoffenheimer Kabine. Die Wutschreie von Pellegrino Matarazzo hallten bis in die Mixedzone, wo sich Hoffenheimer Gesprächspartner zunächst nicht einfanden. Mit den Freiburger Jungs lief alles locker flockig und gut gelaunt von der Hand. Ich bekam „Gintes“ Ginter und Maxi Eggestein vor die „Flinte“, später, nach der diesmal sehr spät stattfindenden PK auch Christian Streich.  Unter dem Strich war es ein erlebnisreicher, ein großartiger Fußballnachmittag.