20. Spieltag der 60. Saison der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen VfB Stuttgart

Samstag, 11. Februar 2023, 15.30 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - VfB Stuttgart *

Das Vorspiel

Das bevorstehende Baden-Württemberg-Derby elektrisiert die Massen… Auch jene in Schwaben. Die beiden Kanter-Niederlagen des SC Freiburg in Wolfsburg und Dortmund hat bei den VfB-Anhängern Hoffnungen geweckt, dass der SC diesmal für den VfB zu schlagen sein könnte. Stuttgart will es am Samstag wissen – der komplette Auswärtsbereich des Europa-Park Stadions ist ausverkauft. Für den Heimbereich ist das ja immer der Fall – es wird aber überall, auf den Straßen, den Parkplätzen, den Zufahrtswegen und den Tribünen besonders voll werden.

Sportlich braucht der SC einen Sieg. Der Auftritt beim 0:2-Sieg im DFB-Pokal beim SV Sandhausen ist genauso wenig Maßstab wie das 5:1 in Dortmund. Beim BVB musste der SC gegen elf in Topform befindliche Borussen und einen – sicher unbewusst – parteiisch pfeifenden Schiedsrichter anspielen; in diesem Rahmen passierte dann der frühe Platzverweis, der den Vergleich der beiden Mannschaften auf Augenhöhe komplett verhinderte. In Sandhausen traf der SC, sicher leicht verunsichert durch die bisherigen Auswärtsspiele im Kalenderjahr 2023, auf einen extrem defensiven Gegner, der sich in der eigenen Hälfte einigelte. Mein Maßstab ist – auch weil der SC Heimrecht hat – was die Mannschaft gegen Frankfurt und Augsburg gezeigt hat. Mit diesen Qualitäten lässt sich Stuttgart besiegen, ganz ohne Frage. Und Siege sind nötig, um den Platz im oberen Tabellendrittel, also auf den Top-6-Plätzen, die für die internationalen Wettbewerbe relevant sind, zu sichern. Ich habe mir gestern Bochum gegen Dortmund angeschaut und großen Respekt vor dem nächsten Auswärtsgegner des SC, VfL Bochum, bekommen. Die sind im Ruhrstadion eine Klasse für sich, kratzen, beißen, spucken – im besten Wortsinn - und entwickeln daraus einen bemerkenswerten Konterfußball. Das wird sauschwer nächste Woche. Umso wichtiger und beruhigender wären die drei Punkte gegen den VfB – und die landsmännische Rivalität beziehungsweise dieses Baden-Schwaben-Ding kommt noch dazu. Ich bin aber guter Dinge, weil ich mich lebhaft an die Heimspiele gegen Frankfurt und Augsburg erinnere.

Gestern um diese Zeit war ich noch in Sandhausen;  dieses 14.000-Einwohner-Städtchen, sieben Kilometer vor den Toren von Heidelberg. Dem SC fehlte am Dienstagabend ein frühes Tor, um das Ding ganz souverän nach Hause zu fahren. Die Chancen dafür waren ja da, es fehlten halt drei, vier Mal ein paar Zentimeter. Das Eigentor in der 87.Minute und Nils Petersens Sahne-Schlenzer als Schlusspunkt machten dann erst sehr spät den fraglos hoch verdienten Sieg perfekt. Sandhausen ist aber kein Maßstab. Jetzt geht es um die Liga, um die europäischen Plätze, um Stuttgart mit dem „schönen Bruno“ als Trainer. Das ist ein Härtetest für unsere Jungs, ohne Frage. Dass sie die Qualität haben, oben in der Bundesliga mitzuspielen haben sie ja längst bewiesen. Nach der langen WM- und Weihnachtspause kam, eingeleitet durch das unerwartete 6:0 in Wolfsburg ein bisschen Unsicherheit ins Team und ins Umfeld. Im Grunde ist aber alles im grünen Bereich – alles gut – wenn, ja, wenn der VfB am Samstag geschlagen wird. Mit Viererkette, in der Lukas Kübler den gesperrten und vielleicht ohnehin Pause-bedürftigen Kiliann Sildillia ersetzen wird. Am Ende läuft es auf ein 4-2-3-1 hinaus. Meine Startelf wäre: Flekken – Kübler, Ginter, Lienhart, Günter – Höfler, Eggestein – Doan, Höler oder Sallai, Grifo – Gregoritsch. Klar, man könnte auch auf den Gedanken kommen, Nils Petersen für sein tolles Tor im Pokal zu belohnen und in gewisser Weise auf das Abschlusspech von Michael Gregoritsch in Sandhausen zu reagieren; der „Ochse“ Gregoritsch ist aber nach meiner Einschätzung ein sehr sensibler Spieler, der Vertrauen spüren muss – auch und gerade in Phasen, in denen es nicht hundertprozentig flüssig läuft. Die taktisch begründete Nichtberücksichtigung für die Startelf in Dortmund hat es ja auch schon gegeben. Ich würde mich als Trainer gegen den VfB für Michael Gregoritsch entscheiden; Nils ist ja ohnehin der absolute Edeljoker und quasi die sichere Waffe im Hintergrund, die immer Hoffnung schafft, wenn sie, respektive er, eingewechselt wird. Auch die Gegner dürften extrem Respekt davor haben.

Der VfB hat das Problem, dass eine seiner besten „Offensivwaffen“, Mittelstürmer Guirassy, sich im Bundesligaspiel gegen Werder Bremen verletzt hat und nicht mitwirken kann. Der im südfranzösischen Arles geborene 26-jährige Nationalspieler von Guinea (im Nachwuchsbereich durchlief er die U-Nationalmannschaften Frankreichs) fällt sogar mehrere Wochen aus. Ärgerlich für den VfB, der zurzeit auf dem Relegationsplatz steht und jeden Punkt für den Klassenerhalt braucht, zumal auch der Einsatz von Silas noch nicht hundertprozentig feststeht, da der wendige Angreifer (offensives Mittelfeld) zuletzt mit einer Wadenverletzung pausiert hatte.

Unter dem Strich sag ich mal so: Gewinnen, SC, sonst nix!

Mein Vorlauf beginnt in dieser Woche mit Tischtennis. Am morgigen Freitag, 10. Februar, um 18 Uhr spielt in der Damen-Bundesliga der ESV Weil gegen Schwabhausen. Ich wurde mal wieder gefragt, ob ich in der Halle am Mikrofon die Präsentation der beiden Mannschaften übernehme – aufgrund meiner ersten Radiojahre, in denen ich auch als Tischtennisreporter bei den sehr erfolgreichen Männer- und Frauen-Teams der Spvgg. Steinhagen aktiv war, bringe ich eine Portion Nostalgie und Sympathie für die Sache mit und lasse mich ab und zu für diese Aufgabe gewinnen; honorarfrei versteht sich, weil ich das Engagement des Ehepaars Spieß für seinen Sport und seinen ESV Weil sehr schätze. Zudem ist das absoluter Spitzensport auf engstem Raum und in der kleinen Halle ist man ganz nah dran. Ich kann das jedem Sportfan nur empfehlen. Leidewr müssen die Weilerinnen in diesem Jahr – etwas überraschend – gegen den Abstieg kämpfen. Sollte es morgen also in den Doppeln schon keine Punkte geben und die ersten Einzel auch nicht erfolgversprechend verlaufen, könnte ich mich ja auch elegant zurückziehen, oder heimlich auf dem Handy nebenbei Arminia gegen Rostock schauen… Und Schalke gegen Wolfsburg will ich natürlich schon gemütlich auf dem Sofa verfolgen…

Am Samstag um 13 Uhr hat die U15 der SG Markgräflerland ein Testspiel gegen den FC Tiengen; das ist für mich aber ein zu später Spieltermin, dann bin ich schon auf dem Weg ins Europa-Park Stadion; auch für meinen Filius Ben gibt es den SC-Kick daher nur in Radio oder Fernsehen.

NACHTRAG: Es ist Freitag und den Sprecher-Einsatz in der Tischtennis-Bundesliga in Weil am Rhein musste ich leider kurzfristig absagen. Ich hatte einen Termin (Elternsprechtag am Kreisgymnasium Bad Krozingen - Termin bei der Klassenlehrerin meiner Tochter Amelie) völlig verpennt. Der Termin geht natürlich vor; schon wegen des Familienfriedens, aber auch aus Überzeugung. Habe schweren Herzens in Weil abgesagt.

Und noch etwas zum SC: Besonderheit beim Kick morgen Nachmittag: Christian Streich darf wegen seiner Gelb/Rot-Sperre den Innenraum nicht betreten - Kontakt zur Mannschaft ist ihm nur bis 30 Minuten vor dem Spiel und dann wieder ab 30 Minuten nach dem Spiel gestattet. Der Trainer hat angekündigt, das Spiel auf einem Bildschirm im Innenbereich des Stadions zu schauen. Zuletzt fehlte Streich, damals coronabedingt, im Europa League Spiel gegen den FC Nantes. Da der SC gegen die Franzosen gut gekickt und 2:0 gewonnen hat, sollte Streichs Fehlen gegen den VfB kein bedeutendes Problem darstellen. So, jetzt aber:

Ich kommentiere das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen VfB Stuttgart am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

Das Fußballspiel

(Mein 1.083. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Der Rahmen stimmte: Restlos ausverkauftes Europa-Park Stadion, brodelnde Spannung – am Ende ein 2:1 Derby-Sieg unseres SC gegen den VfB Stuttgart, der freilich – wie schon in den vorangegangenen Spielen – besser spielte als ein Abstiegskandidat. Stuttgart belohnt sich derzeit nicht für seinen Aufwand; zum Glück für den SC, der (auch) gegen die Schwaben nicht wirklich zwingend auftrat und die Akribie in der Abwehrarbeit ebenso vermissen ließ, wie das Tempo und die spielerische Leichtigkeit im Angriff. Dass Freiburg besser kicken kann als Stuttgart blitzte ab und an auf – etwa in der elften Minute, als Maximilian Eggestein einen Traumpass in den Lauf von Roland Sallai spielte. Der quirlige Ungar konnte aus halbrechter Position aussichtsreich abziehen, die Effizienz seiner im Ansatz durchaus mitreißenden Aktion blieb dem Nationalspieler aber versagt; ein wiederholt zu beobachtendes Phänomen; auch in Sandhausen machte Roland mächtig viel Alarm, es kam aber schlicht nichts dabei heraus… So wie in Minute elf gegen Stuttgart. Anders der VfB, der in der 30. Minute durch den ehemaligen Paderborner Chris Führich in Führung ging. Der Wirbelwind, der in seiner Spielweise ein wenig an Sallai erinnert, zog aus 25 Metern ab und traf in den Winkel. Es war ein Sonntagsschuss am Samstagnachmittag, gegen den Lauf des Spiels, wenn man so will. Das Problem daran: Führich, der Freiburgs Außenverteidiger Lukas Kübler am Samstag vor mächtig viele Probleme stellte, hätte nie so unbedrängt zum Schuss kommen dürfen. Der Treffer fiel praktisch mit Ansagen, so viel freien Raum hatte Führich in dieser Szene. Da passte die Aufnahme einfach nicht. SC-Chancen blieben rar, so ging es mit der Stuttgarter Führung in die Halbzeitpause.

In der zweiten Hälfte macht der SC mehr Druck und kommt so fast automatisch zu mehr Strafraumszenen.  In der 60. Minute grätscht der frühere Dortmunder Zagadou Gregoritsch im Strafraum um. Der schwache Schiedsrichter Stegemann kann kein Foul erkennen und lässt weiterspielen. Der VAR greift ein, Stegemann begibt sich zum Bildschirm und überzeugt sich: Der Stuttgarter Verteidiger hat komplett nur den Knöchel von Gregoritsch getroffen – ein klares Foul. Zanagou bekommt Gelb und der Sport-Club einen Elfmeter. Vincenzo Grifo tritt an und bleibt eiskalt. Hart und platziert schlägt der Ball unten links ein, obwohl Torwart Bredlow, der den kurzfristig erkrankten Florian Müller (Magen-Darm) ersetzte, in die bedrohte Ecke flog. Flach – das ist selten, wenn „Vince“ zum Strafstoß antritt – diesmal war es erfolgreich. Der Mann hat Nerven wie Drahtseile…

In der Schlussphase (84. Minute) darf und muss er seine Nervenstärke erneut beweisen. Wieder hat Stegemann ein Foulspiel im Strafraum übersehen. Diesmal ließ (wieder) Zanagou einen Gegenspieler über die „Klinke“, in diesem Fall „Litz“ Doan über den Oberschenkel springen. Beinstellen mit dem Oberschenkel könnte man es nennen. Stegemann gestikulierte „weiterspielen“, wurde aber erneut vom VAR ausgebremst. Er schaut sich die Szene an und muss drei Dinge klären: Im Strafraum oder außerhalb – Foul oder nicht Foul – erneut Gelb (und damit Gelb/Rot) oder eben nicht. Die Aktion fand klar im Strafraum statt, auch das Foul ist im Grunde nicht strittig. Es war aber nicht böse, sondern eher ungeschickt von Zanagou. Deshalb bin ich völlig beim Schiri, der zwar auf den Punkt zeigt, aber von einem Platzverweis absieht. Die komplexe Problemlage führt dazu, dass die Entscheidungsfindung etwa zwei Minuten dauert, was den „schönen Bruno“ später zu mächtig viel Polemik verleitet („zehn Minuten“, „VAR enteiert die Schiedsrichter“ usw) – die korrigierte Entscheidung war regelkonform und ausgewogen. Und dann stand Vincenzo Grifo da: Derby, ausverkauftes Haus, es steht 1:1 und es gibt (erneut) Elfmeter. Wie der Deutsch-Italiener aus Pforzheim den Ball dann in den rechten oberen Winkel nagelt, nötigt mir Respekt ab. „Vince“ hat Eier – um in den Duktus von Oliver Kahn zu verfallen. Das 2:1 war allerdings noch nicht (ganz) der Derby-Sieg… In der Nachspielzeit geht der eingewechselte Mavropanos, offenbar getroffen vom ebenso eingewechselten Manuel Gulde, an der Strafraumgrenze zu Boden. Den fälligen Freistoß schlenzt der Deutsch-Kroate Sosa aufs Freiburger Tor – es riecht nach Last-Minute-Ausgleich, doch der Ball knallt an die Latte, gefühlt ans Lattenkreuz. Kein Tor! Der SC gewinnt am Ende denkbar knapp und glücklich – aber als aktivere Mannschaft nicht ganz unverdient – mit 2:1.

 

Das Nachspiel

In der Mixedzone und nach der PK führe ich recht launige Interviews mit den Protagonisten: Maximilian Eggestein, für mich einer der Besten am Samstag, Michael Gregoritsch, Vicenzo Grifo und Streich-Vertreter Lars Vossler. Auf dem Weg zurück zu meinem Reporterplatz fällt mir der Auftrag der Redaktion ein, Stimmen von Fans zu sammeln, die über ihre Liebe zum SC berichten sollen. Das mache ich quasi im Vorbeigehen auf dem Weg zum Presseparkplatz „P4“. Es wird eine bunte Mischung, Männer, Frauen, Badener, sogar ein Schweizer aus Bern gibt mir bereitwillig Auskunft. Ich bin mal gespannt, was die Redaktion aus dem Material macht…

Am Auto treffe ich meinen Sohn Ben, für den ich am Freitag durch Zufall noch ein Ticket auf dem Zweitmarkt klar machen konnte. Seine U15 hat das Spiel gegen den FC Tiengen mit 4:1 gewonnen – zusammen mit einem Mannschaftskameraden und dessen Mutter war er dann zum Stadion gefahren und rechtzeitig angekommen, erzählt er mir. Wir fahren nach Hause und hören uns unterwegs die vier Interviews an, die inzwischen schon über den SC und baden.fm im world-wide-web zu hören sind. In den Gesprächen klang jeweils gegen Ende schon der Respekt vor dem nächsten Gegner an. Der VfL Bochum ist verdammt heimstark: 3:0 gegen Frankfurt, 2:1 gegen Union Berlin und Mönchengladbach, 3:1 gegen Hertha und 5:2 gegen Hoffenheim – das sind die letzten fünf Bundesliga-Heimspiele der Jungs „vonne Castroper“, die im eigenen Stadion im besten Wortsinn kratzen, beißen, spucken und daraus einen gefährlichen Konterfußball entwickeln. Klar, im DFB-Pokal haben sie gegen den BVB knapp verloren, aber das Spiel war bester Anschauungsunterricht für die Freiburger, die das Pokalspiel durch die Bank im Fernsehen verfolgt haben und ganz sicher nicht ohne Stickenschoner und eine gehörige Portion Respekt gen Ruhrpott fahren werden.

Zu Hause öffne ich eine Flasche vom Fritz (Waßmer) – den guten Spätburgunder „M“ – und trinke auf den Derbysieg. Von DSDS wechseln Yoany und ich schnell zu Netflix und schauen ein paar Folgen einer bei uns gerade sehr populären Serie. Dann ist ZDF-Sportstudio, die Flasche vom Fritz ist leer und es ist Nachtruhe angesetzt. Mit folgendem Gedanken schlafe ich ein: Wenn der SC mal wieder ein Spiel unglücklich verliert, denke ich daran, wie das beim Sieg gegen Stuttgart war und freue mich, dass unter dem Strich drei Punkte stehen und nicht nur zwei, wie bei zwei (vielleicht gerechteren) Unentschieden…