20. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen Borussia Dortmund

Samstag, 6. Februar 2021, 15.30 Uhr *

Schwarzwald-Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - Borussia Dortmund *

Das Vorspiel

Good morning in the morning – ja, in der Tat, es ist Freitagmorgen, als ich mich ans Dortmund-Tagebuch mache. Der Frühtalk mit baden.fm-Moderator Markus Schäfer liegt hinter mir, ein Arbeitstag im WZO-Verlag vor mir und am Abend nimmt der Countdown Richtung Bundesligaspiel SC Freiburg gegen Borussia Dortmund so richtig Fahrt auf. Um 20 Uhr beginnt eine Hybridveranstaltung, eine Art Podiumsdiskussion mit interessanten Gästen, angeführt von BVB-Boss „Acki“ Watzke. Der Titel der Veranstaltung lautet: Ehrenamt, Politik und Profisport. Weitere Gäste vor Ort in Lörrach sind Nicole Grether (Badminton Olympiateilnehmerin), Timo Zimmermann (Vorsitzender des TuS Adelhausen aus der Ringer-Bundesliga), Dominik Kiesewetter (Fußballmanager im Jugendbereich, Mitorganisator des internationalen PS-Immo-Cup) und ich halt; nicht als Moderator, sondern als Teilnehmer. Wer die Veranstaltung online besuchen möchte, kann dies über den Zugang www.nitz2021.de  tun. Warnend muss ich dazu sagen, dass der Rahmen des Ganzen eine Wahlkampfveranstaltung  des CDU-Landtagskandidaten Christof Nitz (Wahlkreis Lörrach) ist. Da ich mit dem Kandidaten, zu seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt Schopfheim, über viele Jahre eng zu tun hatte und wir gut miteinander klar gekommen sind, habe ich nicht  lange gezögert, zuzusagen. Wann kann man schon mal ungezwungen mit „Acki“ Watzke diskutieren? Meine Teilnahme also bitte nicht etwa als Bekenntnis zur CDU verstehen, will sagen, eine Wahlaussage treffe ich mit meiner Diskussionsteilnahme jedenfalls nicht. Natürlich ehrt mich die Einladung; ähnlich wie andere, mediale Ereignisse…

Ich bekomme je gerade eine Menge Honig ums Maul geschmiert: Am Mittwoch erschien eine Story über mein Reporter-Jubiläum im Freiburger Wochenbericht. Wer sich das einmal anschauen will: www.calameo.com/read/0050455421542e7b75bd4

Außerdem habe ich gestern mit Kollegen der Ruhrnachrichten, die rund um die BVB-Spiele via Video quasi eine Fernsehshow machen, einen Talk aufgezeichnet. Die Pre-Match-Show gibt es am Samstag ab 14 Uhr unter www.ruhrnachrichten.de.

Zurück ins Hier und Jetzt. Was ist von dem Kick morgen zu erwarten? Der SC spielt nach dem Break vor einigen Monaten, dieser schlimmen Niederlage gegen Mainz, eine sehr stabile Saison. Es gab seither lediglich die denkbar knappe Niederlage bei Rekordmeister FC Bayern und zuletzt das nur optisch klare 3:0 für Wolfsburg in der Volkswagen-Arena. Klar ist auch: Der SC muss an seine Leistungsgrenze gehen, um eine Chance zu haben, gegen den BVB erfolgreich zu sein. Die zweite große Unbekannte ist das Auftreten der Dortmunder. Die waren zuletzt sehr wechselhaft; überragend beim 1:3-Sieg in Leipzig – schwach beim 1:1 gegen Mainz. Auch das mit tatkräftiger Unterstützung durch einen gewissen Tobias Stiehler erreichte 3:2 am Mittwoch, im Pokal gegen Zweitligist Paderborn, ist kein Ruhmesblatt. Im Trailer für die Bundesligashow bei baden.fm habe ich Borussia die neue launische Diva der Bundesliga genannt. Wenn die Vollgas geben und einen guten Tag erwischen, vielleicht eine günstige Spielentwicklung obendrein, kannst du gegen den BVB mit fliegenden Fahnen untergehen – wenn sie schlampig spielen, genervt sind und die Spielentwicklung ihnen nicht entgegenkommt, wäre auch einer der seltenen Siege des SC Freiburg gegen Borussia Dortmund vorstellbar; immer vorausgesetzt, dass der SC top drauf ist und nur wenig Fehler macht.

Das schönste Heimspiel gegen die Schwarz-Gelben, an das ich mich erinnere, habe ich leider noch gar nicht selbst live im Stadion miterlebt. Es fand am 11. Dezember 1993 statt, ganz kurz vor unserem Umzug nach Südbaden. Der SC siegte, umrahmt von tausenden  brennenden Wunderkerzen, mit 4:1 gegen den hohen Favoriten. Meine späteren Kollegen von FR 1 erzählten mit leuchtenden Augen von dem Spiel; nur einer nicht: der damalige SC-Reporter Thomas Volk. Er stand in den Schlussminuten mit Funkmikrofon zwischen den Trainerbänken – das ging damals noch – und wurde, trotz des fast schon historischen Sieges, auf ziemlich üble Art von Volker Finke angemacht, der sich offenbar sehr über einen kritischen Kommentar im FR 1-Programm geärgert hatte. So merkte ich schon bei meinem Dienstantritt, dass es in der Zusammenarbeit Gräben zuzuschütten galt, dass beide Seiten lernen mussten, wo Grenzen sind und wie man miteinander umgeht.

In der spontanen Erinnerung an Heimspiele des SC gegen den BVB kommt mir sofort auch der Kick vom 9. September 2017 in den Sinn. Der Franzose Yoric Ravet feierte, verpflichtet von YB Bern, eine viel versprechende Premiere beim SC – bis zur 27. Minute. Im Übereifer beging der neue Hoffnungsträger im Mittelfeld ein Foul gegen Schmelzer. Schiedsrichter Benjamin Cortus zeigte zurecht die Gelbe Karte. Es war damals die Anfangszeit des VAR und auch der war, ähnlich wie Debütant Ravet, schlicht übereifrig in seinem Handeln. Der VAR empfand die Gelbe Karte gegen Ravet offenbar als „krasse Fehlentscheidung“ und forderte den Schiri auf, sich die Szene noch einmal anzuschauen, mit Zeitlupe und allem Galama natürlich. Heute weiß man, welche Eindrücke diese technischen Mittel auf den Betrachter haben. Cortus schaute sich also zwei, drei Mal in Zeitlupe an, wie Ravets Fuß das Schienbein von Schmelzer traf und wandelte dann seine Gelbe Karte zwei Minuten nach der spontanen Erstentscheidung in eine Rote Karte um. Platzverweis nach einer knappen halben Stunde – das war bitter, vor allem gegen einen so starken Gegner.

In Unterzahl fightete der SC mehr als eine Stunde gegen elf Dortmunder Vollraketen und brachte das 0:0 über die Zeit, das von den Fans und auch von mir am Mikrofon zurecht gefeiert wurde, wie ein Sieg.

Es gab in den vielen Heimspiel-Bundesligaduellen zwischen dem SCF und dem BVB diesen einen SC-Sieg aus dem Jahr 1993, als Cardoso (2), Todt und Wassmer trafen,  und nioch einen 3:1-Erfolg am 8. Mai 2010, als Idrissou und Doppelpacker Cissé für den SC als Torschützen in Erscheinung traten. Dazu kommen acht Unentschieden. in der Vorsaison, noch mit Zuschauern,  übrigens ein 2:2. Am 5. Oktober 2019 trafen Waldschmidt und Akanji (Eigentor) für den SC.

Den zehn Erfolgen, Remis erachte ich gegen Dortmund als Erfolg,  stehen zehn BVB-Siege gegenüber, nicht wenige mit "Schmackes", wie die Ruhrpottler sagen würden: Das geht von 0:4 bis 1:5.

Damit ist klar: Der Favorit heißt Borussia Dortmund, die aktuellen Umstände lassen aber auf Zählbares für die Freiburger hoffen. Da es recht häufig ein 2:2 gab, ist das auch mein Tipp für morgen.

Ich übertrage das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen Borussia Dortmund am Samstag ab 15 Uhr live in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1002. SC-Pflichtspiel am Radiomikrofon)

Das Heimspiel gegen Borussia Dortmund wird sicher als eines der Saisonhighlights in die Geschichtsbücher des SC Freiburg eingehen: Immerhin gab es im 44. Bundesligagleich mit den Westfalen erst den vierten Sieg für die Südbadener, den ersten seit mehr als zehn Jahren und damit auch den ersten unter der Leitung von Cheftrainer Christian Streich. Und das kam so: Bis in den späten Donnerstagabend hinein hatte das Trainerteam an der Taktik geschraubt und sich dann entschlossen, von der seit Monaten erfolgreichen 3-4-3-Formation gegen den BVB auf das eher klassische 4-4-2 zu setzen. Personell sollte auch die eine oder andere Überraschung für Dortmunder Verwirrung sorgen, so stand Lucas Höler in der Startelf, spielte aber im rechten offensiven Mittelfeld, während der quirlige Südkoreaner Wooyeong Jeong zentral als hängende Spitze hinter Ermedin Demirovic agierte. Rückblickend waren das alles sehr kluge und gewinnbringende Maßnahmen; vermutlich hatte das Trainerteam den Jungs auch geraten, BVB-Torwart Hitz mit vielen Distanzschüssen zu stressen – zugegeben hat das freilich niemand, es war aber offensichtlich…

Das Spiel begann allerdings mit einem Beinahe-Paukenschlag der favorisierten Gäste: In der fünften Minute tauchte der überraschend als rechter Außenverteidiger aufgebotene Can zentral im vorderen Mittelfeld der Dortmunder auf und zog einfach mal aus 25 Metern ab – der Ball klatschte an die Querlatte… Ein früher Rückstand wäre Gift für die Freiburger gewesen, die aber in der turbulenten Anfangsphase ihrerseits auch zu Abschlüssen kamen. In der 9. Minute feuert Jeong aus 20 Metern aufs Tor, Hitz lässt den Ball abprallen, Ermedin Demirovic spritzt heran, doch Sekundenbruchteile vor dem SC-Stürmer kommt Innenverteidiger Akanji ans Leder und klärt. In der 12. Minute flankt Vincenzo Grifo einen Freistoß aus dem Halbfeld Richtung zweiter Pfosten, ein Freiburger (Demirovic?) passt flach, parallel zur Torlinie in die Mitte. Nicolas Höfler fliegt heran und verfehlt den Ball am rechten Pfosten nur um Zentimeter. Im Gegenzug sorgt Haaland für Großalarm im Freiburger Strafraum: Reyna flankt und der Norweger zieht aus zwei Metern und spitzem Winkel aufs Tor – Florian Müller vollbringt die Heldentat und wehrt mit einem Weltklasse-Reflex ab.  

Vermutlich warten beide Mannschaften etwas erschrocken von den guten Möglichkeiten, die sich offensiv hüben wie drüben in der ersten Viertelstunde ergeben hatten. Fortan beruhigt sich das Spiel und findet bis zur Pause meistens zwischen den beiden Strafräumen statt. Torlos geht es in die Pause.

Nach dem Wechsel erwischt der SCF den BVB mit einem Doppelschlag: In der 49. Minute passt Vincenzo Grifo auf Wooyeon Jeong, der nicht attackiert wird, weil Delany sich kurzfristig in die Abwehrkette zurückfallen lässt. Die ein, zwei Sekunden, die ihm so bleiben, nutzt der Südkoreander, um aus 20 Metern Maß zu nehmen und den Ball in Grobrichtung linkes oberes Dreieck abzufeuern. Hitz fliegt, erreicht den Ball aber nicht mehr und schon steht es 1:0 für den Außenseiter in dieser Partie. Für Dortmund kommt es noch schlimmer: Drei Minuten nach der SC-Führung setzt Vincenzo Grifo zu einem Distanzschuss an, Hummels blockt ab und der Ball prallt zu Jonathan Schmid, der vom rechten Strafraumeck einfach mal draufhält und plötzlich zappelt der Ball schon wieder im Netz. Der Schrägschuss aufs kurze Eck – vermutlich haltbar – prallt an den rechten Pfosten, von da an die Hand von Keeper Hitz und ins Tor. Ein kurioser Treffer, der bundesweit über Dortmunder Torwartprobleme auslöst. Der verletzte Roman Bürki steht eh in der Kritik – BVB-Boss „Acki“ Watzke hatte bei einem privaten Termin, den ich am Freitagabend mit ihm hatte, mächtig gegen den einstigen überragenden SC-Keeper aus der Schweiz geledert – jetzt diskutierte ganz Deutschland die Leistung von Hitz; Treffer eins sei haltbar gewesen, meinen einige Experten (ich nicht), Treffer zwei sei ein Witz – ich sage: Eine Meisterleistung war es nicht, nur hatte mit dem Schuss von Schmid auch niemand gerechnet. Distanzschüsse waren – s.o. – ein bewusstes taktisches Mittel, um Borussia in Probleme zu stürzen und dieses Mittel war aufgegangen…

Im Rahmen der zahlreichen Personalwechsel auf beiden Seiten schickte BVB-Coach Terzic ab der 60. Minute auch den erst 16-jährigen Moukoko für Reus aufs Spielfeld. Der Youngster sollte den SC für den Rest des Spiels beschäftigen – er kickte nur eine halbe Stunde mit und lag am Ende doch auf Platz 1 der Torschussstatistik. In der 76. Minute gelang dem Teenager nach Pass von Haaland der Anschlusstreffer. Es war der Startschuss für die Dortmunder Schlussoffensive, die der müder werdende SC  mit viel Kampf, Glück und Geschick schadlos überstand. Am Ende stand der nicht unverdiente Sieg gegen den bisherigen Angstgegner der knapp 28-jährigen (ein paar Mal unterbrochenen) Bundesligazugehörigkeit des SC, der gegen Dortmund sein 700. Erstligaspiel seit dem ersten Aufstieg im Jahr 1993 bestritt.

 

Das Nachspiel

Man, war das eine Freude… Zur Pressekonferenz habe ich mir die zu diesem Zeitpunkt längst verlassene ehemalige Reporterkabine gegönnt; beheizt, was mich betrifft, ohne Maske und bester, nein, allerbester Stimmung. Ich habe beim Freiburger Teil der PK auch gleich Christian Streich für seinen ersten Sieg gegen BVB beglückwünscht und auf die Leistung von Vincenzo Grifo angesprochen. Vince, der an beiden Toren beteiligt war, war vor allem durch zahlreiche Ballgewinne in der Dortmunder Hälfte aufgefallen, die ich so noch gar nicht von ihm kannte – mit Grätschen und allem drum und dran. Ein echtes Kämpferherz und obendrein höchst erfolgreich damit. Streich betonte, dass sich Vince in dieser Beziehung super entwickelt habe, bremste aber jede Euphorie aus, indem er feststellte, dass dem Deutsch-Italiener offensiv nicht alles gelungen sei… und er sich deshalb, als richtige Reaktion, gegen den Ball so reingehängt habe. Die Scorerpunkte vom Pass auf Jeong vor dem 1:0 und vom abgeblockten Schuss vor Schmids 2:0 gehen trotzdem auf Vinces Konto. Neben Grifos Einsatz ist mir die Top-Parade von Florian Müller bei Haarlands Chance in der Anfangsphase, die Gesamtleistung von Baptiste Santamaria und der Auftritt von Wooyeong Jeong besonders in Erinnerung geblieben, die aus einer bärenstarken Kollektivleistung noch herausragten.

Zuhause angekommen holte ich ein Fläschchen vom Wassmer Fritz aus meinem Keller, das ich später köpfen und – wie in der Radioreportage angekündigt – auf die erfolgreichen Jungs trinken sollte. Zunächst aber ließ ich mich von Ben in meiner überschäumenden Begeisterung mit der Flasche ablichten und jagte das Bild mit ein paar Zeilen über Facebook in die virtuelle Welt. Bis heute gab es über 350 Likes – viele scheinen sich mit mir und dem SC über den Sieg zu freuen.

Der Wintereinbruch in Deutschlands Nordhälfte brachte meine Sonntagsplanungen durcheinander, denn das Arminia-Spiel gegen den nächsten SC-Gegner Werder Bremen wurde abgesagt.

Mal gucken, wie sich die Wetterlage bis nächstes Wochenende entwickelt und ob dann in Bremen gekickt werden kann. Mehr dazu im Bremen-Tagebuch am Donnerstag!