20. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen VfB Stuttgart

Samstag, 3. Februar 2024, 15.30 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - VfB Stuttgart *

Das Vorspiel

Freiburg gegen Stuttgart – das war und ist immer etwas Besonderes. Von Anfang an.

Rückblick: Am 6. November 1993 standen sich die Profimannschaften des SC aus dem südbadischen Freiburg und der VfB aus der Landeshauptstatt Stuttgart erstmals in einem Pflichtspiel gegenüber. Ich selbst hatte mich am Donnerstag zuvor als potenzieller neuer Sportchef von Radio Freiburg FR 1 in einem klassischen Vorstellungsgespräch präsentiert. Weil ich schon mal da war, sollte ich am Freitag mal auf Probe mitarbeiten. Freitagabend stand dann fest: Ich bekomme den Job! Ich war selig und entschloss mich zu einer weiteren Übernachtung im damaligen Novotel am Karlsplatz und wollte am Samstag das Heimspiel des SC gegen Stuttgart im Dreisamstadion verfolgen, hautnah dabei sein. Es war der Beginn einer Liebesgeschichte…

Der damalige Manager des stolzen Hauptstadtclubs, Dieter Hoeneß, Vater des heutigen VfB-Trainers Sebastian Hoeneß, hatte sich sinngemäß wie folgt geäußert: Wenn Freiburg in der Bundesliga bleibt, müssen alle anderen etwas falsch gemacht haben. Leider habe ich das Originalzitat bei Google nicht mehr gefunden – in jedem Fall war es arrogant und löste damals an der Dreisam Empörung aus. Volker Finke wird den Spruch an die Kabinentür genagelt haben… als Motivationsspritze. Obwohl es einer solchen gar nicht bedurfte – es war ohnehin schon Baden gegen Schwaben, Arm gegen Reich, Provinz gegen Hauptstadt, David gegen Goliath.

Mein erstes SC-Spiel war total aufregend. Ich stand in einem Bretterverschlag auf der kleinen Haupttribüne, hinter den FR1-Reportern Thomas Volk und Jürgen Theiß, meinen Vorgängern, und sah, wie Oliver Freund den Außenseiter und Abstiegskandidaten Freiburg in der 18. Minute mit 1:0 in Führung brachte. Welch ein Jubel unter den 15.000 Zuschauern in der restlos ausverkauften Bretterbude in der Schwarzwaldstraße… Drei Minuten nach der Führung unterlief Maxi Heidenreich ein Eigentor, doch Uwe Wassmer traf in der 33. Minute zum 2:1. Das Stadion brodelte – hier bahnte sich eine Sensation an. Erst recht, als Schiedsrichter Hellmut Krug aus Gelsenkirchen in der 41. Minute auf Elfmeter für Freiburg entschied. Rodolfo Esteban Cardoso lief an … und scheiterte. Es blieb zur Pause beim 2:1. In der zweiten Hälfte wogte das Spiel hin und her, es fielen aber keine Tore mehr. Am Ende war die Sensation perfekt und Freiburg hatte den VfB geschlagen. Welch ein Triumph! Für mich der Anfang einer unglaublichen Geschichte, die auch über 30 Jahre später ständig neue Kapitel schreibt.

 

Auch das Rückspiel in jener Saison 93/94 war legendär:

Ich war inzwischen Redakteur/Sportchef von Radio FR 1 und als solcher Livereporter aller SC-Spiele, daheim, wie auswärts. Allerdings war es damals, in meinem Empfinden, ein Tanz auf der Rasierklinge. Ich hatte meine Familie, zwei Kinder, Frau und Hund, von Bielefeld nach Südbaden, konkret nach Riegel am Kaiserstuhl verpflanzt, um meinen Job als Fußballreporter in der Bundesliga ausüben zu können. Doch seit dem Startschuss meiner Tätigkeit, mein erstes Livespiel in der neuen Rolle war am 12. Februar 1994 ein 1:1 beim HSV, hatte ich drei Monate lanmg keinen einzigen Sieg des SC kommentieren dürfen; ab und zu mal ein Remis, aber fast nur Niederlagen. Nach dem 0:1 gegen Dynamo Dresden am 15. April schien der Abstieg festzustehen. Mit zitternden Knien hatte ich bei Senderchef Karlheinz Zurbonsen angefragt, was denn nun wohl aus meinem Job werden würde, doch „Charly“ hatte mich beruhigt. „Dein Job ist nicht in Gefahr – auch nicht in der 2. Liga.“

Es war eine eigenartige Stimmung, als ich am 23. April anno 94 mit dem kleinen Lancia, der mich damals durch die Bundesliga reisen ließ, nach Stuttgart fuhr. „Bundesliga – wir waren dabei! Danke, SC Freiburg!“ stand auf einem großen Plakat im Gästeblock. Ein Gänsehautmoment. 15.000 Freiburger waren ins Neckarstadion gekommen, um am drittletzten Spieltag Abschied zu nehmen von diesem wunderbaren Abenteuer Bundesliga. Dass der SC bei UEFA-Cup-Aspirant VfB Stuttgart stark ersatzgeschwächt antreten musste – egal.   Es ging darum, etwas wunderbares Gemeinsames stil- respekt- und liebevoll zu Ende zu bringen.

(Wenn ich mich an diese Haltung der Fans erinnere, kotzt mich so manches an, was wir heute im Umfeld des SC erleben müssen)

Das Spiel VfB Stuttgart gegen SC Freiburg begann und die Rumpfmannschaft des designierten Absteigers SC verkaufte sich überraschend gut. Freiburg mit dem Mut der Verzweiflung, Stuttgart arrogant und oberflächlich. Flügelflitzer Ralf Kohl, aus Personalnot als Mittelstürmer eingesetzt, erzielte in der 14. Minute das 0:1. Oliver Freund hatte die Vorarbeit geleistet. Das war auch der Halbzeitstand. Nach dem Wechsel griff Stuttgart wütend an und der SC konterte die Schwaben schulbuchmäßig aus: 0:2 Cardoso (51.), 0:3 Cardoso (70.) und 0:4 Kohl (82.). Abpfiff. Erstmals in meiner Freiburger Zeit am Radio-Mikrofon eskalierte ich völlig und erlebte ein Glücksgefühl wie auf Wolke 7. Der SC hatte sensationell gewonnen und plötzlich gab es – zumindest rechnerisch – wieder eine Möglichkeit, wie der Abstieg verhindert werden könnte. Verkompliziert wurde das ganze Gerechne, weil Bayern München am selben Wochenende durch ein „Phantomtor“ von Helmer mit 2:1 gegen Nürnberg gewonnen hatte, was im Nachgang annulliert wurde.    Aber das ist eine andere Geschichte. Fakt ist: Der erste Sieg im Jahr 1994, mein erster SC-Sieg als Radioreporter bei FR 1, leitete den legendären Last-Minute-Klassenerhalt des SC Freiburg ein. Nürnberg verlor alles, was noch kam, auch das Wiederholungsspiel in München, und der SC gewann mit Ach und Krach das Heimspiel am vorletzten Spieltag mit 1:0 gegen VfB Leipzig und behielt dann – im Fernduell mit dem „Club“, der 4:1 in Dortmund verlor – am letzten Spieltag in Duisburg die Nerven, gewann mit 2:0. Es war, nach dem 4:0 von Stuttgart, mein zweiter Eskalationsmoment; ein unbeschreibliches Glücksgefühl…

Hier geht es aber um die Duelle mit Stuttgart, die immer etwas Besonderes waren und sind; egal, ob in der Liga oder im DFB-Pokal.

20 Jahre später kommentierte ich das Pokalspiel SC Freiburg gegen VfB Stuttgart im Dreisamstadion. Es war in der zweiten Runde, am 25. September 2013. 0:0 zur Pause. Matze Ginter gelang in der 55. Minute das 1:0, Mike Hanke erhöhte in der 70. Minute sogar auf 2:0, bevor es Ibisevic drei Minuten vor Schluss nochmal spannend machte. Dann war Schluss und der SC erreichte durch den Derbysieg die nächste Runde.

Uns vom Radio war eine sehr spannende Livesendung mit mitreißenden Reportagen gelungen. So reichten wir Ausschnitte davon bei der Landesanstalt für Kommunikation ein und kandidierten damit für den „Medienpreis Baden-Württemberg“.  Leider gab (und gibt) es die Kategorien „Sport“, „Livesport“ oder „Livereportage“ beim Medienpreis nicht. Wir konkurrierten in der Kategorie „Information“. Umso überraschter war ich, als wir im Frühjahr 2014 zur Preisverleihung nach Stuttgart eingeladen wurden – wir waren nominiert worden, hatten es „aufs Treppchen“ geschafft. Dass bei der Kategorie „Information“ ein ernsthafter (sozial-)politischer Beitrag gewann und keine Fußballreportage, war absehbar, deshalb hielt sich meine Enttäuschung im Rahmen. Ich fühlte mein Fußballshow-Team von baden.fm und mich durch die Nominierung sehr geehrt. Und möglich wurde das Ganze durch ein Duell SC gegen VfB, deshalb gehört die Geschichte hierher.

Die große Emotion, die beim Pokalerfolg über den Sender ging, hat sicher auch damit zu tun, dass der SC ein paar Monate vorher in Stuttgart aus dem Pokal rausgeflogen war; es war in all den vielen Jahren und Duellen eines der wenigen Spiele, in denen Freiburg zumindest leicht favorisiert war. Und das im Halbfinale… Womöglich hätten der Sport-Club und seine große Fangemeinde dieses große Erlebnis einer Finalteilnahme in Berlin (2022 und unvergessen) schon 2013 erleben können. Leider gab es damals Riesenzoff im Verein. Ursache waren die ans Licht gekommenen Verträge mit Ausstiegsklauseln, die der damalige Manager Dirk Dufner in Freiburg hoffähig gemacht hatte. Es wird erzählt, dass Christian Streich damals außer sich war und das alles eskalierte unmittelbar vor dem Halbfinale im Mannschaftshotel. Soweit die Legende – ich war ja nicht persönlich dabei… Fakt ist: Der SC spielte schwach, der VfB gewann mit 2:1 und durfte anstelle des damals gefühlt eigentlich besseren SC zum Finale nach Berlin. Als es ein paar Monate später in Freiburg zur Pokal-Revanche kam, war halt viel Feuer drin. Eigentlich wie immer, wenn Freiburg und Stuttgart sich auf dem Fußballplatz gegenüberstehen.

Bis einschließlich der vergangenen Saison war der SC, mit Ausnahme einer 1:0-Niederlage im Pokal, einen Tag vor Heiligabend 2020, mitten in der Corona-Krise, in diesen Duellen fünf Jahre lang deutlich erfolgreicher als der VfB. Es hatte gewissermaßen eine Wachablösung stattgefunden.

Umso mehr feierten die Schwaben ihren Glanzauftritt in der Hinrunde dieser Saison, als der VfB den SC Anfang September 2023 mit 5:0 aus dem Stadion schoss. Nach fünf Jahren Dürre endlich mal Wasser – ach, was sage ich, Wein für den VfB gegen die ungeliebten Südbadener.

Und Stuttgart bestätigte sein Comeback in der oberen Etage der Bundesliga durch eine bislang so großartige Saison. Eine Spielzeit mit beeindruckenden Leistungen und Ergebnissen sowie einem kleinen „Hänger“ zu Beginn des neuen Jahres: Die 3:1-Niederlage in Mönchengladbach und die 1:0-Schlappe beim VfL Bochum weckten ein paar Zweifel an der Dauerhaftigkeit des Stuttgarter Höhenfluges. Mit dem beeindruckenden 5:2 gegen Leipzig meldete sich der VfB aber zurück. Das Spiel der Mannschaft trägt die Handschrift ihres Trainers Sebastian Hoeneß, der mal ein Großer werden könnte…

Im 3-4-3 ließ Stuttgart dem Plastikclub aus dem Osten keine Chance. Die Mittelfeldreihe mit Vagnoman, Millot, Stiller und Mittelstädt brillierte ebenso wie der Dreier-Angriff mit Führich (halblinks), dem dreifachen Torschützen Undav (halbrechts) und Leweling in der Zentrale. In Mönchengladbach und Bochum hatte Stuttgart mit einer 4-2-3-1-Formation gespielt und verloren. War es die Systemumstellung, die zum Erfolg führte? Der Heimvorteil? Oder lag es an der ziemlich offensichtlichen Leistungskrise der Leipziger, dass der VfB-Motor plötzlich wieder lief?

Und unser SC? In den Heimspielen gegen Union und Hoffenheim stark gespielt – in Bremen dann überraschend gestolpert. Die erste Halbzeit wer okay. In Hälfte zwei fehlte Energie auf dem Platz, die vielen Ausfälle machten sich bemerkbar, schlechte Tagesform einiger Spieler kam erschwerend hinzu. Die Niederlage war dennoch unnötig, weil der SC bei den beiden Bremer Toren in den zweiten 45 Minuten kräftig mitgeholfen hat. Das 2:1 war nicht unhaltbar – nach sieben Bundesligaspielen ohne Gegentor ist das aber nur eine sachliche Feststellung, in keiner Weise ein Infragestellen von Noah Atubolu, den ich für das größte deutsche Torwarttalent überhaupt halte.  Und beim 3:1 unterläuft dem Debütanten Attila Szalai ein absoluter Ausnahmefehler. Der ungarische Nationalverteidiger konnte einem nur leidtun. Ich hoffe, er hat das weggesteckt und kann bei seinem vier- bis fünfmonatigen Gastspiel als Leihspieler noch zeigen, was er wirklich drauf hat. Immerhin hat Hoffenheim 12 Millionen Euro für den EM-Kandidaten aus Ungarn auf den Tisch gelegt. So viel hat der SC noch nie für einen Neuzugang bezahlt.

Wenn es am Samstag, 3. Februar, um 15.30 Uhr mal wieder SC Freiburg gegen VfB Stuttgart heißt, hoffe ich auf einen Matthias Ginter bei 100 Prozent (Gintes war in Bremen grippegeschwächt), auf einen gesunden Roland Sallai in der Offensive (Roland fehlte in Bremen wegen einer Erkrankung) und ich bin froh, dass die Sperre von Manuel Gulde abgelaufen ist.

Auf seiner Stammposition als Rechtsverteidiger (oder rechtes Glied einer Dreierkette) hoffe ich auf eine deutlich bessere Leistung von Kiliann Silidillia.

Ich ahne, dass Jordy Makengo, bei einer Dreier-/Fünferkette aus der Startelf rutscht. Alle anderen personellen Prognosen wären reine Spekulation. Stand jetzt sehe ich – im Vergleich zum Bremen-Spiel – Startelfchancen für Gulde, Höfler und Sallai.

Mal schauen, ob es heute Mittag auf der PK mit Christian Streich irgendwelche personelle Infos gibt, die diese Erwartungshaltung noch beeinflussen; dann würde ich mich nochmal melden.

Mein persönlicher Anlauf auf den 20. Spieltag hat mit dem Verfassen des Tagebuch-Vorspiels begonnen. Um 13.15 Uhr ist PK im Europa-Park Stadion, gefolgt, um 14.30 Uhr, von der digitalen PK vor dem Spiel der U23 bei Rot-Weiß Essen.

Am morgigen Freitag steht „Blattplanung“ auf meiner Agenda; das heißt Vorbereitung der Ausgabe 6 des ReblandKuriers, bei dem ich diesmal mehr Hand anlegen muss als sonst, da ich als Urlaubsvertretung die Ausgabe Müllheim/Neuenburg bauen muss. Das gilt aber erst ab Montag. Bis dahin begutachte ich die Planungen der Kolleginnen und kümmere mich um ein paar Spezialaufgaben; und um das SC-Spiel gegen Stuttgart. Heute Abend muss ich noch den Vorbericht für die Morningshow von baden.fm am Freitag produzieren – außerdem den Vorbericht mit Trainer-O-Ton zum U23-Kick in Essen.

Für meinen Sohn Ben (15) konnte ich gestern im „Re-Sale“ noch ein Ticket für das Bundesligaspiel gegen den VfB erwerben. Leider gibt es im „Re-Sale“ grundsätzlich keine ermäßigten Karten mehr, deshalb musste ich 52 Euro „latzen“. Das ist teuer… Andererseits spielen der Fußball und der SC in unserer Familie natürlich eine Sonderrolle und deshalb nehme ich es hin…

Am Freitagabend schaue ich bei DAZN Heidenheim gegen Dortmund, der BVB ist ja „unser“ nächster Auswärtsgegner, und dann werde ich hoffentlich eine lange und gute Nacht haben. Samstagmorgen heißt es ausschlafen und am Mittag geht es dann frühzeitig ins Europa-Park Stadion, da ich ab 14 Uhr die erste Halbzeit des Drittligaspiels  Essen gegen SC U23 auf Bildschirmbasis zu kommentieren habe.

Und dann geht’s los…

Ich kommentiere das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen VfB Stuttgart am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.129. SC-Livespiel am Radiomikrofon)  

Das Baden-Württemberg-Derby zwischen dem SC Freiburg und dem VfB Stuttgart begann mit einem Alptraum. Wirkte der SC ganz zu Beginn der Partie mutig und unternehmungslustig, zeigten sich die Platzherren, in den in Heimspielen ungewohnten weißen Trikots, im Spiel gegen den Ball unaufmerksam und fehlerbehaftet. Anders ist der Flachpass über 60, 70 Meter durchs Zentrum, von Anton auf den freistehenden Undav, nicht zu erklären. Der Torjäger, zuletzt vor einer Woche mit drei Treffern gegen Leipzig erfolgreich, nutzte den unerwarteten Freiraum in der 3. Minute, dribbelte auf die halbrechte Position und zog zielte flach aufs untere linke Eck, wo der Ball unhaltbar für Noah Atubolu einschlug. Doch damit nicht genug: Sieben Minuten später kombinieren sich Führich und Undav erneut durch die Freiburger Defensive, als ständen da nur Slalomstangen – nach einem simplen Doppelpass an der Strafraumgrenze schießt Führich (7.) zum 0:2 ein – ungläubiges Augenreiben auf den Rängen…

Dem klassischen Fehlstart folgt eine sportliche Katastrophe. Merlin Röhl, einer der besten Freiburger der vergangenen Wochen, spurtet mit dem Ball am Fuß Richtung VfB-Strafraum. Der frühere Ingolstädter legt sich den Ball etwas zu weit vor, versucht ihn zu erreichen, rutscht mit dem linken Fuß weg und kollidiert mit dem gestreckten rechten Fuß das sich in den Weg schiebende Bein von Mittelstädt. Der frühere Berliner im Stuttgarter Trikot droht zu versterben (sorry, das ist Polemik) und erhält völlig zurecht einen Freistoß. Mehr führt Schiedsrichter Siebert aus Berlin nicht im Schilde, wird aber von Benjamin Cortus, dem Video-Assistant-Referee (VAR) im Kölner Keller an den Bildschirm geschickt. Was in der Dynamik der Bewegung wie ein harmloses, obendrein unabsichtliches Foul aussah, wirkt in Zeitlupe und Standbild wie ein Attentat. Also geht die Hand von Siebert an die Gesäßtasche und er zückt die Rote Karte. Der Platzverweis ist in VAR-Zeiten, Stichwort Trefferbild, regulär und muss akzeptiert werden. Fakt ist aber, das Foul geschah ohne Absicht, wurde durch ein Ausrutschen des Standbeins ausgelöst und daher zumindest höchst unglücklich. Mittelstädt springt danach wieder wie ein Reh und schießt später sogar ein Tor.

Fazit: Zwei Tore im Hintertreffen und ab Minute 19 in Unterzahl – es riecht nach einem gebrauchten Samstagnachmittag…

Und doch kommt es anders: In den verbleibenden 70 Spielminuten hat der VfB mit einem Mann mehr auf dem Platz zwar auch Chancen, mehr und die besseren Möglichkeiten hat aber der SC Freiburg und das ist natürlich schön anzuschauen und zu kommentieren. Erst recht, als Lukas Kübler in der elften und letzten Minute der Nachspielzeit von Halbzeit eins einen Eckball des besten Freiburgers, Vincenzo Grifo, machtvoll per Kopf zum 1:2 ins Tor wuchtet. Ein Tor, aber sicher kein Ruhmesblatt für VfB-Keeper Nübel, der orientierungslos im Fünfmeterraum herumirrte. 1:2 zur Pause.

Bis zur 74. Minute hält der Sport-Club das Spiel trotz seiner Unterzahl offen. In der 52. Minute scheint der Ausgleich nahe – wunderbar freigespielt kann Maximilian Eggestein aus halbrechter Position per Vollspann abziehen, trifft aber leider nicht das Tor, sondern das Außennetz. Drei Minuten später verfehlt Undav das Freiburger Tor aus aussichtsreicher Position. Es bleibt aber beim knappen 1:2. Dann folgt in Minute 73 ein emotionaler Moment: Kapitän Christian Günter, ein Kind des Vereins, wird nach monatelanger Verletzungspause und zwischenzeitlichen Zweifeln an einem guten Ende der Geschichte, erstmals wieder eingewechselt. Ein Gänsehautmoment, frenetisch gefeiert von den Fans.

Leider wird die Glückseligkeit nur eine Minute später ausgebremst: Nach einem unnötigen Ballverlust von Lucas Kübler in der Vorwärtsbewegung in der eigenen Hälfte, zeigt Mittelstädt ein cooles Glanzstück und überwindet Noah Atubolu nach einer schnellen Kombination aus halblinker Position mit einem völlig unerwarteten Lupfer ins kurze Eck, der das Spiel entscheidet: 1:3, das Spiel war durch…

Dennoch gibt der SC nicht auf, sondern zeigt weiter tollen Offensivfußball. In der zweiten Minute der zehnminütigen Nachspielzeit erstirbt mir der Torschrei auf den Lippen: Roland Sallai, der eine starke Leistung zeigte, flankt, der eingewechselte Michael Gregoritsch steigt hoch und köpft aufs Tor; Nübel scheint geschlagen, aber der französische Verteidiger Rouault rettet für den geschlagenen Keeper per Kopf auf der Linie. Und das war es immer noch nicht: In Minute 90+5 setzt sich Christian Günter auf der linken Seite durch, passt auf Maximilian Eggestein. Der ex-Bremer zieht ab, doch Nübel zeigt eine Glanzparade und wehrt ab. Sallai kommt an den Ball und kollidiert an der Grundlinie mit dem Bein von Anton. Der Ungar stürzt und auf dem Bildschirm der Kollegen der Öffentlich-Rechtlichen, in der Reihe vor mir, sehe ich – der Kontakt war da. Einen Elfmeter gibt es aber trotzdem nicht. Ich finde nach wie vor – den kann man auch geben.

Dann ist Abpfiff und das Derby verloren.

 

Das Nachspiel

Trainer, wir müssen reden… Im Interview nach der Pressekonferenz sprach ich Christian Streich auf die gefühlte Häufung von frühen Gegentoren an, die er genauso beobachtet hat. Mich ließ diese Geschichte nach der Enttäuschung nicht los und ich hatte Sonntagabend die Idee, mal Fleisch an den Knochen zu bringen und sämtliche bisher absolvierten Pflichtspiele diesbezüglich zu analysieren. Ich legte mich auf die erste Viertelstunde fest und wollte checken, wie oft in dieser Spielphase Gegentreffer kassiert wurden und welche Folgen das hatte. Das Ergebnis hat mich fast umgehauen, sodass ich das Dilemma mit frühen Gegentoren – besonders das frühe 0:1 im Hinspiel gegen West Ham triggert mich noch immer – habe ich daher zum Hauptthema meiner Zeitungskolumne gemacht. Sie erscheint am morgigen Mittwoch im ReblandKurier. Hier ist der Text schon einmal für Euch:

SC INTEAM

Das Derby gegen Stuttgart geriet aus Freiburger Sicht zu einer Enttäuschung. Grund dafür waren  die ersten sieben Minuten, in denen die Aufmerksamkeit im „Spiel gegen den Ball“ nicht optimal  und die Abstände zu den Gegenspielern zu groß waren. So schossen  die VfB-Stürmer Undav und Führich eine frühe 0:2-Führung heraus. Schon beim Hinspiel in Stuttgart (5:0) hatte es nach acht Minuten 1:0 für den VfB  gestanden...
 Gegentore in der ersten Viertelstunde gab es – in chronologischer Reihenfolge –  in Stuttgart (8.), gegen Dortmund (11.) und  West Ham (9.),  in München (12.), gegen Bochum (15.), in Backa Topola (13.), gegen Paderborn (4.), in Leipzig (6.), in West Ham (14.), in Bremen (9.) und jetzt erneut  gegen Stuttgart (8.). 
 In elf von 28 Pflichtspielen kassierte der SC Freiburg (mindestens) ein frühes Gegentor. Neun  der elf   Spiele wurden am Ende verloren, obwohl  die Mannschaft, nach dem frühen Rückstand,  die anfängliche Unaufmerksamkeit meistens in den Griff bekam und in vielen  dieser Spiele mindestens zu einer Leistung auf Augenhöhe mit dem Gegner  aufraffte. Zwei Mal (gegen Bochum und in Backa Topola) wurde das Spiel gedreht, doch neun Mal  stand  der SC am Ende mit leeren Händen da. Nur auswärts  in Stuttgart, München und West Ham waren die Gegner  auch mit Blick auf die den verschlafenen Anfangsphasen folgenden 75 Minuten  schlicht besser.
 Es bleiben sechs unnötige Niederlagen,  weil zum Start die Konzentration fehlte,  darunter das bittere  Aus im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten Paderborn. 
Frühe Gegentore sind eine Schwäche,  die auch Trainer Christian Streich nicht verborgen geblieben ist. Man müsse das Thema mannschaftsintern ansprechen, die Spieler sensibilisieren, die Sinne schärfen, erklärte der Trainer sinngemäß auf Nachfrage.
 Gegen Stuttgart kam erschwerend hinzu, dass mit Merlin Röhl einer der auffälligsten Spieler der jüngsten Vergangenheit in der 19. Minute vom Platz flog. Wohl regelkonform,  wegen des Trefferbildes beim Standbild des VAR – aus dem Spiel heraus hatte der unsouverän wirkende Schiedsrichter Daniel Siebert aus Berlin nicht einmal „Gelb“ gezückt, weil Röhl der Ball führende Spieler und dann ausgerutscht war. Zeitlupe und Standbild ließen den Kontakt   schlimmer aussehen und Benjamin Cortus, der  VAR im „Kölner Keller“, bat Siebert zum Bildschirm; es folgte – beim Zwischenstand von 0:2 –  der Platzverweis. Das nun zu erwartende Debakel blieb aber aus. Der SC bot in Unterzahl eine starke Leistung und  verkürzte noch vor der Pause durch Lukas Kübler – das erhoffte kleine Fußballwunder blieb aber aus. Stuttgart gewann mit 1:3. Entscheidend waren die beiden frühen Tore...  (Zitatende)

Zurück zum Wochenende: Am Sonntagvormittag gönnte ich mir das Testspiel von Bens B-Junioren der SG Markgräflerland gegen den FC Steinen-Höllstein aus dem Kreis Lörrach. Ben und seine Komplizen konnten sich mit 5:0 durchsetzen. Das läuft… Am 2. März ist „highnoon“ – dann spielt der Tabellenzweite der U17-Bezirksliga Freiburg, SG Markgräflerland, beim Tabellenführer SG Oberes Elztal. Das Hinspiel endete unentschieden, wenn ich mich recht entsinne. Fakt ist, wenn unsere Jungs gewinnen, sind sie im Aufstiegsrennen dabei – wenn nicht, dann eher nicht.

Was gibt es sonst noch zu erzählen?

Das mache ich dann im Tagebuch zum Dortmund-Spiel…