21. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SV Werder Bremen gegen SC Freiburg

Samstag, 13. Februar 2021, 15.30 Uhr *

wohninvest-Weserstadion, Bremen *

SV Werder Bremen - SC Freiburg *

Das Vorspiel

Der 21. Spieltag der Fußball-Bundesliga beginnt mit der Nachricht von der Vertragsverlängerung von Christian Streich. Eine mehr als gute Nachricht, wie ich finde. Der mit Abstand dienstälteste Trainer der Bundesliga ist nicht nur das mediale Aushängeschild des Vereins, eine interessante, überaus reflektierte und empathische Persönlichkeit, sondern auch ein absoluter Trainerfuchs. Das wird deutlich, wenn man sich das Zustandekommen des – zweifellos längst überfälligen – vierten Bundesligasieges (im 44. Spiel) gegen Borussia Dortmund vergegenwärtigt. Ich habe das diese Woche in meiner Zeitungskolumne „SC INTEAM“ für den ReblandKurier noch einmal zusammengeschrieben. Hier ist sie im Wortlaut:

 

SC INTEAM

Der 2:1-Heimerfolg des SC Freiburg gegen Borussia Dortmund war ein besonderer Sieg für die Platzherren; als 700. Erstligaspiel des Sport-Clubs war es ein Jubiläumsspiel; zum 44. Mal kreuzte der SC seine Klingen in der Bundesliga mit dem meistens favorisierten BV Borussia 09 aus Dortmund und es gelang einer der ganz seltenen Siege – es war erst der vierte. Der dritte und bis Samstag letzte Freiburger Erfolg gegen den BVB datiert vom 8. Mai 2010, einem 34. Spieltag, dem Abschiedsspiel von Trainer Robin Dutt, noch lange, bevor Christian Streich zum Cheftrainer aufstieg, der gut zehn Jahre nach dem 3:1 von 2010, als Idrissou und Cissé (2) für den SC getroffen hatten, als Cheftrainer seinen ersten Sieg überhaupt  gegen Borussia Dortmund feierte. Schon aus diesen genannten Gründen war es ein besonderer Sieg. Andere, fußballerische Gründe kommen hinzu: Nach langem Grübeln und Studium zahlreicher Videos von BVB-Spielen hatten sich Streich und seine Mitstreiter im Trainerteam entschlossen, die erfolgreiche 3-4-3-Formation der vergangenen Monate für das Dortmund-Spiel zu „sprengen“ und mit dem eher klassischen 4-4-2 gegen die Borussia anzutreten. Auch die Idee, den jungen Südkoreaner Wooyeong Jeong als hängende zentrale Spitze aufzubieten und Lucas Höler im rechten offensiven Mittelfeld, war den Freiburger Taktikfüchsen bei der intensiven Spielvorbereitung gekommen. Vermutlich hat beim Videostudium auch irgendeiner der Trainer gesehen, dass Marvin Hitz, der Schweizer Bürki-Ersatz zwischen den BVB-Pfosten, bei Distanzschüssen Probleme hat. Zugeben würde Letzteres wohl niemand, es war aber auffällig, dass der SC von Beginn an aus allen Kanonenrohren feuerte:  Die erste Großchance entstand nach einem 20-Meter-Schuss von Jeong in der neunten Minute, den Hitz nicht festhalten konnte. Das 1:0 fiel durch einen 20-Meter-Schuss von Jeong, dem 2:0 ging ein abgeblockter 20-Meter-Knaller von Grifo voraus, der Treffer selbst resultierte aus einem Distanzschuss von Schmid. Nein, Zufall war das mit den Schüssen nicht…

Florian Müller im SC-Tor, der sehr sicher wirkte und einmal, bei einem Abschluss von Haaland,  über sich hinaus wuchs, eine zuverlässig agierende Abwehrreihe, ein überragender Baptiste Santamaria in der Mittelfeldzentrale, ein kampfeslustiger Vincenzo Grifo als häufig erfolgreicher Balleroberer  und das bislang beste Spiel von Wooyeong Jeong – das waren die Zutaten zu einer bemerkenswerten Mannschaftsleistung und zu diesem besonderen Sieg. Im Resultat hat der SC Freiburg nach 20 Spielen einen Zähler mehr als zum gleichen Zeitpunkt der als wohltuend entspannt empfundenen Vorsaison und der SC ist souverän die Nummer eins in Baden-Württemberg; deutlich vor den finanziell besser gestellten Konkurrenten aus Stuttgart und Hoffenheim. Weiter so, SC! (Zitatende)

 

Am Samstag, 13. Februar, wartet eine neue Aufgabe, auswärts in Bremen. Die Austragung sei gesichert, hatte mir die Chefin der Presseabteilung von Werder schon Mitte der Woche signalisiert, nachdem das Werder-Spiel des 20. Spieltags bei „meinen“ Arminen in Bielefeld (leider) dem Wintereinbruch in Nord/West-Deutschland zum Opfer gefallen war.

Also habe ich auch meine persönliche Auswärtsreise geplant, trotz der Hinweise meiner in Bielefeld lebenden Mutter – „bleib‘ bloß zuhause, hier ist alles voll Schnee. Wir können gar nicht aus dem Haus.“ – werde ich natürlich wieder „on the road“ sein. Wegen der hier und da möglicher Weise immer noch  winterlichen Straßenverhältnisse und gewisser Rückenprobleme im vergleichsweise tief liegenden baden.fm-Toyota, habe ich mich entschlossen, mit dem privaten Ford Kuga nach Bremen zu fahren. Da bin ich im Zweifel sicherer auf rutschigen Fahrbahnen, sitze höher und riskiere keinen Rückfall in „Rücken“, der mir in und nach Wolfsburg mächtig Probleme bereitet hat.

Außerdem werde ich die Reise schon heute und dann in überschaubaren Etappen zurücklegen; angesichts von coronabedingt äußerst niedrigen Hotelpreisen ist das verkraftbar. Abfahrt ist also heute Nachmittag um 16 Uhr – erste Etappe auf halbem Weg nach Bielefeld, zweite Etappe dann am Freitag bis Bielefeld. Von meinem dortigen Elternhaus bis zum Bremer Weserstadion sind es dann noch 150 Kilometer, die ich am späten Samstagvormittag in Angriff nehme. Noch halte ich mir offen, ob ich von Bremen dann nochmal den Schlenker über Bielefeld mache, um nochmal bei „Muttern“ zu übernachten oder ob ich über die A1 direkt auf Dortmund zuhalte und dann zum Beispiel bis Frankfurt durchfahre. Der Vorteil wäre, dass ich dann schon Sonntag zum Mittagessen wieder zuhause wäre und die neue Arbeitswoche entspannt angehen könnte; anders als wenn ich Bielefeld – Bad Krozingen am Stück am Sonntag fahren müsste oder – noch schlimmer – wie beim sonntäglichen Wolfsburg-Spiel erst am Montagmorgen in aller Herrgottsfrühe auf die Autobahn muss, um direkt zum Dienst in den Verlag zu fahren. Ich checke heute Abend mal ein für mich noch unbekanntes Drei-Sterne-Hotel in Frankfurt aus, in dem ich ein großes Zimmer für 34 Euro bekomme. Wenn das gut ist, buche ich für die Rückfahrt gleich noch einmal. Dann muss ich meine schwangere Tochter Caroline, die in Frankfurt lebt, in Corona-Zeiten nicht mit meinem Kontakt belasten und schlimmstenfalls irgendwas ins Haus schleppen. Durch meine kleinen Kinder und die Berufstätigkeit für Zeitung und Radio habe ich natürlich – trotz Kontaktreduktion mehr Ansteckungsmöglichkeiten als ein bislang kinderloses Paar, das im Homeoffice arbeitet und zu Hause bleibt, wie Caro und ihr Partner.

Und sportlich?

Gerade war die PK mit Christian Streich, dem ich meine Freude über die Fortsetzung der Zusammenarbeit zum Ausdruck gebracht habe. A ist das ehrlich und B finde ich, gehört sich das so. Fachlich habe ich den Coach auf die passive Spielweise von Werder gegen Schalke 04 angesprochen. Am Ende kam raus, dass Streich auch am Samstag einen eher defensiven Gegner erwartet, der im 5-3-2 spielend tief steht, die Räume eng  macht aber dem SC zunächst mal den Ball überlässt. Wenn der SC dann ungeschickt spielt und Werder einen guten Tag erwischt, könnte Bremen, bei Freiburger Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung, gefährliche Konter in die sich dann bietenden Räume unternehmen. Wenn Freiburgs Defensive gut steht, könnte es ein 0:0 oder ein 1:1 geben; es sei denn, vorne gelingt dem SC mehr als an Durchschnittstagen. Ob dafür das zuletzt meistens bemühte 3-4-3 oder das gegen Dortmund gepflegte 4-4-2 (oder 4-4-1-1) die bessere Formation ist, müssen Streich und seine Mit-Trainer entscheiden.

 

Was verbinde ich noch mit Bremen?

Im August 1981 war ich als Fan im Weserstadion, als Arminia Bielefeld dort gastierte und der Bremer Norbert Siegmann, aufgepeitscht von Werder-Trainer Otto Rehagel, dem Bielefelder Stürmer Ewald Lienen mit den Stollen spektakuläre den Oberschenkel aufschlitzte. Die offene Wunde war 25 Zentimeter lang und die Bilder gingen um die Welt.

Ich weiß nicht mehr, ob es kurz davor oder kurz danach war, als ich im Rahmen meines Germanistik-Studiums in Bremen war. Jedenfalls habe ich mit meinem Kurs „Einführung in die Literaturwissenschaft“ von der Bielefelder Uni am Bremer Theater eine Inszenierung von Shakespeares Hamlet angeschaut. Im Nachgang spielte sich folgende Seminarsituation ab:  Der Prof fragte, warum Hamlet seinen „Gegenspieler“ Polonius in dem und dem Akt und der und der Szene, als er mit einem Messer in der Hand hinter ihm steht und die Gelegenheit denkbar günstig ist, nicht umbringt. „Darüber sind viele Bücher geschrieben worden“, erzählte der Prof. und ich staunte nicht schlecht. „Ich habe jetzt auch ein Buch über diese Frage geschrieben“, fuhr unser Literaturprofessor fort und fügte nach einer Kunstpause voller Inbrunst hinzu: „Er hatte keine Lust – er hatte einfach keine Lust.“

Das war historisch der Moment, in dem ich mich im Rahmen meines Germanistikstudiums für den Schwerpunkt Linguistik statt des Schwerpunktes Literaturwissenschaft entschied.

Eine andere Bremen-Reise führte mich Jahre später mit meinem damals noch sehr kleinen Sohn Jérôme (heute 33 Jahre alt) nach Bremen. Und das kam so: Die G-Junioren von Arminia Bielefeld, bei denen der Kleine kickte, nahmen an einem Tages-Turnier von Werder teil, auf den Trainingsplätzen gleich neben dem Weserstadion. Ich sollte aber am Nachmittag bei Radio Bielefeld ein Landesliga-Spitzenspiel übertragen, für dessen Übertragung der Hauptsponsor des gastgebenden Vereins, übrigens der ruhmreiche SV Gadderbaum, als exklusiver Werbepartner gewonnen worden war. Dieser wiederum erwartete, dass das Spiel von der bekanntesten Fußball-Stimme des Senders kommentiert wurde und das war, durch meine Rolle als Arminia-Reporter, nun einmal ich.

So etwas nennt man dann einen klassischen Zielkonflikt. Natürlich wollte ich, dass Jérôme in Bremen kicken konnte, gegen Eintracht Braunschweig und andere große Namen, aber ich wollte und musste natürlich auch meiner Reporter-Rolle gerecht werden und – nicht zuletzt – Geld verdienen. Meine damalige Ehefrau stellte sich aber auf die Hinterbeine und wehrte sich vehement dagegen, dass der Kleine ganz normal – ohne meine Begleitung – mit seiner Mannschaft im Bus nach Bremen fährt. Sie selbst war ebenfalls nicht bereit, mitzufahren – es gab ja auch noch die kleine Caroline… (also die, die jetzt 30-jährig in Frankfurt lebt und mich im Sommer zum Opa macht). Also entschloss ich mich damals, mit meinem Sohn im Privatwagen nach Bremen zu düsen und den Vormittag mit Jérôme beim Turnier am Weserstadion zu verbringen, damit er zumindest die Hälfte des Turniers miterleben kann, um dann mit dem Kleinen wieder „zurückzujagen“ und am Nachmittag meinen Radio-Job auszuführen. Noch heute entschädigen mich die Bilder von Jérômes erstem Auftritt im Arminia-Trikot und die Erinnerungen an die Momente in Bremen (auch wenn es gegen Braunschweig eine richtige Packung gab) für diesen Kraftakt. Schon bei den Gedanken daran wird mir ganz warm ums Herz…

Mit dem SC war ich inzwischen auch schon 21 Mal in Bremen – 20 Mal in der Bundesliga und einmal im DFB-Pokal. Beim ersten Spiel drängen sich in der Erinnerung zwei Herren in den Vordergrund: Frank Neubarth, der beim 3:2 der Bremer am 6. April 1994 alle drei Werder-Tore erzielte und Schiedsrichter Rainer Werthmann aus Iserlohn, der Trainer Finke und mich den Livereporter durch schräge Pfiffe gegen Freiburg förmlich zur Weißglut brachte. Die beiden Treffer für den SC gelangen Uwe Spies und Alexander Borodjuk.

Im Jahr darauf hatte ich Lust auf Revanche für die verpfiffene Begegnung der Vorsaison und der SC bekam mit 5:1 eine richtige Klatsche. Ein solches Spiel und das Ergebnis waren im Frühjahr 1995 völlig untypisch, denn der SC spielte bekanntlich seine bis heute erfolgreichste Saison im Oberhaus. Den Ehrentreffer konnte sich einmal mehr Uwe Spies zu Gute halten – das interessierte angesichts der hohen und unerwarteten Niederlage freilich niemanden ernsthaft.

Den ersten Auswärtssieg in Bremen konnte ich dann beim dritten Auftritt des SC bei Werder, am 15. März 1996 feiern. Harry Decheiver war per Doppelpack erfolgreich. Das habe ich gerade nachgelesen und im selben Moment konnte ich mich an meinen Jubel erinnern, als der Holländer in der 90. Minute den Sieg perfekt machte. Großartig war’s…

Weitere SC-Siege in Bremen, die ich kommentieren durfte: 2:3 (nach 0:3-Führung) am 17. Oktober 1998, Torschützen: Stefan Müller, Torben Hoffmann und Marco Weißhaupt.

2:3 hieß es auch am 16.Februar 2013, als Max Kruse, Daniel Caligiuri und Matthias Ginter für den SC trafen. Interessant ist auch der Doppelpacker auf Bremer Seite; das war ein gewisser Nils Petersen…

Maximilian Philipp, Vincenzo Grifo und Amir Abrashi trafen am 29. Oktober 2016 zum überzeugenden 1:3-Auswärtserfolg, der sich schon zur Pause abzeichnete, als der SC mit 0:2 vorne lag. Es war bislang der letzte SC-Sieg in Bremen.

Beim jüngsten Aufeinandertreffen im Weserstadion gab es einmal mehr einen Doppelpacker namens Nils Petersen, diesmal allerdings auf der richtigen Seite (smile). Das Spiel am 2. November 2019 endete 2:2.Der Ausgleich für den SC fiel erst in der Nachspielzeit (90.+3) – ich erinnere mich gut.

Mit 30 Punkten aus 20 Spielen und recht stabilen Leistungen fahre ich recht optimistisch Richtung Norden. Im Idealfall landet der SC jetzt in Bremen und gegen Union Berlin zwei Dreier und hat den Klassenerhalt quasi schon im Februar perfekt gemacht… Wenn diese beiden Siege gelängen, dürfte man guten Mutes von mir aus auch öffentlich über neue Zielsetzungen sprechen… Und trotzdem – oder gerade deshalb – wird Bremen sauschwer.

Ich übertrage das Bundesligaspiel Werder Bremen gegen SC Freiburg am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1003. SC-Pflichtspiel am Radio-Mikrophon)

 

Von Bad Krozingen bis Bremen sind es 716 km. Den Weg anzutreten, um dann ein Fußballspiel mit zwei veritablen Torchancen zu sehen mag als „vergebene Liebesmühe“ durchgehen – der Punkt, den das 0:0 dem Sport-Club brachte, ist aber durchaus wertvoll, genauso wie die Defensivleistung der Freiburger Mannschaft.

Es war mächtig kalt in Bremen, fast zweistellige Minusgrade, das Stadion war coronabedingt leer wie ein weggeworfener Schuhkarton und das Spiel lief genauso, wie ich mir das im Vorfeld gedacht hatte: Bremen stand tief und ließ des SC das Spiel machen. Das und die Erschwernisse, die eine dichtgestaffelte Abwehr tief in des Gegners Hälfte mit sich bringt, ist wiederum so gar nicht das präferierte Setting des SC Freiburg. Die Offensive der Gäste, personell besetzt mit der „Entdeckung“ des Dortmund-Spiels Wooyeong Jeong und „Dauerbrenner“ Vincenzo Grifo auf den Halbpositionen der 3-4-3-Formation und Ermedin Demirovic in der Zentrale, blieb in der ersten Hälfte etwas ideen- und effektlos. Auch Bremen fällt nichts ein. Und dann brennt es doch einmal in Freiburgs 16er: In der 36. Minute wird ein nicht entscheidend genug geklärter Eckball von Möhwald  nochmal nach innen geflankt, Gebre Selassie verlängert per Kopf und Veljkovic kann aus zwei Metern aufs Tor köpfen; Florian Müller ist mit dem Oberkörper zur Stelle und verhindert die Bremer Führung. Die einzige erwähnenswerte Offensivaktion des SC kommt in der 42. Minute zu Stande: Christian Günter wird auf dem linken Flügel steil geschickt und spielt einen Rückpass von der Grundlinie,  im Zentrum kommt der aufgerückte Nicolas Höfler an den abgefälschten Ball und drischt ihn volley mit vollem Risiko aus 15 Metern aufs Tor. Leider geht das Leder, das ja eigentlich keins ist, klar drüber. 0:0 zur Halbzeit.

Nach dem Wechsel wartet Christian Streich noch zehn Minuten ab, dann wechselt er zwei neue Angreifer ein: Nils Petersen und Lucas Höler kommen für die in Bremen etwas blassen Ermedin Demirovic und Wooyeong Jeong.  In der 77. Minute hätte Freiburgs Super-Joker Petersen beinahe (wieder) zugeschlagen: Torwart Pavlenka kann einen platzierten Flachschuss von Nicolas Höfler zwar bravourös parieren, der Ball springt aber Nils Petersen direkt vor die Füße – eigentlich ein sicheres Tor für den ex-Bremer, dem in der Vorsaison an gleicher Stätte ein Doppelpack gelungen war, doch diesmal scheint der blonde Stürmer überrascht, schaltet nicht schnell genug und schiebt den Ball am Tor vorbei. In der 83. Minute habe ich noch einmal den Torschrei schon auf der Zunge, doch der 16-Meter-Schuss von Jonathan Schmid wird von Pavlenka aus der – aus Sicht des Schützen – rechten Ecke gekratzt. In der Nachspielzeit foult Dominique Heintz, der in Bremen für den angeschlagenen Keven Schlotterbeck in die Startelf gerutscht war, den bei Bremen eingewechselten Selke und verletzt sich selbst mehr als den Werder-Stürmer. „Heintzi“ sieht Gelb und humpelt vom Spielfeld – Lukas Kübler solle es in den Schlusssekunden richten aber es passiert nichts mehr; das Spiel endet 0:0.

 

Das Nachspiel

Da es sehr kalt ist laufe ich zum Auto, das auf dem schneebedeckten Parkplatz steht und – wie ich feststelle als ich auf den Beginn der virtuellen PK warte – auch nicht mehr Wärme bietet. Ich höre mir die Statements der Trainer an, habe keine Frage zu stellen und bin froh als ich den Motor starten, die Sitzheizung und das warme Gebläse einschalten und losfahren kann. Ich habe ja noch einen Ritt vor mir: Etwa 450 km bis Frankfurt. Ich fahre auf die A1, stelle 140 im Tempomat ein und verfolge die Audio-Übertragung des Spiels Union gegen Schalke. So erlebe ich das zweite 0:0 des Tages am Steuer. Als das Spiel zu Ende ist bin ich im Raum Dortmund und habe immer noch rund 200 km vor mir. Auf einer Raststätte hole ich mir eine dicke heiße Wurst (der Name fällt mir gerade nicht ein, so eine würzige…) und einen großen Milchkaffee. Das sind dann wirklich die einsamen Momente in dem Job, den ich ja sonst so liebe. Gegen 22.30 Uhr komme ich in Frankfurt City an. Mein Zimmer im Drei-Sterne-Hotel „City West“ ist diesmal nicht nur eine Etage unter dem der Hinreise, sondern auch eine Kategorie weiter unten, habe ich das Gefühl. Ich bin unzufrieden mit dem Allgemeinzustand des großen aber kalten und mäßig sauberen Zimmers und den durchgelegenen Matratzen. Das Hotel-W-LAN funktioniert nicht – LTE auch nicht. Ich bin aber zu müde, um mich zu beschweren und pfeife mir stattdessen zwei (oder waren es drei) Dosen Jacky-Cola rein. Irgendwann falle ich in einen traumlosen Schlaf.

Am Sonntagmorgen esse ich so ein dreieckiges Sandwich, das ich im Frischepack von der Raststätte mitgebracht hatte und trinke eine Flasche Wasser. Dann geht‘s in den Kuga und an die Tanke – hier hole ich neuen Sprit fürs Auto und Koffein für mich – einen großen Milchkaffee to go – wegen Corona gint es in den einfachen Hotels in Frankfurt kein Frühstück…

Von der A5 aus rufe ich per Video-Call zu Hause an und kündige mich fürs Mittagessen an. Ich bin froh, als ich um 13 Uhr mit meiner Frau am Tisch sitze und ein leckeres Essen genieße, das sie zubereitet hat. Die Kinder kommen etwas später vom Kicken nach Hause und essen ebenfalls. Der Rest des Tages ist Sofa – Fernsehfußball und Tatort.

Am Montag steht zunächst der übliche Radio-Talk bei baden.fm mit Markus Schäfer an, den ich am Abend natürlich inhaltlich schon vorbereitet habe, dann geht’s in die WZO-Redaktion. Hier entsteht dann unter anderem die Kolumne SC INTEAM für den ReblandKurier. Sie erscheint am Mittwoch. Hier ist sie für Euch schon mal vorab:

 

SC INTEAM

Neue Ziele für den SC?

Das Positive am torlosen Remis von Bremen war, neben dem Auswärtspunkt,  das geschickte Defensivverhalten der gesamten Mannschaft.  Wie gegen viele Gegner in der jüngeren Vergangenheit erwartete der SV Werder, der in der Relegation, nur wegen der Auswärtstor-Regel,  nach  zwei Remis gegen Heidenheim,   den Abstieg verhindert hatte, den SC Freiburg mit einer betont defensiven Spielweise. Das brachte den Sport-Club in die ungewohnte Situation, häufig den Ball zu führen und erst spät attackiert zu werden. Ist die optisch überlegene Mannschaft dann aber aufgerückt und die Kontersicherung womöglich nicht gut organisiert, ergeben sich für Werder Räume für schnelles Umschaltspiel. Am Samstag bewies der SC Freiburg aber in der Defensivorganisation und bei der Kontersicherung seine Klasse. Werder Bremen hatte in 90 Minuten nur eine einzige Tormöglichkeit (36. Minute, Veljkovic per Kopf – Müller parierte) – im Anschluss an einen Eckball; nicht etwa nach einem Konter. Daumen hoch also für die Defensivleistung der Freiburger in Bremen.

Offensiv setzte der SC in der zweiten Halbzeit einige Akzente – die Nachschusschance des offenbar überraschten Petersen (77. Minute), nach einem von Torwart Pavlenka abgewehrten Schuss von Höfler, war wohl die größte Chance zum Siegestreffer. In jedem Fall war der SC in der zweiten Halbzeit näher dran am Sieg als die harmlosen Bremer, die in einem vollen Weserstadion sicher ausgepfiffen worden wären. Mit dem 31. Punkt bleibt der SC auf Tabellenplatz acht und auf Tuchfühlung zu den Plätzen, die das internationale Geschäft versprechen.

Die niedrigen Punktzahlen im tiefsten Tabellenkeller lassen vermuten, dass auch in diesem Jahr deutlich weniger als 40 Punkte zum Klassenerhalt ausreichen, sodass der Zeitpunkt, an dem der SC mit Fug und Recht neue Saisonziele formulieren kann, nicht mehr allzu weit entfernt scheint. Als nächste Herausforderung wartet am Samstag um 15.30 Uhr der 1. FC Union Berlin (live bei Sky und baden.fm). Nach dem Aufstieg der „Eisernen“ hatte der SC zunächst Probleme mit der rustikalen Spielweise von Union und verlor im Oktober 2019 sowohl das Bundesligaspiel mit 2:0 in Berlin als auch ein Pokalspiel gegen Union mit 1:3 in Freiburg. Es folgten allerdings 2020 ein 3:1-Sieg im Schwarzwald-Stadion und ein 1:1 bei Union, im Hinspiel dieser Saison. (Zitatende)

 

Jetzt ist es Montagabend, 18.30 Uhr. In zwei Stunden kickt Arminia bei den Bayern und mein Heimatverein wird vermutlich vermöbelt. Vielleicht gibt es gegen die müden und coronageschädigten Klub-WM-Gewinner aber auch mal wieder eine Sensation, wie einst beim 0:4 der Arminen im alt-ehrwürdigen Olympiastadion…

Ich melde mich in Sachen SC am kommenden Donnerstag zurück – dann geht’s um den Kick gegen Union. Bis dahin!