22. Spieltag der Fußball-Bundesliga, FC Schalke 04 - SC Freiburg

Samstag, 16. Februar 2019, 15.30 Uhr *

Rudi-Assauer-Arena (RIP!), Gelsenkirchen *

FC Schalke 04 - SC Freiburg *

Das Vorspiel

Erinnerungen: Andi Zeyer, Uwe Wassmer, Martin Braun, Uwe Spies, Maximilian Heidenreich, Nicola Jurcevic, Oliver Freund, Steffen Korell, Adel Sellimi, Florian Bruns, Roda Antar, Dori Cha, Jan Rosenthal (2), Jonathan Schmid und Florian Niederlechner – das sind die Freiburger Fußballhelden, die bei Auswärtsspielen des Sport-Clubs auf Schalke getroffen haben und zwar in Spielen, in denen der SC bei den Königsblauen gepunktet hat. Und das war ganz schön oft der Fall! Schalke gehört zu den Auswärtsspielen, zu denen ich stets mit einem guten Gefühl fahre; sicher weil es nahe meiner Heimat ist, klar, aber auch, weil ich die Offenheit der Menschen aus dem Ruhrpott schätze und natürlich, weil sportlich mehr möglich ist als man, wegen des gigantischen Rahmens in der Arena und des großen Namens Schalke 04 meistens meint. Freiburg trotzt den Schalkern häufig und wenn die Truppe des längst nicht mehr unumstrittenen Trainers Domenico Tedesco nicht ausgerechnet am kommenden Samstag beginnt, ihrer individuellen Besetzung entsprechend Fußball zu spielen, könnte auch in dieser Saison auf Schalke etwas gehen für den SC Freiburg. Wenn ich Christian Streich wäre, würde ich unbedingt auf Florian Niederlechner setzen, denn „Flo“ ist nicht nur der letzte Freiburger, der den Sport-Club auf Schalke zu einem Punktgewinn geschossen hat, er ist auch der Schütz des „goldenen Tores“ vom 1:0-Hinspielsieg im Schwarzwald-Stadion. Schalke scheint dem Torjäger zu liegen.

Auf meinem Tipico-Tippzettel habe ich für den 22. Spieltag Niederlagen der Mannschaften vorausgesagt, die auf den letzten vier Tabellenplätzen stehen: Schlusslicht Nürnberg dürfte gegen Spitzenreiter Dortmund nichts zu bestellen haben, Hannover als Vorletzter muss nach Hoffenheim und geht dort – wie ich glaube – leer aus, der Krisen-VfB wird von Leipzig vermutlich abgeschossen und Augsburg wird im Derby gegen die Bayern nichts zu bestellen haben. Das ist ein Spieltag, an dem sowohl Schalke (Platz 14) als auch der Sport-Club (Platz 13) durch einen Sieg einen Riesenschritt raus aus dem Tabellenkeller machen könnte. Aber nur einem von den beiden Kontrahenten wird es am Samstag - vielleicht - vergönnt sein. Es könnte ja auch - wie so oft schon - ein Remis geben. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass selbst ein Unentschieden die Distanz zu den heiklen Rängen vergrößern würde. „Hauptsache punkten“ würde ich das Ziel des SC vor Schalke mal formulieren. Ein Auswärtssieg würde vor dem dann folgenden Heimspiel gegen Augsburg etwas den Erfolgsdruck senken, aber auch ein Punkt ließe mich am Samstagabend zufrieden Richtung Süden fahren.

Mein Reiseplan sieht mal wieder ein verlängertes Wochenende mit Besuch bei meiner alten Dame vor. Den letzten Termin für den WZO-Verlag habe ich am Donnerstag um 17 Uhr bei einem Empfang in Lörrach. Deshalb werde ich nach der Pressekonferenz mit Christian Streich – Donnerstag, 13.30 Uhr - zum Funkhaus Freiburg fahren und die Fahrzeuge tauschen. So gegen 18 Uhr werde ich dann direkt von Lörrach aus starten und bis in den Raum Gießen fahren, wo ich ein Zimmer für die Übernachtung in meinem Stammhaus für Auswärtsfahrten mit Zwischenstopps reserviert habe, im Hotel am Kirschberg.

Freitagmorgen fahre ich dann weiter bis Bielefeld - über Marburg und dann überwiegend Landstraße, in aller Ruhe. Das gibt mir aber die Möglichkeit mit meiner Mutter, wahrscheinlich wieder im kultigen Café Knigge, Mittagessen zu gehen und abends ein zweites Mal mit ihr auszugehen. Ins Kreta, vermute ich mal – man hat ja so seine Gewohnheiten…

Am Samstag geht es dann eine gute Stunde auf der A2 nach Gelsenkirchen und nach dem Spiel tendenziell wieder Richtung Heimat; allerdings auch wieder mit Zwischenübernachtung. Zu so Kraftakten mit 600 Kilometern nächtens auf der Autobahn fehlt mir, zumal nach einer dreistündigen Bundesligashow im Radio, in der Regel die Lust und vor allem die Energie. Im Maischeider Hof in Kleinmaischeid, eine weitere Stammherberge für meine Touren, ist reserviert – ich fahre halt lieber A3 als A45…

Soweit der Reiseplan und die sportlichen Erwartungen und Hoffnungen, wobei man ja nie weiß, was Schiedsrichtern und Videoassistenten so einfällt. Angesichts der Willkürlichkeit von Entscheidungen, Auslegungen und Begründungen bekommt man ja schon den Eindruck, die glaubten, mit Freiburg könnte man es ja machen. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man über die Formulierung eines hohen Vertreters der DFB-Schiedsrichterkommission lachen, der – vor dem Hintergrund des aberkannten Siegestores gegen Wolfsburg und angesprochen auf das umstrittene Tor zum 1:0 von Stuttgart (Gomez) vor ziemlich genau einem Jahr in Freiburg, als zwei im Abseits stehende Stuttgarter die Freiburger Verteidiger aktiv wegblockten - erklärte: „Aus heutiger Sicht hätte das Tor nicht anerkannt werden dürfen.“ Wie bitte? Aus heutiger Sicht? Das ist keine historische Betrachtung sondern das war letzten März! Videoassistent Brych (!!!)  hat den klaren und vom SC reklamierten Regelverstoß nicht geahndet und hatte dafür hinterher vom DFB ganz offiziell Rückendeckung bekommen. Jetzt hat der Brych das als Schiedsrichters des SC-Spiels gegen Wolfsburg genau andersherum gesehen. Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Das ist zwar Nahles, passt aber zu Brych und zum Bild, das der DFB gerade abliefert. Das sind unsägliche Zustände! Ich habe fertig.

Also, Sport-Club, nicht provozieren lassen, punkten, punkten, punkten und immer weitermachen. Irgendwann stehen genug Zähler auf dem Konto, dass Ihr der ganzen Mischpoke einmal mehr die lange Nase zeigen könnt. Punkten! Ja. Vielleicht schon wieder auf Schalke!!!

Ich übertrage das Bundesligaspiel FC Schalke 04 gegen SC Freiburg am Samstag ab 15 Uhr live bei baden.fm.

 

Das Fußballspiel

(Mein 932. SC-Livespiel im Radio)

 

Es wurde eine Nullnummer; keine Tore, ein Punkt für den SC aber ganz viele Aufreger: Als Kübler in der ersten Halbzeit der Ball im Strafraum aus kürzester Distanz an den Arm geköpft wird, kann es eigentlich keinen Elfmeter geben, auch wenn die Szene sehr unglücklich aussieht, weil die Berührung durch Zufall praktisch dreifach stattfindet, aber ohne jede Absicht, ohne jedes Verschulden und ohne jeden Vorteil. Schiedsrichter Frank Willenborg aus Osnabrück zeigt dann auch gleich an, „weiterspielen“. In der Folge gibt es aber offenbar eine Kommunikation mit dem Kölner Video-Keller, die den Schiri dann aber in seiner Entscheidung bestätigt.

Kurz vor der Pause dann ein böser Aussetzer vom Schalker Serdar, ein „Brutalo-Foul“, wie BILD online den Tritt mit offener Sohle in die Beine von Mike Frantz Minuten später nennen wird; inklusive Foto, das schon vom Anschauen her weh tut. Serdar sieht völlig zurecht die Rote Karte. Die Schalke-Fans pfeifen den Schiedsrichter und anschließend Mike Frantz aus, als dieser letztlich vergeblich versucht, wieder mitzuspielen.

In der Halbzeitpause, wenige Minuten später, nimmt Christian Streich den verletzten Frantz aus dem Team, genauso wie den auf Schalke enttäuschenden Lucas Höler. Jérôme Gondorf und Luca Waldschmidt kommen als neue Hoffnungsträger und leiten – in Freiburger Überzahl – eine sehr offensive zweite Halbzeit ein. Der SC dominiert von Anpfiff an und hat schon ein paar Sekunden nach Wiederbeginn eine großartige Kopfballchance durch Gondorf, doch Keeper Fährmann war zur Stelle. Die komplette Angriffsrehe des SC, mit Ausnahme des mit dem Ball an diesem Tag sehr blassen Nils Petersen, hatte im Verlauf der zweiten Hälfte 1A-Torchancen. Die größte der SC-Möglichkeiten hatte freilich ein Abwehrspieler: Der österreichische Jungnationalspieler Philipp Lienhart köpfte den Ball aber aus einem Meter am quasi leeren Tor vorbei. Ansonsten warfen sich entweder Fährmann oder einer seiner Abwehrspieler immer wieder in die Flugbahnen des Balles und verhinderten einen Freiburger Treffer. Als Schiri Willenborg in der 83. Minute sah, wie sich ein Schalker Abwehrspieler wie ein Torwart in einen Pass der Freiburger warf und den Pass mit dem Ellbogen abwehrte, entschied der Unparteiische sofort und ohne zu zögern auf Elfmeter. Als Vincenzo Grifo die Kugel in die Hände von Luca Waldschmidt gab, damit dieser einen weiteren Strafstoß verwandeln möge unterbrach Willenborg die Präliminarien und kommunizierte mit dem Kölner Keller. Harm Osmers, der dort federführend saß, veranlasste den Schiedsrichter, sich die Situation noch einmal auf dem Bildschirm anzuschauen. Nach dem dies mehrfach geschehen war und etwas zögern malte der Schiri einen Bildschirm in die Luft und entschied auf Schiedsrichterball – also kein Elfmeter für den SC. Während ich mich festlegen würde, dass die Situation mit Kübler in der ersten Hälfte nie und nimmer mit Elfmeter hätte bestraft werden dürfen und vom Schiedsrichter ja auch nicht bestraft wurde, war die Situation im Schalker Strafraum eine 50:50-Situation, ein „Kann-Elfmeter“. Willenborg hatte sich auf Strafstoß festgelegt. Nur wieso greift dann der Kölner Keller ein? Eine „krasse Fehlentscheidung“ lag ja keineswegs vor. Es kam so, wie es kommen musste – wie schon gegen Wolfsburg wurde Freiburg der mögliche Sieg vom Videobeweis genommen. Beide Male eine umstrittene Angelegenheit. Es läppert sich, meine Herren vom DFB…

Schalke sollte noch ein, zwei Standards in Strafraumnähe bekommen, die natürlich potenziell Torgefahr mit sich brachten, es passierte aber nichts mehr. Nur dass Christian Günter binnen weniger Minuten zwei Mal mit „Gelb“ und damit in der zweiten Situation mit „Gelb-Rot“ bestraft wurde. Zumindest die erste Gelbe war ein schlechter Witz. Es lag kein Foul vor und Günter protestierte im Rahmen des üblicher Weise geduldeten Maßes. Auch bei der zweiten Karte lag nichts Böses, noch nicht einmal ein absichtliches oder bewusst in Kauf genommenes Foul vor. Trotzdem flog Günni raus. So wurde es mit Frantz auf der Verletztenliste und Günter als gegen Augsburg gesperrten Spieler ein teuer bezahlter Punkt auf Schalke. Angesichts der Chancen und der Gegebenheiten hätte es eigentlich ein Sieg werden müssen.

 

Das Nachspiel

…so hielt sich die Freude über einen Zähler aus Schalke, obwohl die Konkurrenz aus Augsburg, Hannover und Stuttgart brav ihre Spiele verloren hatte, in Grenzen. In den Interviews, die ich mit Janik Haberer und Christian Günter in der Mixedzone und mit Christian Streich nach der PK im Presseraum führte, haderten alle Gesprächspartner mit den umstrittenen Entscheidungen der Unparteiischen und den nicht genutzten Chancen in Überzahl.

Auf der Heimfahrt, die ich im Westerwald für eine Übernachtung unterbrach, machte ich mir einmal mehr Gedanken über Sinn, Unsinn und Folgen des Video-Wahnsinns in der Bundesliga. Christian Streich hatte in der Pressekonferenz auf Schalke, losgelöst von der Tagesaktualität, seinen Gedanken dazu Ausdruck verliehen und ich bin ganz bei ihm; erst recht als Radioreporter. So kam ich auf dem Rückweg von Schalke auf die Idee für meine aktuelle Kolumne für die Wochenzeitungen am Oberrhein:

 

SC INTEAM

Vielen Leserinnen und Lesern dieser Kolumne ist bekannt, dass der Autor dieser allwöchentlich verfassten  Zeilen bei jedem Spiel des SC Freiburg als Radioreporter live dabei ist. Ein Blick ins eigene Nähkästchen sei an dieser Stelle  mal gestattet: Nachspielzeit im Heimspiel gegen Wolfsburg. „Eckball durch Waldschmidt“, kommentiert der Reporter, „Kopfball und Tooooooooor, Tor Tor Tor!“ kann er sich kaum mehr bremsen. Der Torschütze wird gefeiert, die großartige, siegbringende Moral der Mannschaft hervorgehoben, um dann folgt, mit betreten werdender Stimme, „der Schiedsrichter hat die Hand am Ohr – es gibt Diskussionen – Wolfsburger Spieler bedrängen ihn.  Es gibt einen Videobeweis. Felix Brych wird sich die Szene noch einmal anschauen. Das Tor zählt nur unter Vorbehalt.“ Eine oder  anderthalb Minuten vergehen. Dann ist zwar nicht klar, warum, aber es ist klar, dass das Tor nicht zählt. Die Videowand informiert die Stadionbesucher, dass auf „abseits“ entschieden wurde. Abseits bei einer Ecke, denken viele, gibt es das überhaupt? Die Entscheidung bleibt bis heute umstritten.

83. Minute auf Schalke. Es steht 0:0, als Schiedsrichter Frank Willenborg nach einem Handspiel im Schalker Strafraum auf den Elfmeterpunkt zeigt. „Elfmeter für Freiburg“ meldet der Reporter über die Kommandoleitung ins Sendestudio. Sofort wird die Musik heruntergefahren und der Moderator ruft den Reporter in der Veltins-Arena. Doch statt eine mögliche sportliche Entscheidung, einen verwandelten oder eben nicht verwandelten Elfmeter, kommentiert der Reporter das gleiche emotional schwer erträgliche Schauspiel, wie eine Woche zuvor. Der Schiedsrichter läuft zum Bildschirm und revidiert seine Entscheidung. Ein Stimmungskiller. Ganz abgesehen von dem Umstand, dass die Abänderungen der zuvor getroffenen Entscheidungen  in beiden Fällen inhaltlich und/oder  durch ihr Zustandekommen  noch heute strittig sind, in beiden Fällen zu Ungunsten des SC Freiburg ausfielen und den Sport-Club womöglich vier Punkte kosteten, zeigt die  grotesken Gefühlsachterbahn des Radioreporters, dessen Schilderung  dem Empfinden der Zuschauer im Stadion   öffentlich Ausdruck verleiht,  was Christian  Streich meinte, als er in der Pressekonferenz auf Schalke erklärte, das Spiel habe sich durch den Videoentscheid geändert und er, Streich, wolle „lieber das Spiel,  wie es vorher war.“  Das Spontane, das unmittelbar Emotionale geht dem Volkssport Fußball durch die Innovation Videobeweis verloren. Vielleicht kann das „Mehr“ an objektiver Gerechtigkeit, das am Ende einer Saison eventuell bilanziert werden kann, diesen Verlust des Reizes am Fußball gar nicht aufwiegen. Gedanken an Goethes Zauberlehrling drängen sich auf. „Die Geister, die ich rief...“  (Zitatende)

 

Geschrieben habe ich die Kolumne im Laufe des Montags. Irgendwann, gegen Abend glaube ich. Es war nämlich Katastrophengroßalarm, da von sieben Redakteurinnen und Redakteuren meines Teams eine im Urlaub und zwei überraschend krank waren, die studentische Hilfskraft war zudem im Urlaub. So wurde die Zeitungsproduktion für den verbliebenen Rest zu einem Kraftakt. So ist es auch zu erklären, dass ich erst am Dienstagabend dazu komme, mein Tagebuch zu komplettieren. Der angesprochene Kraftakt läuft ja noch… Ober wir bis zum Spiel Liverpool gegen Bayern fertig werden, weiß ich noch nicht. Aber das Schalke-Tagebuch ist jetzt durch.

Man hört und liest sich!