23. Spieltag der Fußball-Bundesliga, Bayer 04 Leverkusen gegen SC Freiburg

Sonntag, 28. Februar 2021, 18 Uhr *

BayArena, Leverkusen *

Bayer 04 Leverkusen gegen SC Freiburg *

Das Vorspiel

Zum Start ins Leverkusen-Tagebuch habe ich einfach Lust, auf Zeitreise zu gehen und mir selbst noch einmal einen der emotionalsten Momente, die ich je in Leverkusen erleben durfte, in Erinnerung zu rufen. Ich musste nur kurz darüber nachdenken, denn es gab viele Spiele und nicht selten waren sie emotional. Alleine schon dieses unglaubliche 1:1 im November 2019, also beim letzten Gastspiel in der BayArena, als der SC eine Abwehrschlacht sondergleichen bot und dabei auch ein bisschen den Papst in der Tasche hatte… Oder der 0:2-SC-Sieg bei Bayer, der am 31. März 2012 das Ende von Robin Dutt bei Bayer bedeutete. Da das auch schon wieder fast ein Jahrzehnt zurückliegt, möchte ich auf ein paar Besonderheiten dieser Konstellation hinweisen. Robin Dutt war einige Jahre zuvor, als Nobody von den Stuttgarter Kickers, Nachfolger des legendären Volker Finke beim SC Freiburg geworden. Dutt schaffte mit dem SC den Wiederaufstieg und etablierte den SC in der Bundesliga. Der Trainer und ich, der Reporter, hatten eine stets saubere und gute Arbeitsatmosphäre. Dann entschloss sich Robin Dutt, „den nächsten Schritt zu gehen“, mit den betuchten Pillendrehern aus Leverkusen einen potenziellen Spitzenclub der Bundesliga zu übernehmen. Es lief aber nur so mittel für den Coach unter dem Bayer-Kreuz und dann kam, nach dem kurzen Intermezzo mit dem heutigen Jogi-Assistenten Marcus Sorg, der SC Freiburg mit Cheftrainer Christian Streich nach Leverkusen und leitete mit dem Sieg die Entlassung von Dutt bei Bayer ein. Dass es so kommen würde, wie es dann auch kam, war schon in der Pressekonferenz spürbar, in der Robin zwar Haltung bewahrte, ich selbst neben dem Triumphgefühl als SC-Reporter aber auch eine Portion Mitleid für den in Leverkusen gescheiterten langjährigen Weggefährten empfand. Aber das ist genauso wenig der „Bringer“ in meinen Erinnerungen an große emotionale Momente, wie das Match, das ich mit Kind und Kegel aus einer Loge des in den Stadionkörper integrierten Lindner-Hotels übertragen durfte. Die absoluten Hammer-Momente von Leverkusen datieren vom 1. Dezember 1995, meine dritte Saison an der Seite des SC. Es war ein Freitagabendspiel und als Fahrer hatte sich mein Nachbar aus Riegel, der leider schon sehr früh verstorbene Rainer, angeboten. In seinem Sharan fuhren wir gen Leverkusen, wohl wissend, dass der SC krasser Außenseiter war. Der Berichterstatter der Badischen Zeitung saß, wenn ich mich recht entsinne, auch mit im Auto. Das Besondere aber war nicht die Fahrt, sondern das, was im Stadion passierte – damals übrigens noch Ulrich-Haberland-Stadion  - Umbau und  Umbenennung in BayArena fanden erst 1998 statt.

Trotzdem war Bayer – damals wie heute bzw. wie Sonntag – klarer Favorit gegen den SC Freiburg, der damals mit Schmadtke - Spanring, Heidenreich, Vogel -     Kohl,   Todt, Zeyer, Jurcevic, - Sutter – Freund, Decheiver in Leverkusen auflief, also topmodern mit Dreier/Fünferkette, dem Schweizer Sutter mit allen Freiheiten auf der „10“ und einer Doppelspitze. So habe ich die Jungs jetzt mal aus der Erinnerung aufgestellt.

Fakt ist, dass der SC in der 9. Minute durch einen Volleyschuss seines gefeierten Holland-Imports Harry Decheiver mit 0:1 in Führung ging. Der Rest war dann eine Abwehrschlacht, vielleicht vergleichbar mit jener von 2019. Es ging gut; bis zur 90. Minute…

 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit zeigte Schiedsrichter Hans Scheuerer aus München auf den ominösen Punkt. Elfmeter für Bayer. Ich spüre noch heute das schale Gefühl der Ernüchterung, das mich ergriff. Da träumst du ein ganzes Spiel von der Sensation, vom Auswärtssieg des SC bei der reichen Werkself in Leverkusen und dann entscheidet der Schiri in einer durchaus umstrittenen Situation, Sekunden vor Schluss, auf Elfmeter für den Gegner. Ein Unentschieden in Leverkusen, im Normalfall ein Quell der Freude, wäre angesichts des verpassten Sieges – gefühlt – nichts mehr wert.

Der brasilianische Superstar Paulo Sergio legte sich den Ball zurecht und schoss… ich höre mich noch heute schreien „Schmadtke hält, Schmadtke hält, Schmadtke hält! Es bleibt beim 0:1!!! Und wenig später: „Das Spiel ist aus! Der Sport-Club gewinnt mit 0:1 in Leverkusen – Elfmetertöter Jörg Schmadtke ist der Held des Abends!“ Unmittelbar nach dem gehaltenen Strafstoß hatte ich, mit der linken Hand das Mikrofon haltend und weiter kommentierend, mit der rechten Hand – wie blöde - immer wieder abgeklatscht mit Rainer, meinem Nachbarn und Fahrer für diese Auswärtstour. Das waren tatsächlich Emotionen der besonderen Art…

Am Sonntag, 28.Februar, um 18 Uhr bestreitet der SC sein Auswärtsspiel des 23. Spieltags der Saison 2020/2021 bei Bayer Leverkusen. Im Grunde ist alles wie immer – der SC ist krasser Außenseiter; erst recht nach dem mäßig guten 0:0 bei Werder Bremen und dem enttäuschenden 0:1 gegen Union Berlin. Und doch gibt es ein paar Fakten, die Hoffnung machen:

In Bremen und Berlin hatte der Sport-Club mehr Ballbesitz als die Gegner – ein Umstand, der dem Streich-Team erfahrungsgemäß nie wirklich guttut. Auf eine stehende, vielbeinige Abwehr zuzulaufen und da Lücken zu suchen – das ist einfach nicht das Spiel des SC Freiburg. In Leverkusen wird das anders sein. Bayer wird bemüht sein, das Spiel zu machen. Natürlich kannst du dann unter die Räder kommen. Wenn die Defensive aber einen guten Tag hat und die Angriffswellen eines optisch überlegenen Gegners geschickt abfedert und Gegentore verhindert, ist im Konterspiel vieles möglich. Dann sind die Stürmer im SC-Trikot deutlich torgefährlicher als bei einer anderen Statik des Spiels. Bei guter Tagesform der SC-Recken und einer um den Spielaufbau bemühten Leverkusener Mannschaft, bestehen durchaus Chancen auf Zählbares.

Zu Bayer 04: Nach der eindrucksvollen Hinrunde mit dem 2:4 am 1. November im Schwarzwald-Stadion und herausragenden Leistungen und Ergebnissen rutschte die Mannschaft von Trainer Peter Bosz aus den Niederlanden 2021 überraschend in ein Leistungstief mit entsprechenden Ergebnissen. Einer 0:1-Heimniederlage gegen Wolfsburg folgte eine ebenso knappe 1:0-Schlappe in Leipzig. Und dann das: Die Werkself verlor im DFB-Pokal bei Regionalligist Rot-Weiß Essen mit 2:1 nach Verlängerung. Gegen Aufsteiger VfB Stuttgart schossen sich die Bayer-Stars beim 5:2 den Pokalfrust von der Seele. „Mini-Krise überwunden“ dachten wohl Rudi Völler und Co., doch dann kam Bayer 04 gegen Kellerkind Mainz 05 nicht über ein 2:2 hinaus und verlor in der Europa League bei YB Bern mit 4:3. Das war frustrierend, hatten die Bosz-Schüler doch zuvor einen 3:0-Rückstand in einem wahren Kraftakt noch ausgleichen können, um dann doch noch einen Treffer zu „schlucken“ und das Spiel zu verlieren. Schließlich stand Bayer in der Bundesliga am Sonntag in Augsburg auf dem Rasen und – bis Sekunden vor dem Abpfiff – vor einer weiteren Niederlage. In Minute 90.+4 gelang dann Tapsoba der 1:1 Ausgleich. Eindruck schinden konnten die Leverkusener mit ihrer Leistung freilich nicht.

Mal schauen, ob ihnen das heute gelingt, denn am heutigen Donnerstagabend kickt Bayer im Rückspiel gegen YV Bern. Die drei Auswärtstore vom Hinspiel sollten den Platzherren reichen, um zumindest durch einen knappen Sieg gegen die Schweizer die nächste Runde der Europa League zu erreichen.

Wenn das gelingt, wird man an der Leistung gegen Bern beurteilen können, ob sich die Bayer-Elf so langsam am eigenen Schopf aus der offensichtlichen Krise zieht oder nicht. Geht die sportliche Aufgabe heute Abend aber schief, ist Alarmstimmung unterm Bayerkreuz; dann könnte der SC Freiburg am Sonntag einmal mehr zum letzten Auslöser einer Trainerentlassung in Leverkusen werden, wenn, ja, wenn die Mannschaft von Christian Streich in der BayArena punktet…

Da die Pressekonferenz vor dem 23. Saisonspiel des SCF in der Bundesliga erst am morgigen Freitag stattfindet, ist über eventuelle Ausfälle und darüber hinaus gehende Gedanken des Trainers noch nichts bekannt.

Im Hinspiel verlor der SC zwar mit 2:4, Bayer profitierte aber von einem rabenschwarzen Tag und entscheidenden persönlichen Fehlern von „Chico“ Höfler vor drei von vier Toren. Im Grunde war es ein starker Auftritt des Freiburger Teams – im 4-4-2, mit Lukas Kübler als rechter Verteidiger und „Jonny“ Schmid im rechten Mittelfeld – Roland Sallai (wie im Hinspiel) oder Wooyeong Jeong (wie gegen Dortmund) könnten die zweite, hängende Spitze geben und zentral agieren, was ihnen durchaus entgegenkommt.

In der Donnerstagausgabe des Kicker erinnert der Kollege an die Grundformation aus dem Hinspiel und liegt mit der Spekulation, Streich könne sich erneut so entscheiden, vielleicht sogar richtig.

Was dagegen spricht sind die guten Erfahrungen mit der häufig überzeugenden und erfolgreichen 3-4-3-Formation der vergangenen Monate.

Man darf gespannt sein, wie Christian Streich und seine Mitstreiter die Aufgabe taktisch lösen.

Ich selbst plane meine Reporter-Reise ab morgen Abend; mit einer Zwischenstation in Sinsheim, Frankfurt oder Gießen geht es im privaten Ford Kuga dann erst einmal wieder in die ostwestfälische Heimat. Sowohl der Besuch des Bundesliga-Spiels Borussia Dortmund gegen Arminia Bielefeld als auch der des Drittligakicks SC Verl gegen 1. FC Saarbrücken könnte mich reizen – wegen des Sonderspielbetriebs im Rahmen der Corona-Pandemie gibt es aber starke Restriktionen, weshalb ich gar nicht erst wegen einer möglichen Akkreditierung nachfrage.

So werde ich wohl BVB gegen Arminia oder eben die Sky-Konferenz in meinem Elternhaus in Bielefeld-Jöllenbeck auf meinem IPad verfolgen. Zur Einstimmung schon den größten Teil des Verler Kicks gegen Saarbrücken auf der Videoplattform MagentaSport – es gibt ja kaum ein Fußballabo, das ich nicht hätte…

Am Sonntag geht es dann nach dem Mittagessen Richtung Leverkusen; zwei Stunden Fahrt muss man wohl veranschlagen. Ich bin noch unschlüssig, ob ich nach dem Spiel direkt nach Hause fahre oder noch eine weitere Übernachtung einplane. Tendenziell Letzteres, schließlich bin ich 60 und habe keine Bock auf Stress oder auf Sekundenschlaf auf der Autobahn. Beonders die Strecke über die A61 über Koblenz Richtung Heimat zieht sich sehr lange und sehr langweilig hin. Kann also gut sein, dass ich auf halber Strecke übernachte und am Montagmorgen direkt in die WZO-Redaktion fahre. Vor ein paar Wochen, als ich vom Sonntagabend-Spiel aus Wolfsburg kam, habe ich es ja auch so gehalten und das hat ganz gut geklappt. Immerhin habe ich keine Termine am Montagvormittag – das war ganz schön stressig damals; diesmal kann ich es zumindest nervlich gelassener angehen. Würde ich nicht den Abstecher bei „Muttern“ in Bielefeld einbauen, würde ich vermutlich am Sonntag von Bad Krozingen aus nach Leverkusen fahren und dann auch auf der Rückfahrt irgendwo nächtigen. Von Freitag bis Sonntagmittag, das ist praktisch noch privat…

Meine Erwartungen an den 23. Spieltag sind moderat; Wenn der SC einen guten Tag erwischt und Bayer weiter kriselt, ist nichts ausgeschlossen. Zeiht sich Leverkusen aber heute gegen Bern aus der Krise und spielt euphorisch auf gegen den SC – ja, dann kann es auch eine Lektion geben gegen die Herren Diaby und Co..

Ich übertrage das Bundesligaspiel Bayer 04 Leverkusen gegen SC Freiburg am Sonntag ab 18 Uhr (Erster Vorbericht aus der BayArena um kurz nach halb sechs) live in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1005. SC-Pflichtspiel live am Radiomikrofon)

Toller Auswärtssieg des SC Freiburg in der BayArena von Bayer 04 Leverkusen – mit 1:2 gingen die Punkte in den Schwarzwald. Wie erwartet setze Trainer Christian Streich gegen die mit schnellen Außenbahnspielern bestückten Leverkusener auf eine klassische Viererkette. Auch nicht überraschend was, dass mit Lukas Kübler der rechte Verteidiger in der Startelf stand, dessen Stärken in der Defensive konzentriert sind – „Jonny“ Schmid rückte dafür eine Position weiter nach vorne und spielte im rechten Mittelfeld. Während zentral mit Nicolas Höfler und Baptiste Santamaria sowie links mit Vincenzo Grifo alles unverändert blieb und Ermedin Demirovic als vorderste Spitze auch als „gesetzt“ galt, war die Frage nach der zweiten Spitze spannend. Es geht um eine Rolle, die quasi eine   verkappte „10“- und gleichzeitig mit viel Arbeit gegen den Ball beauftragt ist. Deshalb habe ich im Vorfeld auch von der Möglichkeit einer 4-5-1-Formation gesprochen. Kollege Schröter-Lorenz vom Kicker und ich hatten am Freitag, vor der PK „akademisch“ diskutiert, ob wohl der wiedergenesene Roland Sallai oder der gegen Dortmund in dieser Rolle bärenstark auftrumpfende Wooyeong Jeong zu erwarten sei. Auf das Naheliegendste sind wir beide nicht gekommen, denn selbstverständlich stand Lucas Höler als hängende Spitze in der Startelf. Selbstverständlich, weil er im vergangenen Jahr, beim heiß umkämpften 1:1 in der BayArena für den SC getroffen hatte und selbstverständlich, weil Lucas auch beim nur vom Ergebnis her enttäuschenden 2:4 im Hinspiel ein Tor gegen Bayer gemacht hatte (das 1:0 gleich zu Beginn). Höler trifft gerne gegen Leverkusen; am Sonntag auch wieder aber fangen wir vorne an:

In der ersten Halbzeit dominierte Bayer Leverkusen, mit anderen Worten, Bayer hatte 69 Prozent Ballbesitz. Besonders große Vorteile brachte dieser Umstand der von den Namen her nur mit Extraklasse besetzten Werkself allerdings nicht. Es kam zu drei erwähnenswerten Abschlüssen, mehr nicht. Dreimal war Florian Müller zur Stelle und zeigte seine Klasse, ohne, dass die junge Leihgabe von Mainz 05 dafür Weltklasseparaden auspacken musste: In der 10. Minute schlenzt der Jamaikaner Bailey den Ball von der Strafraumgrenze aufs Tor. Mit einer Hand lenkt Florian Müller den Ball sicher über die Querlatte. Dem nachfolgenden Eckball lässt Alario  einen wuchtigen Kopfball folgen – wieder ist Florian Müller zur Stelle und lenkt den Ball über die Querlatte – das war schon anspruchsvoller für den jungen Keeper. Den dritten gelungenen Abschluss hatte Bayer in der 22. Minute. Gray tanzt Lucas Kübler aus und kann von halblinks aufs Tor knallen – ein toller Reflex von Florian Müller rettet das 0:0 – zu weiteren gefährlichen Szenen kommt es allenfalls im Ansatz, in jedem Fall muss Müller keine Heldentaten mehr vollbringen.

Pech für Bayer, dass sich Außenverteidiger Fosuh-Mensa kurz vor der Pause, ohne Einwirkung eines Freiburgers, verletzt (Verdacht auf Kreuzbandriss) und ausfällt. Das 0:0 zur Pause steht im Widerspruch zu den oberflächlichen Eindrücken der langen Ballbesitzphasen von Leverkusen. Ich habe „meinen“ Sport-Club wiedererkannt, der scheinbar überlegene Gegner gerne anrennen lässt und viele Angriffe geschickt abfedert. Nach vorne hatte der SC ein paar Nadelstiche gesetzt aber keine erwähnenswerten Abschlüsse gezeigt. In den zwei, drei Situationen fehlte es am letzten Pass oder an der letzten Präzision. Trotzdem, das war der SC, wie ich ihn kenne und schätze. Der Eindruck Außenstehender ist mir da egal. Ich hatte bei Halbzeit ein gutes Gefühl; ich kenne doch meine Jungs…

Fünf Minuten nach Wiederbeginn präsentiert der SC schnelles Umschaltspiel „par excellence“, Lucas Höler wagt – etwas unerwartet und von Bayer nur unentschlossen attackiert – einen Sololauf über die halbrechte Angriffsseite und schließt einen flachen Rückpass zu Ermedin Demirovic an. Der in Hamburg geborene Bosnier fackelt nicht lange und schießt das 0:1 für Freiburg. In der 54. Minute hat Alario den schnellen Ausgleich auf dem Fuß aber Lukas Kübler – genau für solche Szenen hatte Christian Streich ihn aufgestellt – spitzelt noch irgendwie den Ball weg – Florian Müller kann aufnehmen (kein Rückpass sondern Abwehraktion, deshalb keine Diskussionen). In der 61. Minute dann eine schöne Kombination, die zunächst im Zentrum verpasst wird und auf der linken Seite bei Vincenzo Grifo landet. Der Deutsch-Italiener aus Pforzheim hat aber den Kopf oben und spielt quer zu Lucas Höler, der sich mit dem Treffer zum 0:2 zum „man oft he match“ krönt, hatte der gebürtige Bremer doch schon das 0:1 genial vorbereitet. Nachdem mein Torjubel am baden.fm-Mikrofon abgeklungen ist, wird auf der Videowand eingeblendet, dass es eine Überprüfung durch den VAR gibt – das ist allerdings bei jedem Tor der Fall und bedarf eigentlich keiner Erwähnung; vielleicht Wunschdenken der Leverkusener. Dann kommt das Signal an Schiri Zwayer und der pfeift wieder an; der Treffer zählt. Ein Abseitsverdacht hatte sich nicht bestätigt.

Freiburg führte 0:2 in Leverkusen – das war schon ein Hammer,  ein Adrenalinschub für mich, den Reporter. Bosz wechwselt Frimpong und Schick ein, zwei „Waffen“, wie ich weiß und die an diesem Tag auffälligste und gefährlichste „Waffe“ von Bayer, Bailey, macht in der 70. Minute ernst: Eine Körpertäuschung bringt Lucas Kübler ins Straucheln, der Verteidiger rutscht aus (einige Freiburger hatten scheinbar die falschen Stollen gewählt und rutschten ein paar Mal aus) – und Leon Bailey war plötzlich frei durch. An seinem satten Schuss war nichts zu machen – 1:2, der Anschlusstreffer.

Es spricht für die Defensivqualitäten des Sport-Clubs, dass trotz der verbleibenden 20 Minuten regulärer Spielzeit und vier Minuten Nachspielzeit nichts, aber auch gar nichts mehr anbrannte. Der SC verwaltete die knappe Führung wie ein Spitzenteam über die Zeit. Sieg in Leverkusen – ich war euphorisiert.

 

Das Nachspiel

PK-mäßig war ich in Leverkusen außen vor, hatte nicht, wie sonst bei Auswärtsspielen eine Extra-Mail oder eine WhatsApp-Nachricht von der Presseabteilung der Gastgeber bekommen und da es ein Abendspiel war und ich noch ein paar Kilometer vor mir hatte, störte mich das nicht weiter. Ich lief also mit Musiktaxi, Umhängetasche und Lunchpaket von Bayer, das ich noch nicht angerührt hatte, zu meinem unter der Autobahn geparkten Wagen, gab die Adresse meiner Tochter in Frankfurt ein und fuhr erstmal los. Kurz vor der Auffahrt auf die A3 ist eine Aral-Tankstelle, an der ich den Kuga auftankte, mir einen „Kaffee to go“ zog und dann Richtung Frankfurt durchstartete. Laut Navi sollte ich um 22.20 Uhr dort eintreffen – um 22.17 Uhr war ich da. Auf der ganzen Strecke hatte ich ein spannendes und durchaus ungewöhnliches Hörbuch verschlungen – „Weil niemand sie sah“, ein Thriller von Lisa Jewell. Am Anfang (Hinweg) etwas langatmig aber nach hinten raus immer besser und spannender – fast wie das Spiel, das ich kommentieren durfte.

Bei Caro und Fabian in Frankfurt gab es noch ein Fläschchen Wein für die Herren – mein Töchterchen macht mich schließlich im Sommer zum Opa und darf keinen Alkohol trinken – und, auf meinen speziellen Wunsch hin, die DAZN-Zusammenfassung vom Spiel. Ich sah meine Einschätzungen bei den bewegten Bildern durch die Bank bestätigt und war zufrieden. Wir prosteten uns zu – auf den Sieg, das ungeborene Leben und schauten auf die eindrucksvolle Frankfurter Skyline.

Wegen solcher Spiele, wie das in Leverkusen, mache ich den Job so gerne. Das Kilometerfressen nehme ich dafür alle zwei Wochen gerne in Kauf.

Früh am Morgen ging es, nach einem Käffchen mit Caro, wieder on the road. Um 10 Uhr, pünktlich zur Morgenbesprechung, war ich in der WZO-Redaktion. Und als ich vor dem Computer saß verfasste ich als erstes die Zeitungskolumne „SC INTEAM“ für den ReblandKurier – Erscheinungstag ist Mittwoch:                

SC INTEAM

Krisengewinner SCF?

Von Frank Rischmüller

Der SC Freiburg kann nichts dafür, dass bei Bayer Leverkusen derzeit der Wurm drin ist; dass die Mannschaft, die in der Hinrunde exzellente Leistungen bot und zu höchsten Erwartungen ermutigte – Bayern-Jäger und Ähnliches – seit dem Jahreswechsel nicht mehr „funktioniert“. Bei Regionalligist RW Essen flog Bayer aus dem nationalen-, gegen YB Bern aus dem internationalen Pokal. Auch in der Bundesliga stimmten die Ergebnisse zuletzt – abgesehen von einem 5:2 gegen Stuttgart – meist nicht. Knappe Niederlagen gegen Top-Teams, wie Wolfsburg und Leipzig, Remis-Spiele gegen „graue Mäuse“, wie Mainz und Augsburg, ließen die Mannschaft von Trainer Peter Bosz in die Krise rutschen. Insofern kam der 2:1-Sieg des SC Freiburg am Sonntagabend in der BayArena nicht völlig unerwartet. Den Auswärts-Dreier der Streich-Schüler aber auf die sportliche Krise des Gegners zu reduzieren, wäre nicht gerecht, denn einmal mehr bewies der Sport-Club gegen einen personell deutlich besser bestückten Gegner seine Stärken im Kollektiv, in der Defensive und im schnellen Umschaltspiel. Organisation, taktische Finesse und Zusammenarbeit machen das Kollektive am Spiel einer Mannschaft aus. Da war Freiburg in Leverkusen top. Und der Eindruck des Betrachters in der ersten Halbzeit, Bayer Leverkusen sei drückend überlegen gewesen, lässt sich vielleicht mit dem optischen Effekt von 68 Prozent Ballbesitz begründen, nicht aber mit einer Vielzahl von erfolgversprechenden Abschlüssen. Ein haltbarer Distanzschuss, ein Kopfball nach Eckstoß und ein Schrägschuss aus acht Metern – Florian Müller war stets zur Stelle. Das war fraglos richtig stark vom SC-Torwart, doch keiner der Bälle gehörte in die Kategorie „unhaltbar“. Der SC hatte in den ersten 45 Minuten gut verteidigt. Das war’s. Nach dem Wechsel wurden die Nadelstiche, die der SC nach vorne setzte, schmerzhafter:  Mit zwei blitzsauberen Toren nach schnellem Umschaltspiel kam Freiburg auf die Siegerstraße und ließ sich auch vom Anschlusstreffer der Platzherren nicht mehr verunsichern. Weitere Großchancen für Leverkusen blieben aus. Alles richtig gemacht, Sport-Club!

An guten Tagen kann der SC gegen vermeintlich überlegene Gegner Erfolge einfahren. Und Samstag gegen Leipzig? (Zitatende)

Was geht sonst? Nicht viel. Ich muss mich von der Dienstreise noch erholen, denn ich min ja seit heute Morgen im Zeitungsstress – erholen muss ich mich auch von der Trainerentscheidung in Bielefeld – und wo könnte ich das besser als mit einem Gläschen vom Waßmer Fritz und vor der 55-Zoll-Glotze mit St. Pauli gegen den HSV? Also, dann ist der Abend ja gebongt…

Man hört und liest sich!