Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Es ist schön, wenn der Fußball Glücksgefühle vermittelt. Gestern war das so. Auf deutscher Seite, nur glückliche bis maximal neutrale aber beeindruckte Gesichter. Die Franzosen wirken total geschockt.
Anders als noch zu Beginn der Europa-League-Erfahrungen, klappt jetzt auch alles in der Mixedzone. Der UEFA-Beauftragte stellt sich nicht mehr quer. Klar kriegen erst die Rechteinhaber, also RTL beziehungsweise RTL+ ihre Interviews – das ist in Freiburg aber schon räumlich so geordnet. Die Presseabteilung des SC organisiert, dass auch wir – akkreditierte Radios und Printkollegen sowie eine Onlineteam des SWR mit Kamera die wichtigsten Protagonisten vor die „Flinte“ bekommen. Das sind am Donnerstagabend ganz eindeutig Doppeltorschütze Roland Sallai und Siegtorschütze Michael Gregoritsch. Außerdem schnappe ich mir noch Matthias Ginter, der seine Achillessehnen-Reizung schneller überwunden hat als befürchtet und in den heißen letzten Minuten mit auf dem Platz stand, sogar am 2:2 entscheidend beteiligt war. Alles läuft locker und flockig – so ist das nun mal nach großen Siegen… Auch die PK und das Interview mit Christian Streich lässt sich so sehr gut beschreiben.
Dann gehe ich zurück an meinen Arbeitsplatz – das war gestern, wegen der Bedürfnisse von RTL – ausnahmsweise mal – statt Reihe 14, Platz 14 wie in der Bundesliga – Reihe 14, Platz 1. Jetzt packe ich zufrieden meine Sachen, glücklich, dass die Europareise mit unserem SC noch weitergeht…
Auslosung ist am heutigen Freitag, 23. Februar, um 12 Uhr im schweizerischen Nyon. Fest steht: Der SC beginnt am 7. März, also schon in knapp zwei Wochen mit einem Heimspiel – am 14. März ist die Auswärtspartie. Es gibt sechs oder sieben mögliche Gegner, auf die der SC treffen kann. Auf der Setzliste stehen die Gruppensieger der acht EL-Vorrundengruppen – im anderen Topf sind die Qualifikanten, also auch der SC. Fest steht, dass der SC im Achtelfinale (noch) nicht auf Leverkusen treffen kann. Im Topf sind: West Ham (ENG) Atalanta (ITA), Brighton (ENG), FC Liverpool (ENG), Glasgow Rangers (SCO), Slavia Prag (CZE) und Villarreal (ESP) als mögliche Gegner.
West Ham ist es dann geworden. Dass es die britische Insel wurde. war ja irgendwie klar bei vier von sieben potentiellen Gegnern von der Insel. Wieder West Ham... na ja, es lohnt sich schon, mehr als einmal im Leben nach London zu reisen. Ich habe Lust auf Revanche...
Doch zurück zum Donnerstagabend. Als ich glückselig zuhause ankomme, ist Ben schon da, seine in Lens gekauften weiße SC-Regenjacke hängt über dem Stuhl, ein Fan-Schal liegt auf der Erde, er auf dem Sofa. Im TV läuft die Wiederholung der Highlights. Auch mein Junior ist happy… Auch ich schaue mir alles noch einmal an und setze mich dann an den Tisch, um noch etwas zu arbeiten. Nachbericht für die Morningshow, schreiben und aufzeichnen, Vorbericht für Augsburg, schreiben und aufzeichnen. Dann ist Feierabend. Jetzt gilt es, das Adrenalin herunterzupegeln. Der Brugal-Nachschub (dominikanischer Rum) wurde geliefert, ich genieße, ein, zwei Gläschen. Noah Schönberger, Moderator der gestrigen Radioshow und der nächsten am Sonntag, hat mir einen Mitschnitt der drei-SC-Tore geschickt. Die höre ich mir an, während ich am Glas nippe. Das ist schon ein geiler Job, den ich da habe, denke ich. Gegen 2 Uhr bin ich bettschwer…
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – schon übermorgen reise ich nach Augsburg. Die Akkreditierung liegt vor, das baden.fm-Corolla ist ebenso reserviert wie das Hotelzimmer in Stuttgart zur Zwischenübernachtung nach dem Spiel, das am Sonntag ja erst um 19.30 Uhr angepfiffen wird. Die Spieler waren sich gestern einig, dass der Sieg gegen Lens und das Erreichen des Achtelfinales ihnen Energie für das Baundesligaspiel geben wird und nicht vorrangig Kräfte gekostet hat. Sie wüssten genau, wie sie zu regenerieren hätten – „Beine hochlegen, viel essen“ verriet Michael Gregoritsch.
Außerdem habe ich den Eindruck, dass der Kreis der Spieler, die ruhigen Gewissens eingesetzt werden können, größer geworden ist. Noah Weißhaupt und Florent Muslija sind Spieler, die jederzeit eingewechselt werden können – aber eben auch mal in der Startelf vorstellbar sind. Genau wie Matthias Ginter und Vincenzo Grifo, die sicher nicht so entkräftet sind, wie jene Kollegen, die über 120 Minuten (oder fast) ranmussten.
Bevor es am Sonntagmorgen via Stuttgart (Hotel am Wilheimsplatz) nach Augsburg ging - inzwischen schreibe ich rückblickend - war ich noch bei der Bühnenshow von Mario Basler "Basler ballert". die in Müllheim stattfand. Privat wäre ich nicht dahin gegangen, ich war aber für die Zeitung da; ein, zwei Fotos und ein paar Zeilen - so der Plan. Was ich erlebt habe war... na ja...: Hier mein kurzer Text:
Auf dem Platz genial – auf der Bühne … geht so ...
Der frühere deutsche Nationalspieler Mario Basler hatte seine größte Zeit in den neunziger Jahren – mit „Super-Mario“ war seinerzeit auch immer ein Schuss Genialität mit auf dem Platz. Heute steht Basler in verschiedenen Trash-TV-Formaten, einem Podcast und als Bühnenkünstler in der Öffentlichkeit und vermarktet, wo immer er auftaucht, sein Image als großmäuliger Lebemann. Dem einstigen Flügelflitzer ist es leider nicht gelungen, seine Genialität vom Platz mit auf die Bühne zu retten, wie am Freitagabend, 23. Februar, in Müllheim deutlich wurde. Drei, vier Anekdoten, bei denen er ehemalige Mitspieler, wie den bekennenden Alkoholiker Uli Borowka, in die Pfanne haut, sind, angereichert mit PR für das eigene Buch, den eigenen Podcast und das Beantworten von Fan-Fragen leider nicht wirklich abendfüllend. Das war dünn, Mario … (Zitatende)
Mit hohen Erwartungen fuhr ich nach Augsburg...
Ich kommentierte das Bundesligaspiel FC Augsburg gegen SC Freiburg live bei baden.fm.
Das Fußballspiel
(Mein 1.134. SC-Livespiel am Radiomikrofon)
Das großartige Fußballerlebnis auf internationalem Parkett noch in jeder Pore, fuhr ich mit großen Erwartungen zum Auswärtsspiel beim FC Augsburg. Immerhin hat der SC seine letzten sechs Bundesligaspiele gegen diesen Gegner alle gewonnen. Ich wurde bitter enttäuscht.
Von Beginn an wirkte Augsburg in der WWK-Arena griffiger und ambitionierter als der SC. Natürlich war ab und an zu erkennen, dass der FCA fußballerisch eigentlich nicht auf der Höhe des SC agiert - sie gaben aber Vollgas und drängten den SC in die eigene Hälfte und an den eigenen Strafraum. Gleich zu Beginn hatte der SC Glück. In höchtster Not spitzelte mit "Litz" Doan einer der besten Freiburger einem Augsburger Angreifer den Ball vom Fuß und traf dabei den Pfosten des eigenen Tores. Das hätte auch ganz anders laufen können... Bei einem der wenigen Vorstößte trat Jensen im Strafraum Vincenzo Grifo auf den Fuß - ein klares Foulspiel, das folgreichtig mit Elfmeter bestraft wurde. "Vince" selbst trat an und verwandelte den 15. Elfmeter in Serie erfolgreich: 0:1 in der 19. Minute. Eigentlich programmgemäß, dachte ich, nur das Spiel passte nicht dazu. Selbst ziemlich passiv, ließ der SC die Fuggerstädter anrennen, rettete sich aber mit Glück und Geschmick mit der knappen Führung in die Halbzeitpause.
Nach dem Wechsel sahen die gut 28.000 Zuschauer dasselbe Spiel: Augsburg stürmte voller Kraft und Elan, der SC versetzte dem Gegner nur Nadelstiche, kam aber nicht mehr zu aussichtsreichen Abschlüssen. Dennoch verging die Zeit zunächst ohne einen Ausgleichstreffer der Platzherren - auch weil Torhüter Noah Atubolu zum besten Freiburger avancierte. Bis zur 72. Minute hielt "Atu" seinen Kasten sauber. Dann gelang dem eingewechselten Maier eine tolle Flanke, Tietz verlängerte artistisch Richtung rechtes oberes Dreieck - ein Ball, der von Noah Atubolu fantastisch pariert wurde. Dann stand freilich der Augsburger Uduokhai als Abstauber parat und lochte zum Ausgleich ein.
Doch damit nicht genug: In der 82. Minute verliert Manuel Gulde bei einem Vorstoß den Ball und Augsburg fährt einen schnellen Konter. Demirovic bedient den eingewechselten Engels und der drischt den Ball, mit etwas Glück durch die Beine des sich ihm entgegenwerfenden Nicholas Höfler, ins Eck - 2:1, ich gebe es zu, es war der verdiente Siegestreffer der Augsburger.
Das Nachspiel
Beim SC war in Augsburg der Akku leer. Die Spuren zweier intensiver Englischer Wochen mit der Achtelfinalquali auf europäischer Ebene als Resultat, haben Spuren hinterlassen, die in der WWK-Arena nur allzu deutlich wurden. Matthias Ginter und Christian Günter kamen zum Interview in die Mixedzone. Das Trainerinterview gab mir Lars Vossler, denn Christian Streich kränkelte in Augsburg, ähnlich wie sein Team. Der Chefcoach war zwar im Stadion und auf der Bank, seinen grippalen Infekt sah man ihm aber deutlich an und sämtliche Interviewaufgaben vor und nach dem Spiel, sowie die PK hatte er delegiert.
Dann fuh ich anderthalb Stunden über die nächtliche Autobahn bis Stuttgart, wo ich auf der Hinfahrt, verbunden mit einer zweistündigen Pause, ein Zimmer in meinem Stammhotel, "Hotel am Wilhelmsplatz" bezogen hatte. Ich entschloss mich zum Frustsaufen und haute einige Whisky-Coke in den Kopf und in den Magen. Am nächsten Morgen um 9 Uhr frühstückte ich und fuhr Richtung Zeitungsproduktion. Um 11 Uhr war ich am Funkhaus, tauischte die Autos, gegen 11.30 Uhr saß ich, ziemlich verkatert, in der Zeitungsredaktion. Auch Niederlagen gehören zum Fußball... Die in Augsburg tat weh, denn eigentlich kicken die Augsburger nicht gut. Aber bissig waren sie und sie strotzen vor Kraft. Der SC nicht. Schade.