25. Spieltag der 60. Saison der Fußball-Bundesliga, FSV Mainz 05 gegen SC Freiburg

Sonntag, 19. März 2023, 19.30 Uhr

MEWA Arena, Mainz

FSV Mainz 05 - SC Freiburg

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Die Magie des SC Freiburg, seiner Fans und des neuen Stadions zogen mich in den Bann. Obwohl das Team mit 0:2 gegen Juve verloren hatte, wurde es von den Rängen frenetisch gefeiert. Der Jubel war sicher ein Dankeschön für die wunderbare Reise durch Europa und für den couragierten, beinahe heroischen Auftritt in Unterzahl während der zweiten 45 Minuten gegen "Juve". Das waren Gänsehautmomente. Schade, dass es dem Welt-Club Juventus Turin in zwei Begegnungen zu keiner einzigen Sekunde gelungen ist, Sympathien für sich zu wecken. Erst das Stornieren der "tricky", aber rechtmäßig erworbenen Karten, dann die Verweigerung eines Trainingsplatzes für den SC am Morgen nach dem Spiel in Turin, der Wunsch nach Versitzplatzung der Gästekurve im Stehbereich, im Rückspiel das permanente Zeitspiel von der ersten bis zur letzten Minute sowie das ewige Gezeter von der Bank. Ganz klar: Im Viertelfinale drücke ich Sporting Lissabon die Daumen… Allerdings: Als der SC einst gegen Feyenoord aus dem UEFA-Cup ausschied, holte Rotterdam den Cup und als das Ende in der Europa League durch eine Heimniederlage gegen den FC Sevilla herbeigeführt wurde, gewannen die Spanier die Europa League... 

Die Mixedzone nach dem "Juve"-Kick war übervoll, doch die Jungs waren äußerst kooperativ. „Günni“ hatte schon einen Interviewmarathon hinter sich, als er auf dem Weg zum Duschen doch nochmal bei mir stehen blieb und sich befragen ließ… (gute Jungs, eben!) Auch „Gregerl“ und „Flekki“ standen mir 1:1 Rede und Antwort. Später auch Christian Streich, nachdem er sich – wegen des ungeahndeten Zeitspiels des Gegners in der PK in Rage geredet hatte. Hinzu kam:  Erst in der 83. Minute hatte der eingewechselte Iling-Junior (endlich) Gelb wegen Spielverzögerung gesehen. Als er wenig später erneut den Ball wegschlug, drückte Herr Gözübüyük, der Schiedsrichter, beide Augen zu, ebenso übrigens bei einem gezielten Rückpass der Gäste, den Torwart Sczcesny mit der Hand aufnahm. Nein, so richtig unparteiisch schien mir der Schiri nicht wirklich zu sein…

Noch aus dem Presseraum versendete ich meine Audio-Interviews an die verschiedenen Adressaten. Zuhause ging die Arbeit aber gleich weiter: Zusammenfassender Nachbericht für den Frühstücksclub bei baden.fm, Vorbericht mit O-Ton vor dem Spiel der U23 in Osnabrück (Samstag, 14 Uhr) und Vorbericht für das Bundesligaspiel Mainz gegen Freiburg, das am Sonntag, zu ungewohnter Zeit, um 19.30 Uhr angepfiffen wird.

Ich stellte dann aber fest, dass der O-Ton von Thomas Stamm – die U23-PKs laufen ja immer digital ab – noch nicht eingetroffen war und dass ich (noch) keinen Bock auf den Vorbericht für Mainz hatte und verschob diese beiden Produktionen auf Freitag. Das Adrenalin ließ aber noch keine Bettruhe zu, sodass ich mir dominikanischen Rum – und nicht so knapp – mit Coke Zero mischte und durch das TV-Programm zappte. Ein bisschen traurig war ich schon, dass die Reise durch Europa (nun auch für mich) zu Ende ist. Ich bin aber glücklich und dankbar, sie erlebt zu haben – welch ein Abenteuer, vor allem die Auswärtsreisen nach Piräus beziehungsweise Athen, Nantes, Baku und Turin – welche Highlights waren fast sämtliche Spiele. Wow, Sport-Club, ich habe es sehr genossen… Ehrlicher Dank gebührt auch meinem Auftraggeber und Partner seit 30 Jahren, dem Funkhaus Freiburg mit baden.fm (früher FR 1) für das Vertrauen und die Freiheiten, die Ihr mir lasst, um meinen Job mit der größten Leidenschaft auszuüben und – letztlich – zu leben, mit jeder Faser.

Jetzt gilt es, den Schalter umzustellen und zu realisieren, um was es sportlich am Sonntagabend geht: Um nichts Geringeres als um die Möglichkeit, so eine wunderbare Reise durch Europa ein weiteres Mal zu erleben, als Dritter, Vierter, Fünfter oder Sechster der Bundesliga oder – vermutlich ­ – als Siebter in der Conference League; im Notfall auch das… Wenn die Jungs aber am Sonntag in Mainz irgendwie bestehen, einen Punkt holen oder gar gewinnen, geht es für unseren SC tendenziell eher um die Plätze 3 bis 5.

Die kleine Träne im Knopfloch über das Europa League Aus wird bis Sonntagabend getrocknet sein…

Mein Countdown für Mainz sieht wie folgt aus:

Los geht’s heute am frühen Freitagabend mit dem Zweitliga-Spiel Arminia Bielefeld gegen 1. FC Nürnberg bei Sky. Ob ich auch Gladbach gegen Bremen schaue, habe ich noch nicht entschieden; vielleicht auf meinem neuen iPad, so nebenbei. Ich will den Fernseher ja nicht nur für Fußball nutzen und meine liebe Frau damit nerven…

Am Samstag um 11.45 Uhr kickt dann die U15 der SG Markgräflerland mit meinem Sohn Ben in der Landesliga gegen den Rastatter JFV. Das Hinspiel war denkbar eng – der Siegtreffer unserer Jungs war ein Last-Minute-Tor. Es könnte also spannend werden und immerhin geht es um den möglichen Aufstieg in die U15-Verbandsliga; es wäre der zweite Aufstieg der Truppe im zweiten Jahr in dieser Altersstufe.

Vom Homeoffice aus kommentiere ich dann ab 14 Uhr auf Bildschirmbasis das Drittliga-Spitzenspiel zwischen dem VfL Osnabrück und er U23 des SC Freiburg. Letztes Jahr habe ich den Kick live im Stadion Bremer Brücke kommentiert und unsere Jungs haben mit 0:1 die Punkte geholt. Derzeit sind die beiden Kontrahenten die wohl formstärksten Teams der Dritten Liga; die U23 vom SC hat die letzten sieben Spiele in Serie gewonnen…

Danach gibt’s im Hause Rischmüller noch ein bisschen Bundesliga-Konferenz bei Sky und irgendwann hoffentlich etwas zu essen…(smile)

Am Sonntagmorgen haben die DFB-Stützpunkte aus dem Großraum Freiburg einen sportmotorischen Test. Der Stützpunkt Staufen, bei dem Ben dabei ist, ist um 10.30 Uhr an der Reihe. Ich bringe ihn nach Freiburg (Rotteck-Gymnasium) und tausche während der Übungen meinen privaten Ford Kuga gegen den Toyota Corolla von baden.fm. Nach dem Mittagessen fahre ich dann Richtung Mainz. Vermutlich mit Zwischenstation in Mannheim, wo ich später übernachten werde, Macht ja Sinn, dass ich die Örtlichkeiten schon mal kenne und den Hotel-Schlüsse übernehme. Ich komme ja nach der baden.fm-Bundesligashow und dem Kick in Mainz erst spät wieder dahin. Am Nachmittag habe ich aber Zeit. Das Spiel ist ja erst um 19.30 Uhr, also 17.30 Uhr vor Ort sein – das passt alles…

Ich kommentiere das Bundesligaspiel FSV Mainz 05 gegen SC Freiburg am Sonntag ab 19 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.090. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Der SC agierte in Mainz, wie schon gegen „Juve“ in einem flexiblen  3-4-3, Vincenzo Grifo hatte, im Vergleich zum nur drei Tage zurückliegenden Euro-League-Spiel Lucas Höler aus der Startelf verdrängt. Zu Beginn der Partie vor 26.800 Zuschauern, darunter 2.500 SC-Fans, leisteten sich  beide Teams eine jeweils recht hohe Fehlerquote. In der 5. Minute kommt so Killian Sildillia, nach einem Missverständnis in der Mainzer Abwehr, unvermittelt zu einer Abschlusschance aus kurzer Distanz, reagiert aber nicht schnell genug, um Kapital aus dieser Zufallschance zu ziehen.

In der ersten Halbzeit ist Mainz 05 die präsentere Mannschaft auf dem Platz. Mark Flekken muss zwei Mal richtig gut parieren, um eine Führung der Gäste zu verhindern. Mainz hatte Vorteile, das war offensichtlich. Ich lastete diesen Umstand der hohen Belastung an, die in den Beinen und in den Köpfen der Freiburger steckte.

In den Halbzeitgesprächen im Presseraum wurde mir, zum Beispiel von FAZ-Reporter Roland Zorn, für die zweite Halbzeit ein Einbruch der Freiburger und ein Mainzer Sieg prognostiziert. Ich hatte ehrlicher Weise nur wenige Argumente dagegen zu setzen…

Nach der Pause wirkte der SC Freiburg allerdings wie nach einer Frischzellenkur, war offensiver, aggressiver und geistig flexibler als die nun gefühlt leicht zurücksteckenden Mainzer. Das kam wirklich überraschend... In der 55. Minute belohnte sich der SC dann für den guten Auftritt seit Wiederbeginn mit dem 0:1. Michael Gregoritsch, der in unzähligen Kopfballduellen gegen die körperlich robusten Mainzer besonders gefordert war, verlängerte einen langen Abschlag von Mark Flekken Richtung Strafraum. Verteidiger Fernandes schirmte den Ball ab, damit Torwart Zentner ihn an der Strafraumgrenze aufnehmen konnte. Zentner kam aber etwas zögerlich, wodurch nun die geistige Frische und die Wendigkeit von „Litz“ Doan zum Tragen kam, der seine Chance erkannte, ohne Körperkontakt mit Fernandes oder Zentner den Ball mit der Fußspitze um den Torhüter herum spitzelte und den Ball dann seelenruhig zur Gästeführung ins leere Tor einschob.

Der Führungstreffer war nun Wind unter den Flügeln der Freiburger, eine Art mentales Doping. Der SC gab den Ton an und spielte sich weitere Chancen heraus. 

Beide Mannschaften wechseln im Lauf der zweiten Hälfte personell durch, wodurch etwa Kenneth Schmidt, der schon gegen "Juve" sein Profi-Debüt feiern durfte, zu seinem ersten Bundesligaeinsatz kam. Die 90. Minute brach an, es wurden fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt. Mainz 05 setzte nun alles auf eine Karte und holte die Brechstange heraus. Auch Torhüter Zentner turnte ständig am und im Freiburger Strafraum herum. Dann sind 95 Minuten gespielt und der 0:1-Auswärtssieg scheint in der Tasche. Es gibt aber noch einmal Einwurf für die Gastgeber, die sich mit Mann und Maus im Freiburger Strafraum versammelt haben. Widmer wirft den Ball flankenähnlich weit in den 16er hinein. Bell verlängert zum bulligen ehemaligen Racing-Stürmer aus Straßburg, Ajorque. Der Franzose setzt seinen mächtigen Körper ein und steckt durch, zum eingewechselten Onisiwo, der aus kurzer Distanz flach zum Schuss kommt und zum 1:1-Ausgleich trifft...

Welch ein bitteres Finale nach dieser tollen Energieleistung des SC in der zweiten Halbzeit. Es gibt Proteste, weil die angezeigte Nachspielzeit längst abgelaufen war. Auch der ausgewechselte Michael Gregoritsch meckert in diesen emotionalen Sekunden – Bastian Dankert, der Schiri aus Rostock, zückt Gelb. Es ist die fünfte Gelbe gegen „Gregerl“, der gegen nach der Länderspielpause im Heimspiel gegen Hertha BSC gesperrt sein wird. Durch die Niederlage von Leipzig rückt der SC auch mit nur einem Punkt mehr auf der Haben-Seite auf den Champions-League-Rang vier der Bundesligatabelle.

 

Das Nachspiel

Natürlich ärgere ich mich maßlos über den späten Gegentreffer, der den SC zwei Punkte kostet. Andererseits ist ein Auswärtspunkt in Mainz ein Auswärtspunkt in Mainz. Und Platz vier ist Platz vier...

Ich habe ohnehin noch ganz andere Sorgen, als mich über ein spätes Gegentor zu ärgern. Seit dem Nachmittag, der Ankunft in Mannheim, habe ich Magen-Darm-Probleme. Während der eigentlich einstündigen Fahrt von Mannheim nach Mainz muss ich drei Zwischenstopps einlegen – nicht immer gab es eine Raststätte oder einen Parkplatz in der Nähe… Ich war mir zum Glück relativ sicher, dass mich das Adrenalin und die geistige Inanspruchnahme beim Spiel von meinen körperlichen Problemen ablenken würde. Und so gab es auch während des Spiels keine Probleme.  Irgendwie hatte ich es überstanden. Die Rückfahrt nach Mannheim verlief dann problemlos, genauso wie der Adrenalin-Abbau und das Entspannen mit Jacky-Cola in Mannheim.

Am Montag war ich dann gegen 11 Uhr zurück im WZO-Verlag, fühlte mich aber nicht gut… Übelkeit, Magengrummeln, ab und zu ein Anflug von Schüttelfrost. Ich machte, was unbedingt gemacht werden musste – das ging dann von der Darstellung der Jahresbilanz eines großen Bankhauses bis zur Fußballkolumne „SC INTEAM“. Als das und noch ein paar andere wichtige Arbeiten und Telefonate erledigt waren, zog ich den Stecker, meldete mich krank und erholte mich daheim auf dem Sofa. Nach meinen Kindern vor zwei Wochen und meiner Frau Yoany vor exakt einer Woche – ausgerechnet an ihrem 50. Geburtstag – hatte der Novo-Virus oder so etwas ähnliches auch mich erwischt. Ich hing also auf dem heimischen Sofa ab und schlief mich aus.

Heute ist Dienstag, es geht mir nicht super gut aber deutlich besser als Sonntag und Montag. Also sitze ich an meinem Schreibtisch und mache meinen Job.

Und jetzt habe ich mal ein Stündchen Tagebuch eingeschoben, schulde diesem aber noch die SC-Kolumne, die morgen im ReblandKurier erscheinen wird:

SC INTEAM

Wenn der RK-Cartoonist in dieser Woche Christian Streich zeichnerisch beim Höhenflug und bei einer Bauchlandung darstellt, regt sich  bei mir, dem Sportreporter, Protest. Höhenflug – okay, aber eine Bauchlandung war das Ausscheiden aus der UEFA Europa League gegen den Welt-Club Juventus Turin sicher nicht. Dass der SC Freiburg nach zwei Spielen gegen einen so dermaßen prominenten Gegner ausscheidet, ist eher normal. Hinzu kommt:  Trotz einiger Schwächen im Hinspiel, nur mit 0:1 in Turin zu verlieren, war schon aller Ehren wert. Das Ergebnis ließ realistische Chancen für das Rückspiel. Beim erneuten Aufeinandertreffen mit „Juve“ hatte es der SC aber nicht nur mit dem, von der personellen Besetzung her weitaus teureren und übermächtigen, Gegner zu tun, sondern auch mit einer in einigen Szenen überforderten Spielleitung. Unter dem Strich qualifizierte sich Juventus Turin erwartungsgemäß und verdient fürs Viertelfinale.  Aber: Selbst in Unterzahl machte der Außenseiter dem hohen Favoriten das Leben in Freiburg extrem schwer und wurde dafür vom begeisterten Publikum im Europa-Park Stadion nach dem Abpfiff in Ovationen gefeiert. Von einer Bauchlandung hatte das so gar nichts – doch die Gedanken sind frei...

Trotz eines Gegentores in letzter Sekunde, das aus dem greifbaren Auswärtssieg in Mainz ein 1:1 Remis machte, schob sich der SC Freiburg vor der sogenannten Länderspielpause in der Bundesligatabelle auf den Champions-League-Rang vier vor. Erstmals die Königsklasse zu erreichen, wäre aus wirtschaftlichen Gründen ein Traum. Alleine die CL-Teilnahme ließe die Freiburger Kassen so laut klingen wie nie zuvor. Angesichts des Restprogramms, unter anderem mit den herausfordernden Heimspielen gegen Bayern, Leipzig und Wolfsburg sowie den schweren Auswärtsspielen bei Union Berlin und zum Saisonabschluss in Frankfurt scheint das Erreichen der Europa League aber das realistischere Ziel zu sein. Die hinter dem Sport-Club  liegende Reise durch Europa war so wunderbar, dass alle von einer Wiederholung träumen. Dass die Europa-League-Teilnahme – Stand heute – ein realistisches Ziel ist, zeigt, wie herausragend die Arbeit ist, die in Freiburg geleistet wird. Bestätigt wird dieser Eindruck bei einem Blick auf die aktuellen Kader der A- Nationalmannschaft und der deutschen U21: Mit Matthias Ginter, Christian Günter und dem für 25 Millionen Euro nach England transferierten Kevin Schade stehen drei Absolventen der Freiburger Fußballschule im A-Kader. Noah Atubolu, Kenneth Schmidt, Yannik Keitel und Noah Weißhaupt sind für die U21 nominiert. Und die U23 des SC steht in der Dritten Liga auf Platz zwei. Hut ab, Sport-Club – das ist Spitze! (Zitatende)

 

Und jetzt ist dann Länderspielpause; Gelegenheit auch für mich, mal durchzuschnaufen.  Die beiden Englischen Wochen haben auch mich ganz schön angestrengt; so neben dem normalen Job. Wenn der geliebte Wahnsinn wieder los geht, ist es ja auch gleich eine Englische Woche: Samstags gegen Hertha, Dienstag dann im Pokal bei den Bayern, danach das Bundesliga-Heimspiel gegen den Rekordmeister. Da ist ganz schön was geboten… Bis bald also.