27. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen Werder Bremen

Samstag, 23. Mai 2020, 15. 30 Uhr

Schwarzwald-Stadion, Freiburg

SC Freiburg - Werder Bremen

Das Vorspiel

 

Bei Werder brennt der Baum. Wer das Spiel gegen Leverkusen (1:4) gesehen hat, weiß warum: Bei Standardsituationen und überhaupt bei hohen Bällen, die in den Strafraum fliegen, gibt es im Strafraum der Norddeutschen scheinbar keine Ordnung, schon gar keine Zuordnung und es ist ein wildes Durcheinander. So sehr ich die starke Bremer Offensive um den Tschechen Theodor Gebre Selassie, den Kosovo-Albaner Milot Rashica und den baumlangen Davie Selke fürchte, bin ich sicher, hinten ist Bremen vergleichsweise einfach zu knacken. Auch wenn der neue Abwehrchef, der ehemaliger Hoffenheimer Kevin Vogt irgendwann mal bei Bayern München auf dem Zettel gestanden haben soll, halte ich ihn für einen vergleichsweise lausigen Kicker, der zumindest seit den Bayern-Schlagzeilen nichts mehr auf den Rasen gezaubert hat. Du konntest gegen Hoffenheim Spiele über Vogt entscheiden und kannst es jetzt bei Werder auch. Das ist zumindest meine Meinung als Journalist. Ich finde Heintzi, Gulde, Koch und Lienhart alle mehr als eine Klasse besser als Vogt.

Ansonsten gilt natürlich trotzdem erstmal „Alarmstufe Rot“, weil sich der SC insbesondere gegen sogenannte Kellerkinder der Liga in der laufenden Saison selten gut angestellt hat. Wobei es der Ausdruck selten hier wirklich trifft, denn „immer“ kann man nicht sagen. Gegen Union Berlin zum Beispiel, also im letzten Heimspiel vor dem Corona-Break, haben sie alles besser gemacht als zum Beispiel gegen Köln und Paderborn. Da von den leider leeren Rängen diesmal kein Erwartungsdruck auf den Spielern lastet, die es freilich nicht gewohnt sind, in der Bundesliga als Favorit ins Spiel zu gehen, sind ja die Erinnerungen an die angesprochenen äußerst ärgerlichen Heimniederlagen nicht wirklich sinnvoll. Wie gesagt, das Spiel gegen Union macht ja richtig Mut – und die erste Hälfte von Leipzig auch, wenngleich das natürlich ein ganz anderes Spiel war.

Gegen Bremen ist sicher Freiburgs Kreativabteilung mehr gefordert. Mal schauen, ob die Jungs es drauf haben morgen, wobei Luca Waldschmidt vermutlich ausfallen wird (Sprunggelenk).

Nochmal zurück zu Union Berlin – die Köpenicker eröffnen ja heute im Derby bei Hertha den 27. Spieltag. Sollte die zuletzt in Hoffenheim so erfolgreiche Truppe von Bruno Labbadia etwas zu jubeln haben, bin ich gespannt auf die Szenen, die sich uns Zuschauern via Fernsehschirm bieten…

Ich wiederhole mich vielleicht, aber ich finde es schön, dass der Ball wieder rollt. Ich fiebere jetzt schon der Chance unseres SC entgegen, bereits am 27. Spieltag die magische 40-Punkte-Grenze zu erreichen. Sollte ihnen das und damit der sehr frühzeitige Klassenerhalt gelingen, darf man sich fortan in der Tabelle nachvorne orientieren. Um Platz sechs duellieren sich Wolfsburg, Hoffenheim, Schalke – und eben unser SC, wenn, ja, wenn der Heimsieg gegen Bremen gelingt…

 

Ich übertrage das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen Werder Bremen am Samstag ab 15 Uhr live bei baden.fm.

 

Das Fußballspiel

(Mein 973. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Ich will jetzt gar nicht herumlügen – ich schreibe diesen Rückblick auf das Heimspiel gegen Werder Bremen mit großer Verspätung. Grund ist nicht etwa die Enttäuschung über die 0:1-Heimniederlage gegen den tabellenvorletzten, sondern das Arbeitsaufkommen im Verlag in Verbindung mit der Englischen Woche in der Fußball-Bundesliga.

Das Bremen-Spiel ist schnell erzählt: Der Gegner wollte seine quasi letzte Chance im Abstiegskampf, verbunden mit einem stark in der öffentlichen Kritik stehenden Trainer unbedingt zum Befreiungsschlag nutzen. Werder spielte im Rahmen seiner derzeitig offenbar begrenzten fußballerischen Möglichkeiten sehr kampfstark und konzentriert auf. Tief stehend zwang Werder den SC das Spiel zu machen, was diesem gar nicht behagt.

Christian Streich hatte im Vergleich zum 1:1-Punktgewinn in Leipzig von 3-4-3 auf 4-4-2 umgestellt und personell Haberer und Höler für Heintz und Lienhart gebracht.  So aufgestellt bot der SC zwar vor allem in der zweiten Hälfte eine gefällige Partie, brachte unter dem Strich aber wenig Zwingendes zustande. Freiburg wirkte, abgesehen von der ersten halben Stunde  - bis auf wenige aber entscheidende - Zweikampfsituationen überlegen, aber nicht kreativ und torgefährlich. Vielleicht fehlte ja wirklich die Unterstützung von den Rängen…

Zwei von Bremen gewonnene Zweikämpfe tief in der eigenen Hälfte und ein genialer Diagonalpass von Klaassen auf den sträflich frei stehenden Bittencourt führte in der 19. Minute zum Tor des Tages.

Mit zunehmender Spielzeit übernahm nach dem Rückstand immer mehr der SC das Kommando, blieb vor dem Werder-Tor aber ungefährlich.

Die Schlussphase verlief dann verhältnismäßig dramatisch. Der eingewechselte Kwon verfehlte das Tor bei einem aussichtsreichen Schussversuch (85.). Dann flog der Bremer Bargfrede mit Gelb-Rot vom Platz (88.). Der Freistoß, der durch das Bargfrede-Foul rechts neben der seitlichen Strafraumbegrenzung zur Austragung kam gehört zur Vorgeschichte des vermeintlichen Ausgleichs in der vorletzten Spielminute. Denn wie in Leipzig gelang dem SC kurz vor Schluss ein das Spiel stark beeinflussender Treffer. In Leipzig wäre es ein (unverdienter) Sieg statt eines Remis gewesen, gegen Bremen ein hoch verdientes Unentschieden statt einer Niederlage. Doch jedes Mal machte der Videoassistent einen Strich durch die Freiburger Rechnung. In Leipzig wurde mittels Standbild und eingeblendeter kalibrierter Linie ein Hauch von Abseits bei Vorlagengeber Höler attestiert. Gegen Bremen ging es auch um Zentimeter, die laut kalibrierter Linie Petersen im Abseits gestanden haben soll. Der ansonsten blass gebliebene Torjäger hatte im Nachgang des Freistoßes, nach einer weiteren Flanke aus spitzem Winkel den Pfosten getroffen, Gulde den Abpraller dann mehr oder weniger ins Tor gestolpert. Aber erneut wurde die Torfolge jäh durch die Entscheidung aus dem Kölner Keller ausgebremst. Da ein Mensch im Keller entscheidet, welcher Sekundenbruchteil als Ballabgabe gilt, bleibt die Entscheidung ja ohnehin eine Ermessensentscheidung. Wenn es dann so knapp ist wie gegen Werder und vor allem in Leipzig, wäre das früher gültige Urteil „im Zweifel für den Angreifer“ der bessere Weg. Ich weiß nicht, ob der Videobeweis für solche Millimeterzählerei (um nicht Erbsenzählerei zu schreiben) erfunden wurde. Freiburg hat es jetzt zweimal negativ getroffen, zweimal kurz vor dem Abpfiff und spielentscheidend. Schade, eigentlich. So ging die Partie 0:1 verloren.

 

Das Nachspiel

Ein wenig verstimmt über die abermalige Heimniederlage gegen ein sogenanntes Kellerkind verbrachte ich das Restwochenende, um denn am Montag dieses Dilemma in meiner Zeitungskolumne zu analysieren. Erschienen ist der Text am Mittwoch in den Titeln ReblandKurier und Wochenblatt:

 

SC INTEAM

Gestern Abend spielte der SC Freiburg in der Commerzbank-Arena zu Frankfurt. Einen aktuellen Bericht vom (Geister-)Spiel finden Interessierte auf der Seite „Aus der Regio“ dieser Ausgabe. Die Kolumne „SC INTEAM“ entstand aus technischen Gründen bereits vor dem Gastspiel des Sport-Clubs bei der Eintracht und fokussiert die Probleme der Freiburger in Heimspielen gegen Mannschaften aus dem Tabellenkeller.

Die enttäuschende 0:1-Niederlage  gegen den Tabellenvorletzten Werder Bremen komplettierte am Samstag  eine beinahe schon beängstigende Serie von Misserfolgen der Freiburger Bundesliga-Fußballer  gegen  sportliche Außenseiter. Der Sport-Club als „moralischer Aufbaugegner für sportliche Sorgenkinder“, diesen unschönen Ruf hat sich der SC im Verlauf dieser Saison  mit Fug und Recht erworben. Zur Erinnerung: 1:2 am dritten Spieltag gegen Aufsteiger 1. FC Köln, 0:2 am 19. Spieltag gegen Schlusslicht und Neuling SC Paderborn, 0:2 am 23. Spieltag gegen die im Abstiegskampf verstrickte Düsseldorfer Fortuna und jetzt, am 27. Spieltag, 0:1 gegen den Tabellenvorletzten Werder Bremen. Irgendwann wird ein Muster daraus und man fragt sich, warum?

Ganz wichtig ist es, darauf hinzuweisen, dass auch Mannschaften wie die genannten Gegner völlig legitim in der Bundesliga spielen, dass es sich bei den dort beschäftigten Fußballern um bestens ausgebildete Profis handelt und dass nach einer Niederlage gegen ein solches Team überhaupt kein Grund für Hohn und Spott gegeben ist. Völlig falsch ist es auch, den Grund für die schlechten Ergebnisse, die in einer gewissen Regelmäßigkeit zu beobachten sind, wenn der SC als vermeintlicher Favorit in eine Begegnung geht, im mentalen  Bereich zu suchen. Die Gegner werden nicht unterschätzt und auch das Engagement der SC-Profis war, zum Beispiel am Samstag gegen Werder Bremen, einwandfrei.

Mannschaften, die gegen den Abstieg kämpfen, fokussieren die Verteidigung des eigenen Tores. Sie machen die Räume in der eigenen Hälfte eng und überlassen dem SC häufig die Aufgabe, das Spiel zu machen. Der Sport-Club, der  zum Glück  höchst selten in die Verlegenheit kommt,  gegen massive Abwehrformationen Dominanz ausüben zu müssen, in engen Räumen Kreativität zu zeigen und Torgefahr heraufzubeschwören, bevorzugt eine andere Spielweise. Freiburg gehört schon seit Jahren  zu den Mannschaften mit dem wenigsten Ballbesitz. Das sogenannte schnelle Umschaltspiel mit viel Räumen nach vorne liegt der Streich-Elf viel mehr als die Spielgestaltung in engen Räumen. Da die meisten Gegner  den Anspruch haben, Freiburg zu dominieren, schlägt sich der SC  prächtig im Stahlbad Bundesliga; nur eben nicht gegen Mannschaften die Freiburg zum Rollentausch zwingen. Die in dieser Saison verbleibenden Gegner – am Freitag kommt Leverkusen, dann Mönchengladbach  – gehören nicht zu dieser Kategorie. Und das ist gut so.  (Zitatende)