3. Spieltag der 60. Saison der Fußball-Bundesliga, VfB Stuttgart gegen SC Freiburg

Samstag, 20. August 2022, 15.30 Uhr *

Mercedes-Benz-Arena, Stuttgart *

VfB Stuttgart - SC Freiburg *

 

Das Vorspiel

Die KW 33 und die Tage davor waren wirklich ereignisreich; nach dem in jeder Hinsicht „verkotzten“ Wochenende habe ich in der eigentlichen notwendigen Rekonvaleszenz-Phase, nach SC-Niederlage und heftigem Magen-Darm-Infekt, am Montag und Dienstag heftig gearbeitet und hing nach der intensiven Zeitungsproduktion schließlich am Dienstagabend, wie ein Schluck Wasser in der Ecke; ausgerechnet, als meine Tochter Caro mit Partner und Kind, meiner ersten Enkelin Lara, zu Besuch kam. Da war "Fropa" nicht wirklich in Bestform. Zum Glück blieben die drei bis heute Morgen... Den Mittwoch widmete ich jedenfalls voll und ganz der Erholung. Ich spürte förmlich, wie Geist und Kräfte zurückkamen und ich langsam aber sicher in Derby-Form kam; für die Familie und fürs Radio versteht sich; morgen Nachmittag steht ja das Bundesligaspiel VfB Stuttgart gegen SC Freiburg auf dem Programm. Da ist Bestform gefordert – bei den Jungs auf dem Platz und bei mir am Mikrofon, ist ja klar.

Lass‘ es zehn oder zwölf Jahre her sein – da fuhr man nach Stuttgart und war froh, wenn man vom mächtigen und finanziell besser gestellten Hauptstadtclub aus der Mercedes-Metropole nicht weggebügelt wurde. Langsam aber sicher haben sich die Realitäten verschoben. Seit sechs Bundesligaspielen haben die Schwaben gegen den Sport-Club nicht mehr gewonnen; die letzten vier Begegnungen hat allesamt der SC gewonnen. Das ist doch auch mal ein Statement …

Klar erinnere ich die letzten beiden Auswärtssiege in Stuttgart – die waren beide extrem eng und auch ein bisschen glücklich. Im September 2020 führte der SC, nach Toren von Nils Petersen (8.), Roland Sallai (26.) und Vincenzo Grifo (48.) schon kurz nach der Pause mit 0:3. Für die Schwaben deutete sich ein Debakel an. Doch dann hätte der VfB das Ding fast noch gedreht, war gegen Ende zumindest dem Remis sehr nahe. Kalajdzic (71.) und Silas (81.), der damals noch Wamangituka hieß, hatten verkürzt und der VfB hatte einen beeindruckenden Schlussspurt hingelegt. Die Vorderleute wackelten mächtig, doch Müller im SC-Tor hielt glänzend. Übrigens jener Florian Müller, der inzwischen längst zum Rückhalt des VfB Stuttgart geworden ist. (Aber morgen muss er mehrfach hinter sich greifen...)  

In der vergangenen Saison hieß das Schlussresultat ebenfalls 2:3 für Freiburg. Der Spielfilm war kurioser Weise dem der Vorsaison nicht unähnlich, wenn auch mit deutlichen Unterschieden: Erneut schoss sich der SC erstmal mit 0:3 in Front - so weit die Parallelität: Ein Doppelpack von Wooyeong Jeong (3. Und 9. Minute) bedeutete einen Horrorstart für die Schwaben. Lucas Höler legte in der 28. Minute noch einen Treffer nach. Die Stuttgarter Gegenoffensive begann diesmal aber schon vor der Pause. Mavropanos machte in der 45. Minute das Anschlusstor und Al Ghaddiou verkürzte noch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte auf 2:3. Ich spüre heute noch, wie mir in der Pause nichts Gutes für die zweiten 45 Minuten schwante… Und dann kam es doch ganz anders als befürchtet: Der SC fing sich und hatte nach der Pause wieder alles im Griff. Zwar hatte  der VfB deutlich mehr vom Spiel, kam aber zu keiner einzigen wirklich nennenswerten Torgelegenheit, während Roland Sallai fast noch ein Kontertor zum 2:4 gelungen wäre. Das war in Halbzeit zwei eine taktische Meisterleistung des SC Freiburg, der den knappen Vorsprung am Ende souverän ins Ziel brachte, ganz anders als im Jahr zuvor.

Ob ich den Sport-Club angesichts dieser Bilanz der vergangenen Jahre morgen in Stuttgart als Favoriten sähe, wurde ich heute Morgen in der baden.fm-Morningshow von Moderator Markus Schäfer gefragt. Ganz ehrlich – die Formulierung "Favorit" ginge mir etwas zu weit. Ich glaube, es wird ein Spiel mit einer 50:50-Chance; der Ausgang ist völlig offen.

Klar, wenn der SC in vielen Bereichen seine Qualitäten vom Dortmund-Spiel wieder auf den Platz bringt, steigen die Chancen auf einen erneuten Sieg in der Schwaben-Metropole. Was müssen sie besser machen, als gegen Dortmund – auch diese Frage musste ich heute Morgen im Radio beantworten. Ich denke, so ein grober persönlicher Ausnahmefehler, wie er dem bedauernswerten Mark Flekken gegen Dortmund beim 1:1 der Borussen unterlaufen ist, darf keinem der Freiburger morgen passieren. Sonst würde es schwer, in Stuttgart etwas zu holen. Auch sollten Power und Konzentration über 90 Minuten plus X reichen – und nicht nur 75 Minuten, wie scheinbar gegen den BVB. Hilfreich könnte es sein, früher auszuwechseln als gegen Dortmund (erster Wechsel erst in der 74. Minute – danach drei weitere Wechsel in den letzten fünf Minuten). Allerdings müssen die Einwechselspieler auf dem Platz dann auch den Erwartungen gerecht werden, die das Trainerteam und das Publikum berechtigter Weise an sie hat. Gegen Dortmund war das leider nicht der Fall.

Und trotzdem: Der SC Freiburg hat allemal das Zeug dazu, den Stuttgartern morgen eine Menge abzuverlangen und sie bestenfalls auch zu schlagen. Der VfB ist zwar noch ungeschlagen, aber auch sieglos in der noch sehr kurzen Bundesligasaison: 1:1 gegen Leipzig und 2:2 in Bremen. Sie haben großes Engagement gezeigt, eine gewisse Wucht; das Besondere im Team macht vor allem das Talent von Silas und Kalaijdzic aus, die wieder fit sind und dem SC ja auch in den Vorjahren schon Probleme bereitet haben. Ich bin jedenfalls höchst gespannt auf das Baden-Württemberg-Derby im Schwabenland.

Um meinen Zweitjob als Radioreporter nicht in Stress ausarten zu lassen, sondern zu genießen, wissen Tagebuch-Leserinnen und -Leser längst, dass ich Auswärtsspiele schon seit Jahren nicht mehr runterzocke wie einst, mit 35, 40 Jahren; also morgens hin, Radioshow durchziehen und dann zurückdüsen, was die Autobahn hergibt… Nein, dass ist nicht mehr mein Ding. Ich fahre schon heute Abend, nach einem Abendessen im Familienkreis, mit dem baden.fm-Corolla nach Stuttgart. Auf der Fahrt höre ich mir die Hörfunkübertragung vom Freitagsspiel, Borussia Mönchenglandbach gegen Hertha BSC, an und gönne mir in Stuttgart dann noch ein, zwei Gläschen zur Entspannung. Ich wohne natürlich wieder im „Hotel am Wilhelmsplatz“, meinem Stammhaus in der Landeshauptstadt – zuletzt war ich vor vierzehn Tagen, beim Auswärtssieg in Augsburg, dort. Ein gutes Omen für das Spiel morgen, denke ich...

Der Samstagvormittag ist dann ganz entspannt: Langes und spätes Frühstück, statt Autobahn; frühzeitige Anreise zum Stadion, dass ja mal wieder für etliche Millionen um- und ausgebaut wird. Deshalb gibt es wohl auch ungewohnte Wege für uns Reporter zum Arbeitsplatz und von da zur Mixed-Zone und zur PK. Das will ich alles in Ruhe und ohne Stress in Augenschein nehmen, bevor es heiß wird in der Arena und der Kick alle Aufmerksamkeit aufsaugt.

Nach einem positiven Ausgang, sprich Punkt oder gar Sieg, würde ich dann sicher auch meine zweite Nacht vor Ort besonders genießen; zum Beispiel schön essen gehen im "Il Pomodoro"  am Wilhelmsplatz und dann noch ein bisschen - alleine oder mit Brüdern im Geiste - feiern, so meine Idealvorstellung.

Zwingend wäre eine zweite Nacht in Stuttgart zwecks Stressreduktion zwar nicht wirklich, es gibt aber einen speziellen Grund für den Verbleib in Schwaben: Am Sonntag kickt mein zweiter Herzensverein, jener meiner Jugend und frühen Berufstätigkeit, Arminia Bielefeld, beim 1. FC Heidenheim...

Arminia ist ja nach dem Bundesligaabstieg, durch vier Punktspiel-Niederlagen am Stück, zum Sorgenkind der zweiten Liga geworden. Der Verein hat reagiert und unter der Woche den Trainer gewechselt. Der Italiener mit Schweizer Trainervergangenheit, Uli Forte, wurde in die Wüste geschickt und vom Drittligisten VfL Osnabrück wurde Daniel Scherning verpflichtet.

Der neue Coach ist mir in der vergangenen Saison zwei Mal persönlich begegnet - jedesmal in Osnabrück: Im DFB-Pokal, beim Sieg des SC im Elfmeterschießen, und beim 0:1-Drittligasieg der U23 des SC an der "Bremer Brücke", das ich damals auch live und ausführlich bei baden.fm kommentiert hatte. Beide Male war mir die entschlossene Art, wie auch die fachlich angemessene Analyse des damaligen VfL-Trainers aufgefallen. Dass er in seiner Vergangenheit U19-, U23-Trainer und Scout bei Arminia gewesen war, wusste ich anfangs gar nicht, hatte es dann aber eruiert, da mir die Trainerpersönlichkeit tatsächlich positiv aufgefallen war. Jetzt wünsche ich ihm natürlich, dass er Arminia auf Kurs bringt und ich nächstes Jahr nicht mit der U23 des SC zum Drittligaspiel nach Bielefeld reisen muss…

Ich werde also am Sonntagmorgen nach dem Frühstück von Stuttgart ins nahe Heidenheim düsen, wo der Presseraum bereits um 10.30 Uhr öffnet. Wenn die Arminen, wie die meisten Gästeteams in Heidenheim, im nahe am Stadion gelegenen Vier-Sterne-Hotel absteigen sollten, gehe ich da vielleicht noch einen Kaffee trinken und etwas Arminia-Luft atmen. Der eine oder andere alte Bekannte könnte mir dabei über den Weg laufen; vielleicht auch Kollegen der Bielefelder Medienszene, etwa Uli Zwetz, seit knapp 30 Jahren mein Nachfolger als Arminia-Reporter bei Radio Bielefeld. Wenn nicht im Hotel, dann sehe ich die Jungs ja spätestens in der Voith-Arena.

Apropos Bielefeld: Mein nächster Abstecher in der alten Heimat steht auch schon wieder fest: Der SC kickt ja das nächste Heimspiel gegen Bochum schon am Freitag, 26. August. Samstagmorgen geht es dann nebst Familie nach Ostwestfalen. „Oma besuchen“ steht natürlich im Mittelpunkt. Um 17 Uhr am Samstag wartet in der Kleinstadt Werther ein Klassentreffen auf mich – das letzte dieser Art habe ich vor zehn Jahren besucht. Als Pennäler habe ich einst das Gymansium Werther besucht; das war damals schon, sehr progessiv, mit Nachmittagsbetreuung. Bin gespannt, wen ich aus meiner Klasse, mit der ich dort die Mittlere Reife gemacht habe, noch erkenne und wie es den alten Wegbegleitern so ergangen ist und geht.

Zweiter westfälischer Fix-Termin an dem Wochenende ist dann am Sonntag, 28. August, um 13 Uhr das Drittligaspiel der U23 von Borussia Dortmund gegen die U23 des SC Freiburg im Stadion „Rote Erde“, gleich neben dem Signal-Iduna-Park. Ich berichte natürlich - wenn auch nur spärlich, live bei baden.fm. Als Reporter war ich im Stadion "Rote Erde" zuletzt vor rund 30 Jahren beim Spiel VfR Sölde gegen Arminia Bielefeld am Mikrofon. Das gebe ich mir gerne…

Die Rückfahrt nach Bielefeld ist für Montagvormittag geplant.

Jetzt gilt aber erstmal alle Konzentration dem 3. Spieltag der Fußball-Bundesliga und dem Baden-Württemberg-Derby morgen Nachmittag. Ich kommentiere das Bundesligaspiel VfB Stuttgart gegen SC Freiburg morgen ab 15 Uhr live in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.058. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Mäßige Leistung – optimales Ergebnis! Das Spiel in Stuttgart war fußballerisch nicht sonderlich erbauend. Dass der SC am Ende mit 0:1 den fünften Derby-Sieg in Serie gegen den VfB Stuttgart bejubeln konnte, lag vor allem am glänzend haltenden Mark Flekken und an einer enormen Abwehrleistung. Die Offensive des aktuellen Tabellenfünften der Bundesliga blieb am Samstag vieles schuldig… Andererseits: Wer auch seine schwachen Spiele gewinnt, kann es weit bringen.

Der VfB Stuttgart war der erwartet starke Gegner. SC-Trainer Christian Streich ließ gegen die Schwaben dieselbe Startelf ran wie in der Vorwoche gegen Borussia Dortmund und es schien zunächst zu laufen, wie am Schnürchen: In der 11. Minute flankte Kiliann Sildillia, der sich als rechter Verteidiger mit Vorwärtsdrang immer mehr in der Stammelf festspielt, gefühlvoll in den Strafraum. Die schwäbischen Abwehrrecken um Waldemar Anton ließen den Ball passiere, keiner ging wirklich hin und so rutschte die Kugel bis zum zweiten Pfosten durch. Üblicher Weise setzt sich Vincenzo Grifo in solchen Situationen etwas nach hinten ab und lauert auf eventuelle abgewehrte beziehungsweise „zweite“ Bälle. Diesmal aber schien der Deutsch-Italiener den „Braten“ zu riechen, lief zum zweiten Pfosten durch und konnte den von der Abwehr scheinbar völlig unterschätzten Ball aus kurzer Distanz über die Linie schieben. „Seit Jahren zur Gewohnheit geworden: Freiburg führt in Stuttgart“, kommentierte ich frech in der baden.fm-Bundesligashow.

Die Stimmung auf dem Rasen ist etwas erhitzt: In der 28. Minute fetzen sich Führich und Sallai im Mittelfeld, Geschubse, Rudelbildung – „Gelb“ für die beiden Hauptbeteiligten. Zuvor war bereits Sosa verwarnt worden (15.).

In der 30. Minute erfolgt mal wieder ein Lebenszeichen der zurückhaltenden Freiburger Offensive: „Litz“ Doan, der nicht seinen besten Tag erwischt hat, flankt Richtung Michael Gregoritsch. Glück für den VfB, dass Ahamada die Flanke noch leicht abfälscht, sodass Gregoritsch seinen Weg zum Ball leicht abstoppen muss und nicht so kontrolliert köpfen kann, wie sonst. Der Ball fliegt denkbar knapp über das rechten obere Dreieck hinweg. Schade, mir lag der Torschrei schon auf den Lippen…

Fünf Minuten später geht es den Stuttgart-Fans und dem Kollegen vom Radiosender „Die neue 107.7“ neben mir ganz ähnlich: Sosa flankt, Mavropanos köpft vom Elfmeterpunkt; hart, platziert, so, wie es sein muss – aber Mark Flekken im SC-Tor zeigt seine Extraklasse und fliegt blitzschnell in die richtige Richtung. Eine wahre Glanzparade, die den Ausgleich verhindert.

Der vielleicht schönste Freiburger Angriff der ersten Halbzeit, eigentlich der gesamten 90 Minuten plus Nachspielzeit, erfolgt in der 40. Minute. Es ist ein Überzahl-Konter: Schönes Zusammenspiel von „Litz“ Doan und „Gregerl“ Gregoritsch im Mittelfeld, ein Flankenlauf des groß gewachsenen Österreichers auf der linken Freiburger Angriffsseite, ein gepfleger Flachpass in den Strafraum, wo Doan bereitsteht und aus 12, 13 Metern abziehen kann. Ich sehe den Ball bereits im Netz zappeln, es kommt aber anders; Beleg für die bereits angesprochene schwache Tagesform des Japaners: Bei der Ballkontrolle bekommt „Litz“ Probleme und schon ist die Abwehr zur Stelle und die Chance dahin. Eine Direktabnahme wäre hier vermutlich die bessere Variante gewesen – oder halt eine perfekte Ballverarbeitung, die aber misslang.

In der 42. Minute prüft Kalajdzic per Kopf Flekken, der einmal mehr bravourös abwehrt, allerdings war der Aktion ein heftiger Schubser gegen Nicolas Höfler vorangegangen, der auch im Nachhinein geahndet wird. Ein Treffer hätte nicht gezählt.

Dann ist Pause, die erste Halbzeit war insgesamt ausgeglichen, einmal hatte die Stuttgarter Abwehr „gepennt“ und der ansonsten ungewöhnlich blass bleibende Vincenzo Grifo war hellwach geblieben. Deshalb führte der SC – mal wieder – in der Mercedes-Benz-Arena.

Die zweite Hälfte hatte etwas Besonderes. Der SC wirkte im Spiel nach vorne matt und ideenlos. Die Abwehr und Torwart Mark Flekken standen unter Stuttgarter Dauerdruck. Christian Streich wechselte Personal und Spielsystem – Manuel Gulde kam als dritter Innenverteidiger, gespielt wurde nun mit Fünferkette gegen den Ball. An den Spielanteilen und einer wachsenden Überlegenheit der Gastgeber änderte das nichts. Es fehlte völlig die Entlastung der Defensive durch Nadelstiche nach vorne oder gefährliche Konter. Allerdings fiel auch den Schwaben nicht viel ein außer zahlreicher Halbfeldflanken, die recht souverän von den überragend agierenden Matthias Ginter und Philipp Lienhart abgeräumt wurden. Gefährliche Torszenen hatten so auch im Freiburger Strafraum Seltenheitswert. Es gab sie aber: In der 49. Minute lässt sich Kiliann Sildillia auf seiner rechten Abwehrseite überspielen. Anton bedient Sosa, der von links in den Strafraum eindringt. Zur allgemeinen Verwunderung bleibt Mark Flekken stoisch stehen, statt dem Ball entgegenzueilen und den Zweikampf zu suchen. So versucht Sosa die Kugel am Niederländer vorbeizuschlenzen, was aber misslingt. Aus Stuttgarter Sicht wäre ein Querpass auf den mitgelaufenen Vagnoman vermutlich erfolgversprechender gewesen, so aber vereitelt Mark Flekken einmal mehr den möglichen Ausgleich. Im Eins gegen Eins erweist sich Freiburgs Torwart später auch gegen Silas als Sieger, der VfB-Stürmer war allerdings aus dem Abseits gestartet.

Insgesamt fällt den Stuttgartern trotz extrem hoher Spielanteile in Halbzeit zwei wenig ein. Vehement fordern sie einen Handelfmeter, als Höfler in der 82. Minute den Ball an die Hand bekommt. Der Freiburger Mittelfeldspieler war allerdings zuvor von Pfeiffer geschubst worden, deshalb ging der unabsichtlichen Berührung des Balles mit der Hand ein Stürmerfoul voraus, das auch die Ursache für die unkontrollierte Berührung war. Klare Sache: Freistoß für den SC, doch die Cannstatter Kurve ist außer sich, fordert Elfmeter und sieht in Schiedsrichter Brych den Schuldigen für die sich anbahnende Heimniederlage. Wenig später will Pfeiffer die aufgepeitschte Stimmung für den VfB nutzen und versucht einen Strafstoß zu schinden. Darauf fällt aber niemand rein. Derweil muss der am Boden liegende Eggestein behandelt werden. Das dauert länger. Die VfB-Fans wittern Zeitspiel und pfeifen, was das Zeug hält. Was zu diesem Zeitpunkt niemand weiß: Der Freiburger Mittelfeldspieler hat sich Elle und Speiche an der Hand gebrochen. Mit einer Bandage aber sichtbar mit Schmerzen bleibt Eggestein auf dem Platz. Freiburg hat schon fünfmal gewechselt. Es gibt acht Minuten Nachspielzeit; kurios viel, weil bei Eggesteins Verletzung regulär nur noch drei Minuten zu spielen waren. So gibt es aber tatsächlich nochmal acht Minuten Extra-Fußball fürs Eintrittsgeld. Es brennt aber nichts mehr an. Am Ende hat der SC knapp und glücklich mit 0:1 gewonnen.

 

Das Nachspiel

Topnoten für Flekken, Ginter und Lienhart in der baden.fm-Bundesligashow, die anderen waren meistens unter Normalform, besonders die Offensivkräfte. Trotzdem sorgt ein Derbysieg natürlich für Hochgefühle. Beschwingt gehe ich mit meinem Rollköfferchen, wie uns Berichterstattern geheißen worden war, aus dem Stadion raus und betrete es durch einen anderen Eingang neu. Über Stock und Stein und eine provisorische Baustellenbrücke lande ich in den Räumen unter der neuen Hintertortribüne, wo PK und Mixedzone zurzeit untergebracht sind. Nach kurzer Orientierung stieß ich auf die Kollegen, die bereits im Pulk um „Vince“ Grifo standen. Dann wurde „Flekki“ Flekken vom „Pulk“ vernommen. Als er durch war bat ich ihn zum 1:1-Interview für baden.fm. Es wurde ein netter kleiner Talk. „Business as usual“ dann in der PK mit anschließendem Streich-Interview. Dann war der Arbeitstag fast durch. Ich entschloss mich, noch einen Kaffee zu trinken und traf am Büffet erneut auf den Freiburger Trainer, der eine ähnliche Idee gehabt hatte. Er schaute mich an, zuckte mit den Achseln und meinte, „ich muss es mir im Video anschauen, was da los war. Wir haben einfach keine Entlastung hinbekommen, nach vorne ging nix, oder!? Was meinen Sie?“ Wir tauschten noch ein paar nette Worte aus und wünschten uns ein schönes Wochenende.

Ich fuhr zum Hotel, fand einen Parkplatz, was rund um den Wilhelmsplatz nie besonders einfach ist, und freute mich auf ein Abendessen im „Il Pomodoro“. Ich musste enttäuscht feststellen, dass mein Stamm-Italiener in Stuttgart gerade Betriebsferien macht. Also setzte ich mich auf die Terrasse des benachbarten Pubs, in dem ich am Vorabend, da ich früher als geplant angereist war, schon Gladbach gegen Hertha geschaut hatte. Die servieren aber nur Getränke. Die Eckkneipe „Einstein“ wiederum servierte Essen, wie ich beobachtete und als ein Tisch frei war, wechselte ich nach nebenan und ließ mir die Speisekarte bringen. Witziger Weise enthielt das Speisenangebot viele typisch französische Sachen, wie Quiche, Crêpes, Steak-Frites und solche Geschichten. Das fand ich spannend, bestellte ein Steak-Frites mit Salat und einen Côte du Rhône. Serviert wurde eine - mir sehr angenehm - kleine Portion zu einem ebenso kleinen Preis; es schmeckte Klasse und war ein echter Aha-Moment – das „Il Pomodoro“ hat für meine künftigen Stuttgart-Aufenthalte einen Konkurrenten bekommen…

Nachdem ich am Freitagabend noch ein bisschen durch die Bars gepilgert war, entschloss ich mich am Samstag zu einem Fernsehabend im Hotel. Mit Mühe blieb ich bis zum SC-Beitrag im Sportstudio wach, dann drückte ich aufs Knöpfchen und schlief ein.

Am Sonntag entschloss ich mich, meinen in sportliche Not geratenen Heimatverein nicht nur durch meine Anwesenheit in Heidenheim zu unterstützen, sondern auch optisch. Ich zog mir ein vor ein, zwei Jahren gekauftes Nostalgietrikot an, dem Look der 70er Jahre nachempfunden, als ich den Bundesligafußball und Arminia für mich entdeckt hatte.  Das Trikot war beim Kauf ein absolutes "must have" gewesen.

Bis Heidenheim fuhr ich eine gute Stunde mitten durchs Schwabenland. Als ich in der Voith-Arena saß, erinnerte ich den denkbar knappen SC-Sieg vor einigen Jahren, an einem eiskalten Freitagabend, perfekt gemacht durch ein sehr spätes Tor von Karim Guédé. Ich traf meinen Nachfolger bei Radio Bielefeld, Dr. Uli Zwetz, wir schwätzten ein wenig. Zwischen den Berichterstettern von Westfalen-Blatt und Neue Westfälische sitzend, verfolgte ich das Spiel, das für Arminia denkbar schlecht begann. Erst versiebte Lasme eine Hundertprozentige für den DSC (1.), dann patzte Torwart Kapino bei einem Kopfball von Tim Kleindienst, unserem alten Bekannten, und Arminia lag nach drei Minuten hinten. „Dann habe ich ja die Spötter auf meiner Seite“, sinnierte ich, beobachtete aber, dass die Arminen gegen die als Spitzenmannschaft der zweiten Liga hoch geschätzten Heidenheimer nicht untergingen, sondern entschlossen dagegenhielten. In der 11. Minute nahm Robin Hack einen Ball von Okugawa aus 30 Metern Torentfernung aus der Luft. Der Volleyschuss mutierte zur Bogenlampe und schlug hinter dem verdutzten Torhüter Müller im Netz ein. Etwas glücklich, aber durchaus sehenswert, das 1:1.

In der Folgezeit beobachtete ich eine aufopferungsvoll und kompakt kämpfende Arminia, die offenbar „lebt“. Der kroatische Neuzugang Ivan Lepinjica aus Rijeka, neben dem leider früh verwarnten Vasiliadis auf der Doppelsechs hat mir besonders gut gefallen.

Ähnlich wie am Tag zuvor, wurde es in der zweiten Halbzeit überwiegend eine Abwehrschlacht. Arminia machte zwar noch einen Treffer durch Serra, der vonm Okugawa zugespielte Ball war aber wohl zuvor im Toraus gewesen, so die Entscheidung des VAR nach dem zunächst umjubelten Treffer. Als der von Leipzig ausgeliehene Innenverteidiger Jäkel in der 75. Minute mit Gelb-Rot vom Platz musste, war nicht Holland aber Arminia in Not. Mit Glück, Geschick und sehr viel Kampfgeist brachten die „Blauen“ den Punkt in die Scheune. Der Auftritt war so, dass ich mir vorgenommen habe, in zwei Wochen, auf dem Rückweg von Leverkusen, am Sonntag erneut Station in der 2. Liga zu machen und Darmstadt gegen Arminia zu verfolgen; im Nostalgietrikot, versteht sich. Gut drei Stunden dauerte die Heimfahrt von Heidenheim nach Bad Krozingen.

Es ist Montag, die Zeitungsproduktion steht an. Zum Glück bin ich körperlich fitter als letzte Woche. In Urlaubsvertretung baue ich, zusätzlich zum eigentlichen Job, die Lokalausgabe Kaiserstuhl/Tuniberg. Es wartet also wieder ein Schrank voll Arbeit auf mich, aber das Tagebuch ist dann schon mal erledigt….

Oder fast. Schnell noch ein Blick in die neue Woche: Am Freitag um 13 Uhr ist die Auslosung der Gruppenphase in der UEFA Europa League. Natürlich hoffe ich auf sportlich wie touristisch attraktive Gegner. Sportlich wäre vermutlich Manchester United das Non-plus-Ultra oder Arsenal London – touristisch fände ich jetzt Monaco oder Larnaca attraktiv. Üblicherweise hat man ja auch immer ein, zwei „tote Fische“ in der Gruppe, man denke an Puchov… - hier mögen dann möglichst die Reisen nicht so aufwendig sein. Bis 600 km will ich alles mit dem Auto erledigen – ansonsten halt easyjet oder so. Insofern bin ich schon gespannt, was da am Freitag in Istanbul ausgelost wird. Nicht minder spannend ist allerdings die Frage, ob der SC am Freitagabend seinen ersten Heimsieg der noch jungen Saison einfährt. Mit anderen Worten: Es bleibt interessant…

Ich wünsche eine gute Woche!