Das Vorspiel
Am kommenden Sonntag geht es für unseren Sportclub im heimischen Schwarzwald-Stadion gegen den schwäbischen Rivalen VfB Stuttgart. Ungewohnt ist der Spieltag – ein Sonntag, die Anstoßzeit – 18 Uhr und nicht zuletzt die aktuelle Tabelle: Freiburg und Stuttgart haben nach zwei Spieltagen noch keinen einzigen Punkt auf dem Konto. Beide haben eine Torbilanz von -4. Dennoch steht der SC zusammen mit Leverkusen auf Platz 16, da Dominique Heintz in Sinsheim ein Tor geschossen hat. Bei gleicher Tordifferenz zählt in der Tabelle, wer mehr Treffer erzielt hat; das sind der SC und auch Leverkusen – beide mit einem Torverhältnis von 1:5. Bei Stuttgart lautet es 0:4. Das muss man sich dann auch wieder mal vergegenwärtigen: Die Schwaben haben trotz der Megakohle von Mercedes Benz, trotz eines Kaders mit großen Namen und dem Franzosen Pavard als weltmeisterliche Zier, in drei Pflichtspielen noch keinen Punkt geholt und kein einziges Tor erzielt – das Pokalaus bei Drittligist Hansa Rostock muss man ja noch mit einbeziehen in die Betrachtung. Da kann man sich schon vorstellen, was da für ein Druck im Kessel herrscht bei den Schwaben. Schon steht der nach seiner Verpflichtung verhöhnte und dann als Held gefeierte Trainer Tayfun Korkut im Kreuzfeuer der Kritik. Stuttgart setzt jetzt alles auf einen Erfolg in Freiburg. Das ist aus schwäbischer Sicht sozusagen alternativlos…
Eine solche Endzeitstimmung ist in Freiburg nach zwei Niederlagen zum Saisonauftakt undenkbar. Selbst wenn im Pokal in Cottbus nach dem Elfmeterschießen kein Sieg, sondern eine Niederlage zu verzeichnen gewesen wäre – ich bin sicher, man wäre problembewusst an der Dreisam – aber ruhig und halbwegs gelassen. Aber erstens ist der Sportclub im Pokal noch dabei, Kiel scheint zudem eine schwere aber ganz sicher keine unlösbare Auswärtsaufgabe zu sein und in der Liga gab es ergebnisunabhängig durchaus achtbare Leistungen zu beobachten.
Hier und da grummelt es trotzdem; weniger wegen der zahlreichen nicht genutzten Chancen – Nils Petersen und Florian Niederlechner sind, und das ist gut und richtig so, relativ unangreifbar, aber geschwätzt wird trotzdem über den einen oder anderen Spieler. Für mich war das der Anlass, für meine wöchentliche Kolumne in den Wochenzeitungen am Oberrhein, ein Thema zu wählen, in dem das bevorstehende Baden-Württemberg-Derby nicht wirklich eine Rolle spielt. Aber lest selbst:
SC INTEAM
Zunächst ein Blick in die Geschichtsbücher: Im Frühjahr 1994 verpflichtete der SC Freiburg Jörg Heinrich vom Oberligisten Kickers Emden. Heinrich stand in der Startelf des SC, die am 13. August des Jahres sang- und klanglos mit 3:1 beim Regionalligisten Stuttgarter Kickers aus dem DFB-Pokal flog. Für den Bundesligastart, eine Woche später in Karlsruhe, verlor Heinrich seinen Platz in der ersten Elf, wurde aber in der 60. Minute, beim Stand von 1:0 für den KSC eingewechselt. Zwei Minuten später stand es 2:0 und in der 69. Minute provozierte ein eklatanter Fehler des Bundesliganovizen die Notwendigkeit einer Notbremse, für die der bedauernswerte Axel Sundermann die Rote Karte sah. Viele Fans und Fachleute waren sich einig: Heinrich ist ein Fehlgriff. Eineinhalb Jahre später brachte der blonde Linksfuß dem SC bei seinem Transfer zu Borussia Dortmund – nach dem Cardoso-Transfer 2015 nach Bremen – die zweite Millioneneinnahme in der Vereinsgeschichte ein und wurde beim BVB Nationalspieler. Ein anderes Beispiel für den Freiburger Weg, junge Spieler auszubilden, reifen zu lassen und ihnen geduldig Fehler zu verzeihen, dürfte auch jüngeren Lesern ein Begriff sein: Im Sommer 2016 verpflichtete der Sportclub mit Caglar Söyüncü ein Abwehrtalent vom türkischen Zweitligisten Altinordu. Die Freiburger gaben sogar etwa 2,5 Millionen Euro für den Hoffnungsträger aus, der auf dem Platz ein bisschen wild wirkte. Sportlicher Tiefpunkt für den jungen Türken war am 16. September 2016 das 0:3 beim 1. FC Köln. Söyüncü trug an allen drei Gegentoren durch eklatante Fehler eine erhebliche Mitschuld. Fans und Fachleute rauften sich damals die Haare und hatten ihre Zweifel, ob aus Caglar Söyüncü mal etwas werden könnte. Vor wenigen Wochen wechselte der türkische Nationalspieler als Freiburger Rekordtransfer für mehr als 21 Millionen Euro zu Leicester City in die englische Premier League. Jörg Heinrich und Caglar Söyüncü sind zwei herausragende Beispiele für das Geschäftsmodell SC Freiburg im Haifischbecken Bundesliga. Es sind längst nicht die einzigen. Auch der spätere 20-Millionen-Transfer Maximilian Philipp war kein charismatischer Fußballheld als er – in seiner Heimat Berlin nicht wertgeschätzt – über die U19 von Energie Cottbus zur U19 des SC Freiburg kam und über die U23 und einen Talentplatz im Profikader des SC langsam heranreifte. „Milli“ war etwas schüchtern, blass und anfangs höchst selten eine Hilfe. In Freiburg gehören Mut, Phantasie und Geduld dazu, einen Spieler stärker zu machen und nach vorne zu bringen. Auch die größten späteren Fußball-Helden des SC hatten ihre „Katastrophenspiele“, wie die Beispiele zeigen. Deshalb wäre es ein großer Fehler, nach dem Kick in Hoffenheim, den Stab über Lucas Höler zu brechen. Alles wird gut. (Zitatende)
Ich freue mich, dass Christian Streich offenbar wieder fit ist und seit dem heutigen Montag wieder das Training leitet. Was er vor dem Spiel gegen den VfB zu sagen hat, welche Spieler fit sind und für die Startelf in Frage kommen, lässt er vielleicht am Freitag in der Pressekonferenz raus. Zumindest wird der Trainer einen Eindruck hinterlassen, den ich dann im Radio und natürlich hier im Tagebuch trefflich interpretieren kann. Und dann steht mein ganz persönliches Tripl an: Freitag Geburtstag mit Fescht, Samstag Einschulung meiner Tochter Amelie mit Fescht, Sonntag SC-Sieg gegen Stuttgart mit Fescht... Das sind doch wunderbare Aussichten!
Ich übertrage das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen VfB Stuttgart am Sonntag ab 17 Uhr live in der baden.fm-Bundesligashow.
Das Fußballspiel
(Mein 912. SC-Pflichtspiel im Radio)
Es war ein Spiel für die Zuschauer – und natürlich für die Radiohörer: Viele Tore, wechselnde Führungen, am Ende kein Sieger aber auch keine Demütigung.
Schon in der ersten Minute ging der SC nach gelungenem schnellem Umschaltspiel, einer traumhaften Flanke von Mike Frantz in den Rückraum am zweiten Pfosten, wo – das wussten die Freiburger – die VfB-Abwehr häufig Räume lässt. Jérôme Gondorf war zur Stelle und besorgte mit einem Hechtkopfball die Führung im Derby. Wie schon vor Wochenfrist in Hoffenheim gab es auch gegen Stuttgart eine exzellente Chance, die Führung auszubauen. Nils Petersen hatte sie, als er mit dem ihm eigenen Torinstinkt einer hohen Rückgabe auf Pavard hinterher spurtete und der Weltmeister von Petersens Auftauchen in seinem Rücken offenbar überrascht, den vom Freiburger Stürmer erhofften Fehler machte. Plötzlich stand Nils frei vor Ron Robert Zieler. Da der Ball auftrumpfte, versuchte Freiburgs Torjäger Nummer 1 die Kugel über den Stuttgarter Keeper hinweg ins Tor zu lupfen, was dieser jedoch erahnte und mit einer spektakulären Parade verhinderte (36. Minute). Vier Minuten zuvor hatte ein langes Bein von Pavard, der den Ball gerade noch wegspitzelte, einen möglichen Treffer von Haberer verhindert.
So ging es „nur“ mit einer verdienten 1:0-Führung in die Pause – dachten alle, in der 44. Minute gab es aber noch einmal Eckball für die aktiveren aber bis dahin völlig harmlosen Schwaben. Im Strafraum wurde die hohe Hereingabe von Freund und Feind verpasst und landete außerhalb des Strafraums, fast schon im Halbfeld, bei Emiliano Insua. Der Argentinier war dermaßen nicht abgedeckt und hatte so viel Zeit, dass er in aller Ruhe einen gezielten Schrägschuss aus der Distanz abfeuern konnte. Alexander Schwolow vor dessen Kasten aus der Eckballsituation noch ein Menschenauflauf zu finden war, sah das Geschoss erst sehr spät und konnte den Ball auf dem Weg ins lange Eck nicht mehr abwehren. Stuttgarts erster Schuss aufs Tor brachte den Ausgleich. Dann war Halbzeit.
Kaum wieder auf dem Platz, konnten die Stuttgarter schon wieder jubeln: Mario Gomez tauchte plötzlich frei vor Schwolow auf, scheiterte beim ersten Versuch am SC-Keeper, netzte den zweiten Versuch – also im Nachschuss – dann aber ein. Plötzlich führte Stuttgart fünf Minuten nach der Pause in einem Spiel, dass der SC in der ersten Hälfte taktisch clever agierend beherrscht hatte.
Der SC wehrte sich, was dem Publikum äußerst gut gefiel. Gondorf, gegen die Schaben als offensiver Außenbahnspieler aufgeboten, trat drei Minuten nach der Stuttgarter Führung zum Freistoß an und versenkte die Kugel aus gut 20 Metern hart und platziert im Torwarteck. 2:2. Alles gut? Mitnichten! Mario Gomez bewies einmal mehr seine Extraklasse und erzielte in seinem persönlichen 12. Match gegen den SC Freiburg den 12. Treffer – an diesem Tag war es sein Zweiter, zum 2:3: Stuttgart kombinierte über links, Insua flankte und der Kopfballwischer von Gomez war für Schwolow unhaltbar.
Für die ausgedehnte Schlussphase brachte der von seiner Bandscheiben-Krise genesene Christian Streich in der 68. Minute mit Luca Waldschmidt einen frischen Stürmer. Der ehemalige Hamburger führte sich gut ein, als er in der 71. Minute nach einer starken Kombination der Platzherren mit einem Heber die Latte des Stuttgarter Tores anvisierte. In der 81. Minute durfte Waldschmidt dann befreit jubeln: Wieder hatte sich der Sport-Club sehenswert durch die dicht bevölkerte Stuttgarter Hälfte kombiniert. Bedient von Dominique Heintz, zog Waldschmidt aus spitzem Winkel ab und der Ball rauschte, leicht abgefälscht von Pavard, ins Schwaben-Netz.
Der Nervenkrieg war damit aber noch lange nicht erledigt, denn kurz nach dem Ausgleich sah Pascal Stenzel die Gelb-Rote Karte. Alle, die auf weitere stürmische Angriffe der Freiburger und einen möglichen Siegtreffer gehofft hatten, mussten ihre Erwartungen nun zurückschrauben und – mit der Mannschaft in Unterzahl – um den Punkt zittern. Erst eine letzte Parade von Schwolow, tief in der Nachspielzeit, machte das 3:3 perfekt.
Das Nachspiel
Jetzt kann ich es ja zugeben – mein persönlicher Einsatz in der Bundesligashow stand leicht auf der Kippe. Ich hatte mich am Spieltag hundsübel gefühlt und den Sonntag bis zur Abfahrt ins Stadion im Bett verbracht. Ich hatte alle Merkmale einer Magen- und Darmgrippe, setzte aber darauf, dass mich das Adrenalin beim Spiel, wie schon so oft bei kleinen Erkrankungen, nach vorne bringen würde. So schleppte ich mich mehr schlecht als recht zum Stadion. Hier traf ich, auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz, Jürgen Schmidt vom DRK-Dienst im Schwarzwald-Stadion. Da wir uns auch über andere Kanäle kennen, erzählte ich ihm von meinen Malaisen und er lud mich ein, eine Ärztin aus seinem Team aufzusuchen. Ich wollte erst noch meine Übertragungstechnik anschließen und checken, danach würde ich kommen.
Wenig später fand ich mich in den Stadionkatakomben auf einer Liege wieder und hing am Tropf. Unter anderem war – vor dem Spiel – ein Blutdruck von 180 gemessen worden. Nun bekam ich, während die baden.fm-Bundesligashow bereits begonnen hatte, ein Schmerzmittel und ein Blutdruck senkendes Mittel intravenös zugeführt. Ich spürte sofort eine Linderung und durfte nach 20-minütiger Behandlung wieder los. 30 Minuten vor dem Anpfiff nahm ich meine Arbeit auf. Alles ging gut. Auf diesem Wege noch einmal herzlichen Dank an das DRK-Team und die hübsche junge Ärztin von der Uniklinik, die her ehrenamtlich ihren Dienst verrichtete und mir gemeinsam mit dem DRK-Team bestens geholfen hat. Merci beaucoup!
Ich hatte mir anscheinend einen Virus eingefangen, der mich noch einige Tage begleitete aber dessen unangenehme Folgen inzwischen (es ist schon Freitag der Folgewoche) stark abgeflaut sind.
So schlimm wie am Sonntag wurde es auch nicht mehr, weshalb ich auch im Verlag meinen Job machen konnte. Unter anderem entstand in diesem Rahmen meine Kolumne „SC INTEAM“ für alle WZO-Wochenzeitungen – hier ist sie im Wortlaut:
SC INTEAM
„Eigentlich haben wir in den vergangenen Jahren genug Demütigungen gegen die Schwaben erfahren – heute muss endlich mal was gehen, gegen den VfB!“ Mit diesen Worten begrüßte mich ein leitender Mitarbeiter des SC-Managements als ich am vergangenen Sonntag am Schwarzwald-Stadion ankam. Die 1:2-Auswärtsniederlage im DFB-Pokal-Halbfinale 2013 kam mir als Erstes beim Thema „Demütigungen gegen den VfB“ ins Gedächtnis. So groß war zuvor die Hoffnung gewesen … Das 1:4 in Freiburg von 2014 war auch sehr bitter und die beiden Schlappen aus der Vorsaison: Das 0:3 von Stuttgart, eingeleitet durch den frühen unberechtigten Platzverweis gegen Söyüncü, sowie im Rückspiel das 1:2 und der Doppelpack von Mario Gomez. „Ja, das reicht eigentlich mit den Demütigungen“, dachte ich bei mir, wenngleich fürchtend, dass Gomez, der egal wann und für wen er gerade spielt, gegen Freiburg immer seine Tore macht, auch am dritten Bundesligaspieltag wieder einen Doppelpack schnüren würde. Eine Demütigung wurde es aber nicht, denn der SC wusste sich am Sonntag zu wehren, schoss selbst drei Treffer gegen die Schwaben, für die auch Insua noch getroffen hatte, und verdiente sich so den ersten Punkt der jungen Saison. Alle drei Freiburger Tore wurden von Neuzugängen erzielt: Jérôme Gondorf, der seinen Platz in der Mittelfeldzentrale an den genesenen Janik Haberer abtreten musste und als offensiver Außenbahnspieler unterwegs war, traf gleich zwei Mal; Luca Waldschmidt bewies Joker-Qualitäten, als er – für die letzten 20 Minuten eingewechselt – in dieser kurzen Spielzeit einmal die Latte anvisierte und beim zweiten Versuch zum verdienten 3:3-Ausgleich ins Netz traf. Keine Frage: Der SC hat anno 2018 gut eingekauft und die Jungs sind bereits bestens integriert. Wenn der ebenfalls genesene Joric Ravet wieder in Wettbewerbsverfassung ist, wird der Franzose nach seiner langen Verletzungspause auch fast wie ein Neuzugang zu betrachten sein und dann kommt noch – am Sonntag bereits auf der Bank – der ungarische Internationale Roland Sallai zum Zuge. Christian Streich hat dann im Offensivbereich tatsächlich die berühmte Qual der Wahl. Der Konkurrenzkampf in allen Mannschaftsteilen wächst, denn auch in der Abwehr und im defensiven Mittelfeld gibt es – mit Ausnahme des linken Verteidigers – für jede Position mindestens zwei hochkarätige Kandidaten. Die Konkurrenzsituation im Training sollte, ebenso wie die Möglichkeit zur Rotation und im Laufe des Spiels Qualität nachzuladen, die Mannschaftsleistung im Wettbewerb verbessern. Das tut auch Not, denn der SC lässt nach wie vor für den Gegner zu einfach Tore zu und lässt selbst zu viele klare Chancen ungenutzt. Prognose: Die Steigerung wird gelingen. (Zitatende)