33. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen 1. FC Union Berlin

Samstag, 7. Mai 2022, 15.30 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - 1. FC Union Berlin *

Das Vorspiel

Die aufregendste Phase der Saison steht uns bevor. Unser SC tanzt auf zwei Hochzeiten – Ausgang ungewiss…

In der Bundesliga geht es morgen Nachmittag im ausverkauften Europa-Park Stadion gegen den meistens sehr unbequemen Gegner Union Berlin und am letzten Spieltag bei den an manchen Tagen so bärenstarken Leverkusenern um den Ertrag der ganzen Saison. Vor dem Pokalfinale am Samstag, 21. Mai, im Berliner Olympiastadion gibt es in der Liga drei Möglichkeiten: Den ganz großen Wurf durch Teilnahme an der Champions League – dazu sind vermutlich zwei Siege nötig; nicht wahrscheinlich, aber möglich. Genauso ist es möglich, dass der SC Union weghaut und Leipzig am Sonntag die nach den Spielen gegen Union, Gladbach und Glasgow auch gegen Augsburg verkackt und der SC schon eine Woche vor Ultimo die Champions League Teilnahme sichert. Man darf ja träumen…

Realistischer und ein großes Ziel ist das Erreichen der Europa League. Ein Punkt gegen Union würde dafür reichen. Ich fände es cool und würde mich freuen, wenn das morgen klar gemacht würde. Natürlich streben Sportler immer nach dem Allerhöchsten, es sollte aber nicht dazu führen, dass etwa die Europa League zum Trostpreis wird – das wäre fatal. Von mir aus akzeptiere ich die Conference League als Trostpreis. Ich habe heute einen Journalisten prognostizieren hören, dass der SC noch auf Rang sieben zurückfällt und dann Conference League spielen würde… wenn er nicht doch noch als Pokalsieger in die Europa League einzieht. Egal, wie es kommt – Ein Startplatz für Europa und die Teilnahme am DFB-Pokalfinale – für mich ist das die größte Saison, die ich bislang als Radio-Kommentator an der Seite des SC Freiburg begleiten darf; noch vor Platz 3 im Jahr 1995… (Mehr dazu in einem besonderen Rahmen etwas später)

 

Es ist fast schon ein Jahr her, dass der engagierte SC-Fan Harald Höfler als Rektor der Landeck-Schule in Bad Krozingen pensioniert wurde. Als Abschiedsgeschenk hat der allseits beliebte Rektor von seinem Kollegium unter anderem das Geschenk bekommen, einmal im Radio, an meiner Seite, als „Co.“ ein SC-Spiel zu kommentieren. Mit baden.fm-Geschäftsführer Christian Noll, meinem Boss im Funkhaus Freiburg, und dem SC war alles geregelt – aber es war halt Corona. Morgen ist jetzt der große Tag für den kleinen, sympathischen Mann, der zeitlebens seine Liebe und Sympathie zu Kindern ausgestrahlt hat. Jeder Elternabend mit Höfler war ein Plädoyer des Rektors für die Belange der Kinder. Ich weiß das, denn ich hatte selbst zwei Kinder auf der Grundschule, die einst auch Torwart Oliver Baumann besucht hat. Morgen fahren wir gemeinsam zum Europa-Park Stadion und kommentieren den Kick gegen Union. Das wird bestimmt nett…

Ich weiß, wie schwierig und eng die Spiele gegen die besonders abwehrstarken Köpenicker stets sind. Ihre schnellen Spitzen, besonders den Niederländer Becker, fürchte ich obendrein. Ich bin aber Optimist, denn der SC spielt eine außergewöhnliche Saison, ist zu Außergewöhnlichem fähig und hätte – als Belohnung für eine so fantastische Saison – eine außergewöhnliche Platzierung verdient. Das wird ein heißer Kampf, morgen Nachmittag.

Und hintendran geht es dann nach Denzlingen, wo mein Junior Ben, der zu seiner Grundschulzeit auch zu Harald Höflers Landeckschule ging, mit seinen Komplizen von der SG Markgräflerland das vorletzte Saisonspiel der C-Junioren-Bezirksliga bestreitet und vielleicht sogar vorzeitig den Meistertitel und den Landesligaaufstieg erreicht, wenn die Jungs gewinnen und der einige verbliebene Konkurrent, JFV Tuniberg, in Elzach stolpert… Die kicken schon um 14 Uhr – mal abwarten. Spannend wird es morgen an allen Fronten…

Wo und wie das Ganze für den SC endet, ist noch nicht abzusehen. Dennoch habe ich gestern und heute schon mal 98 Prozent eines Vortrages verfasst, den ich am Mittwoch im Rotary Club Bad Krozingen halten werde. Titel: „Traumsaison mit Happy-End? Hintergründe zur Situation des SC Freiburg“

An ein paar Stellen muss ich dann nach dem Bundesligawochenende noch einmal aktualisieren bzw. meine Aussagen und Prognosen auf den aktuellen Stand bringen.

Meine geschätzte Lesergemeinde vom SC-Tagebuch darf aber schon mal schmökern und abschätzen, ob ich in meinen grundsätzlichen Einschätzungen über den SC richtig liege…

Also viel Spaß beim Lesen:

 

Rotary Club Bad Krozingen

Vortrag vom 11. Mai 2022,

Restaurant Dipiu, Bad Krozingen

 

Frank Rischmüller: Traumsaison mit Happy-End? Hintergründe zur Situation des SC Freiburg

 

Als der SC Freiburg im Mai 1995 in der Abschlusstabelle der Fußball-Bundesliga auf Platz 3 stand – bis heute die beste Platzierung in der Vereinsgeschichte – war das eine Sensation; ein Ausreißer nach oben.

Wenn eine Mannschaft so außergewöhnlich erfolgreich ist – im Grunde deutlich über Wert abschneidet, hat das häufig eine besondere Ursache – eine Vorgeschichte.  Oft ist es etwas Großartiges, das die Mannschaft zusammenschweißt und im nächsten Jahr zu einer Leistungsexplosion führt, weil die Mannschaft in einen Flow gerät, wie man neudeutsch sagt. Das ist im Bundesligabetrieb ein Muster und taucht immer wieder mal auf.

Der Auslöser dieses Flows, der die Mannschaft 1995 bis auf Platz drei der Bundesliga spülte, war damals für den SC als komplettem Bundesliga-Neuling, der sensationelle Klassenerhalt in der Aufstiegssaison 93/94. Das war ein Riesenabenteuer, eine Party, aber auch ein Marathon am Rande des Abgrunds gewesen, die ganze Saison lang.

Besonders krass war es in der zweiten Saisonhälfte, als Siege extrem selten wurden. Ich weiß das noch sehr genau, denn es war mein erstes halbes Jahr als Radiokommentator an der Seite des SC.

Die Frühjahrsrunde begann Anfang Februar 1994 – das war mein Einstieg in Freiburg – den ersten Sieg durfte ich aber erst am 23. April feiern, das war fast ein Vierteljahr später. Es war der legendäre 0:4-Sieg in Stuttgart.

Und dann gab es halt, gefühlt schon abgestiegen, insgesamt drei Siege zum Saisonende, zeitgleich drei Niederlagen des Konkurrenten Nürnberg – und für den SC bedeutete dieses Finale furioso am Ende den Last-Minute-Klassenerhalt in Duisburg.

So etwas schweißt zusammen und setzt neue Kräfte frei und es ist tatsächlich ein sich wiederholendes Muster, dass Mannschaften nach einem solchen Erlebnis im Folgejahr ein Quantensprung gelingt. So war das, neben der revolutionären Finke-Taktik und ein paar guten Ergänzungen im Kader damals in den 90ern, als der SC oben in der Tabelle wilderte und am Ende Dritter wurde

 

Der Erfolg, der den SC Freiburg in dieser Saison begleitet, hat ganz andere Hintergründe.

 

Er ist – wenn man so will – geplant oder zumindest geplanter als der Erfolg von 1995.

Die Unterschiede möchte ich heute ein wenig beleuchten – verbunden mit ein paar Informationen für Nicht-Fußballfans, was denn jetzt gerade passiert, was möglich ist und worüber man sich beim SC Freiburg gerade freuen kann.

 

Seitdem der SC Freiburg in der Bundesliga spielt, gilt er als Ausbildungsverein. In der eigenen Freiburger Fußballschule, werden von 12-jährigen Talenten angefangen, bis zur U23 in der bundesweiten 3. Liga, einer Profiliga, in der die U23 des SC seit einem Jahr mitmischen darf, junge Fußballer ausgebildet.

Der Begriff Ausbildungsverein meint aber auch, dass junge Profis, also Talente anderer Vereine, für überschaubare Ablösesummen geholt werden und nach einem oder auch mehreren Jahren für deutlich mehr Geld wieder transferiert, also verkauft werden.

 

Der SC Freiburg als Durchlauferhitzer könnte man kritisch sagen – das ist aber – in Summe mit der eigenen Fußballschule und den sogenannten Eigengewächsen im Kader - das Geschäftsmodell, um an diesem Standort, in einer eher kleinen Großstadt, mit Grenznähe zu Frankreich und zur Schweiz und entsprechend weniger natürlicher „Sponsorensubstanz“ als die Konkurrenz hat, Fußball-Bundesliga zu realisieren.

Was bedeutet das?

Die Scouts und Trainer beim SC müssen bei jungen, unfertigen Fußballern die Fantasie haben, dass diese Talente fußballerische Kapazitäten mit sich bringen, um am Standort Freiburg dazuzulernen und bessere, wertvollere Fußballer zu werden und dann den nächsten Karriereschritt zu gehen.

Die höheren Ablösesummen, die die hier ausgebildeten Spieler dem SC beim Weitertransferieren einbringen, finanzieren den Profifußball auf hohem Niveau an diesem Standort.

Günstig einkaufen – ausbilden – teuer weiterverkaufen. Das ist das Prinzip.

Und es funktioniert klasse: Seit rund 30 Jahren befindet sich der SC Freiburg in der Top-25 der besten deutschen Fußballmannschaften. Meistens sogar in der 1. Liga, also Top-18.

In den vergangenen beiden Jahren war es immer Top-10, einmal Achter, einmal Zehnter in der Endabrechnung. In dieser Saison – kontinuierlich von Anfang an immer Top-6.

Momentan sogar Top-4 und obendrein im Finale des DFB-Pokals; ein Novum in der 118-jährigen Vereinsgeschichte.

Vierter in dieser Saison wäre am Ende übrigens für den Verein viel mehr wert als der dritte Platz 1995. Es wäre, wenn es denn gelänge, rückblickend auch aufwendiger.

Das hat mehrere Gründe:

Die Schere zwischen Arm und Reich – besser gesagt zwischen Reich und Superreich – ist (nicht nur im Fußball) mit den Jahren immer weiter auseinandergegangen. Heute als SC Freiburg da oben in der Tabelle zu „wildern“ ist deutlich schwieriger als vor drei Jahrzehnten, weil die Abstände der wirtschaftlichen Möglichkeiten einfach viel, viel größer geworden sind.

 

Die Konsequenzen, wenn man Platz 4 tatsächlich erreichen würde, wären auch bedeutender:

Anno 2022 wird Platz vier in der Bundesliga mit der finanziell unglaublich lukrativen Champions League-Teilnahme belohnt.

1995 reichte Platz 3 noch nicht dafür aus – nur der Meister und der Vizemeister kamen damals in die Königsklasse; Der dritte Platz des SC im Jahr 1995 wurde mit der erstmaligen Teilnahme am UEFA-Cup belohnt und es war großartig (ganz nebenbei bemerkt).

Finanziell lagen und liegen allerdings Welten zwischen Champions League und UEFA Cup, der heutigen Europa League.  Ich werde später darauf eingehen.

 

Ich hatte eingangs gesagt, dieser Erfolg von 2022 habe andere Hintergründe als jener von 1995, zu diesem Roten Faden möchte ich jetzt zurück. Denn in gewisser Weise bedingt ja das Prinzip des Durchlauferhitzers, also des Ausbildungsvereins, der seine besten Spieler immer wieder verkauft, um existieren zu können, sportlich eine gewisse Stagnation.

Wenn man immer wieder von vorne anfangen muss, mit jungen Azubis im Fußballsport, gilt halt – objektiv – Top-25 in Deutschland als das Höchste der Gefühle.

Genug andere Vereine, die es auf ähnliche Weise versuchen, wären gerne in der Position des SC Freiburg – seit drei Jahrzehnten Top-25. Ein Selbstläufer ist das nämlich nicht. Die Handlungsträger müssen schon richtig gut sein; die Scouts, die Ausbilder also die Trainer, das ganze Umfeld muss stimmen. Beim SC gibt es nicht nur Trainer Mediziner und Physiotherapeuten, sondern auch Pädagogen und zum Beispiel Sprachlehrer für die Ausländer und so weiter.

Das muss alles top funktionieren und auch die Öffentlichkeit, die Fans, die örtlichen Medien, müssen hinter diesem besondern Prinzip Ausbildungsverein stehen und es fördern, damit in Ruhe und kontinuierlich, mit verlässlichem und gleichbleibendem Führungspersonal gearbeitet werden kann.

Das ist hier in Freiburg, anders als an anderen Standorten, alles gegeben und unter diesen besonderen Voraussetzungen kann man hier in Freiburg über Jahrzehnte Top-25 in Deutschland sein.

Aber Top-4, 5 oder 6? Da braucht es mehr. Da muss also irgendetwas passiert sein…

 

Ich persönlich bin überzeugt: Einer der Gründe für den Erfolg – wenn auch indirekt – steht neben dem  Flugplatz, am Rande des Mooswalds…

Das neue Stadion mit 34.700 Plätzen war ein großes Politikum in Freiburg. Es gab einen klaren Bürgerentscheid dafür – es gab aber auch deutlich hörbare Gegenstimmen. Es gab sogar Klagen und Gerichtsprozesse.

Der „Worst Case“ für die Verantwortlichen des SC Freiburg wäre es gewesen, vor dem Einzug ins neue Stadion, das inzwischen Europa-Park Stadion heißt, aus der Bundesliga abzusteigen und als Zweitligist da hineinzugehen…  Auch wenn so ein Abstieg sportlich immer möglich und im Konzept quasi eingepreist ist und sich der SC ja immer noch in dieser Top-25-Rangliste bewegt hätte, wäre der Zeitpunkt eines sportlichen Abstiegs vor dem Einzug ins neue Stadion in vielfacher Hinsicht eine gefühlte Katastrophe gewesen.

Was war die Reaktion darauf?

Der SC, der über Jahrzehnte gut gewirtschaftet hatte, selten Risiken eingegangen ist, hat in jüngster Vergangenheit einen etwas anderen Weg betreten: Er hat ganz konkret vor dieser Saison, in der es den Einzug ins neue Stadion geben sollte, eben nicht mehr seine besten Spieler abgegeben; die Leistungsträger blieben zusammen.

Die Folgen: Automatismen im Spiel schärfen sich plötzlich nicht nur für eine Saison, sondern für zwei, drei Jahre. Das Gleiche gilt für die Entwicklung der Spieler selbst, die jetzt etwas länger in diesem „Durchlauferhitzer“ Freiburg blieben und da tatsächlich immer noch ein bisschen besser werden.

 

Eine Namen und Zahlen zum Thema „Verkauf von Leistungsträgern“:

2017 – Philipp und Grifo – 26 Mio

2018 – Söyüncü – 21 Mio

2019 – kein L-Träger verkauft

2020 – Waldschmidt, Koch und Schwolow – 35 Mio

 

 

Vor zwei Jahren war also relativ viel Geld in der Kasse und der Einzug ins neue Stadion rückte perspektivisch immer näher. Bloß nicht vor dem Einzug oder im ersten Jahr im neuen Stadion absteigen! Das war, glaube ich, handlungssteuernd.

2021 gab es keine namhaften Spielerverkäufe.

Der „Ringtausch“ Santamaria / Eggestein fand statt, hatte aber keine wirtschaftlichen Hintergründe und verlief sportlich folgenlos.

Festzuhalten ist: Vor der Saison 21/22 gab es keinen Substanzverlust durch Transfers!

 

Einige Spieler des Kaders dieser laufenden Saison erlebten und erleben in diesem Jahr große individuelle Entwicklungsschritte:

Torwart Mark Flekken zum Beispiel trumpft so stark auf, dass er niederländischer Nationaltorwart wird.

Der Österreichische Nationalverteidiger Philipp Lienhart macht einen Leistungssprung und wird in der SC-Defensive zu einer festen Größe.

 

Nico Schlotterbeck, ebenfalls Innenverteidiger, macht in Freiburg einen riesigen Entwicklungsschritt wird A-Nationalspieler für Deutschland und gilt für TV-Experten wie Didi Hamann als – Zitat – „derzeit bester deutscher Innenverteidiger“.

Linksverteidiger Christian Günter, seit frühester Jugend beim SC, steigert sich und wird wieder für die Deutsche Nationalmannschaft berufen.

Ebenfalls ein Freiburger Urgestein ist Nicolas Höfler im zentralen Mittelfeld. Die Rolle, die er spielt, verlangt fußballerisch unglaublich viel ab. Höfler ist technisch beschlagen, nervenstark ruhig am Ball – im Ergebnis ballsicher. Er ist – allerdings eher im Verborgenen - Rhythmusgeber und Chef im Ring. Ich nenne ihn immer gerne den „Strategen im zentralen Mittelfeld“.  Wie wichtig Höfler ist, fällt erst auf, wenn er mal fehlt. Und Höfler spielt eine bärenstarke Saison.

Der ungarische Außenbahnspieler Roland Sallai, A-Nationalspieler für sein Heimatland, war vor seiner Freiburger Zeit ein internationaler Wandervogel, häufig verletzt und sehr wechselhaft in seinen Leistungen. In Freiburg hat Sallai so etwas wie eine neue Heimat gefunden, wird hier dauerhaft sesshaft und stabilisiert seine Leistungen. Er ist heute Stammspieler beim SC.

Der Deutsch-Italiener Vincenzo Grifo hatte sein Glück bei anderen Clubs, wie Mönchengladbach und Hoffenheim probiert, ist insgesamt drei Mal zum SC gekommen – also zweimal zurückgekommen – er funktioniert scheinbar nur im SC-Trikot so richtig gut. Grifo gehört in dieser Saison zu den absoluten Leistungsträgern im Team.

Viel Geduld beweist das Trainerteam mit dem Südkoreaner Wooyeong Jeong, den der SC von Bayern München II geholt hatte und über mehrere Jahre Stück für Stück an die Bundesliga herangeführt hat. Inzwischen spielt der quirlige Offensivspieler regelmäßig und oft sehr gut – er hat einfach etwas Besonderes in seiner Spielweise.

Eine Karriere wie vom Tellerwäscher zum Millionär hat der Stürmer Lucas Höler hinbekommen. Höler hat die Ochsentour durch die Niederungen des Fußballs gemacht, bis er über den SV Sandhausen in der 2. Liga und dann beim SC Freiburg in der Bundesliga gelandet ist.

Anfangs wurde Höler wegen  technischer Mängel verlacht und von Teilen des Publikums sogar offen abgelehnt. Die Entscheider schätzten aber seine Mentalität, sein taktisches Verständnis und sie hatten die Fantasie, dass er sich in Freiburg fußballerisch weiterentwickeln würde. Sie haben recht behalten: Lucas Höler ist heute absoluter Stammspieler und der SC war froh, richtig froh, dass der Spieler trotz zahlreicher Angebote anderer Vereine, im vergangenen Jahr seinen Vertrag beim SC verlängert hat. Christian Streich hat das intern richtig gefeiert.  Auch, weil Höler die Freiburger Denk- und Spielweise – „Abwehrarbeit fängt im Angriff an“ – beispielhaft vorlebt und umsetzt.  

Dann gibt es natürlich noch das Fan-Idol Nils Petersen – Deutschlands erfolgreichster Einwechselspieler aller Zeiten – der hat diese Rolle, meistens zunächst auf der Bank zu sitzen, ohne zu murren angenommen und trifft extrem oft, wenn er dann für die zweite Halbzeit oder die letzten 10 oder 20 Minuten eingesetzt wird.

Ich kann hier ja nicht alle Spieler nennen und vorstellen, dazu kommen aber noch die hoch  talentierten Jungs aus dem eigenen Unterbau, der U23, die in der bundesweiten 3. Liga spielt und Talente für die erste Mannschaft produziert: Kevin Schade und Noah Weißhaupt haben bei ihren erste Bundesligaeinsätzen in dieser Saison da schon auffällige Farbtupfer gesetzt, andere wie Killiann Sildillia oder Robert Wagner stehen in den Startlöchern.

All diese Jungs mit ihren besonderen Qualitäten und persönlichen Reifeprozessen spielen jetzt in Freiburg nicht nur ein Jahr, sondern zwei, drei Jahre, die meisten sogar noch mehr Jahre miteinander Fußball.

Es sind meistens gereifte Spieler in einer gemeinsam gereiften Mannschaft und das schlägt sich sportlich nieder und lässt sich an der Erfolgsbilanz ablesen:

In der Bundesliga ist – Stand heute - das Erreichen der UEFA Champions League möglich.

(Aktuelle Situation einfügen)

 

 

Am Samstag, 21. Mai, steht der SC Freiburg erstmals in seiner 118-jährigen Vereinsgeschichte im Finale des DFB-Pokals. Medial läuft das Spiel, wie schon das Halbfinale in Hamburg auf allen Kanälen, frei empfangbares Fernsehen, Pay-TV, wir vom Radio – Deutschland und Fußballfans aus der ganzen Welt schauen dann nach Berlin.

Weit über 20.000 SC-Fans aus Südbaden und ganz Deutschland werden im Olympiastadion dabei sein – einige, da ohne Ticket – auch nur in der Stadt. Viele Zehntausende in Freiburg und Umgebung werden zu den Public Viewings strömen.

Schon die Finalteilnahme ist von der sportlichen Bedeutung her so groß, dass ich hier nicht über Geld sprechen möchte, obwohl das Ganze natürlich auch lukrativ ist. Das Sportliche, das Symbol ist aber wichtiger und Größer als alles andere; schon durch die Teilnahme an diesem Finale alleine.

Der Pokalsieg würde das alles noch einmal toppen. Der Gegner, Leipzig, eigentlich ein Marketingkonstrukt des Global Players Red Bull hat allerdings wirtschaftlich ganz andere Möglichkeiten als der SC und gilt gemeinhin als Favorit.

Die andere große Challenge ist die Bundesliga, in der – so viel steht seit dem Sieg in Hoffenheim vor 10 Tagen fest – der SC einen Startplatz für einen der drei europäischen Wettbewerbe, Im günstigsten Fall für die Champions League erreichen wird; dazu bedarf es Platz 3 oder 4, großartig wäre auch die Europa League, dazu bedarf es Platz 5 oder 6 – oder ggf. den Pokalsieg, der auch dafür qualifiziert – oder eben die UEFA Conference League, deren Teilnahme sich in dieser Saison der Siebte der Bundesligatabelle sichern wird.

Wo es endet, ist vor dem letzten Spieltag noch offen.

 

--- Die aktuelle Situation einfügen ---

 

Sollte sensationeller Weise die Teilnahme an der Champions League möglich werden, hätte der SC gesicherte Einnahmen in Höhe von rund 25 Millionen Euro…

 

Ich persönlich halte es für wichtig, dass es am Fußballstandort Freiburg keine Situation geben kann, in der zum Beispiel das Erreichen der Europa League (mit Einnahmen im einstelligen Millionenbereich) als Enttäuschung wahrgenommen wird, weil dann ja die Champions League verpasst wäre. Das darf bitte nicht passieren.

Die Saison ist schon jetzt grandios und unglaublich erfolgreich, mit der Finalteilnahme im Pokal als Sahnehäubchen. Und die Hintergründe sind andere als Platz drei im Jahr 1995, wie ich versucht habe deutlich zu machen.

Ich schätze mich wirklich sehr glücklich, beides als Radiokommentator aus nächster Nähe miterlebt zu haben und mitzuerleben. Ich bin dankbar dafür,

 

It’s only soccer – but I like it…

(Ende des Rotary-Vortrags)

 

Jetzt noch die Daumen drücken, dass Arminia Bielefeld heute Abend in Bochum gewinnt und Morgenluft im Abstiegskampf schnuppert - vielleicht hauen die "Blauen von der Alm" dann auch nächste Woche die "Dosen" aus Leipzig wegund helfen dem SC dabei, einen fast schon unwirklich wirkenden Traum zu realisieren...

 

Ich kommentiere das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen 1. FC Union Berlin am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.052. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Union Berlin ist und bleibt der Angstgegner des SC Freiburg in der Bundesliga – gut, dass Union nicht der Finalgegner im DFB-Pokal geworden ist, könnte man sagen…

Am 33. Bundesliga-Spieltag boten die Köpenicker jedenfalls eine bärenstarke Leistung, zu der sich dann auch noch das Glück des Tüchtigen gesellte. Glück hatten die Gäste bei der Entstehung des 0:1 in der 11. Minute, als Maximilian Eggestein eine Flanke vom starken (und viel zu ungestörten) Becker beim Abwehrversuch mit dem Oberschenkel an den Pfosten lenkt. Der Abpraller rollt parallel zur Torlinie zum völlig freistehenden Prömel, der den Zufall nutzt und die Kugel aus kürzester Distanz über die Linie drückt.

Eine Schlüsselszene für den weiteren Spielverlauf – wieder extrem glücklich für Union – spielte sich dann in der 23. Minute ab. Roland Sallai bedient Lucas Höler mit einem langen hohen Pass, Letzterer setzt sich, nach einem Kopfballduell mit dem Berliner Jaeckel durch und schließt zum 1:1-Ausgleich ab. Das Stadion tobt, ich jubele am Mikrofon wie ab, über die Stadionlautsprecher läuft die Torhymne und Lucas Höler wird als Torschütze gefeiert. Anspiel für Union, der Ball liegt bereit… aber Schiedsrichter Felix Brych zögert, geht mit der Hand zum Knopf im Ohr und bekommt offenbar Hinweise aus dem Kölner Keller. Der VAR prüft, ob das Tor regulär gefallen ist. Nach längerem Warten zeichnet Brych das Rechteck in die Luft und schlägt sich auf den Unterarm – „Videoentscheid, Handspiel“ soll das wohl heißen. Es gibt Freistoß für Union – das Tor zählt nicht.

Ich kann mir die Entscheidung nicht erklären – in der Livesituation war das Handspiel nicht zu erkennen. Ich weiß aber auch – unabhängig von Absicht und solchen Argumenten, gilt ein Tor nicht, wenn ein Handspiel eine Rolle spielt. Ich sehe die Situation auf dem Bildschirm der öffentlich-redlichen Kollegen in der Reporterreihe vor mir – und kann immer noch kein Handspiel erkennen. Der Ball springt aus kürzester Distanz vom Kopf des Berliners an den Oberarm von Lucas Höler, allerdings so hoch, dass es gewöhnlich nicht als Hand gewertet wird; der Ball berührt das Textil des Kurzarmtrikots, also Achsel-Höhe – das ist kein Handspiel. Später wird sich Christian Streich zurecht vor allem darüber aufregen, dass sich Brych nicht selbst ein Bild von der Situation gemacht hat, sondern komplett auf die fragwürdige Einschätzung von Markus Schmidt aus Stuttgart, der im Kölner Keller sitzt, vertraut.

So bleibt es beim 0:1 und Union ärgert den SC weiter… In der 30. Minute  flankt der an diesem Tage überragenden Niederländer Becker ins Zentrum, wo Trimmel wuchtig zum Kopfball kommt und das 0:2 erzielt. Es soll bis zur Pause sogar noch schlimmer kommen. In der 41. Minute versucht Nico Schlotterbeck einen Ball per Kopf zu klären und im Spiel zu halten, statt auf Nummer sicher zu gehen und die Kugel ins Seitenaus zu befördern. Der Ball landet bei Becker, geht zum nicht minder flinken Awoniyi, der Becker wieder in den Lauf spielt und der beste Unionler an diesem Tag sprintet Richtung Tor und zieht aus spitzem Winkel ab – 0:3. Halbzeit.

Die bekannt starke Defensive der Köpenicker, verbunden mit wirklich starkem schnellen Umschaltspiel und höchster Effizienz haben Freiburg schon zur Pause den Zahn gezogen, wie es scheint.

Zum Start in den zweiten Durchgang kommt Nils Petersen für den gegen die robusten Unionler komplett abgemeldeten Wooyeong Jeong.

In der 54. Minute bietet sich dem Top-Joker die erste große Chance, als Lucas Höler eine Flanke von Vincenzo Grifo per Kopf zu Nils verlängert, der aus kurzer Distanz aber über das Tor köpft; vermutlich stand er aber auch im Abseits. Egal, der SC marschierte und hatte viele gute Chancen.

In der 59. Minute fällt endlich der längst verdiente Anschlusstreffer durch Lucas Höler. Zwar geht die Abseitsfahne des Assistenten hoch, der VAR korrigiert den Mann an der Linie aber und das Tor zählt am Ende doch.

In den letzten zehn Minuten lässt der Druck und Elan der Platzherren ein wenig nach. Union ist aber noch da und bestraft eine kollektive Schläfrigkeit in der SC-Abwehr in der 90. Minute mit dem 1:4 durch den eingewechselten Schäfer.

 

Das Nachspiel

Auch für meinen Co-Kommentator am 33. Spieltag, den einstigen Schulrektor Harald Höfler, tat mir das unschöne Endergebnis ein wenig leid. Ich hätte lieber öfter mit ihm gejubelt, wie beim vermeintlichen 1:1… Nach dem verlorenen Kick gingen wir in die Pressekonferenz und lauschten den Ausführungen der Cheftrainer. Die waren sich weitestgehend einig; Emotionen kamen nur auf als Christian Streich über die Entscheidungsfindung beim nicht gegebenen Ausgleichstreffer und über die verloren gegangene Sanktionierung von Spielverzögerungen nach Freistoßentscheidungen ausließ.

Dann noch ein kurzes Interview mit dem Trainer und mein Arbeitstag war beendet. Gleichzeitig wurde ich vom „Looser“ zum „Winner“, denn schon am Nachmittag hatte ich erfahren, dass der Verfolger der C1-Jugend der SG Markgräflerland, JFV Tuniberg, das Auswärtsspiel in Elzach verloren hatte und mein Sohn Ben und seine Komplizen also um 18.30 Uhr beim FC Denzlingen die Chance haben würden, den Titel und damit den Aufstieg in die U15-Landesliga vorzeitig unter Dach und Fach zu bringen. Schon auf dem Weg zum Stadionparkplatz erreichten mich über unsere gemeinsame WhatsApp-Gruppe von Spielern, Trainern und Eltern die ersten beiden Treffer der Jungs – im Auto dann der dritte und kurz vor der Ankunft am Einbollenstadion in Denzlingen die nachricht vom Anschlusstreffer der Gastgeber. Die zweite Hälfte konnten Rektor a.D. Höfler, der auf diese Weise viele ehemalige Schüler wiedersah und von deren Eltern mit großem Hallo begrüßt wurde, und ich komplett miterleben. Am Ende siegten unsere Jungs vom FC Bad Krozingen bzw. von der SG Markgräflerland völlig verdient mit 1:4 und feierten Meisterschaft und Aufstieg – noch vor dem Saisonabschlussfest am kommenden Samstag, nach dem letzten Punktespiel. Da ich zum Triumpf einer souveränen Saison dabei sein konnte, während ich am Samstag natürlich in Leverkusen sein werde, freute mich besonders; so sehr, dass ich die Jungs spontan zu einer Pizza-Party im Vereinslokal am Erlenmattenstadion einlud. Es wurde ein stimmungsvoller Abend und der Gram über das 1:4 des SC gegen Union Berlin verschwand irgendwie…