34. Spieltag der 60. Saison der Fußball-Bundesliga, Eintracht Frankfurt gegen SC Freiburg

Samstag, 27. Mai 2023, 15.30 Uhr *

Deutsche Bank Park, Frankfurt *

Eintracht Frankfurt - SC Freiburg *

Das Vorspiel

Ich habe in 29 Saisons als Hörfunk-Livereporter und Chronist an der Seite des SC Freiburg wirklich viele wunderbare Jahre und Erlebnisse genießen dürfen. Natürlich gebührt der noch immer erfolgreichsten Saison aller Zeiten – dem Spieljahr 94/95 – eine besondere Erwähnung: Der SC beendete die Saison mit 46:22 Punkten – das entspricht in der damals noch nicht existenten Drei-Punkte-Regel stolzen 66 Zählern – auf Tabellenplatz 3. Jörg Schmadtke stand im Tor, Stefan Beneking und Didi Hummel waren seine Stellvertreter. Für die Abwehr, damals schon geradezu visionär mit Dreier-/Fünferkette, standen Axel Sundermann, Thomas Vogel, Martin Spanring, Maxi Heidenreich und Damir Buric zur Verfügung.  Im Mittelfeld wurden aufgeboten: Jörg Heinrich, Jens Todt, Andi Zeyer, Rodolfo Cardoso, Ralf Kohl, Martin Braun, Oliver Freund und Alexander Borodjuk. Im Sturm standen Uwe Spies, Uwe Wassmer, Altin Raklli und Paschalis Seretis. Trainer dieser vorzüglichen Mannschaft war Volker Finke.

Wenn ich heute lese oder höre, die aktuelle Saison 22/23 sei die erfolgreichste des SC, kommt das offenbar von jungen Kollegen, die damals noch in die Windeln geschissen haben. Ich war dabei und kann rechnen: 66 Punkte kriegen wir heuer am 34. Spieltag nicht mehr ganz geschafft…

Trotzdem war die am Samstag mit dem Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt zu Ende gehende Saison für den SC wohl die Herausragendste und für mich als Radioreporter (bislang) die schönste in der Geschichte. Anno 94/95 gab es nämlich saisonbegleitend weder den DFB-Pokal noch die Europa League… Im nationalen Pokal-Wettbewerb schied der SC damals schon in der ersten Runde bei den drittklassigen Stuttgarter Kickers aus und an Europa war damals nicht einmal zu denken… Als Aufsteiger hatte der SC gerade erst am letzten Spieltag der Vorsaison den Klassenerhalt geschafft – übrigens auch ein episches Erlebnis – und der SC konnte sich 94/95 mental und physisch komplett auf die Bundesliga konzentrieren. Es war übrigens ein Siegeszug durch die Saison, den ich sehr genossen habe. Besonders das 5:1 gegen Bayern im August 1994 und ein 1:3-Auswärtssieg bei Dynamo Dresden im selben Monat sind mir noch sehr präsent.

Aber die Saison 22/23 – keine Frage, die war einfach nur genial. Sie ist, bei allem Respekt für die Jungs und die Erlebnisse von damals, meine Nummer 1! 

 Im DFB-Pokal bis ins Halbfinale vorgedrungen, dabei auswärts Bayern geputzt, die Europa League nicht nur gespielt, sondern als ungeschlagener Gruppensieger durch die Vorrunde gegangen und im Achtelfinale durchaus nur knapp dem Welt-Club Juventus Turin unterlegen – das war einach nur großartig. Bleiben werden die wunderbaren Erinnerungen an meine Reise, mit Freunden an meinem Geburtstag, nach Athen bzw. Piräus, der Trip mit z.T. anderen Freunden über Edinburgh nach Nantes oder auch meine "einsame" Abenteuerreise nach Baku in Aserbaidschan; bleiben werden auch die Fotos mit dem weißen Vollbart, der mir wuchs, weil ich vor dem Kick im September in Piräus öffentlich gesagt hatte, dass ich mir erst rasiere, wenn der SC auf europäischer Ebene ein Spiel verliert. Es sollte sehr, sehr lange dauern… bis ins Frühjahr, beim 1:0 – nur 1:0 – in Turin. Danke, SC, für diese wunderbare Reise!

Trotz all dieser Inanspruchnahmen und Belastungen eine solche Bundesliga-Saison hinzulegen, das ist schon bemerkenswert: Platz 7 war am zweiten Spieltag, als die Tabelle sich noch formieren musste, die schlechteste Platzierung – Platz 1 am fünften Spieltag war ein Fingerzeig, das mehr gehen könnte für den SC in dieser 60. Saison der deutschen Fußball-Adelsklasse. An 20 Spieltagen belegte der SC einen der vorderen vier Plätze – einen Champions-League-Rang. Seit 14 Spieltagen pendelt der SC immer zwischen Platz vier und fünf; schlechter als Platz 5 wird unser Sport-Club auch nach dem 34. und letzten Spieltag nicht stehen...

Hallo!? Wir sind Freiburg – Marktwert der Mannschaft etwa 162 Millionen Euro. Mehr Punkte in der aktuellen Tabelle weisen mit Borussia Dortmund (548 Mio), Bayern München (980 Mio) und Leipzig (487 Mio) drei Mannschaften auf, deren Marktwerte um ein Vielfaches höher liegen. Und wir sprechen über die Marktwerte, die die Plattform „transfermarkt.de“ am 1. Mai 2023 veröffentlicht hat – vor der Saison waren die Unterschiede noch eklatanter.

Kompliment an den 1. FC Union Berlin (126 Mio), der – ähnlich wie der SC – auch mit einem deutlich geringeren Kader-Wert arbeitet und sportlich derzeit, punktgleich mit dem SC Freiburg, auf Platz 4 der Bundesligatabelle steht. Im Fernduell mit den „Eisernen“ geht es am Samstag um eben diesen 4. Platz in der Endabrechnung. Wer von den beiden Störenfrieden in der "Welt der Teuren und Reichen" am Samstag gegen 17.30 Uhr die Nase vorne hat, darf ab September in der Champions League mitspielen. Mit allen Konsequenzen – etwa 30 Millionen Euro garantierte Einnahmen, aber eben auch verändertem Anspruchsdenken (finanziell bei den Spielern) und Erwartungshaltungen (im Umfeld). Champions League - das wäre ein Experiment, das nicht scheitern muss, aber scheitern kann, weil sich vieles verschieben würde. Auch eine mögliche Wettbewerbsteilnahme ohne Erfolgserlebnisse – in der CL durchaus vorstellbar – hätte Konsequenzen für Stimmung und Klima im Verein. Fakt ist: Das Fundament für die Champions League fehlt – bei Union, wie auch bei Freiburg. Wer von den beiden auch immer den Schritt in die Königsklasse vollzieht, geht auch ein gewisses Risiko ein.

Dass der SC Freiburg Europa League kann und dass es Spaß macht, diese Reise gemeinsam zu gehen, das hat der Club bewiesen. Die Champions League wäre ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Natürlich ein reizvolles Abenteuer und prickelnd – aber vielleicht noch ein bisschen zu früh; der SC muss sich auf allen Ebenen – und möglichst gesund und ohne seine Seele zu verkaufen oder seine Identität zu verlieren – entwickeln; ein Fundament schaffen. Ich weiß aber, dass diese Dinge kontrovers diskutiert werden. 

Ich persönlich weiß ich nicht, ob ich mich über das Erreichen der Champions League vorbehaltlos freuen würde. Wenn es so kommt, weil Union gegen Werder an der Alten Försterei unerwartet stolpert, dann gehen wir den unbekannten Weg mit Freude, klar. Vorausgesetzt, der SC performt in Frankfurt, wie man neudeutsch sagt.

Ungeachtet aller (meiner) Vorbehalte gegenüber einer möglichen Königsklassen-Qualifikation gilt natürlich ein Erfolg bei der Eintracht am letzten Liga-Wochenende als oberstes Ziel, das ist ja klar. Nach den großartigen Erlebnissen beim 2:0 gegen Wolfsburg am 33. Spieltag, hoffe ich auf einen letzten großen sportlichen Coup, wobei – ich wiederhole mich – diese Saison jetzt schon als grandios und die schönste, die ich in knapp 30 Reporter-Jahren in Freiburg erleben durfte, feststeht.

Der angestrebte Sieg beim amtierenden Europa-League-Sieger und DFB-Pokalfinalisten Eintracht Frankfurt – Marktwert: 294 Millionen – im ausverkauften Deutsche Bank Park der Main-Metropole wird erschwert durch die Rot-Sperre von Nicolas Höfler, der strategische Taktgeber im Freiburger Mittelfeld. Er dürfte durch Yannik Keitel ersetzt werden, dem Breisacher Jungen aus der Freiburger Fußballschule, der sich längst im Profibereich etabliert hat. Zum Chef in der Mittelfeldzentrale steigt dann Maximilian Eggestein auf, der gegen Wolfsburg, neben Roland Sallai, bester Freiburger war. Das Experiment ohne Nicolas Höfler könnte also gelingen, auch wenn ich schon oft formuliert habe, dass man den Wert von „Chicco“ für das Freiburger Spiel erst ermessen kann, wenn er mal fehlt.

Da Eintracht, wie Wolfsburg, auch mit einer Dreierkette in der letzten Reihe erwartet wird, spricht vieles dafür, dass sich der SC vom System und dem Personal her an dem erfolgreichen Auftritt gegen Wolfsburg orientieren wird. Vielleicht will Christian Streich aber auch den Verlust an Erfahrung, der durch das Fehlen von Nicolas Höfler bedingt ist, ausgleichen, indem er zum Beispiel Kapitän Christian Günter wieder in die Startelf rotieren lässt, obwohl „Youngster“ Noah Weißhaupt als Günter-Vertreter gegen Wolfsburg absolut überzeugt hat.

Und was passiert im Tor? Sollte der Wechsel von Mark Flekken in die Premier League bis zum Anpfiff in trockenen Tüchern sein, könnte es Sinn machen, seinen designierten (potenziellen) Nachfolger, Noah Atubolu, der am heutigen Donnerstag seinen 21. Geburtstag feiert, erstmals dem „Stresstest Bundesliga“ zu unterziehen und so dem jungen Keeper am ersten Spieltag der neuen Saison eine Premieren-Belastung zu nehmen. Auf meine Nachfrage legte sich Christian Streich heute Mittag fest: Mark Flekken steht in Frankfurt im Tor. Der mögliche Hintergrund wurde mir erst später klar, beim Pressegespräch mit Thomas Stamm von der U23: Der nominelle zweite Torwart der U23, Niklas Sauter, wird in diesen Tagen am Meniskus  operiert; Noah Atubolu wird am Samstag wohl in der U23 spielen, die Meister der Dritten Liga werden kann... Doch dazu später mehr.

Heute (Donnerstag) vor einer Woche war ich auf Dienstreise in Köln, beim DFB-Pokalfinale der Frauen. Als ich bei Teningen, also kurz nach der Abfahrt, fast eine Stunde im Stau stand und durchaus Sorgen hatte, rechtzeitig im Köln-Müngersdorf anzukommen, habe ich mir einmal mehr vorgenommen, bei einem Auswärtsspiel nie wieder erst am Spieltag anzureisen; den Stress muss ich nicht haben…  Dann habe ich im Kalender gesehen, dass ich für den 34. Spieltag genau das vorhatte: Abfahrt am Samstagvormittag, Einchecken im gebuchten Hotel Angel in Frankfurt, Fahrt zum Stadion, Job, Saison ausklingen lassen in Frankfurt-City. Nach dem Erlebnis vom Vatertag änderte ich jetzt meine Reisepläne. Ich werde also am späten Freitagnachmittag mit dem baden.fm-Corolla gen Frankfurt starten und am Freitagabend mein günstiges Einzelzimmer in der etwas fragwürdigen Herberge im Frankfurter Bahnhofsviertel beziehen. Das Angel hat halt irgendwie Kultwert bei mir – die Türsteher der Nepper- und Schlepper-Bars im unmittelbaren Umfeld kennen mich schon und fragen immer: „Wo kickt Ihr diesmal?“ Sie wissen aber auch, genau wie die Animiermädels in diesen Läden, dass mit mir kein Geschäft zu machen ist. Wenn die Dinge mal geklärt sind, ist der Umgang recht nett und nicht etwa nervig. Freitagabend also in Frankfurt; vielleicht etwas Nettes essen gehen, mal schauen; Fußball ist ja nicht.

Am Samstag habe ich dann eine Menge vor der Brust: Die U23 des SC hat reelle Chancen auf den Meistertitel in der Dritten Liga. Vor diesem Hintergrund hat baden.fm die Übertragungslizenz beim DFB für dieses eine Spiel erweitert und wir dürfen intensiver berichten als sonst üblich. Ich habe geklärt, dass ich schon frühzeitig in den Deutsche-Bank-Park hineinkomme und werde das Spiel unserer Talente gegen den SV Meppen auf Basis der Fernsehbilder von meinem iPad kommentieren. Anstoß ist um 13.30 Uhr, sodass wir bis zum Anpfiff der Bundesligapartie in Frankfurt mit der Drittliga-Übertragung fertig sein werden.

Für den Fall des Titelgewinns der U23 ist der junge Kollege Noah Schönberger für baden.fm im Dreisamstadion, um Impressionen und Interviews des (möglichen) Drittliga-Meisters einzuholen. Noahs Feuertaufe in diesem Umfeld. 

Schade, dass die beiden Spiele der Profis und der U23 am selben Tag stattfinden. Ich hätte das Spiel gegen Meppen zu gerne live aus dem Dreisamstadion kommentiert und wäre so beruflich auf meinen alten Weggefährten und Freund Ernst Middendorp getroffen. Der Top-Trainer und Weltenbummler ist seit ein paar Wochen in seiner emsländischen Heimat zurück und hat seither beim SV Meppen schon einiges bewegt; gerade erst haben die Meppener, obwohl rechnerisch bereits abgestiegen, Dynamo Dresden mit 4:1 geschlagen und in die Aufstiegssuppe gespuckt. Das offensive, laufintensive und geradlinige Spiel des SVM hat mich sehr an das Spiel „meiner“ Arminia zu Beginn der 90er Jahre erinnert. Ich wuchs damals ganz langsam in den Sportjournalismus hinein und Ernst war Arminias Trainer. Seine Handschrift war dieses Tempo und diese Geradlinigkeit; der Powerfußball, der ihm in den Medien den Beinamen „Power-Ernst“ einbrachte. Es war fast rührend, die Meppener gegen Dresden am Fernsehschirm kicken zu sehen, wie einst meine Arminen.

 Ich übernahm damals die Vereinszeitung „almpost“ der Arminia, die als auflagenstarke Sonderbeilage in der Tageszeitung Westfalen-Blatt erschien und Ernst und ich hatten daher viele Berührungspunkte, aus der so etwas wie eine Männerfreundschaft entstanden ist. Also eine, die auch mal ein paar Jahre ruhen kann. Jeder weiß, er kann sich auf den anderen verlassen, wenn es mal nötig ist und jeder schätzt die Professionalität des anderen in seinem jeweiligen beruflichen Bereich.

Als ich im Hörfunk einstieg und quasi als Feuerprobe und Übung das Zweitligaspiel VfL Osnabrück gegen KFC Uerdingen kommentiert habe, war Ernst mein prominenter Co-Kommentator. Unsere Wege haben sich vorher und nachher immer mal wieder gekreuzt. Jetzt wäre eigentlich – nach Jahren – der günstige Termin für eine  erneute Zusammenkunft gewesen, aber ich sitze (natürlich trotzdem sehr gerne) in Frankfurt und selbst ein Glas Wein bei mir zu Hause oder im Meppener Mannschaftshotel am Freitagabend fällt, wegen meiner Reisemodalitäten zum Spiel der Profis in Frankfurt, leider aus. Job geht halt vor. Ich freue mich aber, dass Ernst diese Woche einen Vertrag als Sportdirektor und Trainer in Doppelfunktion beim künftigen Regionalligisten SVM unterschrieben hat. Er bleibt also in Reichweite und coacht nicht wieder in der 1. Liga in China, Ghana oder Südafrika… Man wird sich über den Weg laufen…

 

Ich kommentiere das Bundesligaspiel Eintracht Frankfurt gegen SC Freiburg am Samstag ab 15.30 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.101. SC-Pflichtspiel der Profis als Livereporter am Radio-Mikrofon)

Beim letzten Kick der Saison 22/23 am Pfingstsamstag, 27. Mai, gab es zu Beginn der Begegnung im ausverkauften Deutsche Bank Park der Frankfurter Eintracht wenig Überraschendes: Der Rot-gesperrte Nicolas Höfler wurde durch Yannik Keitel ersetzt. Ansonsten setzte Christian Streich auf die gegen Wolfsburg erfolgreiche Startelf mit den eher offensiven Schienenspielern Roland Sallai rechts und Noah Weißhaupt links. Auf dem Rasen entwickelte sich ein offener Schlagabtausch. Die erste gute Einschussmöglichkeit hat in der 7. Minute der SC, doch Philipp Lienhart schießt den Ball nach einem Rückpass von „Litz“ Doan aus guter Abschlussposition über den Querbalken – der Österreicher ist halt kein „Knipser“, sondern ein vorzüglicher Innenverteidiger.

In der 33. Minute gibt es erstmals Großalarm im 16er der Gäste, als Kolo Muani mit einem Schuss nur das Außennetz trifft. Der Franzose scheint auf den Geschmack gekommen zu sein, entwischt dem jungen Kenneth Schmidt nur eine Minute später und wird vom Youngster gefoult – Freistoß für die Eintracht und „Gelb“ gegen Schmidt.

Frankfurt macht in dieser Phase viel Druck und kommt durch den stark aufspielenden Götze in der 39. Minute zu einer weiteren Chance: Der WM-Final-Torschütze von 2014 zirkelt den Ball ins lange Eck – Mark Flekken, dessen Wechsel in die Premier League vor dem Spiel bestätigt wurde, wäre wohl chancenlos gewesen, doch Matthias Ginter springt in die Flugbahn des Balles und verhindert die Eintracht-Führung, die in dieser Phase vielleicht nicht ganz unverdient gewesen wäre. Dann kommt es aber ganz anders:  In der 44. Minute flankt Roland Sallai von der rechten Seite. Zwar steht Lucas Höler im passiven Abseits, greift aber gar nicht ein. Stattdessen verlängert Eintracht-Verteidiger Tuta den Ball genau zu Vincenzo Grifo, der, am zweiten Pfosten stehend, mühelos einnicken kann – 0:1. In der Nachspielzeit wird Lucas Höler auf dem Weg zum Tor gefoult. Glück für den Frankfurter Sow, dass er nicht „Rot“ sieht – Tuta hätte vielleicht noch eingreifen können, weshalb Deniz Aytekin das Foul nicht als Notbremse einordnet und nur „Gelb“ zückt. Den fälligen Freistoß schießt Vincenzo Grifo sehr geschickt aufs Frankfurter Tor, sodass nur eine Glanzparade von Trapp ins linke untere Eck das 0:2 und den 16. Saisontreffer des Deutsch-Italieners – gleichbedeutende mit dem Gewinn der Torjägerkanone der Bundesligasaison 22/23 – verhindert. Also geht mit 0:1 zum Pausentee. Da es bei Union Berlin gegen Werder Bremen noch 0:0 steht, steht der SC bei Halbzeit auf dem Champions League Platz vier der Bundesligatabelle. Ich gebe zu, so ein bisschen prickelt es jetzt schon bei mir, obwohl ich nicht sicher bin, ob die Königsklasse uneingeschränkt positiv für den SC wäre…

Bis in die Schlussphase hinein hält der SC die Führung – und Werder das 0:0 bei Union…

In der 81. Minute fällt im Parallelspiel in der „Alten Försterei“ das 1:0 für Union und macht alle Königsklassen-Spekulationen für Freiburg erstmal zunichte. Unmittelbar darauf leistet auch Eintracht Frankfurt einen Beitrag dazu: Seine wahnsinnige Kopfballstärke stellt Kolo Muani nach einer Kamada-Flanke in der 83. Minute unter Beweis und köpft zum leistungsgerechten 1:1 ein.

Und plötzlich wittert Eintracht die Chance, sich doch noch über die Bundesligaplatzierung für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren. Wenn es mit dem Pokalsieg gegen Leipzig nicht klappen sollte (gleichbedeutend mit der Europa League Teilnahme), würde Platz sieben für die Teilnahme an der Conference League reichen – dazu benötigt die SGE aber noch ein Tor. Und das soll erzwungen werden – durch einen Sturmlauf in den Schlussminuten, den 45.000 Eintracht-Fans auf den Rängen und dem Stadionsprecher, der zum Einpeitscher mutiert: „Wir brauchen noch ein Tor für Europa!“ schreit er und Sekunden später schlägt es unter dem tosenden Jubel der SGE-Anhänger zum 2:1 ein (90.+1). Das Stadion tobt, Frankfurt im Freudentaumel.

Doch ähnlich wie beim 0:1 für den SC Freiburg befand sich ein Eintracht-Akteur beim Treffer vom Ebimbe, nach Pass von Kolo Muani, im passiven Abseits. Deshalb überprüft der VAR die Situation. Fakt ist: Borré stand beim Pass von Kolo Muani im Abseits und blockt dann den Weg für Ebimbe frei – er wird also eindeutig aktiv und dem Tor müsste die Anerkennung verweigert werden. Das geschieht aber nicht. Dann ist Abpfiff.

 

Das Nachspiel

In Frankfurt muss man als Berichterstatter unendlich viele Treppen steigen – in diesem Fall hinab in die Mixedzone (später dann wieder hinauf, zum Abbau und Einpacken der Übertragungstechnik). Zuerst stoße ich auf Kapitän Christian Günter, der mir – durchaus heiser – geduldig auf meine Fragen antwortet; genauso wie der scheidende Torhüter Mark Flekken. Erst während wir uns unterhalten, wird mir klar, dass ich mich im Interviewbereich der Erstverwerter bewege und richtig Glück habe, die Jungs vor die Flinte, sprich, vors Mikrofon zu kriegen. Auch Vincenzo Grifo stößt noch dazu. Dann bin ich versorgt und gehe, nach zwei Spielübertragungen am Stück (U23 und Profis hintereinander) etwas müde und zerschlagen in den Pressekonferenzraum. Gegessen habe ich seit dem Frühstück in Frankfurt-City auch noch nix – ich bin irgendwie matschig… Ich maile die Spielerinterviews an baden.fm und die Presseabteilung des SC und warte dann geduldig auf die Pressekonferenz mit den Trainern. Danach noch das Saison-Abschluss-Interview mit Christian Streich, dann ist (fast schon) Sommerpause… Im Pressearbeitsraum finde ich noch zwei oder drei kleine Stückchen Kuchen, trinke einen süßen Sprudel, denn ich muss mir irgendwie Energie zuführen. Die Kollegin Daniela Frahm kommt in den Raum und schaut mich fragend an. Dann fällt mir erst wieder ein, dass wir vereinbart hatten, dass ich sie im baden.fm-Corolla mit zurück nach Freiburg nehme… das hätte ich fast verpeilt. Ich sage ihr, dass ich jetzt hochlaufe, meinen Kram hole und dann wieder in denselben Presse-Aufenthaltsraum komme, in dem wir uns gerade befinden. So geschieht es – etwa zwanzig Minuten später bin ich wieder da, zapfe mir noch einen Kaffee und dann geht’s mit Daniela im Schlepptau zum Presseparkplatz. Nicht weit von Offenburg überholen wir den Mannschaftsbus, dann sind wir am Funkhaus in der Tiefgarage. Daniela macht sich davon, während ich den üblichen Autotausch vornehme und die Tasche mit Schlüssel und Unterlagen zum Corolla zurück in die die Radio-Redaktion bringe. Dann fahre ich los, Richtung Bad Krozingen, es ist viertel nach zehn am Abend oder so. Bei Norsingen überfahre ich unfreiwillig einen Igel und im selben Moment fällt mir ein, dass ich in meinem Tran vergessen hatte, mein Gepäck – Technik und Persönliches – in den Kofferraum meines Kuga umzuladen… Also nochmal zurück nach Freiburg und so weiter und so fort, viel Lauferei halt und Zeitverlust…

In Norsingen sehe ich den ausgequetschten Igel am Straßenrand liegen und fühle mich scheiße. Ich muss dringend ins Bett… Gegen 23 Uhr gönne ich mir noch den Fußballteil im ZDF-Sportstudio und penne dann ein. Endlich…

Der Rest des Pfingstwochenendes im Kreis der Familie und von Freunden verläuft sehr angenehm. Ich regeneriere, fühle mich aber trotzdem urlaubsreich…               

Ein paar Stunden Arbeit baue ich am Pfingstmontag-Vormittag aber auch ein. Unter anderem entsteht da meine Zeitungskolumne für den ReblandKurier am Mittwoch:

 

SC INTEAM

In der Halbzeitpause des 34. und letzten Bundesligaspieltags stand der SC Freiburg virtuell in der Champions League. Der SC führte durch das 15. Saisontor von Vincenzo Grifo mit 0:1 in Frankfurt und der punktgleiche Konkurrent im Kampf um Platz vier, der 1. FC Union Berlin, mühte sich gegen Werder Bremen in der ersten Hälfte vergeblich um ein Führungstor. An der „Alten Försterei“ stand es nach 45 Minuten 0:0; in der sogenannten Blitztabelle lag der SC vor Union. Als Rani Khedira in Berlin-Köpenick in der 81. Minute das 1:0 für Union erzielte, hatte das Freiburger Ergebnis in Frankfurt nurmehr statistischen Wert. Der Ausgleich der Eintracht durch den vorzüglichen Mittelstürmer Kolo Muani aus Frankreich (83.) beendete alle Spekulationen um eine Freiburger Teilnahme an der Königsklasse. Dafür witterte Eintracht plötzlich eine Chance: „Noch ein Tor, dann spielen wir wieder in jedem Fall europäisch“, rief der Stadionsprecher in sein Mikrofon, das Stadion bebte und die in großer Zahl (zu) müde gewordenen Freiburger wurden in der Nachspielzeit gewissermaßen von Eintracht überrollt – oder besser gesagt, weggeblockt:  Durch den im Abseits stehenden Borré, der auf diese Weise seinem Mitspieler Ebimbe den Weg frei sperrte, sodass dieser zum 2:1-Endstand traf.

Nun war Borré durch seinen Einsatz als „Rammbock“ nicht mehr passiv im Abseits, sondern eindeutig aktiv. Der Treffer hätte vom VAR niemals durchgewunken werden dürfen – er zählte aber. Einmal mehr mein Appell: Lasst diesen nervtötenden VAR einfach weg!

Da das Tor zwar positive Folgen für Eintracht, tabellarisch aber keine negativen Konsequenzen für den SC Freiburg hatte, war der irreguläre Siegestreffer für Frankfurt nach dem Spiel kein großes Thema. Es herrschte eher Abschiedsstimmung. Für Jonny Schmid und Nils Petersen war Frankfurt eine letzte Dienstreise mit dem SC. Auch Torwart Mark Flekken verlässt Freiburg nach fünf Jahren. Der 29-jährige wechselt zum FC Brentford in die Premier League. Angesichts seines Alters ist diese Entscheidung zu Gunsten des großen Geldes, das in England fließt, nachvollziehbar.

Trotz der unnötigen Niederlage in Frankfurt hat der Sport-Club in der Saison 22/23 Großes erreicht: Zum zweiten Mal hintereinander geht es in die Europa League – und das, trotz Dreifachbelastung und langen fantastischen Reisen durch die nationalen und internationalen Pokalwettbewerbe. Gefeiert wurde am Abend nach dem Spiel im Freiburger „Degusto“, an dem unter anderen Christian Günter beteiligt ist, und dann ging es im Flieger zum Saisonausklang auf Ibiza. Jungs, das habt Ihr Euch verdient!

Genauso wie der Autor der SC-Kolumne eine kleine Pause. Im August geht es wieder los! (Zitatende)

 

So, Ihr lieben Leute, jetzt mache ich mal für ein paar Wochen die Schotten dicht, lasse Fußball Fußball sein, verbringe ein paar Tage mit der Familie in südlichen Gefilden, ahne aber schon: In wenigen Wochen wird mir der Fußball fehlen, wie Sau.

Zum Glück gibt es ab dem Wochenende 11.- bis 13. August (DFB-Pokal) eine neue Saison. Wieder drei Wettbewerbe, ganz sicher tolle Reisen durch Europa und einer spannenden Saison in der Bundesliga.

Stand heute geht es mir aber ähnlich wie Christian Streich, der mir im Interview gesagt hat: „Lieber acht Wochen als vier Wochen ohne Ball.“

Aber danach, das weiß ich, bin ich wieder heiß wie Frittenfett… Ich wünsche Euch allen eine entspannte Sommerpause!