4. Spieltag der 60. Saison der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen VfL Bochum

Freitag, 26. August 2022, 20.30 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - VfL Bochum *

Das Vorspiel

Heute beginnen wir mal mit einem kleinen Blick zurück; vom Auswärtsspiel in Stuttgart hatte ich so viel zu erzählen, dass ich gar nicht dazu gekommen bin, meine Zeitungskolumne dieser Woche aus dem ReblandKurier, erschienen am gestrigen Mittwoch, auch hier im Tagebuch zu publizieren. Das hole ich aber gerne zum Einstieg ins Bochum-Tagebuch nach:

SC INTEAM

Trainer Christian Streich war nach dem 0:1-Derbysieg in Stuttgart mit sich selbst und der Mannschaft nicht zufrieden. Dass es der Offensivabteilung vor allem in der zweiten Halbzeit nicht gelungen war, zumindest für Entlastung der unter Hochdruck arbeitenden Defensivreihen zu sorgen, beschäftige den Trainer sehr. Seinen Humor hatte der Markgräfler trotzdem nicht verloren. Auf den Hinweis, dass eine Mannschaft, die sogar ihre schlechten Spiele gewinnt, erfahrungsgemäß weit kommt in einer Saison, erwiderte er schlagfertig und grinsend, „aber nur, wenn sie ihre guten Spiele auch gewinnt. Und was war gegen Dortmund? Super gespielt und am Ende verloren.“ Deshalb ginge die Rechnung ja nicht so einfach auf. Dass die Mannschaft, die gegen Dortmund so stark agiert hatte, personell tupfengleich mit jener war, die in Stuttgart manchen Wunsch offenließ, mag den Coach noch mehr ins Grübeln gebracht haben. Wobei die Antwort so schwer nicht ist: Ritzu Doan und Vincenzo Grifo hatten in Stuttgart keine gute Tagesform. Deshalb waren gefährliche Flanken auf Michael Gregoritsch im Sturmzentrum eher selten und der Österreicher konnte sich nicht wie gewohnt in Szene setzen. Außerdem hat Stuttgart, so verrückt das klingt, besser gespielt als Dortmund über weite Strecken in der Vorwoche. Grund, an Qualität und  Potenzial des Freiburger Teams zu zweifeln, gibt es nicht – Fakt ist aber auch: In den drei Pflichtspielen zuvor, in Kaiserslautern, Augsburg und gegen Dortmund war Freiburg offensiv klar besser als im Baden-Württemberg-Derby  am vergangenen Samstag. Ein überzeugender Heimsieg am Freitagabend gegen den VfL Bochum (live bei DAZN und baden.fm) wäre, nach dem etwas glücklichen „Dreier“ von Stuttgart, die beste Reaktion.

Bereits am Freitagmittag wird in Istanbul die Gruppenphase der UEFA Europa League ausgelost. Dann erfahren Verein, Fans und Medienschaffende gegen wen der SC in den internationalen Spielen der nächsten Wochen und Monate kicken darf und wohin bei den Auswärtsspielen die Reisen gehen. Potenzielle Gegner sind Manchester United, Arsenal London, AS Rom, Lazio Rom, Sporting Braga, AS Monaco, Stade Rennes, Feyenoord Rotterdam, die unter anderen in den Lostöpfen 1 und 2 zu finden sind. Der SC wird in Lostopf 3 oder 4 erwartet und darf deshalb von diesen großen Namen träumen. (Zitatende)

 

Heute ist Donnerstag, der 25. August und morgen ist der große Tag. Mittags im Livestream der UEFA, abends dann im Europa-Park Stadion beziehungsweise live bei baden.fm. Mein Countdown beginnt gleich um 13.15 Uhr mit der Pressekonferenz mit Christian Streich. Ich bin diesmal allerdings nur digital dabei, weil ich um 14 Uhr einen wichtigen Gesprächstermin für den WZO-Verlag in Neuenburg habe. Mein Plan: Ich fahre frühzeitig in die Stadt, die derzeit die Landesgartenschau beherbergt, parke da irgendwo und nehme dann ganz entspannt an der PK teil. Kurz vor 14 Uhr steige ich dann aus, sollte die PK dann noch laufen, und kümmere mich um meine hauptberufliche Tätigkeit. Fußball im Radio ist ja seit vielen Jahren nur noch mein Zweitjob. Von 1994 bis 1998 standen der SC und seine Hörfunkpräsenz bei uns auf dem Sender im Mittelpunkt meines Broterwerbs… 1998 übernahm ich dann die Chefredaktion und Fußball rückte von der Bedeutung für meine Berufstätigkeit unter der Woche an Position zwei. So ist es bis heute geblieben, auch und vor allem, seit ich 2006 die Redaktionsleitung im WZO-Verlag übernommen habe, wenn man so will, auf dem Markt der werbefinanzierten Medien ein Konkurrent oder neudeutsch Marktbegleiter vom Funkhaus Freiburg. Die jeweiligen Chefs haben sich von Beginn an sehr modern und verständnisvoll mit meiner Doppelrolle arrangiert und sie vor allem akzeptiert. Letztendlich sind mehr Synergien dabei herausgekommen als Ärgernisse. Wirkliche Konflikte gab es eigentlich nie oder sie sind mir zumindest nicht bekannt.

Zur Fußballaktualität: Morgen geht es gegen den VfL Bochum. Als die im Frühjahr hier waren, hat der SC sie mit 3:0 cool weggebügelt. Und jetzt kommen sie aus einer 0:7-Niederlage gegen die Überflieger vom FC Bayern. Gestern habe ich online die Pressekonferenz von VfL-Trainer Thomas Reiß verfolgt und dabei zwischen den Zeilen herausgehört, dass in Bochum gerade nicht die beste Stimmung herrscht. Torhüter Riemann steht wegen Fehlern in der Kritik und speziell gegen die Bayern war die Fehlerquote der Westfalen wohl extrem hoch.

Diese Situation beinhaltet für den Sport-Club sowohl eine Chance, wie auch ein Risiko. Letztlich spielt sich beides zwischen den Ohren ab… Die Chance ist, dass der Gegner auch morgen im Europa-Park Stadion nicht zu seinem Spiel und zur Entfaltung seiner zumindest vom eigenen Trainer unterstellten Qualität kommt. Wenn der SC dann leistungsmäßig an die zweite Halbzeit vom Augsburg-Spiel, und die ersten 77 Minuten der Heimpartie gegen Borussia Dortmund anschließen kann, sehe ich gute Chancen auf den ersten Heimsieg der noch jungen Saison. Das Risiko ist freilich, dass die schwachen Auftritte der bislang punktlosen Bochumer, aktuell Tabellenschlusslicht, und vielleicht auch die Ablenkung durch die Europa-League-Auslosung morgen Mittag, zu Konzentrationsmängeln auf Freiburger Seite führen, zum Unterschätzen des Gegners. Das wäre brandgefährlich und könnte zu einem bösen Erwachen führen.

Vielleicht ist es eine ganz gute Fügung, dass die Offensivleistung des SC beim 0:1-Sieg in Stuttgart ja alles andere als lobenswert war und die Konzentration beim Videostudium und beim Training in dieser Woche dies sicher kritisch zum Thema hatte. Es gibt also gar keinen Grund, irgendwen und irgendetwas zu unterschätzen. Der SC muss im eigenen „Laden“ für Ordnung sorgen, für eine spürbare Verbesserung der Offensivleistung.  Das dürfte eines der Ziele für morgen Abend sein, wobei ich nicht glaube, dass sich personell etwas ändern wird. „Litz“ Doan und „Vince“ Grifo (trotz seines Tores) hatten in Stuttgart keine gute Tagesform, „Gregerl“ Gregoritsch hing dadurch etwas in der Luft, beziehungsweise wurde der Österreicher für seine Bemühungen nicht belohnt – etwa bei einem starken Konter, den „Litz“ nach toller gemeinsamer Vorarbeit mit „Gregerl“ dann etwas leichtfertig verdaddelt hat. Auch bekam Gregoritsch ja nur eine gefährliche Flanke von außen, um seine Kopfballstärke einzubringen. Das soll und kann morgen besser werden – so weit, „Vince“ und „Litz“ für die Startelf in Frage zu stellen, würde ich aber nicht gehen. Darauf wird auch der Trainer nicht kommen, da lege ich mich fest.

Kleiner Blick voraus: Unabhängig vom Ergebnis gegen den VfL Bochum, geht Familie Rischmüller am Samstag auf Reisen… Die Fahrt geht – natürlich – nach Bielefeld, damit die Oma mal wieder ihre Enkel sieht und wir meine Mutter (90). Los geht es am Samstag in aller Frühe. Planmäßig sind wir gegen 14 Uhr am Ziel. Um 17 Uhr habe ich dann ein Klassentreffen in der benachbarten Kleinstadt Werther, wo ich in den 70ern ein kleines privates Gymnasium besucht habe. Am Sonntag fahre ich dann mit meinem Sohn Ben (13) nach Dortmund. Um 13 Uhr kickt die U23 des BVB gegen die U23 des SC Freiburg. Ben geht als Fan, ich als Hörfunkberichterstatter für baden.fm. Ich melde mich aber nur ein bis zweimal pro Halbzeit, dieser Hinweis sei gestattet, damit bei potenziellen Hörern keine falschen Erwartungen aufgebaut werden. Mehr ist schon aus Lizenzgründen nur in Ausnahmefällen möglich und es ist ja auch „nur“ Dritte Liga und nicht die alle Welt kirre machende und boomende Bundesliga. Damit beginnt freilich mein Fußballwochenende…

Ich kommentiere das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen VfL Bochum am Freitag, 26. August, ab 20 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.059. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Das Wichtigste vorweg: Der SC hat das Spiel knapp aber verdient mit 1:0 gewonnen. Der VfL präsentierte sich kampfstark und taktisch klug, sodass der favorisierte Sport-Club Mühe hatte, seiner Favoritenrolle im Europa-Park Stadion, das im Heimbereich ausverkauft war, gerecht zu werden. Vor allem profitierten die Westfalen in Freiburg aber von der außergewöhnlich guten Form ihres Torwarts und Spielgestalters in Personalunion, Manuel Riemann, der später in der Partie allerdings zur tragischen Figur des Abends mutieren sollte.

Zunächst hielt Riemann alles, was auf seinen Kasten kam: In der 10. Minute wird Kapitän Christian Günter mit einem langen Pass bedient, kommt kurz vor Riemann an den Ball, schafft es aber nicht, die Kugel um den Bochumer Keeper herum zu spitzeln – trifft dessen Körper. In der 22. Minute ist die SC-Führung einfach fällig: Nach einem tollen Doppelpass zwischen Michael Gregoritsch und Vincenzo Grifo zieht der Nationalstürmer aus Österreich ab, Riemann taucht aber ins richtige Eck und kann abwehren. Roland Sallai kommt zum Nachschuss, wieder ist der Bochumer Keeper zur Stelle. Jetzt prallt der Ball vor die Füße von Nicolas Höfler, der acht Meter vor dem Tor freie Bahn hat, während sich auf und vor der Torlinie zahlreiche Spieler und Riemann bewegen. „Chico“ setzt zu einem überlegten Schlenzer ins rechte obere Tordreieck an, will es aber scheinbar zu gut machen und schlenzt am ungedeckten Torwinkel vorbei. Es war fast zum Verzweifeln… Das war eine sogenannte „Hundertprozentige“. Das Spiel hat seinen Stempel bekommen: Es wird ein Spiel der vergebenen Torchancen.

In der 31. Minute setzt Roland Sallai im Strafraum zu einem spektakulären Seitfallzieher an – der Ball geht - natürlich - knapp vorbei.

Selbstverständlich versucht sich auch der VfL Bochum ab und an in der Offensive, die Abschlüsse sind aber meist harmlos oder werden Beute das aufmerksamen Mark Flekken. Dann beginnt es heftig zu gewittern und zu regnen, schließlich bittet Schiedsrichter Marco Fritz beim für Bochum schmeichelhaften Spielstand von 0:0 zum Pausentee.

Die zweite Hälfte hat kaum begonnen, da wird es aufregend im Europa-Park Stadion: Riemann, bis dahin Bochums bester Mann, lässt einen harmlosen Ball, beim Versuch ihn zu fangen, fallen. Dadurch springt das Leder Roland Sallai zunächst an den Arm und dann vor die Füße. Um Schlimmeres zu verhindern reißt Riemann Sallai von hinten an der Hose, eine Textilbremse der  heftigen Art. Roland Sallai kommt spektakulär zu Fall und fordert Elfmeter. Da Schiedsrichter Marco Fritz, wie wohl die meisten Zuschauer und auch ich, die Situation nicht wirklich sehen und einordnen konnten, wird er vom VAR auf das Vergehen aufmerksam gemacht. Fritz schaut sich die Szene auf dem Bildschirm an und kommt zu einer klaren Entscheidung; Elfmeter! Diese Entscheidung ist zu einhundert Prozent korrekt. Für Bochum ist sie freilich höchst unglücklich, denn wenn Roland Sallai in dieser Situation ein Tor erzielt hätte, wäre das nicht strafbare unabsichtliche Berühren des Balles mit der Hand, aufgrund der noch relativ neuen Regel, die (nur) bei der Erzielung von Toren greift, strafbar geworden. So aber spielte diese Berührung keine Rolle, sehr wohl aber das deutliche Zerren des Torwarts an der Hose des Freiburger Stürmers; ein klares Foul – im Strafraum gibt das Elfmeter und – in diesem Fall – Gelb für den Übeltäter. Durch das Foul hatte Riemann ja kein Tor oder eine klare Torchance verhindert, denn ein Tor hätte ja im Falle eoines Falles nicht gezählt. Foul im Strafraum war es trotzdem und letztlich Gelb statt Rot. In dieser Situation haben VAR und Schiedsrichter alles richtig gemacht, wenn die Wut der Bochumer auch groß war. Alles war regelgerecht.

Vincenzo Grifo legte sich den Ball auf den Punkt, zog ab und – wie sollte es anders sein – Riemann hielt den Strafstoß. „Vince“ kann daraufhin aufs Tor köpfen, wieder wehrt Teufelskerl Riemann ab – wieder hat Grifo die Chance nachzuschießen und diesmal bringt der Deutsch-Italiener aus Pforzheim den Ball im Kasten der Westfalen unter. Tooooooooooor für den Sport-Club – endlich!

In der 65. Minute hält Holtmann einfach mal aus der Distanz drauf und trifft den Pfosten – Glück gehabt, Sport-Club! Der Pfostentreffer fungierte als Warnung: Noch ist die Ernte nicht in der Scheune.

In der 72. Minute hat dann der VfL den Papst in der Tasche – eine fast schon groteske, nicht genutzte Möglichkeit des SC: Vincenzo Grifo dribbelt zunächst stark und zieht dann ab. Der Ball wird abgefälscht und landet am zweiten Pfosten auf dem Kopf von Michael Gregoritsch – Riemann wehrt bravourös ab. Im Liegen kann „Gregerl“ nachschießen und trifft… den Pfosten. Es war zum Haare raufen…

Das Spiel stand also weiter auf des Messers Schneide, weil eine 1:0-Führung halt kein Ruhekissen ist und Bochum jetzt auch immer offensiver wurde. Zahlreiche Personalwechsel auf beiden Seiten leiteten die spannende Schlussphase ein. Beim SC kamen in de 74. Minute Noah Weißhaupt für Vincenzo Grifo, Nils Petersen für Michael Gregoritsch und Wooyeong Jeong für „Litz“ Doan.

Nils Petersen führte sich gleich gut ein, traf mit einem Schrägschuss in der 81. Minute die Querlatte des Bochumer Tores – es war halt so ein Tag, an dem das gegnerische Tor wie verbarrikadiert scheint. Dann feierte der 19-jährige Robert Wagner sein Bundesliga-Debüt, als er für Yannick Keitel (84.) eingewechselt wurde. In derselben Minute zitterte schon wieder das Alu – diesmal jenes vom Tor, das Mark Flekken fehlerfrei hütete. Wieder war es Holtmann, der abgezogen hatte, Matthias Ginter und Kiliann Sildillia sprangen aber in die Flugbahn des Balles, fälschten ihn gemiensam irgendwie ab und lenkten ihn an die Latte. Der Sieg des SC wackelte bedenklich… Christian Streich brachte für die letzten Minuten Verteidiger Manuel Gulde für Stürmer Roland Sallai (87.).  Die 89. Spielminute: Nils Petersen wittert seine Chance, weil Riemann weit aus seinem Kasten herausgelaufen ist. Der Joker-König überlupft den Bochumer Keeper und der Ball nimmt unter dem Gejohle der Freiburger Fans als Bogenlampe tatsächlich Kurs auf das leere Bochumer Tor. Kurz vor dem Kasten trumpft der Ball aber auf und fliegt dann über die Querlatte; typisch für den gesamten Fußballabend…

Dann ist Abpfiff und der verdiente Sieg in trockenen Tüchern.

 

Das Nachspiel

Der Erfolg wird im Stadion frenetisch gefeiert. Obwohl sich das sportliche Schicksal in vielen, vielen Torszenen gegen den Sport-Club verschworen zu haben schien, stand am Ende der „Dreier“, der den SC in der Tabelle auf Platz drei spülte. Dritter Sieg im vierten Spiel – welch ein Saisonstart!

Während die Jungs sich auf dem Rasen zurecht feiern lassen – „Flecki“ und „Günni“ steigen auf den Zaun und geben per Megaphon den Ton der ausgelassenen Siegesfeier an – gebe ich zusammenfassend im Radio meine Spielanalyse mit den Noten der Spieler zum Besten. Dann lasse ich meine komplette Übertragungstechnik am Arbeitsplatz liegen und laufe, wie vorgeschrieben mit Mund-Nasen-Schutz, in die Mixedzone. Ich bin – wegen der Feierei der Jungs mit den Fans – lange vor dem ersten Spieler da. Als erstes bekomme ich dann Yannick Keitel ans Mikrofon, dann noch Michael Gregoritsch und Christian Günter. Nach der PK auch noch Trainer Christian Streich. Ich schicke die Talks an die üblichen Adressen, wobei ich immer noch nicht weiß, ob die Agentur Amici, die die Homepage des SC füllt, das Audio-Material inzwischen wieder nutzt oder nicht. Baden.fm kann sich O-Töne für die Nachrichten heraussuchen, stellt die Interviews aber auch in voller Länge in die eigene Mediathek unter www.baden.fm. Dort können sie also in jedem Fall gehört werden.

Nachdem ich alle Interviews versandt habe, gehe ich zurück an meinen Reporterplatz, räume meinen Kram zusammen und laufe zum Presseparkplatz. Mein Sohn Ben sitzt bereits im Auto. Er ist ganz begeistert, hat ihm doch ein SC-Fan seinen Schal geschenkt…

Am Samstagmorgen ging es dann mit der ganzen Familie Richtung Ostwestfalen. Bei Gießen nahmen wir – wie meistens, wenn wir zur Oma fahren – Kurs auf Marburg und fuhren ca. 150 km Landstraße durchs Sauerland. Bei Frankenberg gibt es eine günstige bft-Tankstelle, die Nutella-Brötchen anbietet, frisch geschmiert, wenn man darum bittet. Das ist relativ kultig, finde ich, und zudem sehr beliebt bei meinen Kindern und mir. Wir halten immer - außer sonntags, da ist nur Automatenbetrieb - bei dieser Tanke.

Irgendwann gegen 14.20 Uhr am Samstagnachmittag sind wir in Bielefeld-Jöllenbeck, bei meinem Elternhaus angekommen. Zwanzig Minuten später als kalkuliert, aber das hat seinen Grund: Kurz hinter Marburg hatte ich gecheckt, ob der Spielplan für die Europa League inzwischen feststand und gesehen, dass das tatsächlich der Fall war und dass der SC mit einem Heimspiel gegen Qarabag aus Aserbaidschan in die EL starten würde. Am 15. September geht es für die Jungs dann nach Athen, zum Spiel bei Olympiakos Piräus. Ich hielt auf einem Parkplatz am Wegesrand an und suchte – dem Prinzip des frühen Vogels folgend – nach Reisemöglichkeiten. Schnell fand ich Direktflüge nach und von Athen für den 14.- und 16. September ab Zürich, die ich sofort zu einem überschaubaren Preis buchte. Nantes plane ich zunächst mal im TGV oder im Pkw und Baku steht ja erst im November an, das hatte noch Zeit. Dann ging es auf unserer Reise weiter Richtung Bielefeld.

Wir wurden von meiner Mutter, meiner in der Regel in Mexico lebenden aber gerade mal wieder in Bielefeld befindlichen Schwester Elke und meiner Schwägerin Heidi, Witwe meines leider schon verstorbenen Bruders Andi, freudig empfangen. Am Nachmittag nutzte ich nach dem obligatorischen Kaffeetrinken und Kuchenessen, die relative Ruhe, im Vergleich zur Autofahrt, um eine Unterkunft in Athen und Reisemöglichkeiten nach Baku zu suchen. Als Erstes buchte ich ein sehr schönes Hotel im Zentrum von Athen. Das Haus hat einen Dachgarten mit Bar und Pool sowie Blick auf die Akropolis und über die ganze Stadt. Die richtige Location um dort am 14. September, mit mich begleitenden Freunden, meinen 62. Geburtstag zu feiern.

Dann konzentrierte ich mich auf Baku. Das klang alles sehr teuer und sehr zeitaufwendig – zudem mit ganz unmöglichen Uhrzeiten verbunden. Dann gab ich einer Intuition folgend einfach mal Düsseldorf – Baku ein und wurde fündig. Deutlich günstiger als von allen anderen bis dahin gecheckten Startflughäfen gibt es ab der Landeshauptstadt von NRW Flüge mit Turkish Airways über Istanbul nach Baku. Preislich insgesamt, verbunden mit einer Buchung „Flug und Hotel“ bei Opodo, überschaubar. Ich schlug also zu…

Dann stellte ich fest, dass die TGV-Preise, etwa von Mulhouse nach Nantes, zum Spieltermin im Oktober, wie von Geisterhand, sprunghaft angestiegen waren. So beschloss ich, die Reise mit dem baden.fm-Corolla zu bestreiten. Mittwochmorgens los, Mittagessen in Paris, Ankunft gegen Abend – alles gut. Donnerstag dann der Kick und Freitag in aller Ruhe zurück nach Bad Krozingen. Den Wagen behalte ich dann gleich, um am Samstag nach München zu fahren, wo der SC dann am Sonntag bei den Bayern kickt. Ich machte ein Hotel in Nantes und eines in München klar und war so auf der sicheren Seite. Gleichzeitig wurde mir aber auch der Stress klar, dem die Kicker in der EL-Phase mit Spielen am Donnerstag und am Sonntag, ausgesetzt sein würden...

Als EL-reisetechnisch alles im Kasten war, fuhr ich zu meinem Klassentreffen nach Werther. Dort traf ich auf sieben Wegbegleiter, die mit mir vor 45 Jahren am Gymnasium Werther die Mittlere Reife abgelegt hatten. Es wurde ein netter Abend. Zum Fünfzigjährigen in fünf Jahren werden es hoffentlich ein paar Kollegen mehr. Dann seien wir ja alle in Rente, meinte eine der Teilnehmerinnen. „Ich gucke mal“, antwortete ich zögerlich – „ich mache meinen Job bei der Zeitung und beim Radio eigentlich total gerne, habe Spaß dabei und will so lange weitermachen, wie möglich.“ Ich sei wohl ein glücklicher Mensch meinten meine ehemaligen Mitschüler und ich hätte offensichtlich eine gute Berufswahl getroffen. Wie recht sie haben...

Apropos Berufswahl – gewissermaßen war ich auch beruflich in Westfalen unterwegs, denn am Sonntagmorgen stieg ich mit Ben ins Auto – mein Junior im SC-Trikot – und wir fuhren zum Signal Iduna Park nach Dortmund. Dort trafen wir den einen oder anderen Exilsüdbadener, wie „Mosi“ aus Düsseldorf und Stefan, den Doktor und SC-Fan aus Soest, vor allem aber traf die U23 des SC auf jene von Borussia Dortmund. Ich kommentierte die Partie live bei baden.fm – und bin auswärts, wenn ich bei der U23 im Stadion dabei bin, offenbar ein Glücksbringer: Wie beim Auswärtsspiel der letzten Saison in Osnabrück (0:1) als ich an der Bremer Brücke zugegen war, nahm der SC die drei Punkte auch aus Dortmund mit. Die U23 von Trainer Thomas Stamm gewann durch einen Doppelpack von Vincent Vermeij mit 0:2. Besonders positiv ist mir neben Doppelpacker Vincent der erst 20-jährige Neuzugang der Profis, Merlin Röhl, aufgefallen. Ich bin sicher, der wird seinen Weg machen – auch in der Bundesliga.

Beschwingt und erlöst fuhren wir die knappe Stunde zurück nach Bielefeld. „Der Röhl ist aber richtig gut“, meinte mein 13-jähriger Filius, der in der Landesliga-C-Jugend der SG Markgräflerland von seinen Trainern gerade zum zentralen Mittelfeldspieler „umgeschult“ wird und bei Röhl Anschauungsunterricht nehmen konnte. Ich freute mich, dass mein Junior ein Auge für die Besonderheiten hatte, die Merlin Röhl in Dortmund gezeigt hatte.

In Bielefeld stand mit der ganzen Familie noch das obligatorische Abendessen im „Kreta“ auf dem Programm. Vasili und Susanne, die Wirtsleute, freuten sich, uns zu sehen, gaben mir ein paar Tips für Piräus mit auf den Weg und dann war unser kurzer Bielefeld-Trip auch schon wieder zu Ende. In aller Frühe am Montagmorgen ging es zurück auf die Autobahn und das Teilstück Landstraße bis Marburg/Gießen. Natürlich gab es wieder eine Tankfüllung und Nutella-Brötchen bei Frankenberg.

Nach der sechsstündigen Rückfahrt stand für mich allerdings nicht Erholung, sondern verschärfter Arbeitseinsatz auf dem Programm. An 1,5 Arbeitstagen musste ich das übliche Zwei-Tages-Soll erfüllen. Es ging aber gut und der ReblandKurier kam am Mittwoch pünktlich raus; auch mit meiner Kolumne „SC INTEAM“, die ich hier gerne auch online veröffentliche:

SC INTEAM

Der 1:0-Sieg des SC Freiburg gegen den VfL Bochum war so knapp, wie verdient – nämlich sehr …  Hätte VfL-Torwart Riemann nicht einen harmlosen Ball fallengelassen und dann Roland Sallai per Textilbremse gestoppt, in dem er so kräftig an dessen Sporthose zerrte, dass diese beinahe gerissen wäre, er hätte zum Bochumer Helden des Spiels werden können. So aber leitete er durch den Fehler und das folgende Foul den Elfmeter ein, der im zweiten Nachschuss zum einzigen Treffer des Tages führte. Beide Mannschaften trafen zwei Mal Aluminium und etliche SC-Angriffe wurden durch teilweise paradoxe Paraden von Riemann zunichte gemacht. Es war ein harter Kampf, härter als von vielen erwartet, doch es wurde der dritte Sieg im vierten Ligaspiel. Der SC Freiburg grüßt aktuell als Tabellendritter der Fußball-Bundesliga. „Hut ab!“ kann man da nur sagen. Bayern-Jäger wird der Sport-Club trotzdem eher nicht, jeder Punkt auf dem Konto ist aber wichtig, denn niemand weiß, wie der SC die zahlreichen Englischen Wochen mit Bundesliga, Europa League und DFB-Pokal verkraftet und ob – wenn ja, wie sehr – der Ligabetrieb darunter leidet. Die UEFA Europa League beginnt am Donnerstag, 8. September, um 21 Uhr mit dem Heimspiel gegen Qarabag, den Meister aus dem fernen Aserbeidschan. Wer erlebt hat, wie der SC Freiburg im Jahr 2017 gegen den „no name“ NK Domzale aus Slowenien nach einem 1:0 in Freiburg und einer 0:2-Schlappe in Ljubljana aus der Euro-League-Quali geflogen ist, wird sich schwertun, den Bundesligisten gegen die Champions-League-erfahrenen Exoten aus der ehemaligen Sowjetrepublik am Kaspischen Meer (unabhängig seit 1991) zum Favoriten zu stempeln. Und trotzdem wird, gerade nach den jüngsten Erfolgen in der Bundesliga, ein Heimsieg erwartet, wenn das Abenteuer Europa League am 8. September für Freiburg beginnt. Eine Woche später, am Donnerstag, 15. September, geht die Reise zum 47-fachen griechischen Meister, Olympiakos Piräus. Dritter Gegner ist der französische Pokalsieger FC Nantes. Hin- und Rückspiel finden am 6. und 13. Oktober statt. Nach dem Rückspiel gegen Piräus (27. Oktober, Europa-Park Stadion) steht zum Abschluss der Gruppenphase die exotische Reise nach Baku in Aserbaidschan, zum Rückspiel gegen Qarabag an. Kein Gegner gilt als Gigant – sportlich scheint vieles möglich für den SC. (Zitatende)

 

So liebe Tagebuchleserinnen und -leser, durch meinen Reisebericht ist sicher klargeworden, warum ich so spät dran bin mit dem Tagebuchabschluss zum Bochum-Kick. Aber jetzt ist es geschafft. Und morgen starten wir das Tagebuch Leverkusen…