4. Spieltag der Gruppenphase in der UEFA Europa League, SC Freiburg gegen FK TSC Backa Topola

Donnerstag, 9. November 2023, 21 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - FK TSC Backa Topola *

Das Vorspiel

"Der SC Freiburg – mitten in Europa"; ich habe mich halt breitschlagen lassen, im Rotary Club einen Vortrag mit diesem Titel zu halten. Eigentlich war das von langer Hand für den Mittwoch vor dem ersten Gruppenspieltag der EL geplant. Da der SC da aber ein Auswärtsspiel „zog“ und ich am Mittwochmittag, wenn sich unser Bad Krozinger Rotary Club für gewöhnlich zum gemeinsamen Mittagessen nebst Vortrag trifft, bereits im Flieger nach Athen saß (der SC kickte bekanntlich in Piräus) wurde mein Vortrag verschoben… jetzt bin ich am 22. November dran, also gut eine Woche vor dem Rückspiel gegen die Griechen. Natürlich muss ich den Vortrag jetzt ganz anders konzepieren. Zum Ursprungs-Termin wollte ich die Vorsaison mit den Spielen gegen Karabaq, Piräus, Nantes und Turin noch einmal aufleben lassen und dann eine Vorschau auf Piräus, Backa Topola und West Ham präsentieren; inzwischen ist die Vorsaison zumindest für einen Vortrag ziemlich „kalter Kaffee“ – es gibt frische News, Spiele, Reisen und Erlebnisse.

Für die neue Version meines Vortrags wird der sportliche Ausgang des bevorstehenden Heimspiels, das ja zugleich ein Rückspiel gegen den serbischen Vertreter TSG Backa Topola ist, von besonderer Bedeutung sein. In dem Spiel fällt mutmaßlich eine Vorentscheidung über den Verbleib des SC im internationalen Wettbewerb auch über die Jahreswende hinaus. Deshalb kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, dass es online noch Hunderte von Karten für das Spiel gegen die Serben zu kaufen gibt.

Am Donnerstag kickt der SC gegen die Serben. West Ham United spielt parallel in London gegen Piräus. Wenn West Ham erwartungsgemäß gewinnt, könnte der SC als Gruppenzweiter seinen Vorsprung vor Piräus auf fünf Punkte ausbauen und hätte schon bei einem Remis im nächsten Heimspiel gegen die Griechen (30. November) Platz zwei sicher. Platz zwei in der Gruppe verhilft zum „Überwintern in Europa“ und zum Verbleib in der Europa League. Im Frühjahr - konkret im Februar - würden dann zwei Spiele gegen einen der Dritten aus der Champions League warten. Der Sieger dieser "Zwischenrunde" rückt dann ins Achtelfinale vor.

Patzt West Ham am Donnerstag gegen Piräus, könnte der SC durch einen Heimsieg gegen Backa Topola sogar die Tabellenführung übernehmen und die direkte Qualifikation fürs Achtelfinale, die im letzten Jahr gelaungen ist, würde nähher rücken. Ich weiß gar nicht, worüber ich mich mehr freuen würde – aus meiner Sicht ist international halt international und zwei so Relegationsspiele gegen einen Absteiger aus der Champions League wären ja im besten Fall zwei zusätzliche internationale Spiele und auch zusätzliche Einnahmequellen für mich als Reporter. Das A und O wäre aber ein Sieg am Donnerstag gegen die Gäste aus Nord-Serbien, wo ich vor zwei Wochen selber zu Gast war.

Die Reise war okay, sportlich erfolgreich – das Land war jetzt nicht so der "Burner"; also touristisch meine ich. Baku, Piräus, Nantes, Turin – fand ich alles besser; auch Rotterdam und Lissabon vor Jahr und Tag oder auch Ljubljana damals. Oder Zürich (smile); Erinnerungen… Ein Sieg gegen Backa Topola, den Orban-Club aus Nordserbien, der auf seiner Pressetribüne keine LAN-Anschlüsse hat… steht irgendwie ganz oben auf meiner Wunschliste. In trockenen Tüchern ist dieser Sieg freilich noch lange nicht. Wer im DFB-Pokal gegen Zweitligist Paderborn rausfliegt, sollte in der Europa League kleine Brötchen backen, auch wenn der Gegner zu den Kleinen im Wettbewerb gehört. Das gilt schöießlich national auch für Paderborn - wobei ich übrigens tausend Mal lieber in Paderborn als in Backa Topola den Rest meines Lebens verbringen würde. Da in Nordserbien wurde das Wort Provinz glaube ich erfunden...

Über meinen Vortrag hatte ich geschrieben, so war ich eingestiegen ins „Vorspiel“. Das Konzept entsteht gerade in meinem Kopf.

Eine kleine Besonderheit könnte ich mit einbauen, die ich bislang, außer im engsten Kreis, noch niemandem erzählt habe. Mal schauen, ob es mir gelingt, in Schriftform zum Ausdruck zu bringen, was mich da bewegt hat, welche Erkenntnis mir gekommen war:

Rückblick auf den 25. Oktober, der Tag vor dem Hinspiel in Serbien, gegen denselben TSC, der am Donnerstag in Freiburg kickt. Ich war ja mit zwei Freunden und dem Kollegen von der BZ unterwegs und wir wohnten eine knappe Autostunde vom Spielort entfernt, in der Großstadt Novi Sad, zwischen Belgrad und Backa Topola gelegen. Keiner meiner Begleiter hatte Lust, mich am Mittwochabend zu der PK am Spielort zu begleiten. So war ich quasi als „lonely rider“ in der Fremde unterwegs, auf einer schnurgeraden Autobahn mitten durch die serbische Steppe. So ohne Begleitung hatte ich mir das ziemlich trostlos und fad vorgestellt. Als ich aber Richtung Backa Topola fuhr, Richtung Stadion, PK und den vereinbarten Interviews, merkte ich plötzlich, wir mir tatsächlich warm ums Herz wurde; wie ich Freude empfand, meinen Job zu verrichten, wie ich mich in der Fremde plötzlich zu Hause fühlte; am richtigen Platz, im richtigen Job.

Ich war nicht zum Sightseeing hier in diesem hässlichen Land, ich war hier mit dem Sport-Club und mit meinem Mikrofon; ich hatte eine Aufgabe, die mir Spaß machte. Völlig überraschend fühlte ich mich mitten in diesem fremden Land, auf der fremden Autobahn auf dem Weg zum Spielort einfach nur sauwohl. Es wurde offensichtlich: Ich lebe einen Traum, selbst im unansehnlichen Serbien.

Vielleicht ist es grundsätzlich dieses positive Gefühl bei meiner Hörfunk-Arbeit, das irgendwie mit rüberkommt und dafür gesorgt hat, dass ich diesen Job nun schon knapp 33 Jahre mache, dass ich diese vermutlich sehr begehrte Position als SC-Reporter beim hiesigen Radiosender nun schon seit 30 Jahren erfolgreich verteidige und ausübe und dass ernsthaft niemand an meinem Stuhl sägt. Zumindest nicht so viel ich weiß… (smile). Ich bin ganz ehrlich: Das darf ruhig noch ein bisschen so weitergehen.

Übrigens: Neulich, beim SC-Spiel gegen Bochum, habe ich mal wieder den Kollegen Günter Pohl getroffen. Der hat, genau wie ich, 1991, zur „Stunde Null“ des NRW-Lokalfunks angefangen; Günter berichtete über den VfL Bochum, was er noch heute bei allen Spielen tut, ich über Arminia Bielefeld, bis mich der Ehrgeiz, der erste Aufstieg des SC Freiburg und eine Stellenanzeige im Fachorgan "Journalist" in die Bundesliga und hierher nach Freiburg trieben. Ich bin immer noch da; inzwischen 63 Jahre alt – aber Günter, der Kollege und jahrzehntelange Weggefährte – Günter ist schon 70 hat er mir beim Spiel meines SC gegen seinen VfL verraten. Wir haben einen offiziellen Austausch unserer Autogrammkarten vorgenommen und lachend auf den Spruch über das „Legendentreffen“ von Hansi Küpper, dem Fernsehkollegen, gelacht.

Keine Ahnung, ob ich den Job angesichts des Aufwands mit 70 noch machen will, kann und auch ausführen darf. Bis ich 70 bin, so wie Günter Pohl,  ist es ja noch lange hin. Aber wegen meiner neusten Werbe-Vereinbarung über vier Jahre mit Toyota mache ich mir nach Günters Offenbarung nun weniger Gedanken. „Frank Rischmüller on tour“, wie es mit dem leicht versteckten SC-Wappen seitlich auf meinem neuen Yaris Cross steht, das wird es wohl noch länger geben. Vier Jahre mindestens; dann bin ich 67, das aktuelle staatliche Rentenalter; das kriege ich auf jeden Fall hin. Und so lange ich solche herzerwärmenden Momente erlebe, wie neulich in Serbien, eine Art Glücksgefühl, nur weil ich meinen Job ausübe oder auf dem Weg dahin bin, solange wird mir die Lust daran und darauf sicher nicht abhandenkommen…

Aber ich schweife ab. Zurück zum Wesentlichen, zum Kick des SC gegen Backa Topola am Donnerstag. Zur sportlichen Situation SC zum aktuellen Saisonzeitpunkt hatte ich mich in meiner Zeitungskolumne geäußert. Ich hatte „SC INTEAM“ zwar schon im Tagebuch zum Gladbach-Spiel veröffentlicht, im „Nachspiel“, wer es also schon gelesen hat, kann jetzt weiterscrollen – allen anderen wünsche ich gute Unterhaltung:

 

SC INTEAM

Seit dem letzten Erscheinungstermin des ReblandKuriers und dieser Kolumne am Dienstag, 31. Oktober, ist beim SC Freiburg einiges passiert: So leistete sich der Bundesligist an Allerheiligen einen kollektiven Aussetzer und schied nach einer blutleeren Vorstellung gegen den „giftigen“ Zweitligisten SC Paderborn mit einer verdienten 1:3-Niederlage aus dem DFB-Pokal aus. Es schien, als zahle der Sport-Club den hohen sportlichen Preis für die körperlichen und mentalen Strapazen eines kräftezehrenden Tanzes auf drei Hochzeiten, vor dem Hintergrund einer in den vergangenen Jahren nicht gekannten Verletztenmisere. Die Befürchtungen, die gegen Paderborn vermisste Energie könne sich auch in der Bundesliga negativ bemerkbar machen, waren nicht gering.

 Drei Tage nach dem Pokalaus gegen den Zweitligisten präsentierte sich der SC gegen Borussia Mönchengladbach allerdings ganz anders: In den ersten 20 Minuten spielte der Sport-Club die Gladbacher    in Grund und Boden. Dass es bei nur einem Treffer durch Lukas Höler (7.) blieb, lag an mangelhafter Chancenauswertung, keinesfalls an fehlender Energie. Nach schlechtem Abwehrverhalten der Freiburger kamen die Gäste, wie aus dem Nichts, zum Ausgleich (25.), was zu enormer Verunsicherung beim SC führte. Gladbach nutzte diese Schwächephase zu zwei weiteren Treffern (29./39.)  und führte zur Pause mit 1:3. Nach dem Wechsel drückten die Gastgeber enorm aufs Gaspedal, verkürzten durch den eingewechselten Noah Weißhaupt (70.)  und kamen in letzter Sekunde, per Foulelfmeter, durch Vincenzo Grifo noch zum hochverdienten Ausgleich (90.+6). Das unterhaltsame Bundesligaspiel vor ausverkauftem Haus hatte so noch ein „Happy-End“ für den SC und seine Fans. Fazit: Die Energie ist vorhanden und neben Noah Weißhaupt sind auch die Talente Jordy Makengo und Merlin Röhl in der Bundesliga angekommen und stellen veritable personelle Alternativen für Trainer Christian Streich dar. Eine wichtige Erkenntnis vor dem richtungsweisenden Europa-League-Spiel am morgigen Donnerstag, 9. November, um 20.45 Uhr gegen Backa Topola aus Serbien (live bei RTL und baden.fm). Durch einen Heimsieg bliebe der Sport-Club weiter im Rennen um den Gruppensieg; Platz zwei in Gruppe A, der zum „Überwintern in Europa“ ausreicht, wäre mit drei Punkten gegen die Serben sogar greifbar nahe. Das erneute Kräftemessen mit TSC Backa Topola – der SC konnte das Hinspiel in Serbien mit 3:1 gewinnen – ist für den SC ein Schlüsselspiel in der Europa League. Umso überraschender, dass die Partie zu Wochenbeginn noch nicht ausverkauft war. Am Sonntag, 12. November, um 19.30 Uhr kickt der SC Freiburg um Bundesligapunkte in Leipzig (live bei DAZN und baden.fm). (Zitatende)

 

Am morgigen Mittwoch um 14.15 Uhr ist Pressekonferenz zum Europa-League-Spiel im Europa-Park Stadion. Danach melde ich mich hier nochmal…

Mittwoch - der Tag vor dem Spiel: 

Ich komme soeben von der Pressekonferenz mit Christian Streich und Nicolas Höfler zurück, die mir beide hinterher als Interviewpartner zur Verfügung standen.

In der PK stieß mich Trainer Christian Streich mit seiner Formulierung „bei einem Sieg gegen Topola sind wir in jedem Fall im nächsten Jahr europäisch dabei – zumindest in der Conference League“ – diese Sichtweise hatte ich noch gar nicht auf dem Zettel. Jetzt habe ich es nachgeprüft und der Trainer hat natürlich Recht: Die acht Gruppensieger ziehen direkt ins Achtelfinale ein. Die Gruppenzweiten bestreiten gewissermaßen ein Sechzehntelfinale gegen einen der Tabellendritten der Champions League – Auslosung am 18. Dezember, Spieltermine sind am 15.- und 22. Februar. Doch auch der Dritte der Europa League spielt 2024 europäisch, nimmt als Gegner eines der Zweitplatzierten der Conference League am Sechzehntelfinale der Conference League teil. Termine siehe oben.

Insofern stimmt es – bei einem Sieg gegen Topola kann der SC nicht mehr schlechter abschneiden denn als Dritter.

Wenn der SC gewinnt und West Ham schlägt im Parallelspiel Olympiakos Piräus, wäre sogar Platz zwei greifbar nahe, da unsere Jungs dann fünf Punkte Vorsprung vor den Griechen hätten, die in zwei Wochen zu Gast in Freiburg sein werden. Ein Sieg der Griechen in London oder auch ein Unentschieden zwischen West Ham United und Olympiakos brächte den SC im Kampf um den Gruppensieg in die Pole-Position. Die Gruppensieger spielen dann im März das Achtelfinale. Jetzt haben wir alles auf den Punkt gebracht. Streich und Chico wirkten sehr konzentriert und fokussiert – die Bedeutung des Spiels gegen die Serben ist allen bewusst.

Ich kommentiere das Europa-League-Spiel SC Freiburg gegen TSC Backa Topola morgen (Anstoß: 21 Uhr) live bei baden.fm; unsere Sondersendung beginnt um 20 Uhr.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.117. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

 

 Welch ein Fußballfest im leider nicht ganz ausverkauften Europa-Park Stadion; jeder, der nicht gekommen ist – wegen der Niederlage neulich gegen Paderborn, wegen der fehlenden Prominenz des serbischen Gegners, wegen der späten Anstoßzeit, warum auch immer – jeder, der gestern nicht dabei war hat Großartiges verpasst. Sporthistorisches, wenn man so will: Der 5:0-Sieg gegen Backa Topola ist der bislang höchste Sieg des SC Freiburg auf internationalem Parkett. Zudem schaffte es der SC zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte, das „Überwintern in Europa“ klar zu machen. Vor allem aber war es ein berauschendes Spiel von der ersten bis zur letzten Minute:

Der Sport-Club gab Vollgas gegen Backa Topola; angetreten in einem 3-4-3-System und einer reizvollen Mischung aus routinierten Profis als „Korsett“ und hochtalentierten Jungs, teilweise gerade erst der Freiburger Fußballschule entwachsen und jetzt scheinbar immer besser werdend.

Das Spiel begann freilich mit einer Schrecksekunde: Ein Rückpass von Matthias Ginter im Strafraum, über eine kurze Distanz misslingt irgendwie, plötzlich springt der Ball und bringt Noah Atubolu in Not. Zwar kann der junge Keeper den Ball mit etwas Mühe unter Zeitdruck kontrollieren, doch fehlte nicht viel und ein heranspurtender Serbe wäre ihm in die Parade gesprungen – gerade noch rechtzeitig knallt „Atu“ den Ball aus der Gefahrenzone. Danach aber rollte der SC-Express; und wie… In der vierten Minute scheint der Gast einen Freiburger Angriff abgefangen zu haben. Durch sofortiges Gegenpressing am gegnerischen Strafraum angelt sich Lucas Höler den Ball zurück und schießt aus 15 Metern Richtung rechtes unteres Eck. Ilic, der Gäste-Torhüter taucht ab und hält den Ball. 60 Sekunden später startet der junge Noah Weißhaupt seine erste Attacke über die linke Außenbahn, schießt drauf und findet ebenfalls in Ilic seinen Meister. In der neunten Minute schon die nächste aussichtsreiche Situation für den Sport-Club: Noah Weißhaupt flankt,  Philipp Lienhart verlängert zu Lucas Höler, der schjließt ab, Djordjevic kann den Ball blockieren, der nun zu Matthias Ginter springt, dessen Schuss von Ilic gehalten wird. Es brennt lichterloh im serbischen Strafraum, doch es steht zunächst weiter 0:0.  Backa Topola hat ein Defensivbollwerk aufgebaut – der SC holt zwar binnen wenigen Minuten ein halbes Dutzend Eckbälle heraus, aber ohne zählbaren Erfolg. Bis zur 24. Minute: Maximilian Eggestein spielt aus dem Halbfeld einen gezielten Pass Richtung Elfmeterpunkt, wo der junge Merlin Röhl steht und den Ball – technisch anspruchsvoll – direkt aufs Tor drischt und trifft. Es war das hoch verdiente 1:0 in einer einseitigen Partie. In der 29. Minute ist der sehr agile Noah Weißhaupt von Vlalukin ein zweites Mal nur mit einem Foul zu bremsen. Der Serbe sieht zurecht die Gelbe Karte und wird zur Pause ausgewechselt. In der 38. Minute landet ein abgefälschter Schuss von Vincenzo Grifo, der die Serben beim 1:3 im Hinspiel mit einem sauberen Hattrick quasi ganz alleine „abgeschossen“ hatte, vor den Füßen des sehr präsenten Merlin Röhl. Der 21-jährige Schütze des Führungstores zieht ab und trifft… Alu. Vom Pfosten prallt der Ball zurück ins Spiel. So geht es mit 1:0 in die Pause, angesichts der Überlegenheit und der Chancen fast ein wenig „dünn“, zumal Kiliann Sildillia in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, nach einer Flanke von Noah Weißhaupt, noch eine weitere Großchance auf dem Fuß hatte. Irgendwer von Backa Topola kriegt aber irgendein Körperteil noch in den Weg des Balles Richtung Tor, die Kugel wird abgeblockt.

Die zweite Hälfte beginnt mit einem Doppelwechsel der Gäste. Einer der Neuen ist Cirkovic, der in der 49. Minute aus halblinker Position die erste Chance für die Gäste hat. Sein Schrägschuss wird aber von Noah Atubolu zuverlässig pariert – den Rest besorgt die Abwehr im Verbund. Die Situation macht aber deutlich, welch ein Risiko eine so knappe Führung bedeutet. Backa Topola hatte unlängst erst in der heimischen Liga, als optisch unterlegene Mannschaft, bei Meister Roter Stern Belgrad einen 0:1-Rückstand in der 90. Minute in ein 1:1 umgewandelt. Dieser Gedanke bereitet mir  auf der Pressetribüne etwas Sorge… Als hätte er genau das geahnt, verscheucht mit Maximilian Eggestein meine Bedenken in der 56. Minute, nach einem schulbuchmäßigen Doppelpass mit Vincenzo Grifo, mit seinem Treffer zum 2:0. Dann kommt Michael Gregoritsch für Merlin Röhl, der mit viel Applaus verabschiedet wird. „Gregerl“ ist als kopfballstarker Wandspieler genau der Richtige, um die sich häufenden Flanken von Weißhaupt und Co. zu verwerten, denke ich. In der 69. Minute flankt Noah Weißhaupt aber nicht, sondern setzt an zu einem seiner unnachahmlichen Dribblings, sucht den Zweikampf eins gegen eins, verliert den Ball im Strafraum scheinbar, hat ihn dann aber plötzlich doch wieder auf dem Fuß und schließt zum 3:0 ab; es war die Krönung auf eine fantastische Leistung, jetzt wird der umjubelte Torschütze ausgewechselt. Jordy Makengo und „Litz“ Doan kommen in Minute 70,   acht Minuten später folgen Junior Adamu und Lukas Kübler. Das Stadion ist längst im Feiermodus…

Dabei ist das Spiel noch lange nicht zu Ende: Der SC sucht weiter die Offensive und belohnt sich: Zwei Minuten nach seiner Einwechslung wird Junior Adamu von Maxi Eggestein und dessen zweiten Assist bedient und knallt den Ball aus halbrechter Position mit Schmackes ins kurze untere Eck – 4:0, zehn Minuten vor dem Ende. „Noch ein Tor – und es wird historisch“, denke ich, der ich die Ehre hatte, sämtliche Europa-Cup und -League Auftritte des SC Freiburg live im Stadion zu sehen und zu kommentieren – und die Jungs tun mir den Gefallen: In der Nachspielzeit bedient Premieren-Torschütze Junior Adamu den ebenfalls eingewechselten „Litz“ Doan und der japanische Internationale schießt den Ball an Ilic vorbei ins Netz – 5:0 und nur noch Jubel, Trubel, Heiserkeit.

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Nach dem Abpfiff entscheide ich mich spontan am Radiomikrofon für Noah Weißhaupt als „man oft the match“, also Spieler des Spiels, wenn man so will. Argumente hatte Noah wirklich viele gesammelt, sein Tor klar, eine Augenweide und die Krönung einer großartigen Vorstellung. In meinem Kurzzeitgedächtnis hatte aber Doan den Pass auf Adamu gespielt und nicht Eggestein mit seinem zweiten Assist, neben dem eigenen Treffer. Hätte ich das in der Liveübertragung richtig erinnert, wären Maxi und Noah zumindest gleichwertig als „men oft he match“ zu bezeichnen gewesen. Maxi hatte wirklich eine bemerkenswerte Leistung geboten und wurde später von anderen begleitenden Medien als Spieler des Spiels gekrönt. Eine 1 mit Sternchen hatten sich beide SC-Profis gegen Backa Topola verdient.

Während sich die Jungs feiern ließen und sogar komplett zu den Fans in den Block kletterten, gab ich im Radio meine resümierende und wertende Zusammenfassung zum Besten und packte anschließend meinen Kram in den grünen Rollkoffer. Ich wusste ja, in der Europa League dauerte es, bis wir sogenannte Zweitverwerter – Zeitungen, Privatradios etc. – in die Mixedzone gelassen werden. Als ich dann in die Katakomben des Europa-Park Stadions kam, lief alles viel gelassener und lockerer ab als sonst. Die Mixedzone war auch für uns schon geöffnet – Glück gehabt, dass die Jungs noch auf der Südtribüne feierten; so habe ich niemanden verpasst und war bei Eintreffen der Spieler schon wieder in meiner, der Medienpartnerschaft zwischen dem SC und baden.fm zu verdankenden Pole-Position für die Spieler-Interviews. „Chico“ Höfler, Merlin Röhl und Junior Adamu standen mir Rede und Antwort. Dann ging ich in den Pressekonferenzraum, in dem die PK des serbischen TSC aus Backa Topola bereits lief. Ich erfuhr noch, dass der gegnerische Trainer den Freiburger Sieg als hoch verdient betrachtete. Der Sport-Club hatte Eindruck gemacht – auch auf den Gegner.

Die Serben gingen, Christian Streich kam. Auch er kommentierte das Spiel aus seiner Sicht, von einem Dolmetscher ins Serbische übersetzt, und beantwortete alle Reporterfragen. Danach kam Christian Streich wie immer zu mir und stellte sich meinen Interviewfragen. Zum Ende versicherten wir uns gegenseitig, dass wir daheim, zur Feier des Tages, wohl jeder ein „Glas Wii“ zu uns nehmen würden.

Zu Hause angekommen, irgendwann gegen kurz nach halb eins in der Nacht, wartete aber zunächst noch etwas Arbeit auf mich: Den Nachbericht für die Morningshow schreiben, sprechen, aufzeichnen und verschicken – das gleiche Prozedere mit dem Vorbericht für das Bundesligaspiel in Leipzig, der laut Vertrag mit dem „Presenting-Sponsor“ dieses Beitrags, Grimm Küchen, auch in der Morniungshow vom Freitag läuft. Dann war es 1 Uhr in der Frühe und ich hatte Feierabend. Ich war allerdings vollgepumpt mit Adrenalin und keineswegs willens oder in der Lage jetzt – der Uhrzeit angemessen – ins Bett zu gehen. Also köpfte ich eine kühl lagernde Flasche Sauvignon Blanc vom Waßmer Fritz und schaltete den Fernseher ein. Bei RTL+ genoss ich die Zusammenfassung des SC-Sieges noch einmal, schaute dann an, wie schwer sich West Ham im Heimspiel gegen Piräus getan hatte und kam zu dem Schluss, dass es in drei Wochen, wenn Olympiakos nach Freiburg kommt, ganz sicher nicht leicht werden würde, mindestens den einen Punkt zu holen, der Platz zwei sichern würde – dass es für den SC aber auch nicht ausgeschlossen sein wird, am 14. Dezember in London zu punkten. Platz 1, 2 oder 3 – alles noch möglich und realistisch für Freiburg in der Gruppe A der Europa League. Es wird spannend…

Weil ich noch immer nicht müde war, goss ich noch einmal nach mit dem guten Tropfen und schaute mir die Highlights von Toulouse gegen Liverpool an (3:2). Ein Spiel mit unerwartetem Ausgang, in dem der Kloppo-Team in Minute 90.+8 der Ausgleichstreffer vom VAR wieder „gestohlen“ wurde – ein Handspiel eines Liverpoolers im Vorfeld des Tores… Somit hat der große FC Liverpool nach vier EL-Spieltagen in seiner Gruppe neun Punkte auf dem Konto; genauso wie in Gruppe A  West Ham United und ein gewisser SC Freiburg… Trotz des inzwischen klar besseren Torverhältnisses gegenüber West Ham ist der Club aus London in der offiziellen UEFA-Tabelle for dem SC, weil West Ham den direkten Vergleich gewonnen hat. Vermutlich gewinnen die Engländer auch ihr vorletztes Spiel in Backa Topola… Dann liefe es auf ein echtes Endspiel um den Gruppensieg hinaus, sofern der SC gegen Piräus gewinnt. Am 14. Dezember im London würde den Platzherren in der beschriebenen Konstellation freilich ein Unentschieden gegen den SC reichen.

Nach dem Festtag am Donnerstag folgt jetzt eines der schwersten Spiele in jeder Saison – auswärts beim Marketingprojekt… Weite Reise, schweres Spiel – Leipzig konnte sich länger ausruhen als der SC, das kann richtig schwer werden. Zudem erinnere ich nur zu gut, dass die Sachsen unseren Sport-Club im legendären Pokalfinale von 2022 – wenn auch mit sehr viel Glück – geschlagen haben, genauso wie – in dem Fall verdient – im Halbfinale 2023. Welche Auswirkungen das Leipziger Pokalaus in Wolfsburg und die sicher völlig unerwartete 2:0-Niederlage in Mainz beim Dosen-Club auslösen, bleibt abzuwarten. Entweder hat Leipzig eine handfeste Krise oder es war nur ein kurzes Zwischentief und der Frust oder besser die Wut darüber entlädt sich in einer Top-Leistung gegen den vermutlich etwas müden SC. Der knappe Champions League Sieg der „Dosen“ in Belgrad spielt, denke ich, keine große Rolle. Der war erwartbar und alles andere als ein Erfolg in Serbien hätte die Situation beim Brause-Club noch verschärft. Christian Streich jedenfalls rechnet mit massiver Gegenwehr der Leipziger, denn alles andere als ein Heimsieg über Freiburg würde die Krise in Sachsen endgültig zum Fakt machen.

Mein Vorlauf zum Leipzig-Spiel ist relativ entspannt… Jetzt ist es Freitagnachmittag. Nach dem Einsatz gestern, von 8.30 Uhr bis 16 Uhr im WZO-Verlag und von 18 Uhr bis 1 Uhr nachts im Dienst von baden.fm, nebst der notwendigen Entspannungsphase tief in der Nacht mit 2 Viertele „Wii“ machen mich heute ziemlich groggy… Aber entspannte Stunden liegen vor mir. Ab Feierabend heute, etwa in einer Stunde, habe ich keine Termine und keine Verpflichtungen mehr. Und das ist gut so und gilt genauso für den morgigen Samstag. Familie, Fernseh-Fußball – fängt alles mit F an, genau wie Frank. Das passt also…

Wegen der unmöglichen, fanunfreundlichen Anstoßzeit am Sonntagabend um 19.30 Uhr im fernen Leipzig, habe ich mich diesmal für eine Anreise mit der Deutschen Bahn entschieden. Um 7.14 Uhr am Sonntagmorgen geht es in Bad Krozingen los. Um 13.10 Uhr komme ich planmäßig in Leipzig an; gerade noch rechtzeitig, um mir ein lauschiges, WLAN-fähiges Plätzchen zu suchen, auf dem iPad das Spiel der U23 gegen Prxxx Münster (Schreibweise des Namens in Bielefeld)  anzuschauen und in kurzen, nachrichtlichen Liveeinblendungen bei baden.fm darüber zu berichten. Wenn das Spiel vorbei ist – ich hoffe auf den ersten Heimsieg der U23 – kann ich mein Zimmer im Best Western Hotel im Leipzig City Center, gleich beim Hauptbahnhof, beziehen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, weiß ich, dass es nichts bringen wird, mit einem Taxi zum Stadion zu fahren. Die steht nur im Stau und braucht deutlich länger als die Straßenbahn, die ich dank City-Ticket der DB sogar umsonst nutzen kann. Ich denke, dass ich um 17 Uhr losfahre, dann sollte ich zwei Stunden vor Anpfiff am Arbeitsplatz sein, so wie ich es brauche und schätze.

Die Rückfahrt im ICE, am Montagmorgen, Abfahrt 6.48 Uhr, kann ich dann sinnvoll nutzen, indem ich auf dem iPad diesen Tagebucheintrag zum Leipzig-Spiel vervollständige. Mal schauen, was es dann zu erzählen gibt… Gelingt es dem SC vielleicht, ein Pünktchen zu entführen, wie beim 1:1 im März 2022 oder beim 1:1 im Mai 2020?  Oder gibt es gar ein „Päckle“, mit drei, vier Toren Unterschied, wie schon recht oft beim Marketingprojekt? Oder kriseln die wirklich und der SC zeigt sich, wie am Donnerstag, von seiner besten Seite und entführt den ersten Auswärtssieg überhaupt aus Leipzig?