5. Spieltag der 60. Saison der Fußball-Bundesliga, Bayer o4 Leverkusen - SC Freiburg

Samstag, 3. September 2022, 15.30 *

BayArena, Leverkusen *

Bayer 04 Leverkusen - SC Freiburg *

Das Vorspiel

Es fühlt sich eigentlich an, wie gestern: Erst Mitte Mai, am letzten Spieltag der Vorsaison, trat der SC Freiburg  in der Leverkusener BayArena an, in dieser Saison aber bereits am fünften Spieltag, also morgen, am 3. September. Sportlich gibt die Bayer-Elf von Trainer Gerardo Seoane in dieser Saison einige Rätsel auf: Pokalaus in der ersten Runde, durch eine 4:3-Niederlage beim saarländischen Drittligaaufsteiger Elversberg, und auch in der Bundesliga war Bayer zunächst komplett erfolglos: 1:0 in Dortmund verloren, das kann passieren; aber auch gegen den FC Augsburg in der BayArena mit 1:2 unterlegen und dann – ebenfalls auf eigenem Platz – 0:3 gegen Hoffenheim. Das wirft Fragen auf…

Vergangene Woche dann die vermeintliche Wende: 3:0 Sieg beim FSV Mainz 05. Aber war das wirklich die Wende? Es gibt Beobachter, die behaupten, die Niederlage hätten sich die Mainzer selbst eingebrockt, durch viele Fehler an einem rabenschwarzen Tag, an dem die Leverkusener von den Mainzern förmlich zum Toreschießen eingeladen worden seien – so wird erzählt.

Ist Leverkusens Krise also vorbei oder noch im vollen Gange? Dass es noch nicht rund läuft bei den „Pillendrehern“ mag man daran ablesen, dass sie in Mainz, eigentlich völlig unnötig, zwei Platzverweise kassierten. Der ecuadorianische Nationalspieler Piero Hincapie sah in Mainz ebenso Gelb-Rot wie der Niederländer Mitchel Bakker. Beide standen in Mainz in der Startaufstellung von Bayer 04, sind also veritable Ausfälle für das Heimspiel gegen den SC, das nach den beiden Heimniederlagen gegen Augsburg und Hoffenheim im Lager und im Umfeld von Bayer 04 natürlich als wichtiger Gradmesser für die Verfassung der Bayer-Elf betrachtet wird; womöglich auch für die Verweildauer von Gerardo Seoane als Cheftrainer der Rheinländer, der eine Mannschaft durch die Bundesliga führt, deren Marktwert laut dem unabhängigen Portal Transfermarkt.de mit knapp 477 Millionen Euro mehr als drei Mal so hoch ist, wie jener des SC Freiburg (150 Millionen). Bei einer dritten Heimniederlage in Serie könnte es ungemütlich werden in Leverkusen…

Unabhängig von einer solchen eher oberflächlichen Betrachtung hat Gerardo Seoane als Leverkusen-Trainer natürlich einige ganz besondere Asse im Ärmel: Etwa den schnellen Außenverteidiger Jeremy Frimpong, zweifacher Torschütze in Mainz, oder Linksaußen Moussa Diaby, den ich persönlich seit seinen Anfängen bei Bayer 04 sehr beeindruckend finde, bis hin zu Mittelstürmer Patrick Schick, dem Stoßstürmer im Zentrum. Das sind alles außergewöhnlich gute und auch teure Spieler, die es erstmal kalt zu stellen gilt. Der teuerste Bayer-Star, Supertalent Florian Wirtz (Marktwert: 70 Millionen Euro) ist freilich verletzt und kann dem SC diesmal nicht wehtun.

Bekannt ist Leverkusen für sein Tempospiel mit viel Zug zum gegnerischen Tor. Da ist neben der Cleverness und Konzentration der Freiburger natürlich auch eine kluge taktische Marschroute von Trainer Christian Streich und seinen Mitstreitern gefordert, um das Leverkusener Tempospiel zu unterbinden. „Wir brauchen deutlich mehr Zugriff auf den Gegner als gegen Bochum“ weiß der Trainer und ergänzt: „Natürlich brauchen wir auch eigene Ballbesitzphasen.“ Letzteres zur Entlastung der eigenen Defensive und um selbst in Abschlusssituationen zu kommen.

Die Aufgabe in Leverkusen ist komplex, sie zu lösen ist aber nicht unmöglich. Im Mai war der SC extrem nah dran am Punktgewinn, setzte aber aufgrund der Tabellensituation alles auf eine Karte, um durch einen Sieg eventuell sogar die Champions League zu erreichen – dann kassierte der SC relativ spektakulär das späte 2:1 der Platzherren, auch weil Torwart Flekken bei einem Standard, aufgrund der Situation völlig zurecht, mit im und am Leverkusener Strafraum weilte. Im Jahr davor hatte der SC in Leverkusen gewonnen. Mit anderen Worten: Bange machen gilt nicht, vor dem Auswärtsspiel in der BayArena!

Wegen meiner zahlreichen Abwesenheiten in den nächsten Wochen – drei Wettbewerbe fordern nicht nur die Mannschaft, sondern auch den Kommentator – habe ich mich entschlossen, nicht bereits heute die Reise Richtung Leverkusen anzutreten, zumal ich aus bestimmten Gründen, auf die ich gleich zu sprechen komme, am Sonntag erst verspätet wieder zu Hause eintreffen werde…

Heute um 17 Uhr hole ich den reservierten Toyota Corolla von baden.fm vom Funkhaus ab. Außerdem meine Übertragungstechnik, die vor dem Fußball-Marathon der nächsten Wochen, auf Vordermann gebracht wurde. Danach gönne ich mir dann einen entspannten Freitagabend mit Fernseh-Fußball und einem Gläschen Wein; oder zwei. Morgen früh geht es dann im baden.fm-Toyota in einem Rutsch von Bad Krozingen nach Leverkusen. Fünf Stunden Wegstrecke sollte man einplanen, also werde ich – wie sonst unter der Woche – um 7 Uhr den Wecker klingeln lassen und gegen acht Uhr das Haus verlassen. Dann habe ich ein bisschen „Luft“, falls es mal Stau gibt oder so. Oder ich kann unterwegs mal einen Kaffee schlürfen. Spätestens um 13.30 Uhr will ich vor Ort sein, zwei Stunden vor dem Anpfiff, das ist in der Bundesliga mein Standard.

Nach dem hoffentlich erfolgreichen Spiel geht es dann über die A3 nach Frankfurt, wo ich im kultigen Hotel Angel, mitten im versifften Bahnhofsviertel, mal wieder ein Zimmer reserviert habe. Die Türsteher und Animiermädels in den Nepper-Schlepper-Bars der unmittelbaren Nachbarschaft grüßen mich da als alten Bekannten, von dem man allerdings auch weiß, dass mit dem kein Piccolöchen zu genießen ist.  Da gehe ich lieber gut essen, als für zweifelhafte weibliche Gesellschaft und nichtssagende Gespräche den Lebemann zu spielen und Geld rauszuwerfen. Wenn die das mal kapiert haben, und in meinem Fall ist das seit Jahren so, sind sie trotzdem nett und fragen freundlich „auch wieder da?“ und  „wo spielt Freiburg denn diesmal?“ und sowas halt.

Am Sonntag fahre ich dann, mutmaßlich im Nostalgie-Trikot der Bielefelder Arminia gedresst, ans Böllenfalltor nach Darmstadt. Auf dem Heimweg einen kurzen Stopp in der 2. Liga einlegen und ein Bad in der eigenen Vergangenheit nehmen; das passt schon – das genieße ich dann. Am Spätnachmittag oder am frühen Abend bin ich dann wieder zuhause; am liebsten mit zwei Siegen im Gepäck; oder drei, wenn ich das Spiel der U23 gegen Ingolstadt noch mit in die Rechnung hineinnehme.

Und dann hat ja auch schon der Fußball-Marathon begonnen… Wie hat Christian Streich noch gestern, bezogen auf die nun beginnende intensive Phase mit vielen Englischen Wochen, gesagt? „Fußball, Fußball, Fußball, Essen, Schlafen, Fußball, Fußball, Fußball.“ Das kommt auf den Trainer und seine Jungs jetzt zu aber eben auch auf mich, den begleitenden Reporter.

Schön, dass es in der Europa League mit einem Heimspiel losgeht. Am kommenden Donnerstag gegen Qarabag aus Aserbaidschan. Die Heimspiele bestreiten die Herren in Baku. Das Heimspiel des SC gegen dieses „unbeschriebene Blatt“ eröffnet-, das Auswärtsspiel am 3. November in Baku beendet die Europa League Gruppenphase für den SC. Am Sonntag nach dem EL-Auftakt kommt dann in der Bundesliga Borussia Mönchengladbach ins Europa-Park Stadion, bevor an meinem 62. Geburtstag, dem 14. September, das Abenteuer Athen / Piräus für zwei Freunde und mich beginnt. Wir werden wohl schon am Dienstagabend gegen später nach Zürich fahren, dort übernachten – mein Sohn Jérôme lebt ja in der Schweizer Business-Metropole – und dann am Mittwochvormittag entspannt den Flug nach Athen antreten. Daniela, eine langjährige Kollegin, sitzt im gleichen Flieger. Zu viert werden wir dann in Athen, im gemieteten Van, zum Hotel fahren und dort auf der Dachterrasse mit Pool auf meinen Ehrentag anstoßen. Danach fehlt nur noch ein runder Sieg in Piräus… nur einen Fehler dürfen wir alle nicht machen: Zu sehr in der Zukunft leben...

Das Hier und Jetzt ist entscheidend und das heißt Bundesliga und Auswärtsspiel Leverkusen. Das gilt es total zu fokussieren, auch für mich. Ich will schließlich bei baden.fm eine geile Bundesligashow abliefern…

Ich kommentiere das Bundesligaspiel Bayer 04 Leverkusen gegen SC Freiburg am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1060. SC-Pflichtspiel am Radiomikrofon)

 Plötzlich Tabellenführer… Da sich Union Berlin und Bayern München am Samstag Remis trennten und der Sport-Club sein Auswärtsspiel bei Bayer Leverkusen mit 2:3 gewann, grüßt der Sport-Club, zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte überhaupt, als Spitzenreiter der deutschen Fußball-Adelsklasse. Der vierte Sieg im fünften Spiel kam wie folgt zu Stande:

Trainer Christian Streich hatte sich für einen Systemwechsel entschieden. Wie Bayer wollte auch der SC mit einer Dreier-/Fünferkette agieren, vor allem, um bei gegnerischem Ballbesitz die gefürchteten Tempoläufe der Leverkusener über die Außenbahnen zu verhindern. So rotierte Innenverteidiger Manuel Gulde ins Team, die Offensivposition von „Litz“ Doan wurde der 3-4-3-Formation geopfert. Roland Sallai, Vincenzo Grifo und Michael Gregoritsch bildeten das Offensivtrio. Für den ungarischen Nationalstürmer Roland Sallai war das Spiel aber bereits nach fünf Minuten beendet. Im Aufstehen begriffen wollte er im Mittelfeld den Ball köpfen, der Leverkusener Tah wollte das Leder mit dem Fuß kicken und schon passierte es – mit der Picke traf der Innenverteidiger von Bayer 04 den Freiburger im Gesicht, konkret das linke Auge des Stürmers. Nach fünfminütiger aufgeregter Behandlungspause auf dem Rasen der BayArena wurde der offenbar unter Schock stehende Ungar vom Platz getragen. Inzwischen ist klar, er hat sich einen Bruch des Augenbodens zugezogen und fällt auf unbestimmte Zeit aus.

Für den Verletzten Angreifer kam aber nicht etwa der zuvor aus taktischen Gründen aussortierte „Litz“ Doan auf den Platz, der sich während der Behandlungspause bereits warmgelaufen hatte, sondern – etwas überraschend – zauberte Christian Streich Wooyeong Jeong aus dem Hut. In den nächsten Minuten spielte des SC unter Schock, brachte wenig Konstruktives zu Stande. In der 16. Minute passierte dann genau das, was die Freiburger verhindern wollten: Schnelles Wechselspiel der Bayer-Elf und ein Tempolauf über den rechten Flügel: Kossounou ging, nach Zusammenspiel mit Frimpong, auf und davon und versuchte im Zentrum Schick zu erreichen, der den Ball nach der Hereingabe aber nicht kontrollieren kann. Zweimal greift Gulde unglücklich ein: Erst beim misslungenen Versuch, den Ball per Kopf aus der Gefahrenzone zu befördern, dann, als der Innenverteidiger im Gewühl  mit dem Fuß an den Ball kommt, legt er ihn ungewollt für Demirbay auf, der aus kurzer Distanz keine Mühe hat, zum 1:0 für Bayer einzuschießen.

In der Folgezeit scheint Bayer in einem etwas lahmen Spiel die überlegene Mannschaft zu sein – klare Abschlüsse bleiben aber aus und wenn mal ein Ball, wie in der 35. Minute durch Schick aufs Tor kommt, ist Mark Flekken sicher zur Stelle. Das Gleiche gilt für die 41. Minute als Diaby aus spitzem Winkel abzieht, Flekken den Ball aber mit den Fingerspitzen um den zweiten Pfosten lenkt. Nach einem Eckstoß fälscht Yannick Keitel in der 43. Minute einen Schuss von Andrich gerade noch ab, so bleibt es beim Pausenpfiff von Schiri Stegemann beim 1:0 für Bayer. Im Fazit ist das eine hoch verdiente Pausenführung der Platzherren. Der SC Freiburg hat zudem Roland Sallai durch eine schwere Verletzung verloren und hing offensiv in der Luft, hatte während der ersten 45 Minuten keine einzige Torchance zu verzeichnen. Meine Laune in der Halbzeitpause ging so… aber nur, weil die U23 gegen Ingolstadt gewonnen hatte. Ansonsten wirkte der Samstagnachmittag bis dahin irgendwie gebraucht…

Die zweite Halbzeit beginnt für den SC mit der Rückkehr zum 4-2-3-1 und personell mit Maximilian Eggestein – mit Schiene für die gebrochene Hand - für

Yannick Keitel und „Litz“ Doan für den Unglücksraben beim einzigen Tor, Manuel Gulde. Es beginnt scheinbar ein völlig anderes Spiel…

In der 47. Minute gelingt dem SC der erste torgefährliche Angriff, der mit einem Abschluss des jungen Sildillia endet, der von Sinkgraven zur Ecke abgefälscht wird. Es ist übrigens die erste Ecke der Freiburger in dieser Partie, als Vincenzo Grifo den Ball in der 48. Minute in den Strafraum flankt und Matthias Ginter sich zwischen zwei Leverkusener Verteidigern mit einem entschlossenen Kopfball durchsetzte, der – oh Wunder – tatsächlich im Netz zappelt. Der SC Freiburg war plötzlich da! Und wie! Drei Minuten später bremst Leverkusener einen weiteren Angriff der Freiburger aus, Abwehrspieler Tapsoba entschließt sich zu einem Rückpass auf Torhüter Hradecky, hat aber in seinem Rücken den lauernden Wooyeong Jeong nicht auf dem Zettel, der den Ball aufnimmt und flach und scharf Richtung zweiter Pfoste passt, wo Michael Gregoritsch in den Ball rutscht und ihn über die Linie drückt (51.). Freiburg hatte die Partie binnen sechs Minuten gedreht – man musste sich die Augen reiben…

Jetzt spielt Leverkusen wie unter Schock und Trainer Seona entschließt sich zu einem Dreierwechsel. Unter anderem wechselt er den prominenten Neuzugang der letzten Tage vom FC Chelsea ein, Hudson-Odoi. Der neue Hoffnungsträger lässt fünf Minuten später seine Qualitäten aufblitzen, als er aus dem Halbfeld eine hohe Flanke auf Schick schlägt, der sich im Kopfballduell im Freiburger Strafraum gegen Matthias Ginter und Vincenzo Grifo durchsetzt und das 2:2 erzielt.

Jetzt hat Bayer 04 plötzlich wieder Rückenwind und drängt auf die erneute Führung. Die Leverkusener haben allerdings ihre Rechnung ohne die Standard-Stärke der Freiburger gemacht. Christian Günder flankt einen Eckball auf den ersten Pfosten, wo Nicolas Höfler per Kopf verlängert und am zweiten Pfosten „Litz“ Doan findet, der den Ball unter Bedrängnis geschickt im Bayer-Tor unterbringt. Der SC führt 2:3 – „Litz“ Doan feiert den Moment und die knapp 1.500 Fans in der Gästekurve geraten in Ekstase. Der Radioreporter von baden.fm übrigens auch…

Bayer Leverkusen erspielt sich noch ein paar gute Chancen aber immer kommt irgendein Freiburger mit irgendeinem Körperteil dazwischen und fälscht ab, oder Mark Flekken ist zur Stelle. Die Gäste kämpfen aufopferungsvoll um ihren dritten Bundesliga-Auswärtssieg in Serie und halten durch. Der Sport-Club gewinnt ein Spiel mit vielen Wendungen mit 2:3 und grüßt als Tabellenführer.

 

Das Nachspiel

Ich lasse meine komplette Übertragungstechnik liegen und steige eilig die Treppen hinab. Nach so einem tollen Sieg und der Tabellenführung brauche ich natürlich Inteviews… Verschiedene Ausschilderungen in der BayArena sind scheinbar veraltet, denn mit dem Lift, der mich aus der 1. Etage (Pressezentrum) zur Mixedzone bringen soll, die auch im Fahrstuhl angezeigt ist, lande ich in einem verlassenen Keller ohne Zugang zu irgendwas. Als mir das klar wird, ist der Lift schon wieder weg. Ich rufe ihn erneut und werde nervös… Der nächste Versich führt über die Treppe ins Unterschoss. Ja! Hier scheine ich richtig zu sein, die Mixedzone ist auch wieder ausgeschildert. Die Glastür ist allerdings abgeschlossen. Genervt renne ich eine Etage höher, frage nach. Er habe keinen Schlüssel, erklärt der Pförtner des Presseeingangs und schickt mich in den VIP-Bereich. Hier frage ich einen Ordner, ob der Fahrstuhl in die Mixedzone führt. Ob ich VIP sei, fragt er mich – nein, Journalist, erwidere ich. Dann müsse ich durch den Presseeingang nach unten. Aufgeregt erkläre ich ihm die Sachlage, sodass er mich gnädig den VIP-Lift nutzen lässt. Und plötzlich bin ich am Ziel, kriege Christian Günter, Michael Gregoritsch und Matthias Ginter ans Mikrofon meines Smartphones. Der Rest ist wie immer: PK, Streich-Interview, alles verschicken – Feierabend. Entspannt steige ich wieder die Treppen hinauf zu meinem Arbeitsplatz auf der Pressetribüne, um meinen Kram zusammen zu packen.

Mein Platz war ganz oben unter dem Dach. Zur rechten Hand die Gästekurve, zur linken die Fan-Tribüne von Bayer 04. Hier oben ballte sich während der 90 Minuten der Lärm aus beiden Lagern zu einem vergleichsweise sehr lauten Lärmteppich.

Dieser wiederum hatte zur Folge, dass ich während meiner Liveeinblendungen extrem stark gepresst und geschrien habe, sodass ich schon nach ein paar Minuten heiser war und angeschlagen klang. Hintergrund ist, dass ich mich, seit wir die Übertragungen mit dem Musiktaxi streamen, meine eigene Stimme nicht über den Kopfhörer höre. Da ich in Leverkusen ernsthaft um meine Stimme fürchtete, weil es eben so laut war und ich dagegen angeschrien hatte, rätselte ich im Dialog mit Moderator „Benny“ Resetz, wie es sein kann, dass ich mich nicht höre. Ich vermutete seit langem eine Einstellungsproblematik am Mischpult. Jetzt, in Leverkusen kam ich aber auf eine Möglichkeit am mitgebrachten Musiktaxi. Da gibt es so ein Rädchen, mit dem ich das Mischverhältnis zwischen der Tonspur aus dem Radio und jener, die über das Mikrofon in meinen Kopfhörer geht abmischen kann. Wenn ich dieses Rädchen nach der Anmoderation extrem nach rechts drehe, höre ich zwar nicht mehr, als im Studio gesprochen wird, kann mich also auch nicht unterbrechen lassen und muss zum Beispiel beim Torjingle aufpassen, aber ich höre dann (endlich) meine eigene Stimme und kann sie temperieren und anpassen. Ohne Infekt werde ich also so schnell nicht mehr heiser werden… Diesen Kniff, für mich eigentlich nur eine Notlösung, war es wichtig, zu entdecken, denn in Piräus soll es ja extrem laut sein im Stadion…

So weit die Erklärung für meine angeschlagene Stimme in Leverkusen.

Binnen einer guten Stunde fuhr ich nach Frankfurt, fand dort nahe am Hotel einen Parkplatz, holte in einem Späti voller Junkies noch drei Dosen Jacky-Cola aus einem Kühlschrank und ging ins Hotel. Der besondere Charme des „Angel“ im berüchtigten Bahnhofsviertel ließ mich einmal mehr schmunzeln…

Am nächsten Tag streifte ich mir das Nostalgietrikot mit dem Arminia-Bielefeld-Logo über und fuhr nach Darmstadt. Zweieinhalb Stunden vor dem Anpfiff der Zweitligapartie traf ich am Presseparkplatz ein, setzte mich in der Sonne auf eine Bank und verfolgte den Sport1-Doppelpass übers Smartphone. Irgendwann tauchte der Kollege Roland Zorn (FAZ, DFL-Magazin) auf, sprach mich an und wir liegen die paar hundert Meter zum Stadion am Böllenfalltor gemeinsam. Zwischen Arminias Medienteam  und Radio-Bielefeld-Reporter Ulrich Zwetz, meinem Nachfolger in dieser Rolle, verfolgte ich das Spiel. Die Arminen bekamen Darmstadts kleinen „Giftzwerg“ Manu von Anfang an nicht unter Kontrolle und starteten mäßig in die Partie. Zudem schien Schiedsrichter Schlager bei jeder 50:50-Entscheidung den Heim-Club zu bevorzugen. Es lief nicht gut für meinen Heimatverein. In der achten Minute war die ganze Abwehr nicht im Bilde, zu weit weg von den Gegenspielern und der bereits angesprochene Manu, ein Deutsch-Ghanaer, erzielte in der 8. Minute das 1:0. Schon im Gegenzug muss Arminia das 1:1 machen aber Lasme knallt einen vom Torwart abgewehrten Ball von Hack nicht etwa ins Tor, sondern aus drei, vier Metern an die Latte.

Lange roch es nach Bielefelds erster Niederlage unter dem neuen Trainer Scherning, von dem ich eine Menge halte. Aber die Truppe gab sich nie auf und Lieberknechts Darmstädter agierten fahrlässig. Noch tief in der Nachspielzeit, Arminia war nach einer Verletzung von „Joker“ Klos und bereits fünf zuvor vollzogenen Wechseln längst in Unterzahl, stürmten die 98er auf Teufel komm heraus und vernachlässigten die sogenannte Restverteidigung. Ein Warnschuss von Hack, in der 91. Minute an den Außenpfosten weckte sie nicht auf. Darmstadt suchte mit Mann und Maus das 2:0… In der 94. Minute passierte es dann. Arminia glänzte nach einer Darmstadt-Chance durch schnelles Umschaltspiel. Jäkel kann auf und davon gehen, wird von Gjasula als Notbremse Rot-würdig festgehalten, reißt sich aber los, bleibt im Ballbesitz und bedient den sträflich ungedeckten Robin Hack, der schnell den Abschluss sucht und mit einem Schlenzer für den späten Ausgleich sorgt. Arminia-Herz, was willst Du mehr…

Nach PK und einem Plausch mit den Bielefelder Kollegen und Trainer Scherning setzte ich meine Rückreise aus Leverkusen bestens gelaunt fort. Via Smartphone machte ich das ZDF zum Radio und verfolgte die DFB-Pokalauslosung. Das Los, Heimspiel gegen St. Pauli, stimmte mich froh. Zunächst mal der Umstand Heimspiel… Der SC kickt am Sonntag, 9. Oktober bei Hertha BSC, am Donnerstag, 13. Oktober beim FC Nantes; mutmaßlich am Sonntag 16.Oktober – die offizielle Ansetzung steht noch aus –beim FC Bayern. Da wäre ein weiteres Auswärtsspiel am (vermutlich) 19. Oktober aber richtig „heavy“ gewesen. Mit dem Heimspiel kann man einfacher umgehen. Der Gegner ist attraktiv: Der FC St. Pauli, Brüder im Geiste könnte man sagen, Wiedersehen mit Andi Bornemann – und als Zweitligist ein sportlich objektiv bezwingbarer Gegner, wenn auch kein „Selbstgänger“ (Sandhausen lässt grüßen…)

Trotz der vielen Englischen Wochen zuvor sollte der Pokalehrgeiz der Freiburger, nach den gemeinsamen Erlebnissen vom Mai, so groß sein, dass nichts anbrennt gegen Pauli. Hoffe ich mal…

So endete eine weitere Auswärtsreise gut gelaunt gegen 20 Uhr im „Heimathafen“ Bad Krozingen.

Am Montagmorgen hatte mich dann der Alltag wieder. Als erstes: Zeitungskolumne „SC INTEAM“ für den ReblandKurier. Hier mein Textentwurf:

 

SC INTEAM

Da die Teilnahme des SC Freiburg an der UEFA Europa League an anderer Stelle ausführlich behandelt wird, konzentriert sich diese Kolumne auf die nationalen Wettbewerbe, über die es in diesen Tagen einiges zu schreiben gibt. Natürlich ist es nur eine Momentaufnahme, dass der Sport-Club nach vier Siegen in fünf Bundesligaspielen Tabellenführer ist. Erwähnenswert ist es trotzdem, denn diese Bezeichnung trug der etwas andere Proficlub aus dem Schwarzwald in seiner Erstligageschichte erst einmal: Am 12. August 2000, nach einem 4:0-Sieg am ersten Spieltag gegen den VfB Stuttgart. Vielleicht kann man sich auch mit professionellen „Licht unter den Scheffel-Stellern“, wie Christian Streich, darauf einigen, dass ein erster Platz nach fünf Spielen zwar  nur eine Momentaufnahme ist, aber eine mehr als  erfreuliche. „Wenn man nach fünf Spieltagen Erster ist, muss man schon einige Punkte gesammelt haben“, gab der Coach nach dem 2:3-Auswärtssieg in Leverkusen launig zu Protokoll. Allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seine Mannschaft derzeit auch das Glück des Tüchtigen in Anspruch nimmt. So waren die letzten drei Siege, in Stuttgart (0:1), gegen Bochum (1:0) und in Leverkusen (2:3), jeweils hauchdünn und in jedem der Spiele wäre auch ein Remis oder gar ein Sieg des Gegners möglich gewesen. Torwart Mark Flekken in Topform, ein genial sich ergänzendes Innenverteidiger-Paar, gebildet aus Matthias Ginter und Philipp Lienhart, sowie richtig gute kollektive Abwehrarbeit ergänzen das angesprochene Glück genauso wie, in manchen Spielen, eine beeindruckende Effektivität. In Leverkusen hatte der SC drei Torchancen, allesamt führten zu Treffern. Zwei davon durch einstudierte Standardsituationen. Letzteres ist eine Qualität, die die Freiburger besonders auszeichnet. Bei Eckbälle oder Freistößen in Strafraumnähe herrscht bei jedem SC-Gegner „Alarmstufe Rot“. Am Sonntag, 11. September, um 17.30 Uhr will und muss der SC die Tabellenführung gegen Borussia Mönchengladbach verteidigen (live bei DAZN und baden.fm). Die „Freiburg-Jäger“ Dortmund und Bayern lauern schon...

Nach den Auswärtsspielen in Nantes (13. Oktober) und München (16. Oktober) hat der SC am 19. Oktober, im DFB-Pokal, ein Heimspiel gegen den FC St. Pauli. Hauptsache kein Reisestress, könnte man kommentieren...  (Zitatende)

 

Und jetzt, liebe Freunde, mögen die internationalen Spiele beginnen…