5. Spieltag der Fußball-Bundesliga, FSV Mainz 05 gegen SC Freiburg

Samstag, 18. September 2021, 15.30 Uhr

MEWA ARENA, Mainz

FSV Mainz 05 - SC Freiburg

Das Vorspiel

Besinnliches zu Beginn. Als ich gerade das Datum des morgigen Spiels aufgeschrieben habe, hatte ich einen kleinen Stich im Herzen. 18. September - eigentlich wäre morgen Andis 69. Geburtstag gewesen. Andi war mein Brunder und ist vor sieben Jahren, 62-jährig, gestorben. Viel zu früh. Die einzige Ehre, die man Verstorbenen erweisen kann, ist die, dass man sie nicht vergisst. Schade, dass Du so früh gehen musstest. Ich denke an Dich. Morgen auch wieder . versprochen! Ich bitte die SC-Fans um Verständnis für meinen kleinen spontanen Schlenker. Das ist halt mein Tagebuch. 

Themenwechsel: 

Die Zeit rennt. Wenn der persönliche Kalender, wie bei mir, von SC-Spielen strukturiert wird, merkt man es besonders deutlich. Vor allem, seit ich auch die U23 betreue. Gestern habe ich (endlich) das Köln-Tagebuch abgeschlossen, wie ja auch im Verlag einiges zu tun ist, da stelle ich fest: Ui, ich habe ja nur noch heute für das Vorspiel für Mainz, morgen ist der Kick – Vierter gegen Fünfter (wer hätte das vor der Saison gedacht?), Sonntag dann U23  gegen Viktoria Berlin im Dreisamstadion, Montag PK der U23 vor dem Mittwochs-Kick gegen Eintracht Braunschweig, Mittwoch das Spiel und dann läuft schon wieder der Countdown für U23 in Zwickau und Bundesliga gegen Augsburg – das letzte Spiel im Dreisamstadion… Da bleibt nicht mal mehr Zeit zum Rasieren. Der Hinweis nur falls mich jemand gerade mit Bartstoppeln sieht. Der wahre Grund ist Zeitmangel, der andere, die Idee, es mal zu probieren mit so einem Kinn- und Backenbart. Ich sage jetzt mal, so lange der SC in der Bundesliga ungeschlagen bleibt, lasse ich es sprießen – womit wir dann auch beim Wesentlichen wären, dem Spiel am Samstagnachmittag.

Da ich bei Auswärtsspielen nicht am selben Tag Hin- und Rückfahrt plus drei Stunden Bundesligashow bei baden.fm zu bewältigen haben will, die U23 am Sonntag aber schon um 13 Uhr ihr Heimspiel gegen Berlin hat, habe ich meinen Reiseplan umgestaltet. Ab 17 Uhr habe ich den baden.fm-Toyota reserviert, dann geht’s bis in den Raum Waldorf (Nähe Autobahnkreuz), so ich eine gute Stunde vor Mainz übernachten werde. Samstag dann in Ruhe ausschlafen und am späten Vormittag nach einem guten Frühstück – der einzigen Mahlzeit bis zum Abendessen – das letzte Stück bis Mainz zurücklegen. Die Akkreditierung ist bestätigt:

„Sehr geehrter Herr Rischmüller,

wir freuen uns, Sie als akkreditierten Medienschaffenden beim Bundesliga-Heimspiel des 1. FSV Mainz 05 gegen den SC Freiburg am Samstag, 18. September (Anpfiff 15:30 Uhr), in der MEWA ARENA begrüßen zu dürfen! Ihr Sitzplatz: Block Presse, Reihe 6, Platz 11 (hat die technischen Anforderungen, ansonsten ist unsere IT-Abteilung am Spieltag für Sie über uns erreichbar). Anbei erhalten Sie alle wichtigen Informationen zum Ablauf:“ …

„MEWA ARENA“ heißt das Ding (also ohne Bindestrich, liebe Kollegen von der BZ), so wie Allianz Arena oder Europa-Park Stadion auch ohne Bindestrich zwischen dem Sponsor und der Sportstätte geschrieben werden. Insbesondere beim Europa-Park Stadion leuchtet das ein, da die drei Elemente des Kompositums ja nicht gleichwertig sind. Aber was soll ich mich wegen solcher Petitessen aufregen…  MEWA – wat is dat? Bei Google hat man die Wahl zwischen einer Kaffeefirma und einer Textilfirma. Letztere ist wohl der Namensgeber des Stadions im Mainzer Niemandsland. Da lobe ich mir doch Europa-Park Stadion…

Also, Freunde, heute los, Übernachtung und morgen dann Füchsle-Alarm in Mainz…  Nach den beiden Niederlagen in der Vorsaison hat der SC ein bisschen was gut zu machen, finde ich. Offenbar liegt der Mainzer Fußball dem SC nicht so sehr. Hinzu kommt: Unter Trainer Bo Svensson haben sich die 05er zu einer Mannschaft der Top-5 der Bundesliga entwickelt; nicht gefühlt, sondern schlicht nach Punkten und Toren. Es ist ein kleines Fußballmärchen, das da in Mainz passiert. Eigentlich sympathisch, auch wenn ich mit der Presseabteilung schon so manchen Streit ausfechten musste, weshalb mir der Verein nicht sonderlich nahesteht. Aber Hut ab vor dem, was da sportlich in letzter Zeit passiert.

„Total fokussiert, aggressiv, zweikampfstark, gut im Pressing“, beschreibt Christian Streich die Qualitäten des FSV. Dass das ein hochenergetischer Fußball ist, führt er aus und dass die obendrein gut kicken können. Streich hat schon vor der Saison prognostiziert, dass der FSV Mainz 05 um einen Platz in den Europäischen Pokalwettbewerben mitspielt und hat großen Respekt vor Bo Svensson und seinem Team.

Eine Chance habe der SC in Mainz nur, wenn es gelänge, die gleiche Energetik und Aggressivität auf den Platz zu bringen, wie die Platzherren. Dann würde es vermutlich ein hochspannendes und wildes Spiel mit einer 50:50-Chance auf ein Erfolgserlebnis.

Personell sind Jonathan Schmid nach einer Corona-Infektion und Talent Kimberly Ezekwem mit muskulären Problemen weiter „draußen“. Bei Mittelfeldstratege Nicolas Höfler, der nach einem groben Foul in Stuttgart verletzt ausgeschieden war und gegen Köln nicht im Kader stand, bestehe eine 50:50-Chance, dass es bis zum Anpfiff, morgen Nachmittag um 15.30 Uhr, reicht. Die Besetzung des zentralen Mittelfelds ist also offen – Yannik Keitel, der immer besser wird, scheint gesetzt – Janik Haberer, Neuzugang Maximilian Eggestein oder eben doch Nicolas Höfler könnten ihn auf der „Doppelsechs“ ergänzen. Da die erste Angriffsreihe mit Roland Sallai, Lucas Höler, Wooyeon Jeong und Vincenzo Grifo gegen den 1. FC Köln etwas unter Normalform geblieben ist, könnte es in diesem Mannschaftsteil Veränderung geben. Das sagt Streich nicht so deutlich, geht aber zwischen seinen Zeilen als mögliche Erkenntnis hervor. Klar: Nils Petersen, Ermedin Demirovic, Kevin Schade und Noah Weißhaupt scharren mit den Hufen. Am Ende wird es dann aber vielleicht doch die gleiche Viererkonstellation wie gegen Köln – höchstens einen Wechsel könnt ich mir vorstellen – etwa Nils Petersen für Wooyeong Jeong… mal gucken, das ist nur so ein Gefühl. Es kommt ja auch dran, zu welchem Spielsystem sich Streich und Co. entschließen. Wechseln sie zu einer Dreier-/Fünferkette fällt eine Offensivposition flach. Spannend…

Ich übertrage das Bundesligaspiel FSV Mainz 05 gegen den SC Freiburg am Samstag ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.020. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

 

Es wurde eine Nullnummer. Positiv ausgedrückt: Ein hochintensives Kampfspiel mit verbissenen Zweikämpfen und fast ohne Torchancen endete leistungsgerecht 0:0. Anders als in den Mainz-Spielen der Vorsaison schaffte es der SC den wie immer sehr aufgedreht agierenden 05ern in gleicher Münze Paroli zu bieten und ihnen zumindest einen Punkt abzuknüpfen. Der Sport-Club kontrollierte die Partie über weite Strecken. Zwei Durchbrüche der Mainzer in 90 Minuten parierte Mark Flekken mit grandiosen Fußabwehren, bevor Vincenzo Grifo in der letzten Sekunde der Begegnung mit einem Schlenzer Richtung Tordreieck fast noch ein „happy-end“ perfekt gemacht hätte. Mainz-Keeper Zentner flog allerdings ins bedrohte Eck und boxte den Ball aus dem Winkel. Dann pfiff der Schiedsrichter ab. Die Heroen hatte sich niedergekämpft. Ich lobte im Radio den souveränen Sicherheit ausstrahlenden Keeper Mark Flekken und die Dreier-Abwehrkette mit Philipp Lienhart, Nico Schlotterbeck und Manuel Gulde als beste Spieler. Andere Jungs, von denen man das absolut nicht gewohnt ist, fielen eher durch Unkonzentriertheiten und Fehlpässe auf – etwa Janik Haberer im zentralen Mittelfeld oder Kapitän Christian Günter. Nein fußballerisch war das alles nicht erbaulich – mit dem Ball am Fuß blieb vieles Stückwerk. Das galt allerdings für beide Mannschaften und lag vermutlich am jeweiligen konzentrierten und aggressiven Tackling der jeweiligen Gegenseite. Am Ende stand ein Auswärtspunkt – alles gut.

 

Das Nachspiel

Wegen des frühen Spieltermins der U23 am Sonntag um 13 Uhr hatte ich mich entschlossen, diesmal die Nacht vor dem Spiel in der Nähe des Spielortes zu verbringen und nach dem Abpfiff ins Auto zu steigen und gen Heimat zu entschwinden. Gegen 21 Uhr war ich, nach dem Autotausch am Funkhaus, wieder in Bad Krozingen, aß noch eine Kleinigkeit und gönnte mir einen Jacky-Cola. Ein bisschen Fernsehen und dann früh ins Bett; so unspektakulär verlief der Samstagabend. Um 11 Uhr am Sonntagmorgen meldete ich mich zurück, frühstückte und fuhr mit meinen beiden kleinen Kindern, Ben (13) und Amelie (9) sowie zwei von deren Freunden Richtung Dreisamstadion. Die Spiele der U23 sind ein echter Tipp für Fußballliebhaber und speziell auch für Familien. Für acht Euro pro Kindernase konnten die Kids ganz in der Nähe meines Arbeitsplatzes, also in meiner Sicht, auf der Haupttribüne (Mitte) sitzen und sich am Spiel erfreuen, während ich die Hörerinnen und Hörer von baden.fm mit den Infos vom U23-Spiel versorgte. Und der Kick der „Amas“ gegen Viktoria Berlin hatte es in sich. Die Hauptstädter spielten erwartet stark auf, bissen sich aber an der starken Abwehr der Freiburger die Zähne aus. Hinzu kam eine günstige Spielentwicklung: In der zweiten Minute knallte Mittelfeldspieler Robert Wagner aus 18 Metern den Ball so derart kräftig aufs Tor, das Viktoria-Keeper Sprint die Kugel nur relativ unkontrolliert per Faust abwehren konnte. So kam auf dem linken Flügel  Noah Weißhaupt an den Ball, der in den Strafraum dribbelte und unsanft von den Beinen geholt wurde. Den berechtigten Elfmeter wollte und sollte Nishan Burkart ausführen, zumal Emilio Kehrer beim 0:1-Auswärtssieg in Meppen einen Strafstoß mit dem Standbein wegrutschend unglücklich über die Querlatte geschossen hatte. Der Schweizer Burkart ließ sich nicht beirren, sondern verlud Torwart Sprint und schoss zum 1:0 ein (3.). In der Folgezeit hatten die favorisierten Berliner, die bei einem Sieg Drittliga-Spitzenreiter geworden wären, mehr vom Spiel, wurden aber immer wieder von der gut gestaffelten Defensive des SC um Abwehrchef Sandrino Braun-Schumacher, den einzigen Routinier in der Startelf, ausgebremst oder die Hauptstädter scheiterten am blendend aufgelegten Noah Atubolu. So verging etwa eine Stunde Spielzeit. Dann gab es Eckball für die Freiburger. Trainer Thomas Stamm nutzte die Unterbrechung zu einem Doppelwechsel, schickte unter anderem den Matchwinner aus Meppen, Vincent Vermeij, einen bulligen Mittelstürmer klassischer Prägung, so wie sie in Deutschland neuerdings wieder gefragt sind, ins Rennen. Der Eckball flog in den Strafraum, Kiliann Seldillia verlängerte per Kopf und Vicent Vermeij erzielte mit seiner ersten Ballberührung, einem Hechtkopfball, das 2:0. Riesenjubel unter den leider nur 1.800 Zuschauern im Dreisamstadion – Begeisterung auch bei meiner mitgebrachten Kinderschar. Es war ein gelungener Nachmittag für die U23 des SC und für alle, die dabei waren. Bleibt zu hoffen, dass beim Nachholspiel am Mittwoch um 19 Uhr gegen Eintracht Braunschweig wieder mehr Zuschauer ins Stadion strömen – Freiburgs spielstarke Youngster, zuletzt mit zwei Siegen am Stück,  hätten es verdient.

Zum Abschluss des Mainz-Tagebuchs, meine Zeitungskolumne von dieser Woche aus dem ReblandKurier:

SC INTEAM

 Nach dem DFB-Pokalspiel in Würzburg und fünf Partien in der Fußball-Bundesliga ist der SC Freiburg in der Saison 21/22 noch immer ungeschlagen und steht vorerst im oberen Tabellendrittel der Bundesliga. Neun Punkte aus den Spielen in Bielefeld, Stuttgart und Mainz sowie aus den Heimspielen gegen Dortmund und Köln entsprechen in der Summe exakt der Ausbeute gegen dieselben Gegner in der vergangenen Saison. Es gibt also keinen Grund, zu meckern – aber auch keinen, in Euphorie auszubrechen. Der SC spielt bislang eine gute Saison, das ist Fakt. 
Das von Medien  als „Spitzenspiel des fünften Spieltags“ apostrophierte Aufeinandertreffen des (zuvor) Tabellenvierten und des -fünften hielt dieser Betitelung spielerisch  nicht stand. Zu dürftig war, was beide Mannschaften bei eigenem Ballbesitz fußballerisch zu Wege brachten. „Spitze“ waren Mainz und Freiburg hingegen in Sachen Engagement und Zweikampfstärke. Vermutlich führen die üblichen Videostudien der Trainer zu Tage, dass es die schnellen und energiegeladenen Tacklings der jeweiligen Gegner waren, die das Zustandekommen schöner Ballstafetten schon im Keim erstickten. Christian Streich hatte seine Schützlinge akribisch auf die energetisch hochgeladene, geradezu aufgedrehte  Mainzer Spielweise vorbereitet und es ist gelungen, diese zu spiegeln. So neutralisierten sich beide Mannschaften im Mittelfeld und es kam vor 13.500 zugelassenen Zuschauern in der „MEWA ARENA“ zu extrem wenig Strafraumszenen. Der Verdacht liegt nahe, dass ein „schön“ spielender Sport-Club gegen diese Mainzer unter die Räder gekommen wäre. Dennoch fielen ungewohnte  Fehlpässe  und misslungene Freistoßvarianten unangenehm auf. Die Nerven? Der Sicherheit ausstrahlende angehende niederländische Nationaltorwart Mark Flekken – ganz in Oranje angetreten – sowie Philipp Lienhart, Nico Schlotterbeck und Manuel Gulde in der zentralen  Dreier-Abwehrkette waren die besten Freiburger. Talent Kevin Schade feierte sein Startelfdebüt in der Bundesliga. 
Am Wahlsonntag, 26. September, um 17.30 Uhr hat der SC Freiburg sein Heimspiel gegen den FC Augsburg (live bei DAZN und baden.fm). Durch einen 1:0-Sieg über Borussia Mönchengladbach dämpfte der SC-Gegner im letzten Bundesligaspiel im Dreisamstadion allzu kühne Erwartungen im Freiburger Umfeld. (Zitatende)

Man liest und hört sich in Sachen Augsburg wieder...