5. Spieltag der Gruppe G der UEFA Europa League, SC Freiburg gegen Olympiakos Piräus

Donnerstag, 27. Oktober 2022, 21 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - Olympiakos Piräus *

Das Vorspiel

Kristo Thover ist 41 Jahre alt und Geschäftsführer eines Golfclubs in seiner Heimat Estland. Ansonsten pfeift er internationale Fußballspiele, so zum Beispiel das UEFA Europa League Spiel zwischen dem SC Freiburg und Olympiakos Piräus am kommenden Donnerstag, 27. Oktober, um 21 Uhr im Europa-Park Stadion.

Es ist das fünfte Gruppenspiel des SC Freiburg im aktuellen Wettbewerb – die ersten vier Spiele hat der SC allesamt gewonnen: 2:1 daheim gegen Qarabag FK aus Aserbaidschan, 0:3 auswärts bei Olympiakos Piräus in Griechenland, 2:0 im Heimspiel gegen den französischen Pokalsieger FC Nantes und gar 0:4 beim Rückspiel in Nantes. Mit 12 Punkten und 11:1 Toren liegt der Sport-Club damit – gefühlt uneinholbar – auf Platz eins der Tabelle. Theoretisch könnte dem SC nur Qarabag FK den Gruppensieg noch streitig machen, wenn der SC die beiden letzten Gruppenspiele verliert – das letzte übrigens als Gast von Qarabag in der Hauptstadt Baku, und wenn das Team aus Aserbaidschan zuvor am Donnerstagabend, zeitgleich zum SC-Spiel gegen Piräus, in Nantes gewinnt.

Müsste ich mich festlegen, bei einer Wette oder so, glaube ich weder an eine Niederlage der Freiburger Jungs gegen Olympiakos, noch an einen Sieg von Qarabag in Frankreich. Die Begründung liefere ich gleich mit: Olympiakos hat zwar seit der 0:3-Schlappe gegen Freiburg den Trainer gewechselt, in der griechischen Liga das eine oder andere Spiel gewonnen und in Baku, beim 0:0 gegen Qarabag, etwas überraschend einen Punkt geholt – dennoch glaube ich nicht, dass der Sport-Club ausgerechnet an einem solchen Festabend – Europa League im ausverkauften Europa-Park Stadion – einen Durchhänger erleidet und das Spiel abgibt. Der Punkt, der zum Gruppensieg fehlt, ist das Mindeste, das der SC am Donnerstag einfahren wird.  Davon bin ich überzeugt.

Wer Nantes ein bisschen beobachtet hat, wie ich, der ich die französischen Liga immer ein im Auge habe, schon wegen Racing Strasbourg aus unserer Region, meinem französischen Lieblingsclub Montpellier HSC und jetzt auch wegen Nantes, nach dem Europa League Erlebnis dort, wird festgestellt haben, dass die „Kanarienvögel“, wie die Westfranzosen in Frankreich wegen ihres leuchtend gelben Looks genannt werden, irgendwie die Kurve bekommen haben. Nach dem für sie so bitteren 0:4 gegen Freiburg stand ihr Trainer Antoine Kombouaré vor dem Rausschmiss. Dann gelang aber die Kehrtwende: 4:1-Heimsieg im Kellerderby gegen Brest und 1:1 als Gast von OGC Nizza. Der FC Nantes riecht Morgenluft und will auch in Europa noch etwas reißen. Wenn die Franzosen gegen Qarabag gewinnen, zementieren sie das „Überwintern in Europa". Wenn Freiburg zeitgleich gegen Piräus punktet, wäre den Westfranzosen Platz drei (also die Conference League im Frühjahr 2023) nicht mehr zu nehmen.

Bei Siegen von Nantes und Freiburg am Donnerstag, wäre sogar Platz zwei nochmal ein Thema für den FC Nantes. Die Franzosen brennen, wenn sie gegen Qarabag auflaufen – ich sehe sie zudem im Heimspiel im Vorteil gegen das weitgereiste Team aus Baku, die vielleicht auf ein Remis spekulieren, um Platz zwei zu sichern - nicht unbedingt auf Sieg spielen werden. 

Wir in Freiburg erleben die Europa League bisher als ein willkommenes Fest – eine große Bühne, auf der sich der SC präsentieren darf und in diesem Jahr besser als jemals zuvor präsentiert. Die Mannschaft 22/23 ist einfach bärenstark besetzt und alle haben Spaß an dem internationalen Abenteuer. Die Spieler aber auch die Fans. „Ausverkauftes Haus“ war bei internationalen Spielen in Freiburg in früheren Jahren ein Fremdwort – jetzt ist es die Regel… Vermutlich, weil sowas von sowas kommt – Erfolg macht sexy.

So darf es am Donnerstag gegen Olympiakos Piräus gerne weitergehen. Wobei es ein anderes Olympiakos sein wird als im Hinspiel. Spielten die Griechen damals in einem 4-2-3-1-System, tendiert ihr neuer spanischer Trainer Gonzales Martin del Campo eher zum klassischen 4-4-2. Olympiacos ist kein Neuland für den erfahrenen Trainer, der, nach seiner Zeit beim FC Sevilla,  von 2013 bis Anfang 2015 schon einmal Coach in Piräus war. Seine weiteren Stationen bis zur Rückkehr zum griechischen Relkordmeister: Olympique Marseille, FC Malaga, UNAM Pumas im fernen Mexico und der FC Getafe; Letzteren trainierte er bis ziemlich genau vor einem Jahr. Jetzt stieg der international mit allen Wassern gewaschene Coach wieder ein und wirbelte einiges durcheinander – nicht nur Details in der taktischen Formation. Die Startelf, mit der Piräus jüngst ein 0:0 in Qarabag erreichte, hatte nicht mehr viel mit der gemein, die vor Wochen 0:3 gegen Freiburg verloren hatte. Der tschechische Nationaltorwart Vaclik, der bei den Griechen als Stammkeeper zwischen den Pfosten stand, hat sich in einem Länderspiel kurz nach dem Freiburger Gastspiel in Piräus, schwer an der Schulter verletzt. Olympiakos ersetzte ihn durch den vereinslosen Griechen Paschalakis. In der Viererkette davor spielte zumindest beim 0:0 in Baku mit dem Kroaten Vrsaljko nur noch einer aus dem Quartett vom Freiburg-Spiel. Die beiden groß gewachsenen senegalesischen Innenverteidiger Cissé und Ba wurden von dem 19-jährigen Eigengewächs Ntoi und dem 34-jährigen Routinier Sokratis abgelöst. Ja, es handelt sich um jenen Sokratis, der zwischen 2012 und 2016 bei Werder Bremen und Borussia Dortmund Aufsehen in der Bundesliga erregte, bevor er vor vier Jahren zum FC Arsenal in die Premier League wechselte und 2021 in seinem Heimatland bei Olympiacos unterschrieb. Den linken Verteidiger gibt inzwischen Reabciuk aus der Republik Moldau, auch er  schon etwas länger im Verein und keiner der jüngsten Neuzugänge.

Im Mittelfeld waren in Baku zwei von vier Startelfspielern andere als gegen Freiburg: Der frühere Mainzer Kunde spielte im Zentrum, neben Pep Biel, ebenso von Anfang an, wie der langjährige Piräus-Profi Vrousai auf der rechten Bahn. Stürmer Hwang, im Hinspiel gegen Freiburg, zusammen mit Pep Biel, einer der wenigen sportlichen Lichtblicke im Team der Griechen, hat jetzt einen Sturmpartner bekommen: Kamara, Neuzugang aus Saloniki und mit einem französischen  und einem mauretanischen Pass ausgerüstet.

Mit anderen Worten: Olympiakos kommt so ein bisschen runderneuert daher, der Trainer setzt nicht nur, aber ein bisschen mehr auf alteingesessene Olympiakos-Profis und wird den SC, mit einem etwas weniger kriselnden Team als vor ein paar Wochen, vor neue Aufgaben stellen. Ob Piräus allerdings in der Lage ist, gegen eine SC-Elf in guter Tagesform sportlich für Punkte in Frage zu kommen, wage ich zu bezweifeln. Selbst wenn der einstige brasilianische Superstar Marcelo, der kurz vor Freiburgs Gastspiel in Piräus von Real Madrid verpflichtet worden war, in der Startelf stände… In Baku durfte der Brasilianer als Einwechselspieler nur 30 Minuten mitkicken. Vielleicht ist er aber auch gar nicht im Kader.

Heute war SC-PK vor dem Piräus-Spiel. Ich bin nach wie vor vom Gruppensieg des SC überzeugt – habe bei meinen bisherigen Hochrechnungen (s.o.) aber außer Acht gelassen, dass in der Europa League bei Punktgleichheit zunächst der direkte Vergleich zählt – nicht (nur) das Torverhältnis. Wenn also Qarabag morgen in Nantes gewinnt, was ich noch immer nicht glaube, braucht der SC um vorzeitig den Gruppensieg einzufahren, einen Sieg gegen Olympiakos Piräus. Bei einem Unentschieden zwischen Freiburg und Piräus könnte Qarabag als Sieger in Nantes, in einer Woche in Baku durch einen Heimsieg gegen den SC nach Punkten gleichziehen. Dann wäre entscheidend, wer im direkten Vergleich erfolgreicher war und es zählt dann das Torverhältnis im direkten Vergleich. Es könnte also noch kompliziert werden – ich glaube aber nicht wirklich daran. Morgen gewinnen und die Tour nach Aserbaidschan wird zu einer Lustreise nebst Entdeckung anderer Kulturkreise mit einem Europa League Spiel, das für den SC dann nurmehr statistische Bedeutung hätte; je nach Konstellation wäre es für Qarabag deutlich wichtiger im Kampf um Platz zwei – auch nier kommt es wieder auf die Ergebnisse von morgen Abend an.

Piräus kommt und wie ich oben ausgeführt habe, ist das nicht mehr das Olympiakos vom Hinspiel, weder personell noch von der Spielweise her. Das bestätigte mir heute auch SC-Trainer Christian Streich in der PK und im anschließenden Interview. „Die Mannschaft hat eine ganz andere Stabilität. Die haben beim starken Gruppengegner Qarabag in Baku unentschieden gespielt und das kommt nicht von ungefähr: Sie laufen, sie haben die Räume überwiegend zu und haben ein gutes Umschaltspiel. Es ist all das da, was eine Mannschaft berechtigt, im europäischen Wettbewerb zu spielen“, analysierte Streich das Olympiakos-Team von heute. Der Trainer verspricht aber: „Wir gehen morgen raus und wollen unter allen Umständen wieder ein gutes Spiel machen. Und wenn wir ein gutes Spiel machen, ist die Wahrscheinlichkeit nicht so gering, dass wir das Spiel gewinnen können“, weiß Streich. Wichtig sei, dass seine Mannschaft das Hinspiel aus Piräus aus dem Kopf streiche, es habe keine Relevanz mehr“, warnt der Chefcoach, der nur zu gerne in der nächsten Woche in Baku einen fremden Kulturkreis kennenlernen möchte, ohne den sonst bei internationalen Auswärtsspielen üblichen Druck. Zudem gäbe eine solche Konstellation dem SC die Möglichkeit, wegen der Belastungssteuerung verstärkt zu rotieren.

Mein Vorlauf ist, wie immer bei EL-Heimspielen vom Arbeitsalltag geprägt. Erstmal muss ich ab 8 Uhr morgen Früh die Zeitungsproduktion vorantreiben; als Redaktionsleiter im großen Ganzen und als Urlaubsvertreter einer der Redakteurinnen auch ganz konkret als verantwortlicher Redakteur für die Ausgabe Südlicher Breisgau / Markgräflerland. Ein Mitarbeitergespräch steht noch auf meinem Plan, ein  Gewinnspiel als Telefon-Call-in – da geht es für interessierte Damen um Karten für den Auftritt der Chippendales am Freitagabend – ja und dann werde ich mich geistig-seelisch auf meinen Radio-Reportereinsatz am Abend vorbereiten. Nach einer Stunde im Stau vor dem Nantes-Spiel werde ich diesmal um 18.30 Uhr losfahren – nicht dass die gefürchteten Olympiakos-Fans auch noch einen Fan-Marsch machen und die Zufahrtsstraße zum Presseparkplatz blockieren, wie die Franzosen neulich. Übrigens: 1.400 Tickets wurden in Piräus abgesetzt, wobei ich mir vorstellen könnte, dass auch viele griechische Fans mit Wohnsitz in Deutschland in die Gästekurve des Europa-Park Stadions pilgern werden. Ziemlich sicher sogar…

Egal – wichtig ist: Sportlich kann der SC Historisches schaffen!

Ich kommentiere das Spiel der UEFA Europa League zwischen dem SC Freiburg und Olympiakos Piräus am Donnerstag ab 20 Uhr in der Europa League Sondershow von baden.fm.

Das Fußballspiel

(Mein 1072. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Vor 33.600 Zuschauern – der Heimbereich war ausverkauft, 1.700 Griechen aus Piräus und ganz Deutschland füllten einen Gutteil des Gästebereichs – endete das Spiel mit einem 1:1 Unentschieden. Am Ende war es ein berauschender Fußballabend, weil sich der SC, nach mäßigen ersten 45 Minuten, in denen unpräzise und irgendwie „unrund“ gespielt wurde, in der zweiten Halbzeit enorm steigerte und einen selten gesehenen Sturmlauf inszenierte, der in der Nachspielzeit durch „Torjäger“ Lukas Kübler (dritter Treffer binnen weniger Wochen) mit dem hochverdienten Ausgleich belohnt wurde.

Trainer Christian Streich setzte gegen die Griechen auf seine „gefühlte“ erste Elf, in der allerdings Eigengewächs Yannik Keitel den Vorzug vor Maximilian Eggestein erhielt.

Schnell bestätigte sich der Eindruck, dass das neue Olympiacos unter Trainer Michel nichts mehr mit dem Team des Hinspiels gemein hatte. Engagiert, lauffreudig, mit entschlossener Körpersprache und fußballerisch anspruchsvoll bot der griechische Rekordmeister, was man sich eigentlich immer von ihm versprochen hat, was Olympiacos beim Hinspiel aber gänzlich hatte vermissen lassen. Schnell musste ich anerkennen, dass der geschickte Konterfußball der Griechen zu mehr torgefährlichen  Situationen führte, als der Angriffsfußball der die Initiative übernehmenden Freiburger. Die ließen den Schlendrian Einzug halten; den Pässen fehlte es an Präzision und Schärfe – es war einfach der Wurm drin. Hatte der eine oder andere doch das Hinspiel-Erlebnis noch im Kopf und wurde jetzt durch den starken Auftritt der Griechen überrascht? Gingen die Kräfte so langsam dann doch zuneige? Vor allem fragte ich mich, ob der SC durch irgendwelche Maßnahmen einen Umschwung auf dem Feld würde herbeiführen können. Ich hatte, ehrlich gesagt meine Zweifel, der SC überraschte mich später aber positiv.

Zu den Fakten: In der 17. Minute wurde das ungenaue und unkonzentrierte Spiel der Gastgeber durch einen feinen Konter bestraft. Pep Biel, der kleine Spanier, prüfte Mark Flekken mit einem Abschluss aus kurzer Distanz. Der Niederländer zwischen den Pfosten des SC konnte zwar abwehren, den Ball aber nicht festhalten. Der 35-jährige in Frankreich geborene Marokkaner El-Arabi staubte zum 0:1 ab – und die Führung war nicht einmal unverdient. Sechs Minuten später hätte es noch bitterer werden können. Im Anschluss an einen Eckball – in meiner Erinnerung war es der einzige der Griechen – steckte Garry Rodrigues den Ball zu Masouras durch, der Mark Flekken aussteigen ließ und dann aus spitzem Winkel nur noch einschieben musste. Der Grieche traf allerdings nur das Außennetz – Was für ein Glück für den irritiert wirkenden SC! In der 35. Minute wieder ein starker Konter der Gäste, die daraus resultierende Großchance von Olympiacos  konnte Nicolas Höfler in allerletzter Sekunde mit höchstem Einsatz vereiteln. Es konnte einem Angst und Bange um den SC werden…

Dann endlich der erste Fingerzeig auf bessere Zeiten in dieser Begegnung. In der 36. Minute, im direkten Gegenzug nach der dritten Megachance der Gäste, fliegt Kofi Kyereh nach einer scharfen Hereingabe von Vinzenzo Grifo nur knapp am Ball vorbei. Dann war Halbzeit und der SC mit einem blauen Auge davongekommen.

Womit niemand wirklich rechnen konnte: In der zweiten Hälfte brannte der SC, zunächst in unveränderter Formation, ein wahres Fußballfeuerwerk ab. Nach hinten brannte nichts mehr an und offensiv lief eine Angriffswelle nach der anderen auf das Olympiacos-Tor, zumal auch die so wichtigen zweiten Bälle, (fast) immer beim jetzt hochkonzentrierten SC landeten. Eine Großchance reihte sich an die nächste und Piräus wurde immer mehr am eigenen Strafraum festgenagelt.

Allerdings wuchs nun ein Grieche über sich hinaus, mit dem niemand wirklich rechnen konnte. Der 33-jährige Paschalitis, in der Vorsaison bei Paok Saloniki unter Vertrag, war von Olympiacos Ende September aus dem Pool der vereinslosen Profis verpflichtet worden, um den bei der tschechischen Nationalmannschaft an der Schulter verletzten Stammkeeper der griechen zu ersetzen. Und dieser Paschalatis hielt in der zweiten Halbzeit mehrere „Unhaltbare“ – es war zum Verzweifeln…

Zunächst gibt es Ärger mit dem Schweizer VAR: Christian Günter geht nach einem offensichtlichen Trikotzupfer im Strafraum zu Boden. Der VAR prüft – die Textilbremse ist eindeutig – der Elfmeter bleibt aber aus.

Die erste echte Großchance hatte in der 59. Minute Lukas Kübler, der den Ball genau da vor die Füße bekam, von wo aus er in Nantes und gegen Bremen erfolgreich getroffen hatte. Wieder zog „Kübi“ ab, fand diesmal jedoch in Paschalatis seinen Meister.

Zwei Minuten später setzt sich Kofi Kyereh erfolgreich durch und legt ab auf „Litz“ Doan, der den Ball am Fünfmeterraum denkbar knapp verpasst.

Christian Streich brachte nun frische Energie aufs Spielfeld: Wooyeong Jeong, Noah Weißhaupt und Maximilian Eggestein kamen in der 63. Minute für Kofi Kyereh, „Litz“ Doan und Yannik Keitel. Alle drei fügten sich nahtlos in das nun flüssig laufende Freiburger Spiel ein, das überwiegend in der Olympiacos-Hälfte zutrug.

Nach einigen verpassten „Halbchancen“  bringt Christian Streich auch noch „Fußballgott“ Nils Petersen für Michael Gregoritsch ins Spiel. Nils ist sofort voll da und hat in der 77. Minute seine erste Megachance: Noah Weißhaupt zaubert ein Solo auf den Platz und über Nicolas Höfler landete der Ball bei Nils, der direkt draufhält und … in Paschalatis seinen Meister findet. Kiliann Sildillia kommt für Philipp Lienhart (77.) und die Situation spitzt sich immer mehr zu. Bei jeder Gelegenheit dreht Olympiacos an der Uhr, Zeitspiel der unangenehmen, provokanten Art. Freistoß Freiburg in der 81. Minute, Matthias Ginter kommt im Strafraum frei zum Kopfball – Tor? – Nein! Paschalatis fliegt ins richtige Eck. Nach einem quasi in Zeitlupe durchgeführten Dreierwechsel der Griechen kommt plötzlich Kiliann Sildiliia in eine gute Schussposition, verzieht den Ball aber überhastet.

Die 88. Minute – es passiert Unglaubliches: Eckball für Freiburg, Nils Petersen verlängert schulbuchmäßig auf Wooyeong Jeong, der am zweiten Pfosten freisteht und nur noch einköpfen muss – auch das gelingt… doch Paschalatis fliegt irgendwie heran und kratzt den Ball aus noch von der Linie. Es ist unglaublich und erstmals in der zweiten Hälfte hege ich Zweifel, dass der SC noch trifft.

89. Minute: beim Eckball für den SC geht Kiliann Sildillia im Strafraum zu Boden. Eine kleine Rangelei, klar… der VAR prüft und entscheidet ein zweites Mal zugunsten des „Angeklagten“ – kein Foul, kein Elfmeter. Hier kann ich die Entscheidung nachvollziehen, beim Trikotzupfer gegen Christian Günter in der 54. Minute wäre ein Strafstoß angebracht gewesen.

Die 90. Minute, es werden sechs Minuten Nachspielzeit angezeigt. Ich schöpf wieder Hoffnung, denn angesichts der Angriffsfrequenz des SC sind das sechs potenzielle Abschlüsse – mindestens. Das weiß auch Olympiacos und spielt unglaublich auf Zeit.

Gelb für den Mann der zweiten Halbzeit, Torhüter Paschalatis, wegen Zeitspiels (90.+1).  Großchance SC Freiburg durch Vincenzo Grifo, als dessen Flanke plötzlich zum Schuss mutiert – Paschalatis pariert und lenkt den Ball übers Tor (90.+2)

es gibt Eckball für Freiburg: Kapitän Christian Günter bringt die Eckballflanke scharf ins Zentrum, Lukas Kübler rauscht heran und köpft den Ball entschlossen als Aufsetzer ins Netz – keine Chance für Paschalatis. Das Europa-Park Stadion explodiert – der Reporter deliriert am Mikrofon. Fast im gleichen Moment schießt Nantes in Westfrankreich das 2:1 gegen Qarabag (mein Smartphone zeigt den Ticker) – jetzt ist es amtlich, der SC zieht vorzeitig als Gruppensieger ins Europa-League-Achtelfinale ein – wie geil ist das denn!?

Abpfiff in Freiburg, Abpfiff in Nantes – Das Remis gegen Piräus wird gefeiert wie ein Sieg. Die Olympiacos-Profis lassen die Köpfe hängen, sie sind durch die Ergebnisse dieses Abends vorzeitig aus der Europa League ausgeschieden, können auch den dritten Platz nicht mehr erreichen. Überschäumender Jubel hier, ungläubige Trauer dort. Olympiacos hatte gut gespielt und steht doch mit leeren Händen da – trotz des irrwitzig gut haltenden Torhüters Paschalatis… Wahnsinn! Es war ein unvergesslicher Abend.

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Der Bahnhofsvorsteher der UEFA vom Nantes-Spiel hat Corona. Für ihn übt eine nicht unattraktive aber umso strengere Aufsichtsperson das Hausrecht des Verbandes als Ausrichter der UEFA Europa League aus. Will sagen, als ich nach meiner Spielanalyse (live gesprochen, ein Song nach dem Abpfiff des Spiels), dem Zusammenpacken meines Technikkrams und so weiter zur Mixedzone komme, ist die noch immer den Erstverwertern des deutschen (RTL) und griechischen Fernsehens vorbehalten. Darauf hatte ich freilich spekuliert, sonst hätte ich ja gar nicht erst gepackt. Es wird auch noch einige Minuten dauern, bis die adrette Dame von der UEFA Printmedien und Radioreporter einlassen wird. Als es endlich so weit ist – mein Rollköfferchen steht längst im PK-Raum, wo es ja später weitergehen wird, sind die Spieler natürlich längst in der Kabine. Leichtes Murren bei den Kolleginnen und Kollegen. Sascha Glunk, Pressesprecher beim SC, geht in die Kabine und beauftragt zunächst den Kapitän, Christian Günter, den Medien Rede und Antwort zu stehen. Als Vertreter des offiziellen Medienpartners des SC, baden.fm, bin ich dann, was auch von den Kolleginnen und Kollegen dankenswerter Weise, anerkannt wird, Wortführer – bekomme mein 1:1-Interview. Wenn ich fertig bin gibt es dann von den anderen noch ein paar Nachfragen, dann bin ich aber draußen, mein Interview ist ja im Kasten. Als „Günni“ geht, warten wir wieder. Schließlich kommt Michael Gregoritsch und steht uns auf gleiche Art und Weise Rede und Antwort. Dann kommt Bewegung in die Szenerie, denn Christian Streich und seine „Blase“ bewegen sich zum Presseraum – die PK steht an. Ich beeile mich hinterher zu kommen, sitze aber pünktlich zu PK-Beginn auf meinem Stammplatz ganz linksaußen in der ersten Reihe. Wegen der Übersetzungen ins Griechische dauert alles ein wenig länger. Da ich weiß, dass ich mein 1:1-Interview bekomme, stelle ich keine Fragen in der PK. Mittlerweile ist es nach Mitternacht. Der Trainer gibt mir wie immer sehr ehrlich und authentisch Auskunft. Als die Mirkos ausgeschaltet sind, schwärmt er noch einmal, ohne Druck nach Baku reisen zu können. „Du kommst auch nach Aserbaidschn, oder?“ fragt er mich beim Rausgehen. „Selbstverständlich“, kündige ich an. Vorher ist freilich der Bundesligakick am Sonntag auf Schalke…

Wie beseelt fahre ich durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Ich bin vollgepumpt mit Adrenalin und beschließe, mir, bevor ich den Nachbericht für das Frühprogramm von baden.fm produziere, die TV-Zusammenfassung bei RTL Plus anzuschauen; auch jene von Nantes gegen Qarabag. Dabei trinke ich einen Cuba Libre, gemixt aus echtem Brugal-Rum aus der DomRep, der Heimat meiner lieben Frau, und eisgekühlter Cola Zero. Ich genieße es und weiß – es wird spät heute… Zuviel Adrenalin  im Körper. Ich habe im Fußball, den ich so liebe, beim Sport-Club, den ich so schätze, Historisches erlebt. „Wir“ sind im Achtelfinale, im März nächsten Jahres…

Dann fühle ich mich fit für die letzte dienstliche Aufgabe des Abends, den Nachbericht für baden.fm. Ich schreibe einen Text und bin zufrieden damit. Ich spreche ihn ein – und bin nicht zufrieden. An einer Stelle verschlucke ich einen Konsonanten, eine Pause ist zu lang – ich beschließe eine neue Aufnahme, ohne die alte wegzuschmeißen; man weiß ja nicht, ob es besser wird. Dreimal setze ich an und breche frühzeitig ab. Entweder ein Versprecher, eine falsche Betonung oder ich habe schlicht den vereinbarten Gruß, „Guten Morgen!“ zu Beginn vergessen. Dann gelingt mir der sogenannte Aufsager richtig gut – ich bin zufrieden, verschicke mein Werk ans Radio und widme mich zum Zeitvertreib den sozialen Netzwerken – und dem Cuba Libre. An schlafen ist noch nicht zu denken.

Im Smartphone stelle ich eine zweite Weckzeit für acht Uhr ein. Den Radiowecker um sieben Uhr werde ich wegdrücken, beschließe ich schon mal vorab.

Um zwei Uhr liege ich neben meiner Frau im Bett und schlafe dann auch schnell ein. Als Yoany morgens aufsteht, um die Kinder zu versorgen und zur Arbeit zu fahren, wache ich auf. Es ist kurz vor halb sieben. Ich schalte baden.fm ein und lausche um 6.45 Uhr meinem Nachbericht von heute Nacht. Peter Helmig, einer der Frühmoderatoren, verkauft ihn perfekt und dann gewinne ich das Gefühl, dass mir da wirklich eine angemessene und treffende Zusammenfassung gelungen ist, die der Bedeutung des sportlichen Ereignisses gerecht wird. Ich freue mich, schalte den Radiowecker aus und schlafe kurz ein. Punkt sieben Uhr weckt er mich, weil er so programmiert ist. Ich drücke ihn weg und schlafe noch einmal tief ein.

Als mich um 8 Uhr das Smartphone aus den Träumen reißt, weiß ich, dass die Pflicht ruft.

Verrückt: Nach der Morgentoilette muss ich schon wieder die Koffer für eine Fußballreise packen. Zum Glück habe ich jetzt genug leuchtend blaue Puma-Sachen von Intersport HAAF, um auch bei vielen englischen Wochen immer frisch und sauber ausgerüstet zu sein. Schalke wird eine längere Tour…

Schon heute, am Freitag, nehme ich die erste Etappe unter die Reifen. Um 17 Uhr hole ich den baden.fm-Toyota vom Funkhaus und fahre bis Frankfurt. Das ist die halbe Strecke. Da, wenn ich dort ankomme, mein Enkelchen schon schläft und ich morgens in aller Frühe weiter will, verzichte ich schweren Herzens auf einen Familienbesuch in der Hessenmetropole, wo meine Tochter Caroline mit Partner und Töchterchen Lara lebt. Nur für eine billige Übernachtung will ich die drei nicht missbrauchen und für mehr ist nicht Zeit.  Morgen in der Frühe geht’s dann, wie fast immer bei Spielen in NRW oder in Niedersachsen, zu Muttern nach Bielefeld. Für meine alte Dame (90+) gibt es ein paar Dinge zu erledigen. Der Gärtner braucht einen neuen Rasenmäher, der Schlüssel eine neue Kopie – so einen Kram halt. Dafür habe ich den Samstag.

Abends werden wir dann garantiert im kultigen Kreta sitzen, meinem Stammrestaurant in Bielefeld – Szene-Treff zu meiner Zeit als Arminia-Reporter.

Am Sonntag geht’s dann schon früh nach Gelsenkirchen. In einem modernen Diner habe ich einen Tisch bestellt. Dort werde ich um 13 Uhr das Spiel der U23 via Stream verfolgen und die Radiohörer sporadisch darüber informieren. Wenn alles vorbei ist, gibnt es noch ein Käffchen, ein bisschen Abschalten und dann ist es auch schon Zeit zur Veltins-Arena  zu fahren. Um 17 Uhr beginnt die baden.fm-Bundesligashow...