6. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen FC Augsburg

(Wahl-)Sonntag, 26. September 2021, 17.30 Uhr

Letztes BL-Spiel im Dreisamstadion, Freiburg

SC Freiburg - FC Augsburg

Das Vorspiel

 

Mit dem Bundesligaspiel am Sonntag, 26. September 2021, um 17.30 Uhr gegen den FC Augsburg verabschiedet sich der SC Freiburg aus seiner traditionsreichen Spielstätte, dem Dreisamstadion. Für mich persönlich ist das natürlich auch ein Kultort, logisch. Ich weiß noch, wie ich bei meinem persönlichen Erstkontakt mit diesem Stadion, im Herbst 1993, in einer Art Bretterverschlag hinter Thomas Volk und Jürgen Theiß stand, die bei Radio Freiburg FR 1, wie der Sender damals hieß, für die SC-Berichterstattung zuständig waren. Es war der 15. Spieltag der Saison 93/94 und der 6. November; der SC schlug den VfB Stuttgart an jenem Nachmittag mit 2:1 - und ich hatte die Zusage in der Tasche, ab 1. Januar Sportchef und SC-Reporter des Senders zu werden. Beruflich ganz sicher der gravierendste Einschnitt in meinem Leben. Das war ganz schön aufregend.

Zum 18. Spieltag am 27. November kam ich schon wieder, stand erneut hinter den beiden FR1-Reportern, neben mir, auf einer Kiste stehend, meiner kleiner, sechsjähhriger Sohn Jérôme. 28 Jahre ist das schon her und ich weiß es noch wie heute; Jérôme wird am Samstag übrigens 34 Jahre alt… (Glückwunsch nach Zürich bzw. nach Palavas les Flots bei Montpellier!) Das Spiel, das wir beide damals verfolgen durften, während wir im Hintergrund unseren Umzug von Bielefeld nach Südbaden organisierten, ist legendär: SC Freiburg gegen FC Bayern München oder auch die Uwe-Wassmer-Show… 3:1 siegte der SC – die drei Tore fielen in der 5., 64. Und 83. Minute, alle durch Uwe Wassmer, den schmächtigen Mittelstürmer, der zum Helden wurde  – unvergessen. Für mich ganz persönlich war das der Beginn einer Geschichte, die ich mit dem Wort "Lebensglück" bezeichnen möchte. Nein, ich möchte meinen Weg, meine Geschichte und meine Gegenwart mit niemandem tauschen – mit keinem Millionär und keinem Superstar. Ich mache schon ziemlich lange mein Ding, um es mit Udo L. auszudrücken. Und ich genieße es – heute noch – privat wie beruflich.

Und das Dreisamstadion spielt dabei als Location keine unwesentliche Rolle. Trotzdem hält sich die Wehmut in Grenzen, denn ich werde ja auch in Zukunft regelmäßig mit einem Mikrofon auf meinem Platz in der zweitobersten Reihe der Pressetribüne sitzen – wenn die U23 in der Dritten Liga kickt oder, wenn es der Terminplan erlaubt, ob mit oder ohne Mikrofon, wenn die SC-Frauen ein interessantes Bundesligaspiel austragen. Erst gestern Abend war ich für baden.fm bei der U23, die leider mit 0:1 gegen Eintracht Braunschweig verloren hat, weil gegen betont defensive Gäste nach vorne zu wenig gelang und häufig die falschen Entscheidungen getroffen wurden (etwa hohe Flanke statt flache Flanke oder umgekehrt, Abschluss statt Pass oder umgekehrt). Kurz: Das Dreisamstadion, in dem ich in 28 Jahren so viele aufregende Dinge erleben durfte, verschwindet nicht aus meinem Leben, sondern bleibt mittendrin. Ob ich Wehmut empfinde? Allenfalls ein bisschen. Die Vorfreude auf das neue Europa-Park Stadion überwiegt bei Weitem.

Trotzdem wäre es natürlich ärgerlich, würde sich die Bundesligatruppe des SC mit einer Niederlage aus ihrer Kultstätte verabschieden. Der Abschied sollte den Ehrgeiz der Jungs zusätzlich anstacheln.

Augsburg ist ein eckiger und kantiger Gegner. Die Spiele gegen die bayrischen Schwaben waren selten ansehnlich, wenn auch zumindest im Dreisamstadion in meiner Erinnerung meist erfolgreich. Gucken wir doch mal... Die (Erstliga-)Statistik bestätigt mich: Sieben Siege, zwei Niederlagen, ein Unentschieden, seit die Fuggerstädter, aus der Versenkung auftauchend, wieder in der Adelsklasse mitmischen. Die waren ja mal ganz schön abgesackt in Fußball-Deutschland. Der markanteste Sieg gegen Augsburg gelang dem SC sicherlich im allerersten der angesprochenen Erstligaduelle: Am 21. Januar 2012, es war das erste Spiel unter dem neuen Cheftrainer Christian Streich, besiegte der Sport-Club in einem Abstiegskrimi den FCA mit 1:0. Matthias Ginter, damals noch A-Jugendlicher, wurde eingewechselt und machte in der 88. Minute das Tor. Der Rest ist Legende – für „Gindes“ aus March, der zweieinhalb Jahre später Weltmeister wurde und eine fantastische Bundesligakarriere bei Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach machte (und trotzdem ein bodenständiger netter Kerl geblieben ist) wie auch für den Trainer aus dem Markgräflerland, der noch heute beim SC auf der Kommandobrücke steht und einer der ganz großen Trainerpersönlichkeiten der Bundesliga ist; vermutlich die Größte – auch dieses besondere Spiel an einem Wendepunkt des SC Freiburg hat einen festen Platz unter den ganz großen Momenten, die ich als Radio-Reporter für das Funkhaus Freiburg an der Schwarzwaldstraße erleben durfte.

Das letzte Kräftemessen mit Augsburg im Dreisamstadion endete am Sonntag, 21. März dieses Jahres, mit 2:0 für den SC. Sallai und Lienhart schossen die beiden Tore in der zweiten Halbzeit. So richtig tief eingegraben in mein Gedächtnis hat sich die Partie nicht. Mir fällt allerdings auf, dass Christian Streich gegen die Augsburger eine Viererkette aufgeboten hat. Ob er das am Sonntag wieder so macht, bleibt dahingestellt. In Mainz war es zuletzt eine Dreierkette, gegen Köln in der Woche davor eine Viererkette. Schauen mer mal… Vorne im Angriff drückt ein bisschen der Schuh – viele Tore haben die Jungs zuletzt nicht erzielt, viele gute Abschlusschancen hatte es auch nicht gegeben. Das Problem ähnelt dem der U23 am Mittwochabend gegen Braunschweig…

Für mich persönlich wird der kommende Sonntag ein Fußballsonntag…

Los geht es um 11 Uhr… nein, nicht mit dem Sport1-Doppelpass, sondern viel, viel schöner, mit dem Saisonstart der C-Junioren-Bezirksliga. PTSV Jahn Freiburg II gegen SG Markgräflerland. Beim Gast, der sich primär aus Spielern des FC Bad Krozingen zusammensetzt, kickt mein Sohn Ben auf der Außenbahn, zuletzt meist links, manchmal auch rechts. Selbstverständlich bin ich bei allen Spielen dabei, wenn es der Zeitplan zulässt. Und am Sonntag ist das geradezu ideal: Um 11 Uhr kicken die C-Junioren mit Ben, dann gehe ich ein Stadion weiter, ins direkt benachbarte Dreisamstadion. Von meinem Arbeitsplatz auf der Pressetribüne aus werde ich auf dem iPad das Spiel der U23 in Zwickau verfolgen und zu bestimmten Zeiten nachrichtlich bei baden.fm darüber berichten. Sozusagen aus dem Homeoffice, nur dass Letzteres diesmal das Dreisamstadion ist… . Direkt nach den 16 Uhr – Nachrichten läuft dann meine vierte und letzte Einblendung mit Infos vom U23-Spiel. Dann habe ich noch eine Stunde Zeit bis zum Start der Bundesligashow, womit klar ist, warum ich das Dreisamstadion zum Homeoffice erkläre, denn die Übertragungstechnik zuhause abbauen und einpacken, von Bad Krozingen nach Freiburg fahren und dann wieder alles auspacken und anschließen – dafür wäre eine Stunde womöglich etwas knapp, vor allem, wenn die Technik – wie beim Köln-Spiel – etwas „spinnt“.

Um 17.30 Uhr beginnt dann jedenfalls die Hauptsache des Tages (oder war da noch etwas anderes???), das Bundesligaspiel zwischen dem SC und dem FC Augsburg.

Kollege Benny Resetz im Studio hat auch einen langen Tag und muss, selbstverständlich unterstützt von der Nachrichtenredaktion, auch zusätzlich einen Blick auf die Hochrechnungen im Bund und auf die Wahlkreisergebnisse im Sendegebiet haben. Denn ab 18 Uhr wird es ja auch politisch richtig spannend, in ganz Deutschland, in den hart umkämpften südbadischen Wahlkreisen und deshalb auch bei bei uns im Radio: Baden.fm bringt Fußball live aus der Bundesliga und die wichtigsten Nachrichten von der Bundestagswahl – das wird doppelt spannend und ich freue mich schon total darauf, denn ich bin zwar eine Fußballnase aber natürlich auch ein politischer Mensch, höchst interessiert und – angesichts meines Tagesprogramms vom 26. September sollte ich darauf hinweisen – ich habe meine Erst- und Zweitstimme natürlich längst per Briefwahl abgegeben.

 

Ich übertrage das Bundesligaspie SC Freiburg gegen FC Augsburg am Sonntag ab 17 Uhr live in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.021. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

 

Das Spiel war ein Traum. Der SC agierte wie aus einem Guss, alle waren klasse, Lienhart, Kübler, Eggestein und Höler haben mir persönlich am meisten Freude bereitet… Aber tue ich „Chico“ und „Vince“ Unrecht, wenn ich sie hier nicht erwähne? Vermutlich. Alle waren außerordentlich gut in Form, vor allem in der ersten Halbzeit bekam der FC Augsburg kein Bein an die Erde. Sein bislang bestes Spiel für den Sport-Club bestritt ganz sicher Lucas Höler. In der 7. Spielminute gelingt ihm ein wunderbarer Pass in den Lauf von Kapitän Christian Günter. Dieser drängt von links in den Strafraum ein und hält drauf, Gikievicz, ein alter Bekannter im Dreisamstadion pariert und lenkt den Ball auf die andere Seite, wo Lukas Kübler am schnellsten reagiert und den Ball – technisch durchaus anspruchsvoll – ins Tor grätscht – 1:0. In der 25. Minute wird Maximilian Eggestein nicht attackiert, sodass er auf den Strafraum zu dribbelt und dann einen Steckpass in die Gasse spielt, die zwei FCA-Verteidiger offenlassen. Lucas Höler nimmt den Ball auf höchst anspruchsvolle Art mit, steht plötzlich frei vor Gikievicz und überlupft den aus dem Tor stürzenden Polen extrem geschickt, das 2:0.

Als Verteidiger Framberger acht Minuten später mit abgespreiztem Arm in eine Flanke von Christian Günter grätscht wehrt er die Flanke mit dem besagten Arm ab – kein Zweifel, Elfmeter. Vincenzo Grifo, ohnehin in gunter Spiellaune unterwegs, lässt den ex-Kollegen zwischen den Pfosten schlecht aussehen und schießt den Ball zum 3:0 ins Netz. Das war auch der Halbzeitstand.

Nachdem Wechsel trat der FC Augsburg taktisch anders auf, drängte auf den Anschlusstreffer, der sollte aber nicht fallen. Zu ungefährlich waren die Versuche und zu stark die statistisch derzeit nach den Bayern beste Abwehr der Bundesliga. Vorne gab es noch eine Reihe von guten Einschussmöglichkeiten, die der Gast teilweise in slapstickartigen Darbietungen irgendwie vereitelte. Schade eigentlich, denn das mögliche 4:0 wäre, beim Abschiedsspiel im Dreisamstadion der 1000. Bundesligatreffer hier gewesen. Außerdem hätte der SC Borussia Dortmund von Platz vier verdrängt. Der wunderbaren Stimmung im Stadion, noch lange nach dem Abpfiff, tat das aber keinen Abbruch.

 

Das Nachspiel

Vom Spiel war ich begeistert, den Abschiedsschmerz vom Dreisamstadion hatte ich unterschätzt. Irgendwann, als tausende Lichter brannten und Trude Herr ihr „Man geht niemals so ganz…“ sang, hatte auch ich ein, zwei Tränen in den Augenwinkeln. 28 Jahre war dieses Stadion bei Heimspielen mein Arbeitsplatz und der jeweilige Höhepunkt der Arbeitswoche. Ich spürte Nostalgie und Dankbarkeit.

Im ReblandKurier veröffentlichte ich im Nachgang folgende Kolumne:

 

SC INTEAM

 

Auf denkbar würdige Art und Weise haben sich Mannschaft, Trainer und Fans vom Dreisamstadion –  67 Jahre lang  Spielstätte der Heimspiele – verabschiedet. Das letzte Bundesligaspiel in dem kultigen Stadion konnte die Mannschaft souverän mit 3:0 für sich entscheiden. Gleichzeitig stellte das Team mit dem sechsten ungeschlagenen Spiel in Serie einen Startrekord auf. Dass der  Super-Coup verpasst wurde – ein mögliches 4:0 wäre zum Abschluss das 1000. Bundesligator im Dreisamstadion gewesen und hätte den SC nach sechs Spieltagen  auf Platz vier der aktuellen Bundesliga-Tabelle gespült, vor Borussia Dortmund …  – dass diese Momentaufnahme ausblieb, mag man als Fingerzeig nehmen, dass der SC Freiburg eben nicht am Ziel, sondern permanent unterwegs ist, gilt doch speziell in Freiburg die Erkenntnis, dass der Weg das Ziel ist. Dieser Weg hat mit dem Abschied aus dem Dreisamstadion einen weiteren markanten Meilenstein erhalten. Denn auch die 14.400 wegen der Corona-Verordnung maximal zugelassenen Fans zeigten sich am Sonntagabend von ihrer besten Seite. Da der Funke von Beginn an vom Spielfeld auf die Tribünen übersprang, entlud sich eine zauberhafte Energie, die gegen Ende der Partie und bis lange nach dem Abpfiff von ehrlicher Abschiedsnostalgie durchtränkt wurde. Inbrünstig  wurde gemeinsam gesungen und geweint. Auch Christian Streich musste sich, nach 25 Jahren an diesem Arbeitsplatz, seiner Tränen nicht schämen. Viele tausend Wunderkerzen, die Ende 1993 beim 4:1 gegen Borussia Dortmund ein unvergessliches Erlebnis geschaffen und  einen frühen Meilenstein der Freiburger Bundesligageschichte gestaltet  hatten, wurden am 26. September 2021 durch die Taschenlampen tausender Handys ersetzt. „Niemals geht man so ganz“ sang Trude Herr  dazu und alle summten oder sangen mit. Das ging  unter die Haut.

Sachlicher wird es am Samstag, 2. Oktober, um 15.30 Uhr  werden, wenn der SC im Berliner Olympiastadion bei Hertha BSC antritt (live bei Sky und baden.fm). Die Berliner stehen nach schwachem Saisonstart und dem 0:6 in Leipzig mit dem Rücken zur Wand. Hertha wird einen Kampf auf Biegen und Brechen bieten. Die Freiburger sind einmal mehr ganz besonders herausgefordert. Die Rekord-Serie von sechs Bundesligaspielen ohne Niederlage soll weiter ausgebaut werden. (Zitatende)

 

Was noch zu sagen bleibt ist: Ja, ich halte mein in einem Facebook-Video versprochenes Versprechen,  mich erst wieder zu rasieren, wenn der SC ein Bundesligaspiel verliert. Meine Frau ist schon ein bisschen sauer und küsst mich kaum noch. Meine Schwester sagt, der (fast weiße) Bart mache mich alt und die Kinder lachen mich aus. Trotzdem hoffe ich aur ein weiteres Erfolgserlebnis am Samstag in Berlin…

 

Nachtrag: Das C-Jugenspiel am Samstag wurde kurzfristig auf Freitagabend verlegt und von unseren Jungs auswärts mit 0:5 gewonnen. Alles gut.