6. Spieltag der Gruppe G der UEFA Europa League, Quarabag FK gegen SC Freiburg

Donnerstag, 3. November 2022, 18.45 Uhr (MEZ) *

Tofik-Bakhramov-Stadion (Baku) *

Qarag FK - SC Freiburg *

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Aufgrund der Terminhatz, sei es mir einmal mehr erlaubt, das Nachspiel vom Schalke-Kick und das Vorspiel zum Ausflug nach Baku in einem Kapitel zusammenzufassen; es bleibt ja kaum Zeit für mehr…

Auf Schalke hat sich was verändert: Die Mannschaft ist ab- und wieder aufgestiegen und irgendwann ist irgendwer – vermutlich Peter Knäbel (Scherz) auf den Gedanken gekommen, die Arbeitsbedingungen für Journalisten zu verschlechtern. Konnten wir früher den Haupteingang für VIPs und Sponsoren nutzen und vor allem – was wichtiger ist – zum Erreichen des Pressezentrums im Untergeschoss und der Mixedzone im Keller sowie der Pressetribüne im Oberrang, Rolltreppe und Fahrstuhl benutzen, geschieht das nun über Außentreppen. Mit Technikkoffer für meinen Radiojob ist das auf dem Hinweg beschwerlicher, aber zumutbar. Nach dem Spiel empfinde ich es eine Zumutung. Denn dann teilen wir arbeitenden Journalisten uns die Außentreppe mit dem zahlenden Zuschauer, der natürlich alle Zeit der Welt hat, im Stehen noch ein Schwätzchen hält und so weiter. Wir müssen dann eilig durch die Menge, in meinem Fall mit Technikkoffer im Anschlag, nein, liebe Schalker, diese Änderung war keine gute Idee und hilft uns nicht bei der Arbeit…

So kam ich dann außer Atem in der Mixedzone an und hatte Matthias Ginter bereits verpasst. Der „Man of the Match“, Vincenzo Grifo, sollte aber noch kommen, teilte mir der BILD-Kollege mit und so war es dann auch. „Vince“ kam, strahlte nach seiner Top-Leistung mit  zwei Toren über das ganze Gesicht und stand mir ausführlich Rede und Antwort. Genauso wie später Trainer Christian Streich. Die Interviews sind in der Mediathek von www.baden.fm anzuhören. Gerade Streichs Äußerungen fand ich diesmal sehr informativ, wenn auch mehr zwischen den Zeilen…

Als ich mit Freiburgs Cheftrainer fertig war, sprach mich ein bekanntes Gesicht an. Ein Wegbegleiter von früher: Andreas Kramer, von mir einst „Rex Krämer“ getauft, heute Redakteur für die ARD-Sportschau und für „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“. Angefangen hat „Rex Krämer“ seine Laufbahn quasi als Praktikant bei Radio Bielefeld. „Ich durfte Dich damals zu den Arminia-Spielen begleiten und saß mit zitternden Knien neben Dir im Stadion“, erinnerte sich der wirklich nette Kollege am Sonntagabend. Wir schossen natürlich ein Selfie, das er noch am selben Abend unserem damaligen Sportchef Dietrich Mohaupt schicken wollte, der heute in Hannover lebt und für den Deutschlandfunk als Niedersachsen-Korrespondent arbeitet. Ich gab ihm Didis Nummer, denn ich hatte erst kürzlich mit dem Werder-Fan telefoniert. Didi hatte mich nach dem Freiburger Sieg gegen Bremen angefunkt, um die Korrektheit des SC-Erfolges anzuerkennen und ein paar Komplimente für die starke Saison meiner Jungs loszuwerden. Ja, ja, die Weggefährten der Vergangenheit… Ich mag es, solche Kontakte zu pflegen. Deshalb tauschte ich natürlich auch mit „Rex Krämer“ die Handy-Nummern aus.

Wenig später fuhr ich, quasi zeitgleich mit dem Freiburger Mannschaftsbus, von P4, wo außerhalb der Spieltage die transportierbare Rasenfläche der Veltinsarena Sonne und Regen tankt. Auf der A2 überholte ich den Bus mit unseren Jungs und gab Gummi. Gegen 23.30 Uhr war ich in Frankfurt, bezog mein Günstig-Zimmer (Opodo-Prime-Angebot) und legte mich ins Bett - bis ich aufschreckte und mich an den Nachbericht für die baden.fm-Morgenshow am Montag dachte. Also: Licht an, Zettel raus, Text schreiben, überzeugend vertonen und nach Freiburg schicken. Danach schlief ich traumlos, bis ich wie von Zauberhand um 6 Uhr wach wurde… Für meinen Bio-Rhythmus war es natürlich 7 Uhr, wir hatten ja am Sonntag gerade die Uhren um eine Stunde zurückgedreht. So machte ich mir einmal mehr den Spaß, die Erstausstrahlung meines Nachberichtes live im Programm zu verfolgen. Um kurz nach sieben war ich dann schon auf der Autobahn Richtung Heimat.

Bei Ettenheim wurde mir klar, dass ich jetzt den baden-fm-Toyota abgeben würde, um ihn einen Tag später, am Feiertag, schon wieder abzuholen und gegen meinen Privatwagen einzutauschen. Im Funkhaus stellte sich dann heraus, dass der Hybrid-Toyota nicht anderweitig benötigt wurde. Die Kollegen rieten mir, den Toyota doch gleich zu behalten. Ich ließ mich gerne darauf ein…

Bevor die Baku-Reise Realität annahm, stand aber zunächst mal ein stressiger Arbeitstag im WZO-Verlag auf dem Programm. Weil ich das wusste, fuhr ich zunächst nach Hause und trank ein Käffchen im Kreise meiner Familie, die mich zurzeit kaum zu Gesicht bekommt. „Fußball, Fußball, Fußball…“ – Ihr wisst schon. So gegen 11.30 Uhr war ich dann an meinem normalen Arbeitsplatz. Wegen des Feiertags hatten wir viel weniger Zeit, den ReblandKurier für Mittwoch zu produzieren als sonst. Zum Glück hatten wir am Freitag schon damit angefangen. Bis Montagabend, 18 Uhr zimmerten wir die Zeitungen zusammen. Dann unterbrach ich für ein Stündchen, fuhr Ben zum DFB-Stützpunkttraining nach Staufen und dann zurück in die Redaktion; letzte Hand anlegen an den ReblandKurier vom 2. November. Unter anderem darin, auf den Sportseiten aller Ausgaben, meine Fußballkolumne „SC INTEAM“. Hier ist sie in Vorveröffentlichung:

SC INTEAM

Der SC Freiburg reist zum FC Schalke 04, gewinnt vor 61.618 Zuschauern souverän mit 0:2 und festigt nach zwölf Spieltagen Platz drei in der Bundesliga; einen Zähler hinter den Bayern, zwei Punkte vor Borussia Dortmund. Angesichts der Nachhaltigkeit des Erfolges in der laufenden Saison ist der geneigte Beobachter versucht, die beschriebenen Umstände  als „normal“ wahrzunehmen. Aber: Es ist nicht normal! Der Erfolg ist außergewöhnlich. Die Fußballfans –  SC-Anhänger gibt es mittlerweile in ganz Deutschland und auch in den Nachbarländern –  erleben derzeit den besten SC Freiburg aller Zeiten. Belegt wird diese steile These – immerhin wurde der Jahrgang 94/95  Dritter in der Bundesligaendabrechnung – durch das herausragende Abschneiden im internationalen Wettbewerb. Am morgigen Donnerstag, 3. November, um 18.45 Uhr (MEZ), im fernen  Aserbeidschan ist es dann bereits 21.45 Uhr, kickt der SC in  Baku gegen Qarabag FK (live im Stream bei RTL+ und bei baden.fm). Das Besondere ist: Der SC Freiburg steht nach vier Siegen und einem Unentschieden in der Gruppe G der UEFA Europa League bereits als Gruppensieger und Achtelfinalteilnehmer (9./16. März) fest, ganz unabhängig vom Ergebnis in Baku. Da sich die Freiburger bereits in ihrer fünften Englischen Woche in Serie befinden – der siebten seit September – ist mit einer größeren Rotation zu rechnen, da drei Tage nach der strapaziösen Reise in einen anderen Kulturkreis und dem Kick gegen einen starken und sehr  engagierten Gegner, der im Fernduell mit Nantes um Platz zwei streitet, bereits  das Bundesliga-Heimspiel gegen den 1. FC Köln ansteht (Sonntag, 6. November, 17.30 Uhr, live bei DAZN und baden.fm). Das Köln-Spiel dürfte rein sportlich in dieser Woche einen höheren Stellenwert genießen. Darauf angesprochen erklärte Christian Streich: „Alle Spieler wollen in Baku spielen und alle sind gut. Egal, wer auf dem Platz steht – alle werden sich zerreißen.“ Worte vom Trainer, die eher für als gegen eine größere Rotation sprechen. Eine Chance auf einen Startelfeinsatz für Atubolu, Siquet, Schlotterbeck, Höler, Sallai und Petersen sowie die Hoffnungsträger der Zukunft, Keitel, Wagner und Schade, um nur einige Namen zu nennen. Die Möglichkeit, fünf Spieler ein- oder auszuwechseln, dürfte den Entschluss zur großen Rotation begünstigen. (Zitatende)

 

Heute ist Dienstag, 1. November, Allerheiligen. Hinter mir liegt eine unruhige Nacht… Die Vorproduktion der Zeitung am Freitag, die Reise nach NRW mit Besuch bei meiner Mutter, die Weiterfahrt nach Gelsenkirchen, Kommentierung der U23 auf Basis von gestreamten Bildern von der Terrasse eines Gelsenkirchener Diners, dann die Fahrt in die Veltins-Arena und der normale Bundesligajob, die Rückreise via Frankfurt und der stressreiche Produktionsmontag im Zeitungsverlag hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich hatte mir ein paar Cuba Libre gegönnt und war auf dem Sofa eingeschlafen. Irgendwann gegen halb drei mit schmerzenden Gliedern, wegen einer ungünstigen Liegeposition, aufgewacht und dann endlich ins Bett gestiegen – nicht ohne zwei Ibus zu schlucken, um nicht durch Kopfschmerz unangenehm aufzuwachen. Bei der Halloween-Party unserer Nachbarn, eine Stehparty direkt vor der Tür, hatte ich ja auch noch einen Moment verbracht. Ich kam auf drei bis vier Cuba Libre, ein Glas Rotwein (zum Essen) und einen Grappa, den der andere Nachbar, ein älterer Italiener, ausgeschenkt hatte. Ich vermeide eigentlich Mischungen von Alkoholika, deshalb meine Vorsicht.

Das Erwachen heute Morgen war dann aber sehr angenehm. Ich holte frische Brötchen, wir frühstückten als Familie zusammen und dann verabschiedete ich mich mal wieder in die Redaktion. Hier verfasste ich noch je drei Schlagzeilen für die Onlineveröffentlichungen unseres ReblandKuriers und widmete mich dann dem SC-Tagebuch. Da sind wir jetzt…

Gleich geht’s dann nach Hause, vielleicht noch ein Käffchen mit der Familie und dann beginnt die Abenteuerreise nach Aserbaidschan.

Am Nachmittag setzte ich mich in den baden.fm-Toyota und reise nach Düsseldorf. Hier beziehe ich ein Zimmer im Leonardo Hotel Düsseldorf Airport – Ratingen. Das wurde notwendig, da mein Abflug mit Turkish Airways nach Baku via Istanbul von der Fluggesellschaft von 16.30 Uhr auf 13 Uhr umgebucht wurde. Einfach so. Da ist mir dann bei einer Abreise mit dem Pkw am Mittwochmorgen zu viel Risiko im Spiel. Morgen Vormittag geht’s dann zum Airport und direkt in die Büros von Turkish Airlines, da unklar ist, ob auch mein gebuchter und bezahlter Sitzplatz mit umgebucht wurde. Also erstmal zur Fluggesellschaft, dann ans Gate und die erste Etappe bis Istanbul in Angriff nehmen. Durch die Vorverlegung des ersten Fluges habe ich dort sechs Stunden Aufenthalt… Das ist etwas nervig, gebe ich zu.

Am späten Abend türkischer Zeit (MEZ + 2) geht’s dann mit Turkish Airlines weiter nach Baku (MEZ + 3). Durch den Zeitunterschied komme ich da um 4.05 Uhr Ortszeit an. Bei uns ist es dann aber erst 1.05 Uhr, für den Biorhythmus ist das also nicht so tragisch. Ein Privatfahrer fährt mich dann mit einer Limousine ins Fünfsterne-Hotel Excelsior & Spa im Zentrum von Baku, etwa fünf km vom Stadion entfernt. Dann werde ich erstmal pennen – aber sowas von.

Um 17 Uhr Ortszeit ist dann die digital PK vor dem Spiel der U23 in Dresden. Daran will ich teilnehmen – sei es vom Hotel aus, sei es bei einem Getränk irgendwo im Zentrum von Baku. Um 19 Uhr Ortszeit – 16 Uhr in Deutschland – ist dann ein Wagen für die Fahr zum Stadion gebucht. Und dann bin ich mal gespannt…

 

Ein französischer Kollege von Radio Monte Carlo (RMC), der den FC Nantes nach Baku begleitet hat, hat mir berichtet, dass die technischen Einrichtungen perfekt seien. Davon gehe ich jetzt mal aus, denn der sonst übliche Technik-Check am Vorabend des Spiels bleibt ja diesmal auf der Strecke.

Sportlich fehlt diesmal der Druck, der SC kann es gelassen angehen lassen, ist auf jeden Fall Gruppensieger und Achtelfinalist in der Europa League. Ich rechne mit einer großen Rotation, denn am Sonntag geht es ja schon wieder in der Bundesliga weiter – der 1. FC Köln kommt. Das hat sportlich in dieser Woche den höheren Stellenwert. Andererseits ist Europa League eben die Europa League. Und wie hat Christian Streich mir im Interview gesagt: „Alle wollen spielen und alle sind gut. Jeder der in Baku für uns auf dem Platz steht, wird sich zerreißen.“ Daran habe ich übrigens null Zweifel. Ich rechne mit einem Unentschieden.

Ich kommentiere das Europa League Spiel Qarabag FK gegen den SC Freiburg bei baden.fm am Donnerstag, 3. November, ab 18 Uhr (MEZ) live aus Baku.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.074. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Freitagnachmittag; Zwischenlandung in Istanbul; es ist offenbar ein anderer Istanbuler Flughafen als auf dem Hinweg, denn ich erkenne nichts wieder. Hab’s mal überprüft und - Bingo - der heißt auch anders. Jetzt sitze ich in einem der zahllosen Cafés in der Transit-Zone, warte auf den Weiterflug nach Düsseldorf und erinnere mich an das Spiel von gestern…

Mit der Startelf, bestehend aus Atubolu - Siquet, Sildillia, Schlotterbeck, Günter - Schade, Wagner, Keitel, Weißhaupt - Petersen und Höler, hatte Christian Streich noch mehr Mut bewiesen, als ich erwartet hatte. Rotation? Logisch - aber so extrem, Hut ab, Trainer! Für das Klima im Kader und die Bundesliga war das sicher hundertprozentig richtig - aber eben nicht ohne Risiko. Der Gegner war stark und bis in die Haarspitzen motiviert. So hatte das neu zusammengestellte Team in den ersten zehn Minuten seine liebe Mühe und Not, bekam, wie ich es in unserer Radioübertragung bei Baden.fm scherzhaft formulierte „Schwimmunterricht am Kaspischen Meer“. Häufig konnten sich die Jungs nur retten, indem sie den Ball über die Torauslinie oder ins Seitenaus droschen. Nach gut 20 Minuten lautete das Eckballverhältnis 6:0 für Qarabag. Es gab also im Schnitt alle drei, vier Minuten einen Eckstoß für die Gastgeber. Nur gut, dass die in dieser Disziplin nicht sonderlich bewandert waren…

 

Nach einer knappen Viertelstunde hatte sich der SC in die Partie hineingearbeitet und die Szenerie beruhigte sich. Bei einem der wenigen Entlastungsangriffe wurde Kevin Schade unsanft von den Beinen geholt - Qarabag verhinderte so eine klare Torchance. Die Recherchen des portugiesischen Videoassistenten konzentrierten sich aber mehr auf die Tatort-Frage - im Strafraum oder knapp außerhalb? - als auf die Notbremsen-Frage. Da es - aus meiner Sicht sogar deutlich - im Strafraum war, gab es völlig zurecht Elfmeter. Der Übeltäter durfte aber auf dem Spielfeld bleiben, sah nicht einmal Gelb. Nils Petersen verwandelte den Strafstoß mit seinem ersten Saisontreffer zum 0:1-Halbzeitstand, was den Spielverlauf - mit Verlaub - ein wenig auf den Kopf stellte.

 

Zu Beginn der zweiten Halbzeit gab Qarabag Agdam noch einmal Vollgas. Hugo Siquet unterlief im Strafraum ein Foulspiel - Elfmeter! Das glaubten (fast) alle im Stadion - ich äußerte meinen Abseitsverdacht aber frühzeitig und live am Baden.fm-Mikrofon...

Der Ball lag schon auf dem ominösen Punkt und die Fans aus Aserbaidschan johlten… dann kam das Signal vom VAR und nichts war‘s mit dem Elfmeter. Vor dem vermeintlichen Foul hatte es tatsächlich eine Abseitsstellung gegeben. Statt Strafstoß für Qarabag gab es Freistoß für Freiburg. Die aufgestachelten Gastgeber machten aber weiter, griffen an und zwei Minuten später lag das Stadion im Jubeltaumel - Tor für Qarabag! Riesenzinober im Stadion... Der Ball lag schon auf dem Mittelpunkt, die Freiburger schüttelten sich, wollten anspielen, doch das Tor wurde - wie jedes Tor - noch vom VAR gecheckt. Dann kam das Signal: Kommando zurück! Kein Tor, sondern wieder Abseits. Es blieb beim 0:1 - Schwein gehabt, Sport-Club…

Wenige Minuten später hatte der schnelle Kevin Schade weniger Schwein. Medina, kolumbianischer Abwehrchef  von Qarabag und offenbar ein „Treter vor dem Herrn“, fuhr Kevin brutal in die Parade, flog mit offener Sohle in Kniehöhe , in den Gegner hinein- rücksichtslos. Da Kevin Schade sich im Sprung befand, traf Medina nicht das sensible Gelenk, sondern nur Schienbein und Wade des jungen Freiburger Stürmers - und eben in der Luft und nicht am Boden fixiert, was gewissermaßen Schades Frühinvalidität verhinderte. Der weißrussische Schiedsrichter gab kurz vor der seitlichen Strafraumgrenze der Gastgeber Freistoß und zückte Gelb gegen Medina. Kevin Schade wurde auf dem Platz behandelt und dann verletzt ausgewechselt. In dieser Zeit der Besinnung empfahl der VAR dem Schiedsrichter, sich das Foulspiel noch einmal auf dem Bildschirm genauer anzuschauen, was auch geschah… Die Folge: Medinas brutales Foulspiel wurde nun angemessen beurteilt. Der Schiri nahm die Gelbe Karte zurück und zückte Rot gegen Medina.

Fast zeitgleich wurde die Führung von Nantes in Piräus im Stadion in Baku bekannt. Jetzt brauchte Qarabag - in Unterzahl - unbedingt einen Sieg, um nicht von der Europa League in die Conference League abzusteigen. Also machten sie auch zu zehnt weiter, wie das Messer, setzten alles auf die Karte Angriff. Der Sport-Club hatte im Gegenzug Konterchancen, konnte aber keine davon zum endgültigen k.o.-Schlag nutzen. Nach 90 Minuten zeigte der vierte Offizielle an: Sieben Minuten Nachspielzeit…

In Minute 90.+2 passierte es dann: Der wuselige Owusu erzielte per Kopf den Ausgleich. Großer Jubel im weiten Rund des Stadions - aber alle wussten: Das reicht nicht! Nantes führte inzwischen mit 0:2 in Piräus - Qarabag brauchte einen Sieg - und stürmte weiter - auf Teufel komm heraus. Auch wenn das 2:1 für Qarabag bedeutet hätte, dass ich mich endlich rasieren könnte, das wollte ich keinesfalls! Ich gönnte der jungen Freiburger B-Elf, inzwischen durch Kübler, Ginter, Jeong und Grifo aufgepeppt, den internationalen Punktgewinn. Und dann kam der Schlusspfiff - 1:1. Experiment gelungen - Ergebnis: Ein Punkt. Super!

 

 

Das Nachspiel

 

Hinter der Haupttribüne brach ein Feuerwerk los. Bei einem Sieg der Platzherren hätte ich das verstanden. So wirkte es irgendwie deplatziert…

ich sah, wie sich unsere Jungs in der Kurve von den 600 (!) mitgereisten Fans in Baku am Kaspischen Meer ausgelassen feiern ließen. Aber auch Qarabag wurde von seinem Publikum bejubelt - fdie Hausherren waren durch das 1:1 zwar aus der Europa League ausgeschieden, hatten aber stark gespielt und gegen einen Bundesligisten ein Unentschieden geholt - mit viel VAR-Pech, werden die Qarabag-Fans gedacht haben. Dass der Bundesligist zur Belastungssteuerung seine B-Elf aufgeboten hatte, wusste von den zahlenden Zuschauern aus Aserbaidschan vermutlich niemand…

In der Mixed-Zone holte ich mir Interviews von und mit Nils Petersen und Christian Günter. Dann ging es zur PK mit Christian Streich, der als erfolgreicher Bundesligatrainer und Sympathisant des Qarabag FK auch die Kollegen aus Aserbaidschan sehr interessierte. Das zog sich also in die Länge - viele Fragen plus Übersetzungen...

Dann war Freiburg durch und Gurban Gurbanov, Streichs Kollege, seit 2008 (!) Trainer von Qarabag, sollte folgen. In einem Seitengang der Stadionkatakomben konnte ich dann auch Christian Streich noch interviewen (alle Interviews sind in der Mediathek von www.Baden.fm anzuklicken und zu hören.)

 

Dann hatte ich Feierabend - 0.30 Uhr Ortszeit. Mein Wagen war in weoiser Voraussicht für 1 Uhr bestellt; nur kein Stress!  An der Ausfahrt hinter der Haupttribüne beobachtete ich die Szenerie. Zuerst verließ der Mannschaftsbus von Qarabag, wohl nur mit einem Teil der Mannschaft, den Stadionhof unter dem Applaus von etwa zwei Dutzend aufgedrehten jugendlichen Fans. Dann rauschte Gurban Gurbanov im dunklen Mercedes vorbei. „Gurban! Gurban!“ riefen die Kids aber Gurban gab Gummi. Irgendwann kam - zu Fuß und mit einem schrägen Hut auf dem Kopf - Torschütze Owusu aus der Toreinfahrt. Die Kids waren begeistert und plauderten mit dem Stürmer.

 

Schließlich verließ der Bus mit dem SC das Gelände und es wurde ruhiger und 1 Uhr; mein Wagen kam und fuhr mich durch die fast leere Millionenstadt zu meiner Herberge.

Ohne große Hoffnung fragte ich an der Rezeption des Hotels Excelsior, ob die Bar noch geöffnet hätte. „twentyfour hours, Sir“ wurde mir mitgeteilt und bald darauf saß ich als einziger Gast der Bar in einem der schweren Ledersessel und genoss einen feinen Rotwein im großen Schwenker. Auch der Kellner wollte sich zurückziehen, also bat ich ihn, aus gutem Grund, die Hintergrundmusik runterzufahren. Ich hatte kurzfristig beschlossen, meine noch anstehende  Arbeit hier in der Bar zu beenden und so den Barbesuch zu verlängern. Sonst hätte ich ja, nach einem Glas Wein, zwecks Arbeit aufs Zimmer gemusst. Der freundliche Kellner erfüllte mir meinen Wunsch.

So schrieb ich in der gediegenen Atmosphäre einer gemütlichen Bar in einem 5-Sterne-Hotel (zum Zwei-Sterne-Preis) den Nachbericht für den Frühstücksclub von Baden.fm und produzierte ihn gleich an Ort und Stelle. Ich verschickte die Aufnahme, als sie nach ein paar Anläufen nach meinem Gusto war und in Ordnung klang, per E-Mail ans Funkhaus und ließ mir, als der Ober mal wieder vorbeischaute, ein zweites Glas Wein reichen - später noch ein drittes. Dann hatte ich - es ging auf 3 Uhr Ortszeit, Mitternacht in Deutschland, die nötige Bettschwere und zog mich zurück. Ich ahne - hätte ich, wie in Piräus und Nantes,  meine Spezis dabei gehabt, wir hätten in dieser 24-Stunden-Bar des Hotels die Nacht noch zum Tag gemacht... 

Ich genoss die Vorzüge meines Luxuszimmers, in das man mich ohne mein Zutun und ohne Aufpreis upgegradet hatte, und schlief tief und traumlos, bis der Wecker mich um 9 Uhr Ortszeit in die Gegenwart rief. Ich lauschte ein wenig über die baden.fm-App den Beginn des Frühstücksclubs in Südbaden, duschte, zog mich an und packte mein Köfferchen. Dann ging ich erstmal ausgiebig und fünfsternemäßig frühstücken. Alles top - bis - vielleicht - der Kaffee. Der schmeckte mir nur so mäßig.

Ich telefonierte kurz mit dem Fahrservice und wir einigten uns auf 11 Uhr zum Abholen. Da ich noch ein paar Scheinchen in aserbaidschanischer Währung hatte, gönnte ich mir, im Foyer der Rezeption des Excelsior sitzend, noch einen feinen Cappuccino von der Bar. Ich wollte schließlich auch beinen guten Kaffee zum wach werden... Es war 10.45 Uhr als die große Tasse serviert wurde - zeitgleich traf bereits mein Fahrer ein. „No problem“ versicherte er, also gönnte ich mir das Viertelstündchen mit dem wohlschmeckenden Getränk, fing diese Situation fotografisch ein - die Tasse und den wartenden Wagen vor der Tür, und postete es bei Facebook. Es war mein Abschied von Baku und Aserbaidschan.

 

Auf dem Flug nach Istanbul konnte ich die Uhr schon einmal um eine Stunde zurückdrehen.

Im Airport Istanbul schrieb und produzierte ich den Vorbericht für das Bundesligaspiel gegen Köln, der am Samstag im Programm laufen wird. Dann kümmerte ich mich um dieses Tagebuch… so verging die Wartezeit schneller.

Wenn es gleich losgeht, im Flieger nach Düsseldorf, werde ich den großen Zeiger auf meiner Uhr nochmal zwei Umdrehungen zurückdrehen - Zeitverschiebung… Um 22.15 Uhr (MEZ) bin ich dann (fast) schon wieder zu Hause. Eine Nacht im Leonardo Airport Hotel in Ratingen noch, dann geht es auf nach Südbaden; um 12.45 Uhr ist Radwechsel im Autohaus und um 14 Uhr kickt die U23 in Dresden. Ich kommentiere auf Bildschirmbasis in Kurzeinblendungen.

 

Ich sitze im Flieger - gleich starten wir Richtung Düsseldorf / Deutschland.

Ein paar Eindrücke aus Baku möchte ich hier noch festhalten: Baku ist eine Millionenstadt mit bombastischen, architektonisch teils futuristischen und meist sehr großen, sprich imposanten, Gebäuden, neben ein paar klassischen, palastartigen Gebäuden, wie dem Excelsior, und vielen normalen Hochhäusern. Das sieht insgesamt sehr luxuriös aus, ist aber meistens nicht mehr als nur Fassade. Wer ein wenig genauer hinschaut, sieht, dass Aserbaidschan eigentlich ein armes Land ist.

Zwei Nächte in dem wirklich sehr luxuriösen Excelsior kosten dort so viel, wie bei uns in einem Zwei-Sterne-Haus im Bahnhofsviertel - ein Fuffi oder so.

Die wichtigsten Transfers, also morgens um 4 Uhr vom Flughafen zum Hotel und zwei Tage später zurück, hatte ich, genau wie die Fahrten zum Stadion und zurück, schon von Deutschland aus online gebucht. Es hat alles geklappt, war sicher und zuverlässig - aber irgendwie auch verdammt teuer. Die beiden Flughafentransfers kosteten insgesamt rund 70 Euro, die Stadiontransfers insgesamt rund 40 Euro. Vor Ort habe ich aber so ein aserbaidschanisches Uber kennengelernt; dasselbe Prinzip. Die App bzw. die Agentur heisst Bolt. Damit bin ich kreuz und quer durch die Stadt gefahren, für Mini-Beträge, umgerechnet im Schnitt für 1,50 Euro pro Tour. Wahnsinn. 

Apropos Autoverkehr: Ich bin froh, keinen Mietwagen gehabt zu haben. Baku ist ein einziges Verkehrschaos…

Aber schön war es trotzdem… Unvergesslich, da bin ich sicher. Wanmn kommt man schon mal nach Aserbaidschan - und das auch noch mit dem SC?

Mit einer dieser erwähnten Bolt-Fahrten habe ich mich an den Küsten-Boulevard fahren lassen und bin dort, einer Empfehlung folgend, spazieren gegangen. Hier habe ich  auch ein Facebook-Video gedreht und ins Netz gestellt. Dann hatte ich Bock auf Kaffee und Kuchen und habe den nächstgelegenen Fünf-Sterne-Laden aufgesucht, da die Cafés am Boiulevard alle irgendwie verlassen und leer wirkten. Ich wollte internationalen Standard, Leute um mich herum und etwas Luxus genießen. Ich wurde ganz in der Nähe fündig und alles war top. Als ich das Luxushotel nch Käffchen und Kuchen wieder verlassen wollte, traf ich - völlig ahnungslos und überrascht - auf bekannte Gesichter: Jochen Saier und Klemenz Hartenbach - Sportvorstand und Sportdirektor des SC - kamen durch die Drehtür ins Hotel; kurze Begrüßung, ein kleiner Wortwechsel - "viel Glück heute Abend!"  und tschüs. Verrückt: Ich war doch in dieser Millionenstadt Baku durch einen totalen Zufall, nach einem Spaziergang, ausgerechnet im Mannschaftshotel "meines" SC gelandet. Das muss man auch mal hinkriegen…

Baku war eine Reise wert… Morgen geht sie zu Ende. Im März 2023 ist dann das Achtelfinale der Europa League…