79. DFB-Pokalfinale: SC Freiburg - Leipzig

Samstag, 21. Mai, 20 Uhr

Olympiastadion, Berlin

Das Finale

Das Vorspiel

Finale, Freunde. Finale mit unserem SC Freiburg als Teilnehmer - der vorläufige absolute Höhepunkt der Vereinsgeschichte und selbstredend meiner 28 Jahre als Radioreporter an der Seite des SC. Wenn die Jungs das gewinnen - es scheint unvorstellbar. Eigentlich müsste ich dann in den Sack hauen und sagen "besser geht nicht - ich höre auf." Das stimmt aber nicht und deshalb werde ich auch nicht in den Sack hauen - höchstens in Berlin auf die Pauke. "Besser geht nicht" stimmt nicht, denn nächste Saison spielt unser Sport-Club international... Sechs Termine stehen schon fest: 8. September, 15. September, 6. Oktober, 13. Oktober, 27. Oktober, 3. November. Das gebe ich mir, ganz ohne Frage. Den SC auf europäischer Bühne live zu kommentieren, das sind Erlebnisse, die man nie vergisst. Wie zum Beispiel1995 in und gegen Prag; 2001 in und gegen Puchov,  St. Gallen und Rotterdam oder  2013, in  und gegen Estoril, Liberec und Sevilla - selbst 2017 die Quali-Spiele in und gegen Domzale - das waren berufliche Stationen, die meine Karriere und irgendwie auch mein Leben - denn mein Beruf ist, zusammen mit der Familie, mein Leben - geprägt haben. Also haue ich nicht in den Sack, zumal die Regierung über die "Rente mit 70" nachdenkt... Mir ganz persönlich soll's Recht sein - ich arbeite gerne.

Ein weiteres meine Karriere und mein Leben prägendes Ereignis steht unmittelbar bevor - Das DFB-Pokalfinale 2022...

Donnerstagmorgen. Das Kribbeln wächst. Die Übertragung vom EL-Finale aus Sevilla mit dem Sieg der in diesem Wettbewerb wirklich spektakulär auftretenden Frankfurter und ihrer Fans hat einen Vorgeschmack gegeben auf das, was Samstag passierten könnte; nicht zwangsweise passieren muss, aber passieren könnte: Ein enges Spiel, Spannung am Siedepunkt, am Ende - vielleicht - ein sporthistorischer Triumph. Nur dass es diesmal nicht Frankfurt wäre, Bayern oder Dortmund, sondern unser SC Freiburg, der da im Scheinwerferlicht stände. Ach, was soll der Konjunktiv? Unser SC, der im Scheinwerferlicht steht – spätestens ab morgen, wenn das Relegationsspiel Hertha gegen HSV abgefrühstückt ist in der Hauptstadt und wenn das Mega-Event, 79. DFB-Pokalendspiel, mit der ersten Pressekonferenz quasi offiziell eröffnet wird.

Die PK am Freitag hatte ich freilich nicht auf dem Zettel, als ich im Januar, nach dem grandiosen 1:4-Auswärtssieg im Achtelfinale in Hoffenheim, kühn und für wirklich kleines Geld den Hin- und Rückflug Basel- Berlin – Basel und das Hotel Kurfürst am Kurfürstendamm für dieses Wochenende gebucht habe. Nach dem 1:4 habe ich fest an die Finalteilnahme geglaubt. Nein, den Frühstart mit der PK am Freitag hatte ich nicht auf dem Zettel. Mein Flug geht erst am Freitagabend um 19.30 Uhr. Trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben.

Genauso übrigens wie die Jungs und Mädels im Außendienst des ReblandKuriers. Die haben tatsächlich Anzeigen für eine insgesamt dreiseitige Sonderberichterstattung zum Pokalfinale verkaufen können. Hut ab! Guter Job! Entsprechend viel Inhalt musste ich für unsere Wochenzeitungsausgabe Nr. 20/2022, die am gestrigen Mittwoch erschienen ist, produzieren und liefern. Das Problem: Unser Außendienst hatte schon zum Halbfinale in Hamburg ein dreiseitiges Anzeigen-Kollektiv verkauft und den ausführlichen Weg des SC bis ins Halbfinale hatte ich damals  inhaltlich erschöpfend beschrieben. Das konnte ich ja nicht einfach wiederholen. Und wer will schon was über Leipzig lesen???

Ich habe mich also im Wesentlichen darum gekümmert, die Entwicklung der jüngeren Vergangenheit beim SC Freiburg mal analytisch unter die Lupe zu nehmen – dazu Daten und Fakten zum Finale.

Ich lasse die Tagebuch-Leser, so sie denn nicht auch ReblandKurier-Leser sind  (ich gendere als Linguist und aus Überzeugung nicht, meine natürlich immer m/w/d), einfach mal teilhaben an den einschlägigen Texten unserer jüngsten Ausgabe – in der Regel schön und bunt bebildert mit Fotos des Kollegen Meinrad Schön.

Beginnen möchte ich - weil "vor dem Pokalfinale" ja auch heißt "nach der Bundesliga“ - mit unserem Kommentar zum Weltgeschehen, der außerhalb der Pokal-Sonderseiten im ReblandKurier zu finden ist und sich traditionsgemäß in der Woche nach dem 34. Spieltag ausnahmsweise der Bundesligasaison widmet.      

Und ab jetzt gibt es daher viel „copy and paste“ im Tagebuch:

 

Der Kommentar

Die Lehren der Bundesligasaison

von Frank Rischmüller

Traditionsgemäß blicken wir am Mittwoch nach dem letzten Bundesligaspieltag auf die Lehren der Saison. Eine ist: Mit Zuschauern ist alles viel schöner! Pandemiebedingt dominierten in der ersten Saisonhälfte die sogenannten Geisterspiele. Wie schön volle Stadien sind, wie viel die Kulisse für das Gesamterlebnis Bundesliga ausmacht, wurde deutlich, als die Zuschauer – zunächst in der Zahl eingeschränkt, dann in  komplett ausverkaufte Stadien – wieder zurückkamen. Allerdings geben sich manche Stadionbesucher mit der Rolle als Kulisse, als schmückendes Beiwerk, nicht zufrieden. Spielabbruch in Bochum wegen eines Becherwurfs auf den Linienrichter, das „Trikotgate“ von Berlin, als Hertha-Profis nach dem verlorenen Derby gegen Union auf Geheiß sogenannter Fans ihre Trikots ablegten, weil sie es, nach Meinung einiger Wortführer aus der Kurve nicht wert waren, sie zu tragen, immer mehr um sich greifender Pyro-Wahnsinn, Dutzende Verletzte bei Platzstürmen zum Saisonende. Die DFL in der Veranstalterrolle und die Vereine als Hausherren,  sind aufgerufen, strenger durchzugreifen, Grenzen klarer aufzuzeigen und der Mehrheit der vernünftigen Fußballfans Woche um Woche  ein sportlich hochklassiges und gefahrloses Vergnügen zu bereiten.

Sportlich wird viel kritisiert, dass (fast)  immer die Bayern Meister werden. Das mache die Bundesliga uninteressant und langweilig. Langweilig? Am Wochenende gab es sowohl im Abstiegskampf als auch im Rennen um die Champions-League-Plätze wahre Herzschlagfinales. Das war Spannung pur und beweist: Die Bundesliga ist höchst attraktiv! Die aktuellen Entwicklungen am Transfermarkt lassen erahnen, dass den Bayern im nächsten Jahr vielleicht mal einer in die Suppe spucken könnte. Der Abo-Meister, dem wir fair zum Titel gratulieren, hätten es nicht anders verdient. Die Haltung des FC Bayern München nach dem frühzeitigen Titelgewinn – Ibiza-Reise, kein Sieg mehr in der Liga – war wettbewerbsverzerrend. Schade, eigentlich! (Zitatende)

Ein paar Seiten weiter im ReblandKurier beginnt der Sonderteil zum Pokalfinale. Natürlich habe ich da in einem Info-Kasten, im Telegrammstil, noch einmal den Weg beider Finalisten bis ins Finale zusammengefasst. Während der SC fünf Mal auswärts ran musste und mit Hoffenheim, Bochum und Hamburg nach hinten raus durchaus Hochkaräter in deren eigenen Stadien schlagen musste, hatte Leipzig durchaus Losglück, könnte man sagen…

 

Der Weg ins Finale

 

1. Hauptrunde

Würzburger Kickers – SCF 0:1

Torschütze für SCF: Schmid

 

SV Sandhausen – RBL 0:4

Torschützen für RBL: Orban, Haidara, Nkunku, Szoboszlai

 

2. Hauptrunde

VfL Osnabrück – SCF 4:5 n.E.

Torschützen für SCF: Grifo, K. Schlotterbeck, Im Elfmeterschießen Günter, Eggestein, K. Schlotterbeck. Besondere Vorkommnisse: Uphoff wehrte  drei Elfmeter ab.

 

SV Babelsberg 03 – RBL 0:1

Torschütze für RBL: Szoboszlai

 

Achtelfinale

TSG 1899 Hoffenheim – SCF 1:4

Torschützen für SCF: Grifo (2), Schade, Demirovic.

 

RBL – Hansa Rostock 2:0

Torschützen für RBL: Poulsen, Olmo.

 

Viertelfinale

VfL Bochum – SCF 1:2 n.Verl.

Torschützen für SCF: Petersen, Sallai.

 

Hannover 96 – RBL 0:4

Torschützen für RBL: Nkunku (2), Laimer, Silva.

 

Halbfinale

Hamburger SV – SCF 1:3

Torschützen für SCF: Petersen, Höfler, Grifo.

 

RBL – Union Berlin 2:1

Torschützen für RBL: Silva, Forsberg.

 

(Zitatende)

 

Hauptteil der ersten Seite unseres ReblandKurier-Sonderteils zum Pokalfinale ist folgender Aufmacher:

 

Höhepunkt der Geschichte

Der SC Freiburg steht erstmals in seiner Vereinsgeschichte mit den Profis im Finale

Freiburg/Berlin. SC Freiburg und der DFB-Pokal – das geht eigentlich leicht über die Lippen, ist doch die U19 der Schwarzwälder mit sechs Siegen Rekord-Pokalsieger im Nachwuchsbereich. Das Märchen begann mit dem Pokalsieg 2006. Danach holten die SC-Junioren noch in den Jahren 2009, 2011, 2012, 2014  und 2018 die begehrte Trophäe. Am Samstag, 21. Mai, um 20 Uhr strecken erstmals die Profis ihre Hände nach dem DFB-Pokal aus.

 

  Wenn Christian Günter, Jonathan Schmid, Nicolas Höfler und der verletzte aber sicher mit zur Reisegruppe gehörende Yannick Keitel das Olympiastadion betreten, könnte es sein, dass gerade die Sieger des U19-Finales 2022 geehrt werden – am Freitagabend stehen sich Borussia Dortmund und der VfB Stuttgart gegenüber – die Siegerehrung findet traditionell vor dem Finale der „Großen“, sprich der Profis, im Olympiastadion statt. Die vier genannten SC-Cracks haben den Pokal als Juniorenspieler im SC-Trikot gewonnen – übrigens mehrfach auch Trainer Christian Streich. Sie alle werden schmunzeln, wenn sie die Siegerehrung der U19 sehen, sie werden sich erinnern, um dann wieder höchst konzentriert der Aufgabe entgegenzusehen, die sich ihnen ab 20 Uhr ganz konkret in dem Rechteck auf dem grünen Rasen stellt: Es gilt dem Favoriten, RB Leipzig, ein Bein zu stellen.

Schon die Teilnahme am DFB-Pokalfinale im restlos ausverkauften Olympiastadion, weltweit via TV ausgestrahlt, das ganze Drumherum, mit 30.000 SC Fans, die   in der Hauptstadt voller Vorfreude Party machen, ein Großteil der sonst neutralen Fußballfans, die im Stadion und an den Fernseh- und Radiogeräten dem traditionellen eingetragenen Verein  im Vergleich mit dem modernen Marketingkonstrukt aus Leipzig die Daumen halten werden – all das ist eine neue Stufe für den SC Freiburg – ein neuer Level, der daheim in Freiburg durch den Einzug ins neue, größere und topmoderne Stadion und durch das Erreichen der Gruppenphase der Europa League, durch Platz sechs in der Bundesliga, begleitet und dokumentiert wird. Die Chance, sich der ganz großen Öffentlichkeit zu präsentieren kann und soll genutzt werden. Nicht zwanghaft durch den Pokalsieg – eine starke Leistung gegen die wirtschaftliche Übermacht des Global Players Red Bull wäre aber hilfreich.

Natürlich wollen die Freiburger gewinnen. Keiner konnte das klarer ausdrücken als jüngst SC-Trainer Christian Streich, der formulierte: „Endspiele verlieren ist scheiße – Endspiele gewinnen ist super.“ Verloren hat der gebürtige Markgräfler Streich Endspiele bislang nur bei Tipp-Kick-Turnieren, ließ er wissen. Mit den A-Junioren hat er das DFB-Pokalfinale schon mehrfach gewonnen. Mit den Profis probiert er es am Samstag ein erstes Mal.

Die Finalteilnahme gilt bereits als größter Erfolg der Vereinsgeschichte; der Pokalsieg wäre – gigantisch.  (Zitatende)

Im ReblandKurier folgt dann eine Doppelseite, im Fachjargon „Panoramaseite“. Hier gab es eine besonders große Fläche sinnvoll zu füllen. Um doies auch zu können, hatte ich meine sonst auf der regulären Sportseite erscheinende Kolumne „SC INTEAM“ auf die Sonderseiten verlegt, wenngleich ich darin erst am Ende auf das Finale eingehe – der letzte Bundesligaspieltag hatte es aber auch für den SC und seine Fans in sich…

 

SC INTEAM

Letzter Spieltag in der Bundesliga, die 88. Spielminute: Janik Haberer schießt in Leverkusen das 1:1, trotzdem rutscht der SC Freiburg in der Blitztabelle von Platz fünf auf Platz sechs, denn Union Berlin schießt  praktisch zeitgleich das 3:2 gegen  Bochum und zieht am SC vorbei. Für die Freiburger bietet sich  allerdings noch eine ganz außergewöhnliche Chance: Durch ein zweites Tor würde die Streich-Elf nicht nur  an Union Berlin vorbeiziehen, sondern auch Leipzig übertrumpfen, denn die Sachsen liegen  in Bielefeld mit  1:0 zurück. Die Champions League ist nahe.  Das ist auch nach Ablauf der regulären Spielzeit so. In Leverkusen werden fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt.  Fünf Minuten plus X Zeit für ein Tor – womöglich ein Tor für die Ewigkeit … Freiburg stürmt mit Mann und Maus, setzt alles auf eine Karte. Was kaum einer wahrnimmt auf der SC-Bank: In der dritten Minute der Nachspielzeit in Bielefeld hat Leipzig  den Ausgleich erzielt und damit die Champions League gesichert …  In Leverkusen läuft das Spiel noch – gelänge dem SC jetzt ein Treffer, bliebe die Champions-League-Teilnahme zwar ein schöner Traum, der SC würde sich aber wieder an Union Berlin vorbeischieben – bei der Auszahlung der Fernsehgelder entspräche diese Verbesserung einem siebenstelligen Betrag. Die fünfte Minute der Nachspielzeit  – Freistoß aus 22 Metern für den SC; die mutmaßlich letzte Aktion. Die Freiburger Bank beordert deshalb auch Torwart Mark Flekken nach vorne. Der Sieg soll notfalls erzwungen werden. Es geht aber schief. Der Freistoß verpufft und Leverkusen nutzt im Gegenzug die besondere Situation und trifft aus großer Distanz ins verlassene Freiburger Tor. 2:1, Abpfiff. In diesem Herzschlagfinale des SC haben die Freiburger zwar das Spiel verloren, ob Unentschieden oder Niederlage – für die Tabelle hat das an diesem Tag aber keine Bedeutung. Den späten Gegentreffer konnten die Freiburger also tabellarisch schadlos wegstecken. Sie beenden die Bundesligasaison als Tabellensechster. Zum zweiten Mal in 14 Jahren Europa League erreicht der SC die Gruppenphase dieses Wettbewerbs. Zwischen September und November wird die Freiburger Mannschaft  sechs internationale Pflichtspiele bestreiten. Das ist großartig! Glückwunsch! Und nun alle Konzentration auf das Pokalfinale – damit diese Saison tatsächlich unvergesslich wird. (Zitatende)

Eine schöne Frau im goldenen Kleid trägt den goldenen DFB-Pokal durchs Olympiastadion. Dieses geniale Foto von Meinrad Schön ist der Hingucker auf der Panoramaseite. Den Aufmacher bildet eine Analyse der phänomenal erfolgreichen Saison 21/22 mit dem Pokalfinale als Höhepunkt. Lest selbst:

 

Die Ausnahmesaison des SCF

Zum zweiten Mal in der Europa-League-Gruppenphase / Pokalsieg wäre die Krönung

Freiburg/Berlin. Seine bislang erfolgreichste Saison absolvierte der SC Freiburg in der Saison 1994/95, die der erst 1993 erstmals in die Bundesliga aufgestiegene etwas andere Proficlub aus dem Schwarzwald als Tabellendritter beendete. Neben der innovativen Spielweise des fußballerischen Vordenkers Volker Finke und einiger geschickter personeller Ergänzungen nach dem Premierenjahr, profitierte der SC mental von den Folgen des sensationellen Last-Minute-Klassenerhalt des Vorjahres, der zusammenschweißte und Großes entstehen ließ. Der Erfolg anno 2022 war vielleicht schwieriger aber auch   planvoller  als jener von 1995.Was als eine „kühne These“ erscheint und manchen Protagonisten von damals erzürnen mag, lässt sich sachlich begründen: Im vergangenen Vierteljahrhundert ist die Schere zwischen Arm und Reich – im Profifußball spricht man wohl besser von den Unterschieden zwischen Reich und Superreich – immer größer geworden. Die Verteilungspraktiken bei der Vergabe der Fernsehgelder, die exorbitanten Geldflüsse bei Champions League Teilnahmen, die Überführung einiger Vereine in Kapitalgesellschaften, etwa in Aktiengesellschaften, wie bei Bayern München und Borussia Dortmund, sowie die gestiegene Akzeptanz für Investoren im Spitzenfußball haben die wirtschaftlichen Abstände zwischen Reich und Superreich gigantisch werden lassen. Die Folgen: Im oberen Tabellendrittel tummeln sich – fast immer – dieselben üblichen Verdächtigen.

In dieses, von europäischen Weihen begleitete, vordere Tabellendrittel vorzudringen ist für die „Normalos“ der Liga richtig schwer. „Hut ab“ kann man da nur sagen – auch und speziell vor dem SC Freiburg. Anders als 1995 hat sich der SC richtig gehend an die Spitze herangetastet: 2018 endete mit 36 Punkten auf Rang 15. Die gleiche Punktzahl reichte im Jahr darauf für Platz 13. 2020 gelang mit 48 Punkten der Sprung auf Rang acht. Interessante Beobachtung: Vor Beginn der Saison 19/20  hatte der SC ausnahmsweise mal keine Leistungsträger verkauft. Prompt gelang der Sprung in die obere Tabellenhälfte. Mit Waldschmidt, Koch und Schwolow gingen dafür am Ende der erfolgreichen Saison 19/20 gleich drei Leistungsträger und spülten etwa 35 Millionen Euro in die Vereinskasse. Die sportlichen Folgen waren undramatisch: Die Saison 20/21 beendete der SC mit 45 Punkten, drei Zählern weniger als im Vorjahr, auf Rang 10.

Nun stand die Saison vor der Tür, in der der Einzug ins neue Stadion bevorstand. Dass mag einer der Gründe sein, warum der SC im vergangenen Frühjahr  keinen seiner Leistungsträger abgab. Ein Abstieg in der Premierensaison im  nicht ganz  unumstrittenen neuen Europa-Park Stadion wäre fatal gewesen. Diese Überlegung könnte handlungssteuernd gewesen sein. Der Verkauf von Baptiste Santamaria erfolgte jedenfalls nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen, zudem wurde der Franzose im zentralen  Mittelfeld in etwa gleichwertig durch Maximilian Eggestein ersetzt. Fakt ist: Vor der gerade zu Ende gehenden Saison hat der SC Freiburg keinen Substanzverlust erlitten.  Die Folgen: Die Spieler reiften länger am gleichen Standort und wurden besser, die Mannschaft ging eingespielt in die neue Saison und reifte als Einheit ebenfalls länger als sonst in Freiburg üblich. Zu den Einzelspielern: Mark Flekken wurde niederländischer Nationaltorwart, Nico Schlotterbeck schaffte den Sprung in die Deutsche Nationalelf und gilt für  Experten als „derzeit bester deutscher Innenverteidiger“ (Sky-Experte Didi Hamann). Philipp Lienhart  wurde zu einer festen Größe und auch Christian Günter machte noch einmal einen Leistungssprung, kehrte zurück in den Kreis der A-Nationalmannschaft. Nicolas Höfler spielt wie Vincenzo Grifo eine Riesensaison, Roland Sallai, endlich heimisch geworden,  spielte sich als Stammspieler fest, Wooyeong Jeong machte einen großen Schritt nach vorne und der einstmals von ignoranten Kritikern verspottete Lucas Höler ist heute ein fast  unverzichtbarer Faktor. Er verkörpert, wie kaum ein anderer den Freiburger Fußball, bei dem Verteidigen schon im Angriff beginnt. Nils Petersen bestätigt seinen Ruf als Super-Joker, kommt rein und trifft und, und, und. Die Kontinuität auf allen Positionen des Vereins, jetzt auch mal bei der Mannschaft, dazu die individuellen Entwicklungen – all das hat den SC in die Europa League gespült – und ins DFB-Pokalfinale. Ein Sieg am Samstag, 21. Mai, um 20 Uhr im Berliner Olympiastadion würde die Arbeit der Entscheider, Sportvorstand Jochen Saier, Sportdirektor Klemenz Hartenbach und Trainer Christian Streich mit seinem Team, endgültig krönen – es wäre ein kleines Fußballwunder, aber ein geplantes könnte man sagen. Denn die Entwicklung der vergangenen Jahre hatte stets eine Richtung: Nach oben. Der Sport-Club Freiburg hat im deutschen Fußball einen neuen Level erreicht. Genießen wir den Finaltag! (Zitatende)

 

In einem sogenannten Bildtext wird der Austragungsort des 79. DFB-Pokalfinales vorgestellt:

 

Das Olympiastadion in Berlin

Das Olympiastadion Berlin befindet sich im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf im Ortsteil Westend. Es ist Teil des Olympiageländes (ursprünglich: Reichssportfeld) und wurde von 1934 bis 1936 für die Spiele der XI. Olympiade (1. bis 16. August 1936) mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Zuschauern an der Stelle des zuvor dort befindlichen Deutschen Stadions errichtet. Heute ist das Olympiastadion Heimspielstätte des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC,  der heute Hauptnutzer des Stadions ist. Es bietet momentan 74.475 Sitzplätze. Seit 1985 findet im Olympiastadion jährlich das Endspiel des DFB-Pokals statt. Daran teilzunehmen ist für den SC Freiburg eine Premiere – RB Leipzig nimmt den dritten Anlauf auf den Pokalsieg.  (Zitatende)

Schließlich widme ich noch einen kleinen Text den Fans, die in diesen Tagen zu Zehntausenden nach Berlin strömen – aber auch zu verschiedenen Public Viewings in der Regio:

 

30.000 SC-Fans dabei

Die Fans des SC Freiburg werden in der Überzahl sein

Berlin. Jeder der beiden Finalteilnehmer, SC Freiburg und RB Leipzig konnte 26.000 Karten zwischen 60 Euro (Preiskategorie 4) und 150 Euro pro Karte (Preiskategorie 1) an seine Anhänger verkaufen – VIP-Arrangements mit Kartenpreisen im vierstelligen Bereich werden vom DFB angeboten. In Freiburg waren sämtliche Tickets schnell vergriffen. Unterstellt man, dass es einigen Freiburgern gelungen ist, auch Karten im neutralen Bereich zu erwerben und dass neutrale Besucher der Partie womöglich dem eingetragenen Verein mit Ausbildungskonzept aus Freiburg mit dem kauzigen Trainer mehr Sympathien entgegenbringen als dem Marketing-Konstrukt „Rasenballsport“ des Global Players Red Bull, darf man von einer optischen und akustischen Übermacht des SC Freiburg im Olympiastadion ausgehen. Auf dem Spielfeld ist der SC Außenseiter – eine Rolle, die er sicher gerne annimmt – auf den Rängen wird Freiburg den Ton angeben, trotz der weitaus kürzeren Anreise für Sympathisanten der „Roten Bullen“. In Südbaden gebliebene SC-Fans haben die Möglichkeit, diverse Public Viewings zu besuchen und gemeinsam mitzufiebern und gegebenenfalls zu feiern, wobei ja schon die Finalteilnahme ein Grund zum Feiern ist. Das größte, offiziell vom SC unterstützte Public Viewing auf der Freiburger Messe bietet 15.000 Fans Platz, ganz in der Nähe, im Fan-Lokal „Nordkurve“ können 4.000 Fans Einlass finden. Am Samstag lebt ganz Südbaden den Fußball – in Berlin, bei Public Viewings oder auf dem heimischen Sofa. (Zitatende)

 

Als Kommentator eines Regionalradios, zumal nach so vielen Jahren an der Seite des SC, bin ich natürlich auch Fan. Natürlich geht mir der SC Freiburg durch Mark und Bein und ich schätze seine Philosophie besonders, teile sie, sie gibt auch mir Haltung. Vielleicht lehne ich auch deshalb das Modell Leipzig so scharf ab. Der Satz „bitte kein nationaler Titel für das Konstrukt“ ging mir gestern durch den Kopf. Vielleicht titelt ja die taz, wie anno 1994, nach dem Last-Minute-Klassenerhalt (wenn ich mich recht entsinne) nach dem Finale wieder: „Das Gute hat gesiegt!“ Leipzig könnte sie damit nicht meinen…

Apropos Fans – meine Söhne sind als Fans in Berlin mit dabei. Darüber bin ich sehr glücklich. Jérôme, Eintracht Fan und längst erwachen, fliegt mit seinem Schweizer Spezi Yves aus Sevilla bzw. Faro in Berlin ein – wenn er bis zum Abflug am Freitag wieder fit ist – Ben (13) fährt mit Wolfgang, einem guten Freund von mir, und dessen Bruder mit dem Auto gen Hauptstadt. Die nehmen auch wieder zwei bis acht Super-Magnums vom „Cuvé Felix“ aus dem Hause Fritz Waßmer mit – wenn mal so will, seit Bochum unser Glücksbringer im Pokal…

Aus meinem näheren Umfeld hier aus Bad Krozingen kommen noch die Freunde Volker, Hansjörg und Heiko aus unserem Rotary Club, jeweils mit Begleitung, in die Hauptstadt. Die üblichen Verdächtigen, sonst eigentlich immer dabei, Andreas (80. Geburtstag des Vaters), Uwe (Ägypten-Urlaub) und Norbert’o (Verpflichtungen beim Musikverein, dem er vorsitzt) sind ausgerechnet zum Finale anderweitig verhindert, wären aber ganz sicher sehr sehr gerne dabei. Mein hundertprozentiger Namensvetter, SC-Mitglied Frank Rischmüller aus Lübeck, hat, dank Facebook, auf den letzten Drücker noch Karten ergattert und reist ebenfalls an. Die meisten von uns wohnen in der Nähe vom Ku’damm. Für Freitagabend habe ich schon mal einen Tisch im Club Maxxim geordert. Der Club hatte sich per Mail an SC-Fan-Clubs gewendet und darauf hingewiesen, dass zum Finalwochenende auch im Trikot Einlass gewährt wird, was sonst wohl eher nicht der Fall ist. Die HP des Clubs ist durchaus vielversprechend… Ich sehe gerade, die Einladung mit dem Trikot-Hinweis bezieht sich auf Samstag – berufsbedingt trage ich aber sowieso kein Trikot – nur im Herzen…

Ich kommentiere das DFB-Pokalfinale SC Freiburg gegen Leipzig am Samstag ab 19 Uhr bei baden.fm.

 

Das Pokalfinale

(Mein 1.054. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

 

Das Erlebnis „Pokalfinale mit dem SC in Berlin“ hat mich so dermaßen emotionalisiert, geradezu ergriffen, dass ich erst jetzt, eine Woche nach der Abreise Richtung Hauptstadt, in der Lage bin, vernünftig Bericht zu erstatten. Sportlich halte ich es wegen des Zeitverzugs mal gestrafft:

 

In der ersten Halbzeit sah nicht Leipzig, sondern der SC wie der Favorit aus: Selbstbewusst – mutig – hungrig – alles Attribute, die man für ein erfolgreiches Spiel braucht und alles war da. Freiburg wirkt überlegen, trotzdem hat Leipzig den ersten gefährlichen Abschluss: Einen Schuss aus spitzem Winkel, von Forsberg abgefeuert, wehrt Mark Flekken nach vorne ab, sodass Nkunku aus dem Gewühl vor dem Ter heraus zum Nachschuss kommt. Dieser wird abgefälscht und verfehlt das Tor – Ecke. Glück gehabt, SC, es war ein Warnschuss.

In der 19. Minute gelingt dem SC ein schöner Angriff über die linke Seite: Vincenzo Grifo schickt Kapitän Christian Günter steil; „Günni“ geht in die Tiefe und spielt den Ball scharf und flach nach innen, wo der mitgelaufene Roland Sallai Mühe hat, den Ball zu kontrollieren, doch prallt die Kugel direkt vor die Füße von Maximilian Eggestein, der  aus etwa 18 Metern flach ins untere linke Eck trifft. Glulacsi streckt sich vergeblich – es steht 1:0! Ein Gänsehautmoment…

Leipzig protestiert, will es nicht wahrhaben, reklamiert ein Handspiel von Roland Sallai. Der VAR überprüft die Szene und entscheidet: Ein reguläres Tor! Erneuter Jubel aus der atemberaubend vollen und lauten SC-Kurve im Olympiastadion. Was war passiert? Beim etwas unwirschen und letztlich misslungenen Versuch des Ungarn, den Ball zu kontrollieren, war dieser vom Fuß an Sallais Hand gesprungen. Der Kontakt von Hand und Ball war unstrittig, eine Absicht war aber nicht zu erkennen und exakt seit einem Jahr ist klar definiert: Springt der Ball von einem anderen Körperteil des Spielers an die Hand und diese befindet sich in einer natürlichen Position, ist das kein strafbares Handspiel. Anders wäre es gewesen, wenn Roland Sallai das Tor erzielt hätte, dann hätte nur die Berührung als Handspiel gezählt, so aber gab es völlig zurecht keinen Pfiff und Maxi Eggesteins Treffer zählte. Freiburg 1, Leipzig 0 – geil!

Fünf Minuten später hat Nicoals Höfler zwei Aussetzer: Zunächst landet ein Fehlpass bei Nkunku, der die sich bietende Chance aber nicht nutzen kann, sondern an der vielbeinigen SC-Abwehr scheitert. Es herrscht allerdings ein Tohuwabohu und ein Kopfball von Nicolas Höfler misslingt und landet erneut bei Nkunku. Dessen Schuss rutscht zwischen Arm und Hüfte von Mark Flekken hindurch, wird aber kurz vor der Linie vom besten Freiburger, Nico Schlotterbeck, kurz vor der Linie erwischt und weggefeuert. Nico ballt die Faust und reißt irgendwie alle mit.

Ganz große Chancen bleiben in der Folgezeit bis zum Halbzeitpfiff aus – es ist ein Spiel auf Augenhöhe und der Sport-Club führt im Finale von Berlin – ein Traum.

Beide Mannschaften kommen personell unverändert aus der Kabine, aber Leipzig bläst zum Angriff – das ist deutlich zu erkennen. In der 50. Minute prüft Nkunku Mark Flekken, der den Schuss bravourös hält. In der 57. Minute schickt Vincenzo Grifo Lucas Höler auf die Reise und der Freiburger Stürmer läuft Halstenberg weg, rennt alleine Richtung Strafraum. Der Leipziger Abwehrspieler zieht kurz vor dem Sechzehner die Notbremse und hält Höler fest, reißt ihn um. Eine klare Rote Karte!

Freiburg führt und hat Überzahl – wird das Wunder wahr?

In diesem Spiel sorgt der Platzverweis für zwei Folgen: Leipzig zeigt eine zusammenschweißende Trotzreaktion und der SC hat, gefühlt so kurz vor dem Ziel, plötzlich etwas zu verlieren. Die Folgen sind fatal… Nicht sofort aber mittelfristig. Zunächst sieht es so aus, als könne der SC den Sieg jetzt eintüten: Den Freistoß nach der Halstenberg-Notbremse gegen Höler zirketl Vincenzo ins Netz – allerdings in Außennetz (59.) – das war knapp. In der 60. Minute setzt sich Roland Sallai im Strafraum durch und zieht aus spitzem Winkel ab – wieder Außennetz; aber es läuft… Die Leipziger Versuche bleiben zunächst harmlos, bis zur 76. Minute. Ich bin gerade live auf Sendung und erkläre, dass das Spiel trotz der Führung und der Überzahl natürlich noch

Nicht entschieden sei, als Orban eine Flanke von Laimer mit dem Kopf verlängert. Mark Flekken greift nicht ein und der Ball fällt am zweiten Pfosten vor die Füße von Nkunku, der ihn aus kurzer Distanz über die Linie schiebt. Der Ausgleich in Unterzahl – Mental-Doping für die Leipziger…

Die Sachsen machen weiter Druck, Freiburg wirkt beeindruckt. In der 82. Minute zeigt Mark Flekken seine ganze Klasse bei einem Schuss von Szoboszlai und einem Nachschuss von Henrichs zeigt. Leipzig ist drauf und dran, das Spiel zu drehen und fordert in der 84. Minute Elfmeter. Vorausgegangen war eine Grätsche von Nicolas Höfler, der aber – wie der VAR erkennt, zunächst den Ball trifft, bevor auch ein Leipziger, ich glaube Nkunku, über die Klinge springt, über das Bein stolpert. Zurecht kein Elfmeter – Leipzig motzt und motzt…

Nach drei Minuten Nachspielzeit endet das Spiel. Zum dritten Mal in dieser Saison steht es nach 90 Minuten + X 1:1 zwischen Freiburg und Leipzig. Diesmal gibt es Verlängerung – es ist schließlich das Pokalfinale…

In dieser Verlängerung wird der SC drei Mal Alu treffen… In der 92. Minute trifft Ermedin Demirovic, nach einer Ecke von Christian Günter, den Pfosten. Die 104. Minute: Schmid zieht ab, der Ball wird geklärt und landet bei Janik Haberer, der sofort draufhält. Gulacsi pariert und lenkt den Ball an den Pfosten – Ermedin Demirovic hat die leere linke Torhälfte vor sich, bekommt den Ball aber auf den falschen Fuß und schießt statt ins Tor hoch drüber – das war eine hundertprozentige Torchance…

Die 115. Minute, ein Schuss von Christian Günter wird geblockt , landet bei Janik Haberer, dessen Kracher an die Oberkante der Latte knallt. Leipzig, so scheint es, hat den Pabst in der Tasche – drei Mal Alu in der Verlängerung; noch heute, beim Zusammenfassen der Geschehnisse, bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich noch einmal nachempfinde, wie nahe der SC dran war, am ersten DFB-Pokalsieg seiner Vereinsgeschichte… Dann ist Abpfiff – es gibt Elfmeterschießen.

Nkunku versenkt bärenstark – Nils Petersen gleicht aus.

Orban lässt Mark Flekken keine Chance – Christian Günter, ausgerechnet er, der so viel gibt für seine SC, der ihn im Herzen trägt, knallt den Ball übers Tor. Leipzig ist erstmals vorne…

Dani Olmo trifft zum 3:1 – Keven Schlotterbeck verkürzt auf 3:2.

Jetzt tritt Henrichs an und trifft – als Ermedin Demirovic antritt steht schon alles auf dem Spiel und … der Schuss kanllt an die Lattenunterkante. Das Spiel ist aus. Leipzig gewinnt das Elfmeterschießen mit 4:2 und ist DFB-Pokalsieger.

 

Das Nachspiel

Kloß im Hals. Leipzig jubelt. Dann wacht die Freiburger Kurve auf, tröstet und feiert die Jungs vom SC, wird lauter als die Gegenüber. Gänsehaut. „Wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen“, denke ich und fühle Gemeinsamkeit. Der Lärm aus der Kurve wird zum Orkan. Christian Streich wird gefeiert. Der Trainer geht erst, kehrt dann, von Tausenden dazu aufgefordert, zurück. Ovationen für den Trainer, der später jedem einzelnen Leipziger umarmen und gratulieren wird. Der SC Freiburg zeigt sich im Olympiastadion von Berlin als großartige, stilvolle Familie. Besser geht nicht. Die Leipziger diskutieren noch immer mit dem Schiedsrichtergespann – man sind die peinlich, denke ich bei mir und bewundere die Größe des Freiburger Auftritts in allen Bereichen. Der Begriff der SC-Familie schießt mir immer wieder durch den Kopf.

Im Radio habe ich kommentiert, analysiert und Gefühle geteilt. Unten im Innenraum ist es zu einem ärztlichen Notfall gekommen. Plötzlich ist es still im Stadion. Als der Mann mit Kreislaufkollaps, wie man später erfahren wird, abtransportiert ist und die Siegerehrung beginnt, ist viel Zeit vergangen. Ich sehe, wie die Jungs sich ihre Medaillen holen, wie Christian Streich am Pokal vorbei geht. Wie schade.

Sorry, die Pokalübergabe an das Konstrukt will und kann ich mir nicht antun. Meine Sachen sind gepackt, ich ziehe mich zurück. Hinter den Kulissen treffe ich David Hildebrandt. Früher war er Volontär und später Redakteur bei mir in der WZO-Redaktion, jetzt schafft er in der Presseabteilung des SC. Auch er kann sich die Ehrung der Leipziger nicht antun, zeigt mir, wie sehr seine Hände zittern, wie mitgenommen er noch ist. Auch ich bin völlig aufgewühlt. Über die sogenannte Pressetreppe verschwinde ich in den Katakomben, erfahre von einer DFB-Mitarbeiterin, die mir schon mehrfach an dem Abend hilfreich zur Seite gestanden hatte (Platzauswahl, LAN-Verbindung etc.), dass die Pressekonferenz nicht dort stattfindet, wo die Hertha-PKs sonst immer sind, sondern in einer größeren Halle ein paar Flure weiter. Es würde zwei getrennte PKs geben – erst Freiburg, dann Leipzig. Ich treffe auf Kollegen. Smalltalk, der Versuch zu verstehen, einzuordnen, zu verarbeiten – nein, für Letzteres ist es noch zu früh.

Irgendwann kommt der presse-Heinz vom DFB mit Christian Streich im Schlepptau. Streich nimmt relativ entspannt Stellung zum Spiel und beantwortet Fragen unverkrampft.

Hier herrscht ein strenges Protokoll und ich frage mich, ob ich zu meinem Interview kommt, wie wir es in der Bundesliga gewöhnt sind. Ich kämpfe mit mir, ob ich fragen soll, als der Presse-Heinz vom DFB abmoderiert. Ich muss nicht darüber nachdenken. Christian Streich selbst wendet sich mir zu und erklärt Bereitschaft zum üblichen Gespräch. Es wird ein sehr würdiger Austausch – ein Interview aus dem die Tages- und Fachpresse später zitieren wird, das am nächsten Tag vier Mal von baden.fm ausgestrahlt wird und auch auf der Homepage www.baden.fm abzurufen ist.

Beim Verlassen des Pressezentrums treffe ich auf Sina Ojo, die Pressesprecherin der U23 und in der Bundesliga und 3. Liga zuständig für die Akkreditierung beim SC ist. Ich erfahre, dass sie sich beruflich verändern wird und (zurück) nach München wechselt – in einen Job außerhalb des Fußballs.  Wir bedanken uns gegenseitig und wünschen uns für die Zukunft alles Gute. Sie würde Fan bleiben, verspricht sie. Alles Gute, Sina!

Die Pressekonferenz hatte erst nach Mitternacht begonnen, inzwischen ist es 20 vor eins. Ich laufe zu meinem Mietwagen, einem Opel Corsa mit Hamburger Kennzeichen und fahre durch das nächtliche Berlin zum Hotel am Ku’damm. Aus unserer WhatsApp-Gruppe  erfahre ich, dass sich alle mehr oder weniger schon ins Bett verabschiedet haben. Meine Söhne befinden sich in Jérômes Zimmer und Ben ist froh als ich mit dem Schlüssel für unser Zimmer komme, alle wollen nur noch ins Bett und schlafen; vermutlich auch das Erlebte verarbeiten und das sportliche Ergebnus vergessen.

Mir geht es anders. Ich bin vollgepumpt mit Adrenalin und will noch raus. Wenn wir schon keine mitgebrachten Doppel-Magnums leeren – ich muss raus, was essen, was trinken, was erleben.

Ein paar Minuten später veröffentliche ich bei Facebook folgenden Text:

 

Es geht auf 2 Uhr nachts. Alle meine Begleiter haben sich altersbedingt, enttäuscht oder völlig erschöpft oder beides in ihre Gemächer zurückgezogen. Verständlich. Ich war nach der Radioshow, Notfall im Stadion, Pressekonferenz und Streich-Interview erst gegen 1 Uhr zurück am Hotel; aber noch total aufgedreht vom Erlebten und vom Job.

Jetzt sitze ich in einem Späti-Imbiss am Ku’damm, hab einen typischen Berliner Snack eingeworfen und eine Flasche Chardonnay gekauft. Jetzt sitze ich hier in diesem Späti, vor dem die Schlange der Nachteulen mit Hunger und Durst nie kürzer wird, nippe meinen Wein weg und denke nach…

Inklusive Elfmeterschießen war es vier Mal Alu - Pech gehabt. Das Finale verloren, obwohl der SC ganz nah dran schien am historischen Sieg - ärgerlich.

Und doch habe ich das Gefühl, etwas sehr Großes erlebt zu haben…

Danke SC Freiburg, danke SC-Fans (unbeschreiblich), danke Baden.fm.

Ich bin sicher, ich werde diesen Tag nie mehr im Leben vergessen. Er war großartig.

Und nächste Saison besuchen wir Europa! Darauf freue ich mich.

Zitat des Tages:

EINZIGARTIGER VEREIN -

SO WIE DU SOLL FUSSBALL SEIN.

Ich wünsche allen eine schöne Sommerpause! (Zitatende)

 

Ein langer Text, kein Foto – eigentlich ein „no go“ im Netz. Mit weit über 300 Reaktionen habe ich aber offenbar das Momentum ganz gut getroffen.

Ergänzen sollte ich noch, dass mich die Frau vom Späti-Imbiss gefragt hat, wie viele Gläser ich mit der Flasche Chardonnay wolle – als ich sagte, dass ich nur ein Glas wolle, hat sie mich komisch angeschaut. Und das in Berlin…  Irgendwann nach drei Uhr lag ich im Bett. Es sollte noch zwei, drei Tage dauern, bis ich das Pokalfinale von Berlin emotional verarbeitet hatte. Das Besondere war: Das Ergebnis war ärgerlich aber irgendwie schnurz… Was mich so sehr in den Bann geschlagen hat, war das Positive, war – die SC-Familie und wie sich sich, mal abgesehen von dem Pyro-Scheiß, in Berlin präsentiert hat; so viele, so freundlich und friedlich, so fair. Fantastisch.

Die Saison ist zu Ende – sie war große Klasse. Europa, wir kommen! Am kommenden Sonntag, 29. Mai, um 18.15 Uhr ist – live in der ARD-Sportschau – die Auslosung der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals 22/23. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es immer weiter geht. Ich freue mich schon auf die nächste Saison – meine 29. An der Seite des SC.  Mindestens 30 – alle Spiele live – will ich schaffen, bevor ich mich vielleicht irgendwann mal irgendwie etwas einschränke. Oder auch nicht. Schauen mer mal…

Meiner SC-Familie wünsche ich eine schöne Sommerpause!