8. Spieltag der Fußball-Bundesliga, SC Freiburg gegen FSV Mainz 05

Sonntag, 22. November 2020, 15.30 Uhr

Schwarzwald-Stadion, Freiburg

SC Freiburg - FSV Mainz 05

Das Vorspiel

Corona, Lockdown und die Folgen – das alles ist weitaus schlimmer als ein 0:6 von Jogis Jungs in Spanien. Sportlich war die Schlappe der Adler-Elf natürlich ein Niederschlag, keine Frage. Wichtig ist aber, wieder aufzustehen, ohne im gleichen Zug alles niederzureißen. Ich tue mich schwer damit, dem Weltmeister-Trainer von 2014 irgendwelche öffentlichen Ratschläge zu geben, wie eine Unzahl von Berufskollegen derzeit gerade bemüht ist, zu tun. Dass die „Helden“ der misslungenen WM 2018 den deutschen Fußball retten sollen, scheint mir nicht logisch. Mit Verlaub, Mats Hummels wird im Jahr des nächsten großen Turnieres, der EM 2021, 33 Jahre alt; Jérôme Boateng, dessen Vertrag bei Bayern München nicht verlängert werden soll, ebenfalls und Thomas Müller wird nächstes Jahr 32; alle drei haben 2018 im DFB-Trikot versagt und sind in den nächsten Monaten einem mörderischen Spiele-Marathon ihrer Clubs ausgesetzt. Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen führt also weder in der Corona-Pandemie noch bei der Vorbereitung der Deutschen Nationalmannschaft auf das nächste große Turnier zum Ziel.

Wenn ich sehe, wie manche Mitstreiter meiner Zunft mit Bundestrainer Joachim Löw umgehen, wird mir schlecht. Das ist auf dem Niveau der unsäglichen wutentbrannten Postings enttäuschter Fans in den sozialen Netzwerken. Bei Profis, also bei Journalisten, erwarte ich mehr Reflektion, mehr Stil und weniger Populismus. Da sage ich (zugegeben, auch ein bisschen populistisch):

„Je suis Jogi!“

Gemeint ist: Ich stelle mich in jeder Diskussion gegen Polemik à la BILD.

Meine Gedanken zum Versagen von Sevilla: Bayern hat in dieser Saison völlig überraschend mit 4:1 in Hoffenheim verloren. Real Madrid mit dem gleichen Ergebnis in Valencia. Die Liste der absoluten Top-Teams dieses Kontinents, die an irgendeinem Spieltag plötzlich mal völlig daneben liegen, gehören zu den Lehren der Spiele-Inflation dieser Corona-Saison. Besonders Spitzenspieler sind von solchen Leistungslöchern  bedroht. Vielleicht hatten jene aus der Nationalelf so einen Tag beim Spiel in Sevilla. Und der Gegner hatte zudem einen guten Tag erwischt und fand es plötzlich megageil, den Deutschen mal eins auszuwischen – Adrenalin ohne Ende, bis zur 90. Minute; auf spanisch halt. So könnte es gewesen sein. So what?

 

Ein anderes Thema ploppte ebenfalls in dieser Woche bei mir noch einmal auf. Ich hatte einen Brief mit dem Absender „Der Polizeipräsident Berlin“ in meinem Briefkasten. Ich fürchtete schon, ich sei bei meinem Besuch in der Hauptstadt, anlässlich des SC-Spiels bei Union, mit dem funkelnagelneuen VW-Bus, den mir der  Autovermieter als kostenloses upgrade statt des gebuchten Kleinwagens überlassen hatte, geblitzt worden. Es war dann aber doch etwas anderes und bei näherem Hinsehen viel dramatischer. Die Berliner Polizei hatte noch ein paar Fragen bezüglich meiner akustischen Beobachtungen in der Nacht zum 24. Oktober, als vor dem von mir gebuchten Hotel „Park Plaza Berlin Kudamm“, in der Joachimstaler Straße geschossen worden war (siehe Tagebuch Union Berlin). In die Glieder fuhr mir das Schreiben der Polizei als ich las, dass es sich bei dem Delikt, um das es ging, um Totschlag handelte. Mit anderen Worten: Der Mann, dem – wie ich während meines Aufenthalts im Buschfunk erfahren habe – ins Bein geschossen worden war, wobei aber eine Arterie zerfetzt wurde, ist gestorben. Wahnsinn. Gerüchteweise war das so ein Scharmützel unter Gangstern, aber trotzdem… RIP.

 

Keine Sorge, wir nähern uns jetzt dem nächsten Heimspiel des SC Freiburg… Es startet am Sonntag um 15.30 Uhr. Gegner ist der FSV Mainz 05. Gespielt wird übrigens im Sondertrikot „Bolzplatz Förderer“, das in einer begrenzten Stückzahl von 1904 verkauft wird und dessen Erlös in eine Bolzplatzsanierung im Mooswald fließt. Das Trikot würdigt im Übrigen das Engagement der 475 Mitglieder des „Fördervereins Freiburger Fußballschule“, die sämtlich mit ihrem Vor- und Zunamen auf dem Trikot verewigt sind. Edel-Fan Dr. Stephan Morbach, inzwischen ein Facebook-Freund und guter Bekannter, hatte mir ein Foto geschickt, auf dem mein Name zu erkennen ist – ganz nahe beim Logo; ich bin richtig etwas stolz darauf… Heute wird das Trikot in Größe 152 für meinen Sohn Ben geliefert. „Bolzplatz Förderer“ passt bei ihm ja auch sehr treffend. Mein Kleiner hatte sich mit seinem Freund Finn für einen Bolzplatz in unserem Neubauviertel in Bad Krozingen eingesetzt. Übrigens alles ohne mein Zutun – inklusive Brief an den Bürgermeister und Unterschriftensammlung. Die Kinder sind tatsächlich erfolgreich gewesen, haben jetzt eine gut geeignete Fläche zum Kicken – die Tore sind bestellt – alles super. Deshalb verdient er auch das Spezial-Trikot. Und am Sonntag gegen Mainz spiele ich irgendwie mit; nicht nur am Mikrofon von baden.fm, sondern auch mit Vor und Zunamen auf dem Trikot; ganz nah beim Logo; geil…

Sportlich steht eine Menge auf dem Spiel: Ich hatte ja in meinen schriftlichen Kommentierungen der bisherigen Saison, in den Wochenzeitungen ReblandKurier und Wochenblatt, eine Ergebniskrise konstatiert. Die Leistungen waren besser als die bescheidenen sechs Punkte aus sieben Spielen. Freilich stehen alle sieben bisherigen Gegner, darunter die Großkaliber Dortmund, Leverkusen und Leipzig, in der oberen Tabellenhälfte, was durchaus eine Rolle spielen könnte. Wenn die Jungs jetzt Mainz und Augsburg weghauen, spricht keiner mehr von einem misslungenen Saisonstart. Danach kommt Gladbach – in Heimspielen einer der der Lieblingsgegner des SC.  Danach sind zehn Spiele rum, eine Zahl, die Volker Finke einst als die erste Station taxierte, um eine Mannschaft in einer neuen Saison einzuschätzen.

Das Problem: Noch sind Mainz und Augsburg nicht weggehauen und zumindest ein Heimsieg gegen das noch sieglose Schlusslicht Mainz wird – na sagen wir mal – erwartet. Eine Erwartungshaltung, die mich an das Heimspiel der letzten Saison gegen Köln erinnert. Das ging damals schief. Wichtig wird am Sonntag sein, neben möglichst optimaler kämpferischer Momente auch Spielfreude und Lockerheit einzubringen. Die Mannschaft, der das gelingt, wird das Spiel gewinnen. Hoffnung macht der Saisonauftakt der vergangenen Saison als der SC beim 3:0 gegen Mainz (Tore: Höler, Schmid und Waldschmidt) eine eher durchwachsene Heimbilanz gegen die 05er vergessen ließ.

Der SC hat mich auch in Leipzig nicht enttäuscht – trotz des 3:0. Bis 20 Minuten vor dem Ende war alles denkbar, bis halt dieser umstrittene Elfmeter für die Platzherren zum 2:0 führte; und Leipzig ist eine Ausnahmemannschaft in Deutschland; bärenstark besetzt.

Wenn die Jungs jetzt Mainz schlagen, ist alles gut… Mit einem ähnlichen Satz endet übrigens auch meine Zeitungskolumne von dieser Woche, in der es im Wesentlichen aber um eine andere Betrachtung des Sport-Clubs geht; eben nicht das Tagesgeschäft. Aber lest selbst:

 

SC INTEAM

Der SC Freiburg ist eine der erfolgreichsten Talentschmieden in Europa. Die Aus- oder Weiterbildung bei den U-Mannschaften oder auch direkt bei den Profis ermöglicht vielen Talenten  eine Profikarriere.  Namen aus den vergangenen fünf Jahren sind Sebastian Kerk, der es in Nürnberg und jetzt in Osnabrück zu einem starken Zweitligaprofi gebracht hat, ähnlich wie Jonas Föhrenbach bei Jahn Regensburg und in Heidenheim, Immanuel Höhn bei Darmstadt 98 oder Chima Okoroji in Regensburg und Paderborn.  Fern der ganz großen Schlagzeilen konnten sich andere Talente, nach der Ausbildungsstation SC Freiburg, auch einen Platz in Erstligateams sichern: Felix Klaus etwa, zunächst  in Hannover und jetzt in Wolfsburg. Christopher Jullien gehört auch in diese Kategorie. Nach der Ausbildung beim SC kickte der Franzose in Dijon und Toulouse – jetzt verdient er sein Profigehalt bei Celtic Glasgow in Schottland. Vegar Eggen Hedenstad ist, nach Stationen in Braunschweig und St. Pauli   in seiner norwegischen Heimat bei Rosenborg BK gelandet. Mats Möller Daehli, ebenfalls Norweger, der über den Umweg FC St. Pauli beim belgischen Erstligisten KRC Genk landete und  Vincent Sierro, der nach einer Leihe zum FC St. Gallen in seiner Schweizer Heimat beim Spitzenteam YB Bern unterkam, sind weitere Beispiele. Pascal Stenzel und Marc Oliver Kempf, die jetzt  beim  VfB Stuttgart kicken, sowie  Mo Dräger, der nach seinem Bundesliga-Gastspiel in Paderborn jetzt bei Olympiacos Piräus griechische Erstligaluft schnuppert, und Tim Kleindienst, der über den FC Heidenheim zum belgischen Erstligisten KAA Gent kam, vervollständigen die Liste, ohne den US-Amerikaner Caleb Stanko zu vergessen, der in der Major League Soccer beim FC Cincinnati kickt. Noch eine Kategorie höher einzustufen sind die für den SC besonders ertragreichen Transfers von Leistungsträgern wie Roman Bürki zu Borussia Dortmund, Admir Mehmedi, der über Leverkusen  in Wolfsburg landete und Maximilian Philipp, der über Borussia Dortmund und Dynamo Moskau zum VfL Wolfsburg kam. Ungekrönter König der in Freiburg geformten Talente ist vermutlich Caglar Söyüncü, der als türkischer Zweitligaspieler kam und in Freiburg das Rüstzeug erhielt, um jetzt als Leistungsträger von Leicester City zum  weltweit wertvollsten türkischen Fußballer (Marktwert: 40 Millionen) zu avancieren. Noch ganz frisch sind die Erinnerungen an die Abgänge der in Freiburg geformten Top-Leute Alexander Schwolow,  jetzt Stammtorwart bei Hertha BSC, Robin Koch, jetzt Stammspieler bei Leeds United in der Premier League und Luca Waldschmidt, jetzt Torjäger von Benfica Lissabon. Welch eine Ausbildungsbilanz des SC – das sucht europaweit seinesgleichen. In Freiburg gilt der Weg als Ziel und das ist richtig so!  Jetzt noch Mainz schlagen und alles wird gut.  Viel Glück und Erfolg! (Zitatende)

 

Es ist diesmal eine lange Woche. Der SC spielt erst am Sonntagnachmittag gegen die Mainzer. Ein Bekannter, der unter der Woche 50 geworden ist, kommt am Samstag auf eine Flasche Wein zum Fußball gucken. Arminia spielt zuhause gegen Leverkusen – da habe ich, ehrlich gesagt, gewisse Befürchtungen. (Passt auf den wahnsinnig schnellen Diaby auf, Jungs!) Deshalb wird es wohl die Sky-Konferenz sein die wir gucken. Wenn Arminia in Führung geht, können wir ja immer noch aufs Einzelspiel wechseln.

Um 18.30 Uhr spielt Eintracht Frankfurt gegen Leipzig – da bin ich klar bei den Hessen und dann gibt es noch ein Samstagabendspiel um 20.30 Uhr: Hertha gegen Dortmund. Da tendiere ich als gebürtiger Westfale zum BVB; Ich fürchte, es wird am Samstag nicht bei einer Flasche bleiben… Und mal gucken was meine Frau sagt zu Fernsehfußball von 15.30 Uhr bis 22.30 Uhr – sieben Stunden… Kommt nicht auch Krimi oder Quiz? (smile)

 

So ganz langsam taste ich mich also heran an den achten Spieltag. Der Freitag beginnt mit dem Kollegengespräch in der baden.fm-Morningshow mit Frühmodertor Markus Schäfer. Um 13 Uhr ist digitale Pressekonferenz mit Christian Streich (14 Uhr Reifenwechsel nicht vergessen…) tja und dann klopft das Wochenende auch schon an die Tür…

Ich übertrage das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen Mainz 05 am Sonntag, 22. November, ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.

 

Das Fußballspiel

(Mein 989. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Es war – wie immer bei Geisterspielen – leer und öde im Schwarzwald-Stadion; dazu war es ungemütlich kalt und sportlich denkbar unerfreulich. Schon nach 63 Sekunden führte Schlusslicht Mainz in Freiburg mit 0:1. Gelungenes Umschaltspiel der Gäste, Konter sind übrigens ihre größte Stärke, und schon lief „Schreckgespenst“ Mateta frei auf Müller zu und netzte ein. Der 1,92 Meter große Stürmer aus Frankreich spielt gegen niemanden lieber als gegen Freiburg: Schon beim 1:3 der Mainzer im November 2018 hatte er im Schwarzwald-Stadion getroffen, beim kuriosen 5:0 der Mainzer im eigenen Stadion, im April 2019, hatte der wuchtige Angreifer sogar dreimal getroffen. Am Sonntag wurde es ein lupenreiner Hattrick – drei Mateta-Tore in der ersten Halbzeit. Ein Horror für Besucher mit Herz für den SC. Das ominöse, richtungsweisende 0:1 nach 63 Sekunden hätte freilich nicht anerkannt werden dürfen. Beim Ballgewinn der Mainzer im Mittelfeld schubste der spätere Torschütze Santamaria seinen Gegenspieler in dieser Situation, Santamaria, rustikal weg – eigentlich ein Foulspiel – und berührte den Ball obendrein mit der Hand. Das waren gleich zwei Gründe für den Stuttgarter Referee Martin Petersen, das Spiel zu unterbrechen – er tat es aber nicht, Mateta traf und das Tor zählte.

Am Unparteiischen lag es freilich nicht, dass den Mainzern in der Folgezeit weitere aussichtsreiche Konter gelangen. Beim SC stimmte etwas in der Defensive nicht. Die Kontersicherung war unzulänglich. Fehlten die mannschaftsinternen Kommandos? Die ordnende Hand eines Leaders? Einer, dem diese Rolle eigentlich zukommt, der aber zuletzt formschwach (drei verhängnisvolle Ballverluste gegen Leverkusen) und zudem vom Pech verfolgt war (Elfmeterentscheidung in Leipzig), saß auf der Bank: Nicolas „Chicco“ Höfler. Defensiv gelang es dem SC in der ersten Halbzeit nicht, Ordnung in die eigenen Reihen zu bekommen. Schon in der 9. Minute stach der nächste Mainzer Konter – in letzter Sekunde verhinderte der zurückgeeilte Heintz einen weiteren Treffer. Drei Minuten später verliert Schmid den Ball gegen Brosinski,  erneut kommt Mateta in Abschlussposition, trifft aber nur den Körper des sich ihm mutig entgegenstellenden Müller. Dennoch: Ich vermutete mich im falschen Film: Der SC kombinierte sich gefällig durchs Mittelfeld bis an den Mainzer Strafraum, hatte deutlich mehr vom Spiel (zu diesem Zeitpunkt etwa 75 Prozent Ballbesitz) aber Mainz führte und hatte Top-Torchancen. Nach einer Viertelstunde endlich die erste erwähnenswerte Torchance der Platzherren. Günter taucht halblinks im Strafraum auf – sein Schuss geht aber nur ans Außennetz, zu harmlos…

In der 22. Minute bringt der auffälligste Freiburger Offensive, Sallai, Grifo in Schussposition – der italienische Nationalspieler aus Pforzheim schießt aber über das Tor – einmal mehr: Der SC ist zu harmlos im Abschluss.

Nach einer halben Stunde weist die Statistik 77 Prozent Ballbesitz für den SC Freiburg aus. Mainz aber ist gefährlicher, der Schwede Quaison hat in der 34. Minute viel zu viel Platz, Tempelmann und Santamaria lassen ihn 20 Meter vor dem Tor alle Zeit der Welt, um einen Torschuss anzusetzen – Müller hält zwar, wehrt aber unzulänglich ab. Der Ball springt mittig Mateta vor die Füße, der eiskalt abstaubt. 0:2 – es war zum Verzweifeln…

Doch es kam noch dicker: In der 40. Minute gelingt Boetius ein genialer Steckpass in den Lauf von Mateta. Ich wähne ihn im Abseits, die Abwehr vielleicht auch – das war aber deutlich nicht der Fall, wie die Fernsehbilder zeigen. Der Pass war einfach zu gut und der folgende Abschluss eiskalt; 0:3, der Halbzeitstand. Es fühlte sich jetzt schon an, wie ein gebrauchter Tag.

 

Auch ich hatte die schlechte Form von Höfler in den vergangenen Wochen bemerkt und zum Beispiel seine das Spiel entscheidenden Fehler gegen Leverkusen beklagt. Das lässt sich alles nachlesen. Ich hatte aber immer auch auf seine Wichtigkeit für das Spiel des SC hingewiesen und nach der guten Leistung von „Chicco“ in Leipzig hatte ich nicht mehr mit seiner Verbannung auf die Bank gerechnet. Es wäre auch hypothetisch darüber zu philosophieren, ob es gegen Mainz mit Höfler besser gelaufen wäre. Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass die Freiburger Defensivorganisation – sonst je eigentlich immer ein Garant für SC-Auftritte – nach dem Wechsel und mit Höfler besser funktionierte. Es wurde ein normales Fußballspiel. Die einzige erwähnenswerte Mainzer Chance ist ein weiterer Durchbruch von Mateta, dessen Schrägschuss in der 60. Minute am Tor vorbei geht, nachdem Müller schon ausgespielt war.

Drei Minuten später dann ein kleiner Hoffnungsschimmer für den SC: Sallai, ach wie vor auffälligster Offensivakteur des Sport-Clubs, zieht aus 20 Metern ab, Torwart Zentner wehrt zwar zur Seite ab, doch Petersen ist zur Stelle und staubt ab. 1:3, noch roundabout eine halbe Stunde zu spielen… Geht da noch was?

Eckstöße, Freistöße – sie verpuffen ungenutzt. Ein Handspiel im Strafraum wird nicht als elfmeterwürdig anerkannt. Der Sport-Club hat in dieser Saisonphase kein Glück bei 50:50-Entscheidungen der Unparteiischen inklusive Kölner Keller.

Der SC macht Druck, wirkt vorne aber oft wie ein zahnloser Tiger. Wirklich klare Tormöglichkeiten bleiben aus. Erst spät wechselt Trainer Streich offensive Alternativen ein: Demirovic kommt (erst) in der 84. Minute – vier Minuten später feiert Til sein Bundesligadebüt (er kommt für Santamaria). Einmal wird es noch aufregend: In der Nachspielzeit stochert Demirovic den Ball aus kürzester Distanz im Nachsetzen über die Linie. Das vermeintliche 2:3 wird aber nicht anerkannt. Torwart Zentner soll die Hand bereits vor dem Freiburger Stürmer am Ball gehabt haben. Das löst allerdings auch die Zeitlupe nicht zweifelsfrei auf. Auch wenn die Frage über den Sieger des Spiels in dieser 93. Minute bereits beantwortet schien verfestigt sich einmal mehr die Beobachtung: Enge Schiedsrichterentscheidungen werden zurzeit konsequent gegen den Sport-Club getroffen. Einzig zum Saisonauftakt in Stuttgart war das andersherum gewesen. Seither…

Endstand: 1:3 – willkommen im Freiburger Bundesligaalltag, der da heißt: Abstiegskampf.

 

Das Nachspiel

Frustriert packte ich mein Zeug zusammen und fuhr mit Stadionsprecher Claus Köhn im Fahrstuhl die Tribüne herab. Die Niederlage ist uns beiden alten Haudegen in die Knochen gefahren, so mein Eindruck. Mit kargen Worten verabschieden wir uns.

Ich setze mich in meinen Ford Kuga, stelle mit dem iPhone Verbindung zur digitalen Pressekonferenz her und fahre schon mal los. Erst in Wolfenweiler fahre ich rechts an den Straßenrand, da die PK beginnt. Ich stelle den Motor ab, das Innenlicht an und aktiviere die Handy-Kamera. Auf Fragen verzichte ich. Die Defizite in der Defensivorganisation der ersten Halbzeit und die Harmlosigkeit der Offensive über die gesamten 90 Minuten benennt der Freiburger Trainer selber. Natürlich genießt Talent Tempelmann, der in der ersten Halbzeit an Stelle von Höfler „ran“ durfte, „Welpenschutz“. Sascha Glunk beendet die PK, ich fahre nach Hause, freue mich dort, dass Union Berlin in Köln gewinnt und die Gisdol-Truppe sieglos im Tabellenkeller verharrt. Dann mache ich mir noch Gedanken über das Kollegengespräch in der baden.fm-Morningshow von Montag und lenke mich anschließend mit der Familie, Abendessen und „The Voice of Germany“ ab. Es war ein gebrauchter Sonntag.

Montagmorgen. Im Radio habe ich meine Einschätzung zu der bitteren Niederlage gegen Mainz zusammengefasst. Fazit: Der SC ist jetzt im Abstiegskampf angekommen. Dann ging es in die WZO-Redaktion. Hier machte ich mich an die Zeitungskolumne „SC INTEAM“, die am Mittwoch in gedruckter Form im ReblandKurier und Wochenblatt erscheinen wird. Hier mein Text:

 

SC INTEAM

Und plötzlich ist alles wie immer: Nach dem ersten wirklich schwachen Spiel des SC Freiburg sieht sich der Bundesligist aus dem Schwarzwald mit dem Abstiegskampf konfrontiert; einem nervenaufreibenden Fußballalltag außerhalb der wohltuenden Komfortzone, in der man sich (ausnahmsweise) in der vergangenen Saison 34 Spieltage lang bewegen durfte. Es folgte der Verlust von drei Leistungsträgern – Schwolow, Koch und Waldschmidt – die kolportierte 37 Millionen existenzsichernde Euro in die Vereinskasse spülten. Zudem verletzte sich der designierte Schwolow-Nachfolger Flekken im ersten Pflichtspiel der neuen Saison schwer. Die Not-Leihe von Torwarttalent Müller aus Mainz, der Rekordtransfer von Santamaria für das defensive Mittelfeld und die Verpflichtung von Demirovic als Alternative im Angriff waren richtige personelle Maßnahmen, die aber die abgängigen  Stammkräfte nicht von heute auf morgen ersetzen können: Müller ist ein Talent, Santamaria deutet seine Qualitäten häufig an, befindet sich aber noch im „Adaptionsprozess Bundesliga“ und Demirovic kommt noch nicht an den Stammkräften im SC-Angriff vorbei, muss sich über Kurzeinsätze empfehlen. Schade, dass sein Tor zum vermeintlichen 2:3 in der Nachspielzeit gegen Mainz keine Anerkennung fand; ein persönliches Erfolgserlebnis hätte dem Neuzugang aus St. Gallen Rückenwind  für die nächsten Wochen  gegeben. Dass der Treffer nicht anerkannt wurde, war eine der vielen 50:50-Entscheidungen, die zurzeit konsequent gegen den Sport-Club entschieden werden. Dem 0:1 der Mainzer ging beim Ballgewinn im Mittelfeld sowohl  ein Foulspiel als auch ein Handspiel voraus – der Treffer zählte trotzdem. Ein möglicher Handelfmeter wurde dem Sport-Club verweigert, das späte Tor von Demirovic wurde nicht anerkannt, obwohl auch die Zeitlupe nicht belegen konnte, dass Torwart Zentner schon mit der Hand am Ball war, als „Demi“ ihn ins Tor stocherte.

Und dennoch: Die Niederlage gegen das bisherige Schlusslicht Mainz hat sich der SC Freiburg durch eine schwache Leistung selbst eingebrockt: In der ersten Halbzeit – übrigens ohne Höfler – passte die Defensivstatik nicht. Die Kontersicherung funktionierte überhaupt nicht. In der zweiten Hälfte – mit dem eingewechselten Höfler – klappte das besser. Über 90 Minuten blieb die Freiburger Offensive zu harmlos: Trotz insgesamt 73 Prozent Ballbesitz gelang dem SC nur ein Tor. Die zahlreichen Flanken von außen waren zu harmlos, letzte Pässe im Zentrum zu ungenau und bei den Abschlüssen erwiesen sich alle, die sich versuchten, von Günter über Santamaria, Sallai, Grifo bis zu Höler als zu harmlos. Nur Petersen liefert in dieser Hinsicht ab – das ist zu wenig, um Spiele zu gewinnen. Und Siege sind nötig, um nicht noch mehr in die Bredouille zu geraten. Noch stehen Mainz, Bielefeld, Köln und Schalke hinter dem Sport-Club. (Zitatende)

 

Und schon bin ich beim meinem Tagebucheintrag in der Jetzt-Zeit. Montagvormittag, halb elf. In Urlaubsvertretung werde ich neben dem „großen Ganzen“ in dieser Woche die Kaiserstuhl/Tuniberg-Ausgabe vom ReblandKurier produzieren. Das wird mich von den tristen Fußballgedanken ablenken. Am Donnerstag habe ich einen Tag Urlaub, dann läuft der Countdown für das nächste Auswärtsspiel in Augsburg. Die Spiele dort sind selten ein Vergnügen. Und jetzt, in der Corona-Zeit, noch weniger, weil Restaurants und Kneipen geschlossen sind. Ich überlege, ob ich morgens hin- und abends zurückfahre; also ohne die sonst übliche Übernachtung. Wenn das Spiel aufregend wird, ist das eine Herausforderung, denn wenn es auf dem Fußballplatz richtig rund geht, bin ich nach der baden.fm-Bundesligashow wie ausgequetscht und habe wenig Bock auf viele Autobahnkilometer. Für welche Auswärtsfahrt-Variante ich mich entscheide, erzähle ich dann im Augsburg-Tagebuch. Man liest oder hört sich.