9. Spieltag der Fußball-Bundesliga, VfL Wolfsburg - SC Freiburg

Samstag, 23. Oktober 2021, 15.30 Uhr *

Volkswagen-Arena, Wolfsburg *

VfL Wolfsburg - SC Freiburg *

Englische Woche - Das Vorspiel

Nach der Premiere im Europa-Park Stadion, ging die Reise zum Champions League Teilnehmer VfL Wolfsburg, drei Tage später gefolgt vom DFB-Pokalspiel beim Drittligisten VfL Osnabrück. Für mich war das eine willkommene Gelegenheit, ein paar Tage in meinem Elternhaus in Bielefeld zu verbringen und so den zweimaligen langen „Ritt“ von hin und zurück jeweils etwa 1.200 km zu vermeiden. Da ich während der Reise keine Gelegenheit hatte, mein Internet-Tagebuch zu verfassen, geschieht heute alles in Form einer Nacherzählung.

Am Donnerstag, 21. Oktober, nach der Arbeit im WZO-Verlag, fuhr ich erwartungsfroh los. Auf halber Strecke gönnte ich mir eine Pause, nebst Übernachtung. Freitagmittag traf ich in Bielefeld-Jöllenbeck ein, wo meine fast 90-jährige Mutter lebt. Den Nachmittag verbrachte ich mit Erholung. Die Arbeitswoche, die weite Fahrt, all das stecke ich nicht mehr weg, wie ein 30-Jähriger. So gönnte ich mir ein Mittagsschläfchen und eine Reihe von Podcasts, bis wir gegen Abend mal wieder zum Kult-Restaurant Kreta fuhren. Meine alte Dame im Schlepptau ging es zu Vasili und seinem Team. Verabredet war ich zudem mit dem Hasen. Der Hase heißt Herbert. Wir nennen uns gegenseitig Hase – seit Jahrzehnten schon. Der Hintergrund ist schnell aufgeklärt: Ein Kellner aus dem Bielefelder Nachtleben, deutlich sichtbar homosexuell und vermutlich in entsprechenden Beziehungen eher der „weibliche“ Part, nannte seine männlichen Gäste nach einigen Gläschen auch immer „mein Hase“. Wir haben das einmal eher aus Zufall scherzhaft in der Anrede unter uns übernommen und hatten bemerkt, wie schockiert Fremde, die uns ungewollt zugehört und den scherzhaften Charakter nicht geblickt hatten, von unserer Unterhaltung waren. Ein Running-Gag war geboren und heute sind wir halt immer noch Hasen. Wenn gemeinsame Bekannte sich bei mir nach Herberts Wohlergehen erkundigen, fragen sie, wie es dem Hasen ginge und bei Herbert läuft es genauso, wenn nach mir gefragt wird. Nur dass der Hase und ich uns schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. Ab und zu am Telefon ausgetauscht, klar, aber Begegnungen waren zuletzt sehr rar. Freitag war also Hasen-Tag und so saßen der Hase und ich zusammen mit meiner Mutter im Kreta. Es war ein netter Abend, wenn auch – wegen der alten Dame – kein allzu langer. Die stets etwas ironische und zumindest für uns ganz lustige Kommunikationsebene war schnell gefunden. Wir versicherten uns zum Beispiel gegenseitig, dass wir als Jungs relativ hoch Fußball gespielt hatten. Vasili, der Wirt, der mit uns seiner Zeit bei Teutonia Altstadt II  gekickt hatte, wollte seinen Ohren nicht trauen. Auf einem Bolzplatz oben in Hoberge (einem höher gelegenen Ortsteil von Bielefeld) klärten wir ihn mit todernster Miene auf.   „Hoch halt“. So alberten wir uns durch den Abend. Nett war’s.

Samstagvormittag fuhr ich dann über die nahe A2 Richtung Norden und an Hannover und Braunschweig vorbei nach Wolfsburg, wo ich – wie immer – erstklassige Arbeitsbedingungen vorfand.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1024. SC-Livespiel als Radio-Kommentator)

Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie durfte das einhundertprozentige Tochterunternehmen der Volkswagen AG, der VfL Wolfsburg, sein Stadion, die wirklich wunderschöne Volkswagen-Arena, auslasten. Wegen der sportlichen Probleme hatte Trainer van Bommel über die lokalen Medien in einem flammenden Appell um Unterstützung gebeten, Motto: „Nur gemeinsam ziehen wir die Karre aus dem Dreck!“ Das Resultat war ernüchternd: 10.200 Zuschauer verloren sich im Stadion, darunter vielleicht 1.000 Unterstützer des SC Freiburg und – immerhin – Bundestrainer Hansi Flick. Letzterer konnte sich an einer Top-Leistung der Freiburger Defensive erfreuen, die ohne Gegentor blieb und damit weiter Spitze in der Bundesliga ist – kein anderer Verein hat nach neun Bundesligaspieltagen so wenige Gegentore kassiert wie der SC – nur sechs – und einen wesentlichen Anteil daran hat auch Flicks Abwehrkandidat Nico Schlotterbeck. Wobei, dieser Hinweis ist von Bedeutung, die Abwehrarbeit fängt beim SC bei den Spitzen an, wo Lucas Höler Woche um Woche überragende Leistungen abliefert und auch Vincenzo Grifo und Wooyeong Jeong ihr Repertoire enorm erweitert haben und durch ständiges Anlaufen und Attackieren der gegnerischen Abwehrspieler fantastische Arbeit für die Defensive abliefern.

Und auch offensiv funktioniert es beim SC, wie das Spiel in Wolfsburg dokumentieren sollte. Wenn spielerisch kein Durchkommen ist, hilft halt ein Standard: In der 27. Minute schlägt Vincenzo Grifo einen Freistoß vom linken Flügel auf den, im Rücken der kleinen Wolfsburger Mauer am Fünfmeterraum lauernden Philipp Lienhart. Der österreichische Nationalspieler reagiert am schnellsten, scheitert erst an Torwart Casteels, bringt den Ball im Nachschuss aber im Netz unter. Der Jubel bleibt ihm und den SC-Fans hinter dem Tor aber in der Kehle stecken, denn der Assistent an der Linie hat die Fahne oben: Abseits? Der Kölner Keller untersucht den Fall und korrigiert Schieds- und Lininenrichter – der Treffer war regulär, der Fuß des Wolfsburgers Mbabu, genauer gesagt, seine Hacke,  war bei Ausführung des Freistoßes näher an der Torauslinie als Lienhart – 0:1, der Halbzeitstand.

Nach dem Wechsel war der VfL Wolfsburg nach taktischen Umstellungen besser im Spiel, übernahm das Kommando auf dem Rasen und drängte auf den Ausgleich. Als dieser quasi mehr und mehr spürbar in der Luft lag bewies der SC eine weitere besondere Qualität: Das schnelle Umschaltspiel. Kapitän Christian Günter erkämpft im Mittelfeld den Ball und passt ihn kurz auf Lucas Höler. Der langmähnige Blondschopf schickt seinen Captain steil auf den linken Flügel und startet selbst durch, bietet sich zentral wieder an und erhält die Kugel von „Günni“ zurück. Eiskalt schiebt Höler den Ball dann ins äußerste rechte Eck – keine Chance für Casteels – der Ball prallt gegen den Innenpfosten und dann ins Tor. Statt 1:1 steht es jetzt 0:2 und die Partie ist praktisch entschieden. Der SC war in Wolfsburg eiskalt und effizient. Das Resultat: Platz drei in der Bundesliga.

 

Das Nachspiel

Wie schon in Berlin und auch jüngst im Europa-Park Stadion fand die PK nach dem Spiel auch in Wolfsburg in Präsenz statt. Dass es für Marc van Bommel die letzte als VfL-Trainer sein würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, stand aber zu befürchten; und so kam es dann ja auch. Ich erhielt nach dem Kick auch wieder ein Interview mit Christian Streich und war, als ich wieder im baden.fm-Toyota saß, um die etwa zweieinhalbstündige Rückfahrt nach Bielefeld anzutreten, bester Stimmung. Bei „Muttern“ angekommen, brutzelten bereits Spiegeleier in der Pfanne und es gab eben diese mit Kartoffelsalat. Den eigentlich geplanten erneuten Besuch im Kreta hatte die alte Dame schlicht vergessen und auch ich entschloss mich nach der Mahlzeit satt, zufrieden und müde zugleich, nicht mehr in die Stadt zu fahren, sondern ein Döschen Jim Beam mit Coke Zero zu genießen und auf die Nachberichte der Bundesliga im Sportstudio zu warten. Wegen des bevorstehenden Pokalspiels am Dienstag in Osnabrück blieb ich vor Ort.