Achtelfinalhinspiel der UEFA Europa League, SC Freiburg gegen West Ham United

Donnerstag, 7. März 2024, 21 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - West Ham United FC *

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Das Nachspiel zu Bayer ist zugleich das Vorspiel zu West Ham. Ich denke auch, dass das Spiel, dieses 2:2 gegen die Münchener dem SC Mut machen kann. In zweierlei Hinsicht: Der SC, der in Augsburg noch völlig kraftlos wirkte, war fünf Tage später fit wie ein Turnschuh und strotzte vor Energie. Zudem boten die nominell unterlegenen Freiburger den großen Bayern mutig Paroli und brachten den Rekordmeister an den Rand einer Niederlage. Warum sollte das an einem guten Tag nicht auch gegen West Ham gelingen, zumal die Engländer bei ihrem hauchdünnen 1:2-Sieg in der Gruppenphase im Europa-Park Stadion sehr viel Glück und einen zu Beginn des Spiels unkonzentrierten und schwach spielenden SC benötigte, um erfolgreich zu sein. Wenn es dem SC im Heimspiel gegen West Ham gelingt, 90 Minuten konzentriert und im oberen Bereich der eigenen Möglichkeiten zu agieren, etwa wie in Lens und auch im Rückspiel gegen die Franzosen, oder wie über weite Strecken gegen Bayern, dann besteht die Chance auf eine Überraschung. Denn natürlich ist der Premier-League-Vertreter, nachdem er seine verletzungsbedingte Schwächephase – sechs sieglose Spiele, darunter drei Niederlagen mit 0:11 Toren – überwunden hat, erklärter Favorit der Achtelfinalbegegnung… Aber – abwarten…

Zurück zum Freitagabend gegen Bayern. Ich fühlte mich bombig, bekam gute Interviews und gönnte mir ein Fußball-TV-Wochenende. Erhoffter Höhepunkt wäre ein Sieg „meiner“ Arminia vor über 22.000 Zuschauern auf der Alm gegen den dörflichen Nachbarn Verl gewesen. Leider ging der Kick 0:0 aus. Schade eigentlich.

Nach dem erholsamen Wochenende hatte ich wieder die Power für eine extrem intensive Zeitungsproduktion am Montag und Dienstag, inklusive einem Außentermin mit Empfang und Festessen zu einem Thema, welches sonst nicht so meines ist… 50 Jahre Gemeindeverwaltungsverband Müllheim-Badenweiler… Weißte Bescheid!? Ich habe aber alles gestemmt und mit 30 Minuten Verspätung haben wir am Dienstag gegen 20.30 Uhr die letzte Seite belichtet. Ich selbst hatte die Kollegin vertreten, die sonst die Ausgabe Markgräflerland bearbeitet und produziert; auch deshalb war ich beim Gemeindeverwaltungsverband, was letztlich aber ganz interessant und verbunden mit ein paar netten Begegnungen war.

Natürlich gab es auch in der Ausgabe 10 des ReblandKuriers im laufenden Jahr wieder eine Fußballkolumne; und nicht nur das – wegen der Außergewöhnlichkeit eines Europa-League-Achtelfinales mit dem SC Freiburg, oblag mir zudem der Kommentar zum Weltgeschehen. Natürlich gab und gibt es textliche Überschneidungen – aber in erträglichen Maßen.           

Hier zunächst die regelmäßige Fußballkolumne:

 

SC INTEAM

Christian Streich und  das Trainer- sowie  Physio-Team des SC Freiburg haben fantastische Arbeit geleistet. Wirkte der SC  drei Tage nach dem 120-Minuten-Spektakel in der Europa League gegen den RC Lens und am Ende zweier intensiver Englischer Wochen beim  Bundesligaspiel in Augsburg wie eine „Flasche leer“, also saft- und kraftlos, ohne die notwendige mentale Frische, um ein Bundesligaduell zu gewinnen, präsentierte sich im Heimspiel gegen Rekordmeister FC Bayern München – etwas überraschend – eine vor Energie strotzende, mutige und fußballerisch hochklassige SC-Elf, aus der die Rekonvaleszenten Matthias Ginter und Christian Günter, beide in der Startelf, sowie Torhüter Noah Atubolu und  Stürmer Lukas Höler herausragten. Der von vielen Beobachtern oft unterschätzte Höler kämpfte nicht nur wie ein Löwe in der Defensive, wenn die Bayern den Ball hatten, und rettete  in der 72. Minute für den bereits geschlagenen Atubolu auf der Linie, sondern erzielte in der 87. Minute, nach einem langen Einwurf von Kiliann Sildillia auf Michael Gregoritsch und dessen gelupfter Vorlage auf  artistische Art und Weise den Ausgleich zum 2:2-Endstand. Das Ergebnis war verdient, weil Freiburg in der ersten Halbzeit die bessere Mannschaft war und angesichts der sich bietenden Möglichkeiten eigentlich  höher führen musste als „nur“ mit 1:0 (Günter, 12. Minute), bevor Bayerns Supertalent Tel  mit einer sehenswerten Einzelaktion und einem Schlenzer vom Strafraumeck in den Winkel den 1:1-Halbzeitstand herstellte.

In der zweiten Hälfte des unterhaltsamen Bundesligaspiels zweier Teams auf Augenhöhe dominierte dann Bayern. Es bedurfte jedoch eines Geniestreichs von Musiala im Freiburger Strafraum, um die Münchner vermeintlich auf die Siegerstraße zu bringen. Hölers Ausgleich und der Abpfiff kurz darauf bedeuteten eine Vorentscheidung im Meisterkampf zugunsten von Münchens Rivalen, dem designierten neuen Titelträger Bayer Leverkusen. Der SC Freiburg wartet in der Bundesliga seit sechs Spielen auf einen Sieg, präsentierte sich aber in guter Verfassung, bevor es am morgigen Donnerstag, 7. März, um 21 Uhr (live im TV bei RTL und im Radio bei baden.fm) im Europa-Park Stadion zum  Achtelfinal-Hinspiel gegen West Ham United kommt. Die Londoner kommen nach langen erfolglosen Wochen auf der Insel ohne ihren brasilianischen Superstar Luis Paqueta, nun mit breiter Brust nach Freiburg. Nach Paquetas Gesundung und Rückkehr in die Startelf gelangen United  gegen Brentford (4:2) und in Everton (1:3) zwei souveräne Siege. Keine Frage, West Ham kommt als Favorit nach Freiburg. Der SC weiß aber, wie er mit Favoriten umzugehen hat. (Zitatende)

 

Der Kommentar zum Weltgeschehen fokussierte besonders die bevorstehende internationale Herausforderung. Dass es ein, zwei Dopplungen gibt, bleibt nicht aus…. Hier mein Text:

 

Der Kommentar

Der zweite Versuch

von Frank Rischmüller

Der bislang größte internationale Erfolg des SC Freiburg war im vergangenen Jahr das Erreichen des Achtelfinales der Europa League. Die beiden Spiele gegen Juventus Turin sind unvergessen und werden es bleiben, auch wenn sich der italienische Weltclub gegen die Freiburger knapp aber verdient durchsetzte. In der laufenden Saison konnte der Sport-Club der Einmaligkeit des Erreichens der letzten 16 Clubs des europäischen Wettbewerbs ein schnelles Ende setzen, denn es gelang erneut, bis ins Achtelfinale vorzustoßen. Diesmal nicht auf direktem Weg, als Sieger der Vorrundengruppe, sondern als Gruppenzweiter, über eine spektakuläre Zwischenrunde gegen den französischen Vizemeister RC Lens (0:0/3:2 n. Verl.). Das dramatische Rückspiel – Heimsieg nach 0:2-Rückstand im „kochenden“ Europa-Park Stadion – wird in die Annalen des SC Freiburg eingehen.

Mit gemischten Gefühlen wurde der Ausgang der Auslosung zum Achtelfinale betrachtet, trifft der SC Freiburg doch auf West Ham United, eben jenen englischen Club, mit dem sich die Freiburger bereits in der Gruppenphase auseinanderzusetzen hatten; erfolglos, wie die Fans wissen. West Ham aus der Premier League wurde Gruppensieger und verwies den Bundesligisten   auf Rang zwei. Man mag sich trösten: Andernfalls hätte es das epische Stadionerlebnis gegen Lens gar nicht gegeben. Zudem bietet sich den Freiburger Kickern nun, im zweiten Versuch, die Chance auf Revanche. Am morgigen Donnerstag, 7. März, ab 21 Uhr (live bei RTL und baden.fm) gilt es, im Heimspiel eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel eine Woche später (Anstoß: 18.45 Uhr, live bei RTL+ und baden.fm) in London herzustellen. Bis vor kurzem standen Freiburgs Chancen nicht schlecht, denn United war ins Schwimmen gekommen, blieb wochenlang sieglos und kassierte bei drei saftigen Niederlagen 0:11 Tore … bis der lange verletzte brasilianische Mittelfeldstar Luis Paqueta wieder mitwirkte. Seither gewann West Ham zwei Mal und reist nun mit breiter Brust und als klarer Favorit nach Freiburg. Gerade so, wie vor zwei   Wochen der RC Lens und jüngst der FC Bayern München... (Zitatende)

 

Es ist Donnerstag, kurz nach vier. Gerade habe ich für einen befreundeten Gastwirt noch zwei Tickets für das Spiel heute Abend erwerben können – sogenannte Resail-Tickets, also solche, die schon verkauft waren, aber wegen Krankheit, Bahnstreik oder anderen Gründen zurückgegeben und dadurch wieder frei wurden. Wenn  sie weiterverkauft werden, bekommt der verhinderte Stadionbesucher sogar sein Geld zurück.

Eigentlich müsste ich – bis Montagmorgen quasi noch immer in Vertretung einer Kollegin – die Ausgabe Markgräflerland des ReblandKuriers noch weiter vorbereiten. Das kann ich jetzt aber nicht. Bin schon zu sehr im Europa-League-Rausch. Morgen habe ich eigentlich Urlaub, aber dann komme ich eben zwei. Drei Stunden am Vormittag, um den Job zu machen. Wichtig ist, dass ich ab Mittag ein bisschen Erholung und Ruhe habe. Am Freitagabend moderiere ich in der Stadt Müllheim im Markgräflerland eine „Sportgala“. Das ist eine Gala mit sportlichen, künstlerischen und musikalischen Darbietungen, in die die Stadt ihre Sportlerehrungen eingebettet hat. Ich brauche also den freien Nachmittag, um mich ein bisschen zu konzentrieren und auch, um mich ein wenig mehr vorzubereiten – Moderationskärtchen vorbereiten und so. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren und bekomme den Auftritt selbstredend auch bezahlt. 

By the way, als ich vor gut 30 Jahren hierher nach Freiburg kam, war einer meiner ersten Abendtermine als Radioreporter, eine äquivalente Veranstaltung der Stadt Freiburg. Damals erlebte ich, wie ein großer Star unserer Nachtigallen-Branche, wohl dem Alter geschuldet, mit der Moderation des Abends völlig überfordert schien. Vielleicht war er aber auch nur schlecht vorbereitet, der inzwischen längst verstorbene Kollege (RIP, Rudi). Ich hoffe, jemand sagt mir, wenn ich bei Moderationen überfordert scheine. Damit das so schnell nicht geschieht, bereite ich mich heutzutage besser vor als in früheren Jahren.

Morgen Sportgala – heute Gala-Fußball des SC in der Europa League? Ich bin mal gespannt…

Ich kommentiere das Achtelfinal-Hinspiel der UEFA Europa League zwischen dem SC Freiburg und West Ham United ab 20 Uhr (Anstoß: 21 Uhr) bei baden.fm.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.136. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

 

Wenig überraschend war die Formation, die Trainer Christian Streich gegen die “Hammers“ auf den Platz schickte – es war tupfengleich dieselbe Formation, wie beim 2:2 gegen Bayern München. Erneut blieb der österreichische Nationalstürmer Michael Gregoritsch aus taktischen Gründen zunächst auf der Bank. Dass „Gregerl“ später eingewechselt wurde und zum Siegtorschützen avancierte, war zu Beginn noch nicht absehbar.  Erkennbar war allerdings sehr früh, dass der Bundesligist seinen Gästen aus der Premier League, deren Transferwert in Summer etwa drei Mal so hoch taxiert wird wie jener des SC, auf Augenhöhe begegnete.

Höhepunkte blieben rar – fleißig und aufopferungsvoll kämpfte der SC gegen den Ball und ließ wenig zu. Die ersten beiden Torchancen fanden – hüben wie drüben – beide in der 31. Minute statt: Der quirlige Roland Sallai bereitete gekonnt vor und passte den Ball in den Lauf von Lucas Höler. Der hängende Mittelstürmer zog aus aussichtsreicher Position ab, schoss aber zentral genau auf den polnischen United-Torhüter Fabianski, der den Ball problemlos halten konnte. Im Gegenzug probiert sich Mittelstürmer Bowen nach einer gefühlvollen Flanke mit einer Volleyabnahme, trifft den Ball aber nicht wirklich, der ungefährlich am Tor vorbei trudelt. Nach taktisch- und zweikampfgeprägten ersten 45 Minuten waren leichte Vorteile für die Platzherren zu konstatieren. Die Fans waren zufrieden.

In der zweiten Halbzeit kickte West Ham stärker als vor der Pause und wandelte den Eindruck, die Freiburger seien die (leicht) überlegene Mannschaft. Für die Steigerung des Premier-League-Teams mag auch ein Schreck-Moment der Briten (bei denen freilich kaum Briten spielen), gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit gewesen sein: Roland Sallai setzte in der 48. Minute zu einem sehenswerten Seitfallzieher an, traf den Ball auch gut und keiner weiß, ob Fabianski den Ball wohl gehalten hätte… Der Ball wurde aber von Souceks Oberschenkel stark abgestoppt und abgefälscht; trotzdem hätte die Kugel aber wohl den Weg ins Tor gefunden – wenn auch im anderen unteren Eck; Fabianski reagiert aber blitzschnell und hält den auf die Torlinie zutrudelnden Ball gerade noch rechtzeitig fest. Danach wurde West Ham  offensiver und gefährlicher. In der 52. Minute rettet „Litz“ Doan gerade noch vor dem einschussbereiten Paqueta – Bowen hatte versucht, den Brasilianer anzuspielen. Es gab Ecke und auch die führt zu Gefahr, nachdem Ward-Prowse den Ball über Noah Atubolu hinweg Richtung zweiter Pfosten geschlenzt hatte.  Dport wartet der bullige Verteidiger Mavropanos – früher VfB Stuttgart – trifft mit seinem Kopfball aus kurzer Distanz und sehr spitzem Winkel aber nur den Außenpfosten.

In der 62. Minute liegt den Schlachtenbummlern von der Insel erneut der Torschrei auf den Lippen, denn Paqueta kommt im Sechzehner zum Kopfball – zum Glück für Freiburg gerät der Brasilianer aber leicht in Rücklage und kann den Ball nicht so platzieren, wie er es gerne hätte. Der Ball geht drüber – vorbereitet wurde diese gute Chance vom starken Flügelspieler Kudus. Zwei Minuten später hält Noah Atubolu den Sport-Club im Spiel. Bowen visiert nach einem schnellen Dribbling das linke obere Dreieck an, aber Freiburgs junger Keeper zeigt eine Monsterparade und wehrt den Ball mit den Fingerspitzen ab.

In der 70. Minute sorgt Trainer Christian Streich für frische Energie auf dem Platz. Der SC braucht Entlastung! Noah Weißhaupt und Michael Gregoritsch werden eingewechselt – beide werden noch entscheidende Rollen spielen. Eine Viertelstunde vor Schluss hat West Ham eine weitere (Halb-)Chance, die aber keine große Herausforderung für Noah Atubolu mit sich bringt. Aber dann antwortet der Sport-Club auf die Londoner Daueroffensive: Noah Weißhaupt sieht Christian Günter am linken Flügel durchstarten und spielt ihn an. Der Kapitän hat die Übersicht und passt im Rückraum auf Roland Sallai. Der ungarische Internationale schießt scharf und flach ins Zentrum und findet da Michael Gregoritsch, der nur noch den Fuß hinhalten muss. Plötzlich und unerwartet führt Freiburg, obwohl West Ham in Halbzeit zwei den Ton angab.

Danach ist das Spiel auf beiden Seiten zerfahren, geprägt von zahlreichen Unterbrechungen und Spielerwechseln. In der fünften Minute der Nachspielzeit – vier waren nur angezeigt worden – fordern die Gäste plötzlich vehement Elfmeter. Noah Weißhaupt steht im Fokus – hat der Youngster den Ball im Sechzehner strafbar mit der Hand gespielt?

Ich hatte von meinem Kommentatorenplatz aus nichts gesehen. Auf dem Bildschirm ist erkennbar, dass Noah den Ball tatsächlich im Strafraum mit der Hand berührt. Und der Arm ist erhoben – also eine unnatürliche Armhaltung; so argumentieren die Engländer. Was sie außer Acht lassen ist, dass der Freiburger eindeutig von hinten geschubbt wird und deshalb den Arm hoch reißt. Zudem kommt es zu der Berührung, nachdem der Ball, nach einer Art Pressschlag, aus extrem kurzer Distanz und wohl auch zuletzt von Noahs Fuß kommt. Absicht scheidet aus und das Regelwerk beschreibt genau diesen Fall, dass es kein Handspiel ist, wenn man sich selber anschießt bzw. der Ball von einem anderen Körperteil an die Hand springt. Verbunden mit dem klar erkennbaren Schubser von hinten sind das zwei klare Argumente gegen einen Elfmeter in allerletzter Sekunde.  Se sieht es offenbar auch das spanische Team Schiedsrichter / VAR, dessen Entscheidung aber erst nach minutenlangem Studium verkündet wird. Das waren aufregende Momente, bis feststand, dass es keinen Strafstoß mehr gibt. Dies wird in Minute 90.+8 (!) verkündet – dann erfolgt der Abpfiff.

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Der Sport-Club hat Großes vollbracht. Der Einsatz, das Zweikampfverhalten, die taktischen Maßnahmen – wenn Paqueta einen ausgespielt hatte, stürzte sich der Zweite auf ihn, dann der Dritte und in der Regel war spätestens jetzt Endstation – all das hatte wunderbar funktioniert. Deshalb holte ich mir drei defensive Heroen ans Mikrofon: Christian Günter, Matthias Ginter und Manuel Gulde – später dann noch, aus gegebenem Anlass, Noah Weißhaupt, der mit jugendlicher Frische seine Beteiligung am Tor des Tages und die aufregenden Momente ganz am Schluss kommentierte. Er habe zu keinem Zeitpunkt  Befürchtungen gehabt, es könne Elfmeter geben, verriet er mir. Mir war es auf der Pressetribüne anders gegangen; nicht weil ich das Handspiel als strafbar entfand, sondern, weil ich nicht glauben konnte, dass der SC tatsächlich West Ham ausbremst und schlägt. Da würde doch sicher so eine VAR-Nummer einen Strich durch die Rechnung machen… dachte ich. Nun, es war anders gekommen.

Die Jungs waren guter Dinge, dass der Sieg helfen würde, besonders schnell zu regenerieren und bis Sonntag, dem Spiel in Bochum, wieder fit zu werden. Das Flasche-leer-Erlebnis in Augsburg, drei Tage nach dem Lens-Spiel geisterte natürlich noch durch meinen Kopf. Und für das alltägliche Bundesligageschäft war das Sonntag-Spiel in Bochum von immenser Bedeutung. Die unbändige und ungläubige Freude über den Außenseiter-Sieg gegen West Ham und die Sorge um genügend „Körner“ für das Spiel in Bochum beschäftigten mich total. So sprach ich auch – es war schon nach Mitternacht – Christian Streich im Interview darauf an und der Trainer hielt drei bis fünf personelle Wechsel in der Startelf für wahrscheinlich… Der Schlingel… Aber dazu später mehr.

Zunächstmal ging ich den Spieler-Interviews , der PK und dem stets abschließenden Trainer-Interview zurück zu meinem Arbeitsplatz. Noch im Stadion zeichnete ich meine „Aufsager“ für das Frühprogramm von baden.fm auf: Die Zusammenfassung vom Euro-League-Spiel und den Vorbericht zum Bochum-Kick. Ich liquidierte meine Vorräte an „Gin Lossie“ aus Bielefeld, mischte gut ab mit Tonic-Water und ein paar Spritzern einer frischen Limone und trank mir das Adrenalin runter, während ich mir die Ausschnitte des Spiels bei RTL+ gönnte. Ich suchte bewusst Entspannung, denn ich wusste, ich befand mich in einer sehr intensiven Arbeitsphase…

Gegen 3 Uhr nachts suchte ich das Bett auf, schaffte am (eigentlich als Urlaubstag deklarierten) Freitag – bis zum Mittag - die präzise Planung der Ausgabe Markgräflerland des ReblandKuriers und widmete mich dann meinen Moderationskarten für den Abend. Die Stadt Müllheim im Markgräflerland hatte mich für die Moderation der abendlichen Sport-Gala gebucht. Als ich mit der Vorbereitung meiner Moderationskarten – immerhin 18 verschiedene – fertig war, blieb mir noch ein Stündchen Erholung auf dem Sofa. Ich spürte deutlich das späte Europa League Spiel und den allgemeinen Stresslevel.

Zum Glück wurde der Abend in Müllheim amüsant und unkompliziert. Das Publikum – immerhin 400 Leute im ausverkauften Bürgerhaus – ging gut mit, die Stimmung war blendend und gegen 22 Uhr war der offizielle Teil durch. Es gab noch Barbetrieb und Tanzmusik von einer Liveband, die Stadtoberen – mit dem Bürgermeister bin ich zudem befreundet – luden mich noch zu einem   Abendessen ein und ich war bestens gelaunt. Weil ich noch während der Veranstaltung für eine weitere Moderation angefragt wurde und weil ich vor meinen mich bezahlenden Auftraggebern um Autogramm und Selfie gebeten wurde. Das macht doch einen guten Eindruck, denke ich. Vielleicht werde ich ja nächstes Jahr wieder gebucht…

Ich freute mich auch, weil ich wusste, dass nach diesem angenehmen aber stressigen und aufregenden Job jetzt zwei Tage lang der Fußball und der SC Freiburg in den Mittelpunkt rückten. Am Samstag um 14 Uhr kickte die U23 des SC in der Dritten Liga gegen den VfB Lübeck. Freiburg II gewann das Kellerduell mit 3:0 – drei Mal Max Breunig – und ich wage die Prognose, wenn die eigentlich schon hoffnungslos abgeschlagenen SC-Talente auch am nächsten Spieltag, beim Kellerduell in Halle, bestehen und drei Punkte entführen (wie schon in Bielefeld, Lübeck und Ingolstadt im Laufe der Saison), dann wird es im Abstiegskampf der Dritten Liga nochmal richtig spannend. Dann geht noch was für unsere U23!

Nach Abpfiff und PK setzte ich mich in den zuvor ausgetauschten (Dienst-)Wagen von baden.fm und fuhr die erste Etappe Richtung Bochum. Ich übernachtete in Mannheim, sodass ich die letzten drei Stunden Fahrtzeit relativ stressfrei am Sonntagvormittag hinter mich bringen konnte. Schon auf der Teilstrecke Freiburg – Mannheim hatte ich, nach dem Abpfiff der Samstagspiele der Bundesliga begonnen, Nils Petersens Hörbuch „Bankgeheimnisse“,  gesprochen vom Autor, reinzuziehen. Gut geschrieben, gut gesprochen, viele Erinnerungen für einen wie mich, der die Stationen von Nils Petersen beim SC, vor allem alle Spiele live, aus der Nähe miterlebt hat, werden von dem Buch geweckt. Kurz bevor ich in Bochum eintraf, hatte Nils fertig. Ich kann das Buch bzw. das Hörbuch jedem SC-Fan empfehlen. Das lohnt sich!

Gegen 12.45 Uhr traf ich an Pressparkplatz und am Pressecounter in Bochum an. Gegen Vorlage meines Presseauseises erhielt ich den Parkschein und die Akkreditierungsunterlagen. Ich parkte den baden.fm-Corolla, holte meinen  hellgrünen Rollkoffer aus dem Kofferraum und lief erstmal – ein Klassiker in Bochum – ins Foyer des Hotels direkt neben dem Ruhrstadion. Hier wollte ich einen gemütlichen Milchkaffee trinken und etwas entspannen. Wie nicht anders zu erwarten, traf ich auf alte Bekannte: Ich fand mich dann an einem Tisch mit den Freiburger Gastronomen Bächle, Vater und Sohn, Noahs Vater Marco Weißhaupt und dem Vater der Schlotterbeck-Brothers wieder. Keven kickt ja beim VfL Bochum, weshalb ich seinem Papa auch den VfL-Schal nachsah. Wenn er Nico beim BVB zuschaut, wird er den vermutlich nicht tragen…

Um 13.30 Uhr war es dann Zeit für mich, zu gehen. Technik-Check stand auf dem Stundenplan. Es lief alles wie am Schnürchen. Der Stream nach Freiburg ins Studio stand alsbald und ich konnte in den Presseraum gehen und erneut alte Bekannte treffen. Neben Freiburger Kollegen etwa auch den WDR-Kollegen und Mitarbeiter der Redaktion von Arnd Zeiglers Wunderbarer Welt des Fußballs, Andreas Kramer – vor vielen, vielen Jahren als Jungspund bei Radio Bielefeld, ab und an in meinem Fahrwasser oder auch der Kollege Günter Pohl von Radio Bochum – seit 33 Jahren auf den Spuren seines VfL.

Dann gab es die Mannschaftsaufstellungen, ich sah schmunzelnd, dass Christian Streich mit Michael Gregoritsch für Lucas Höler, in der Startelf nur einen Wechsel vollzogen hatte. Teilweise aus freuen Stücken, teilweise sicher auch, weil Jordy Makengo erkrankt und Noah Weißhaupt leicht angeschlagen – und beide nicht im Kader waren.