DFB-Pokal-Halbfinale, Hamburger SV - SC Freiburg

Dienstag, 19. April 2022, 20.45 Uhr *

Volksparkstadion, Hamburg *

Hamburger SV - SC Freiburg *

Das Vorspiel

Nach meiner Anregung ist es dem Außendienst unseres WZO-Verlags gelungen, ausreichend Werbepartner für eine 1,5-seitige Sonderberichterstattung im Vorfeld des DFB-Pokal-Halbfinales am Dienstagabend in Hamburg zu gewinnen. Auch das zeigt, welche Bedeutung dieser sportliche Event für die ganze Region hat. Mit meinen Sonderberichten möchte ich - für alle die, die keinen Zugriff auf unsere Wochenzeitung haben, einsteigen.

Der erste Teil ist überschrieben mit:

Zwei Fußballwelten stehen sich gegenüber

Die ruhmreiche Vergangenheit und ein paar Feinheiten  sprechen für den HSV – die Gegenwart stempelt Freiburg zum Favoriten

Hamburg/Freiburg. Wenn sich am Dienstagabend um 20.45 Uhr im ausverkauften Hamburger Volksparkstadion der ruhmreiche HSV und der sympathische Emporkömmling SC Freiburg im Halblfinale des DFB-Pokals  gegenüberstehen, begegnen sich zwei Fußballwelten: Der Hamburger SV hat in seiner geschichtsträchtigen Pokalvitrine national sechs Kopien der Schale des Deutschen Meisters und drei des DFB-Pokals stehen. Zwei Kopien  einer fast vergessenen  Trophäe dokumentieren den jeweiligen Gewinn im seit Jahren nicht mehr existenten Ligapokal des DFB. Sieben Mal wurde der HSV Norddeutscher Pokalsieger. International steht in derselben Vitrine der  Europapokal der Landesmeister und der – leider auch nicht mehr existente – Europapokal der Pokalsieger. All das sind (nur) Erinnerungen an die gute alte Zeit.  Der scherzhaft als Radkappe bezeichneten Meisterschale der Zweiten Bundesliga hechelt der Hamburger SV seit dem ersten Bundesligaabstieg im Jahr 2018 bislang vergeblich hinterher. Schon Platz zwei, also der Wiederaufstieg ohne Trophäe oder Platz drei, die Teilnahme an der Relegation, wäre ein Lichtblick in diesen dunklen HSV-Jahren.  Drei Mal landeten die „Rothosen“ im Unterhaus auf dem undankbaren vierten Platz. Aktuell ist der HSV Tabellensechster der Zweiten Liga und der Abstand zu den Aufstiegsplätzen   scheint – Stand heute – bis Saisonende unüberwindbar zu sein. Es droht ein fünftes Jahr in Liga zwei. Was bleibt ist der Traum vom Einzug ins DFB-Pokalfinale. Dazu müssten die Hamburger am Dienstag den  SC Freiburg schlagen...
Als größte Erfolge gelten im Breisgau die vier „Radkappen“, die den Titelgewinn in der Zweiten Liga und die damit verbundenen Aufstiege ins Oberhaus symbolisieren, eben vierfach jenen Erfolg, dem die Hamburger seit vier Jahren vergeblich hinterherjagen. Zumindest für den Herrenbereich nimmt sich der Trophäenschrank der Freiburger im Vergleich mit jenem des HSV ansonsten bescheiden aus: Zweimal wurde der SC Südbadischer Pokalsieger...
Pokalvitrinen und Trophäen sind freilich Zeugnisse der Vergangenheit, Zeichen für Tradition und Anlass für Stolz, klar,  aber auch ein wenig verstaubt und im Fall der Kontrahenten im DFB-Pokal-Halbfinale 2022 verklärt der Blick in diese Vitrinen jenen für die Realität. Freiburg ist aktuell Fünfter der Bundesliga mit reellen Chancen auf eine Europacup-Teilnahme, selbst die Champions League muss keine Utopie blieben –  Hamburg ist Sechster der Zweiten Liga und im Aufstiegsrennen abgeschlagen. Das Internetportal „transfermarkt.de“ beziffert den Marktwert der Hamburger Profis aktuell mit 37,45 Millionen Euro – jenen der Freiburger mit 152,58 Millionen Euro. Noch nie trafen die beiden Vereine in einer solchen Konstellation aufeinander. Die Schwierigkeiten des SC Freiburg, das Spiel zu machen und einer Favoritenrolle gerecht zu werden, sind Beobachtern der Fußballszene bekannt. Nimmt man die Rahmenbedingungen und das große volle Stadion hinzu, dürften die Chancen am Dienstag auf 50:50 beziffert werden. (fr)

Der zweite Teil der ausführlichen Vorberichterstattung im ReblandKurier beschäftigt sich vor allem mit dem Weg beider Mannschaften bis ins Halbfinale - besonders intensiv mit einem Rückblick auf den Weg des SC bis zum Spiel am kommenden Dienstag:

Schlagzeite:

Gelingt der historische Schritt?

Der SC Freiburg steht kurz davor, erstmals das DFB-Pokalfinale in Berlin zu erreichen / Halbfinale am Dienstag

Hamburg/Freiburg. Am Dienstag nach Ostern,  19. April, um 20.45 steht Fußball-Bundesligist SC Freiburg zum zweiten Mal in seiner 118-jährigen  Vereinsgeschichte im Halbfinale des DFB-Pokals. Beim Erstversuch vor acht Jahren versagten dem damals leicht favorisierten SC als Gast des VfB Stuttgart die Nerven. Am Ende stand eine 2:1-Niederlage und das Ende der Finalträume. Diesmal soll es besser und erfolgreicher laufen.Gastgeber das Halbfinalspiels am Dienstagabend (live in der ARD, bei Sky und   baden.fm) ist im Hamburger Volksparkstadion der dreimalige DFB-Pokalsieger und einstige Europacupsieger der Landesmeister (1983) Hamburger SV, der derzeit ein  bescheideneres Dasein in der Zweiten Bundesliga fristet. Allem Anschein nach gelingt dem 2018 erstmals abgestiegenen früheren Bundesliga-Dino HSV auch im vierten Versuch nicht der angestrebte Wiederaufstieg.

Im DFB-Pokal sind die Hamburger in dieser Saison erfolgreicher: In der ersten Runde gelang ein knapper Auswärtssieg im Nord-Derby bei Drittligist Eintracht Braunschweig. Die drei weiteren Runden bis zum Halbfinale  überstanden die Hamburger jeweils im Elfmeterschießen: 2:4 in Nürnberg, 3:4 beim  1. FC Köln und schließlich 3:2  im Heimspiel gegen den Karlsruher SC. 
Am Dienstagabend wird das Volksparkstadion mit 57.000 Zuschauern   erstmals seit dem Stadtderby gegen den FC St. Pauli, im Februar 2020, wieder  komplett ausverkauft sein. Auch der Gästebereich ist mit 5.700 SC-Anhängern picke-packe-voll. Der Onlineverkauf für  Gäste-Karten dauerte keine Viertelstunde – viele interessierte SC-Fans, die die Reise in den Norden gerne angetreten hätten, gingen leider leer aus.


Der Weg  ins Halbfinale

In der ersten Runde traten die Schwarzwälder am Sonntag, 8. August, beim Drittligisten Würzburger Kickers an. Der SC  kontrollierte Ball und  Gegner  vor allem in der ersten Halbzeit und erspielte sich  vier klare Torchancen. Die vierte dieser Möglichkeiten nutzte  Jonathan Schmid unmittelbar vor dem Pausenpfiff zur 0:1-Halbzeitführung. In der zweiten Hälfte flachte die Partie  ab, der SC verwaltete die Führung  und die Würzburger Kickers blieben harmlos … bis zu einer Schrecksekunde in der  dritten Minute der Nachspielzeit, als Kickers-Stürmer Sané plötzlich frei durch war,  den Ball aber  aus spitzem Winkel über das Tor knallte. Denkbar knapp, aber hoch verdient erreichte der SC Freiburg die zweite Runde.
 Im englisch anmutenden engen  Stadion „Bremer Brücke“ präsentierte sich Drittligist   VfL Osnabrück  am Dienstag, 26. Oktober, kampfstark und wild entschlossen. Nur in der ersten Halbzeit konnte der SC seine spielerische Überlegenheit demonstrieren. In der 33. Minute lockte Höler den gegnerischen Torwart aus seinem Tor,  schirmte den Ball aber perfekt  ab und spielte einen klugen Rückpass auf Grifo, der die Kugel aus spitzem Winkel zum verdienten 0:1 ins verlassene Tor schlenzte. Nach der Pause erkämpfte und erspielte sich Osnabrück  unerwartet  Dominanz, blieb aber bis zur 90. Minute  ohne Torerfolg.  Allerdings wurden  fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt. Die waren abgelaufen, als es noch einen letzten Freistoß für den VfL geben sollte. Dieser brachte nichts ein, es war bereits die Minute  90+6. Aus unerfindlichen Gründen ließ der Schiedsrichter weiter kicken und in der 7. Minute der Nachspielzeit fiel dann der späte Ausgleich des VfL, frenetisch gefeiert von den 5.000 (zugelassenen) Fans an der „Bremer Brücke“. In der Konsequenz gab es  Verlängerung und Osnabrück hatte nun mental Rückenwind. Der Drittligist ging  dann auch in der 108. Minute durch einen Konter in Führung und sah schon wie der glückliche Sieger aus. In der letzten Minute der Verlängerung aber flankte Höler ins Zentrum, wo sich der eingewechselte Keven Schlotterbeck hochschraubte und zum 2:2 einnickte – ein  Elfmeterschießen musste die Entscheidung bringen. Hier avancierte  der nominelle Ersatztorwart Benjamin Uphoff zum „Held des Tages“, denn „Uppi“ wehrte  drei von fünf Osnabrücker Elfmetern ab  und ebnete dem SC Freiburg den Weg ins Achtelfinale. 
Das Los ergab das Badenderby Hoffenheim gegen Freiburg. Fünf Tage nach einer bitteren 1:5-Bundesliganiederlage in Dortmund zeigte sich der SC am 19. Januar in Sinsheim von seiner besten Seite. Vor pandemiebedingt nur 500 zugelassenen Zuschauern spielten die Freiburger Katz und Maus mit der TSG und siegten nach Toren von Grifo (2), Schade und Demirovic mit 1:4 (0:2). Hoffenheim war chancenlos und der SC Freiburg stand im DFB-Pokal-Viertelfinale.

Am Mittwoch, 2. März, trat der SC – im vierten Spiel zum vierten Mal auswärts – im Ruhrstadion des VfL Bochum an. Die torlosen ersten 45 Minuten vor 10.000 unter Hochspannung stehenden Zuschauern – 9.000 aus Bochum, 1.000 aus Südbaden – waren  arm an Höhepunkten. Kurz nach Wiederbeginn ging der SC dann, nach einem abgewehrten Schuss von Schade,   durch ein Abstaubertor von Petersen in Führung. Bochum kam durch „Joker“ Polter zum Ausgleich. Beim 1:1  blieb es dann bis zum Ende der regulären Spielzeit – es gab Verlängerung. Während der zusätzlichen halben Stunde ging keine der beiden Mannschaften ein  Risiko ein, die Sorge, einen Gegentreffer zu kassieren und dadurch auszuscheiden, war  spürbar. Es „roch“  nach Elfmeterschießen… Dann die 120. Minute: Der Sport-Club hatte Einwurf im Mittelfeld. Christian Günter führte aus,  ein Bochumer erreichte den Ball und  verlängerte mit dem Kopf   zum hintersten Feldspieler in dieser Szene, Innenverteidiger Leitsch. Dem  misslang allerdings die Weiterleitung zum Torhüter völlig.  Wie ein nervöses Rennpferd hatte der noch frische, zuvor eingewechselte Roland Sallai den Bochumer Innenverteidiger angelaufen,  den technischen Fehler von Leitsch wahrgenommen  und war auch schon am Bochumer vorbeigesprintet. Mit dem Ball am Fuß stürmte der Ungar, verfolgt von Leitsch,  Richtung Strafraum, drang in den 16er ein und spitzelte den Ball unter Torhüter  Riemann hindurch ins lange Eck – 1:2 in allerletzter Sekunde… Welch ein Jubel, welch ein Fest! 

Auf das nächste Fest  hofft ganz Südbaden am nächsten Dienstag in Hamburg. Besonnene SC-Anhänger gehen beim Duell vor 57.000 Zuschauern von einer Fifty-fifty-Chance des Erstligisten aus – nicht mehr aber auch nicht weniger. Das Erreichen des Pokalfinales am 21. Mai im Berliner Olympiastadion wäre ein Novum, ein Traum für alle, die  den SC Freiburg mögen. Glück auf, Sportclub! (Zitatende)

So weit meine Zeitungsvorschau im ReblandKurier.

Inzwischen gab es den fulminanten 3:0-Heimsieg des SC gegen den VfL Bochum. Das war schon eindrucksvoll. Der SC scheint bestens vorbereitet zu sein.

Meine Dienstreise beginnt am Dienstagmorgen um 5.45 Uhr: Gemeinsam mit guten Freunden geht es in zwei PKW zum Euroairport Basel-Mulhouse-Freiburg. Mit dabei sind: Andreas, Jörg mit seinem Sohn Philipp, Uwe, und Wolfang. Wenn wir losfliegen (6.30 Uhr) sind unsere drei Doppel-Magnum-Flaschen "Cuvée Felix" vom Weingut Fritz Waßmer - für eine enventuelle Siegesfieier am Beispiel jener in Bochum, schon vor Ort in Hamburg, angereist im Auto mit einem weiteren Freund, Hansjörg, und seiner Familie - eine Mitfahrgelegenheit, die auch mein 13-jähriger Sohn Ben nutzt.  Ab Zürich fliegt der spätentschlossene Freund Volker mit seiner Frau. Ecki und Helga, ebenfalls aus meinem ganz persönlichen Freundeskreis, weilen zurzeit auf Familienbesuch in Hannover und kommen von dort aus nach Hamburg gefahren. Mein einhundertprozentier Namensvetter - ja, der Mann heißt wirklich auch Frank Rischmüller und lebt hoch im Norden, ist aber inzwischen längst Fan vom und Mitglied beim SC Freiburg - ergänzt genauso unsere Gruppe, wie meine beiden Söhne Jérôme und Ben. Jérôme lebt in Zürich, war gerade mit "seiner" Eintracht in Barcelona und kommt am Dienstag per Bahn. Insgesamt sind wir dann... 16 (Sechs im Flieger ab Basel, zwei im Flieger ab Zürich, sechs im Auto, einer im Zug und einer, der norddeutsche FR, vermutlich mit dem Motorrad. Genauso viele Sitzplatzkarten haben wir auch, Da ich als Radiokommentator akkreditiert bin, könnte es sein, dass wir eine Eintrittskarte zuviel haben. Wer das hier liest und Interesse hätte - einfach mal melden...!

Der Großteil unserer Gruppe wohnt in zwei bis drei Hotels auf der Reeperbahn. Die Sechsergruppe, die am Dienstagmorgen ab Basel fliegt, bleibt sogar bis Donnerstag vor Ort, denn als wir die Flüge für kleines Geld gebucht haben, stand noch gar nicht fest, ob das Spiel Dienstag oder Mittwoch ausgetragen wird. da haben wir halt Dienstag bis Donnerstag gebucht - man wird  am Mittwoch in Hamburg schon eine Beschäftigungsmöglichkeit finden und keine Langeweile schieben... Während für meine Begleiter eine reine Freizeit- und Lustreise auf dem Programm steht (bitte nicht falsch verstehen :-)), ist der Hamburg-Trip für mich zwar auch besonders lustvoll und sicher ein besonderes Erlebnis, vor allem und in erster Linie aber eine Dienstreise im Auftrag vom Funkhaus Freiburg, sprich baden.fm:

Ich kommentiere das DFB-Pokal-Halbfinale Hamburger SV gegen SC Freiburg am Dienstag ab 20 Uhr in einer baden.fm-Sondersendung!

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.049. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Das DFB-Pokal-Halbfinale war ein großartiges Erlebnis. Ein so großer Name wie der des HSV, ein als gigantisch zu empfindendes Stadion wie das Volksparkstadion, bis auf den letzten Platz gefüllt, allerdings auch mit 50.000 HSV-Fans – das kann durchaus auch schon mal einschüchtern.

Die SC-Kicker ließen sich aber nicht einschüchtern und die 6.000 SC-Anhänger, die permanent zu hören waren, auch nicht. Das eine bedingte ein wenig das andere – denn natürlich sind die Norddeutschen Fußballfreunde ruhiger und die aus Südwest-Deutschland lauter, wenn der Club aus dem Südwest-Zipfle der Republik das Spiel macht und nach einer Viertelstunde durch Tore von Nils Petersen und Nicolas Höfler mit 2:0 führt… Taktisch klug, hellwach und im Höchstmaß effizient führte der SC die Gastgeber fast schon vor, ohne dass der HSV enttäuscht hätte. Die hatten, bei 0:2-Rückstand, nach 22, 23 Minuten sogar eine richtig starke Phase und zwangen Mark Flekken im Tor in der 26. Minute zu einer richtig starken Rettungstat, sprich Fußabwehr: Die HSVer Kittel und Reis kombinierten sich per Doppelpass auf engem Raum in den Strafraum.  Kittel blieb dann hängen, doch das Leder prallte zu Suhonen, der hat zehn Meter vor dem Tor vergleichsweise viel  Zeit, sich die Ecke auszusuchen – die SC-Abqwehr nahm in dieser Phase Schwimmunterricht – Suhonens Abschluss gerät aber zentral und ermöglich Mark  Flekken eine reflexartige Fußabwehr.  

Es sei enorm wichtig, ohne Gegentor in die Pause zu gehen, behauptete ich – aus Erfahrung klug – am baden.fm-Mikrofon. Wenig später rutscht Nico Schlotterbeck nach einem entschlossenen Vorstoß im Strafraum der Hamburger aus und wird von Unglücksrabe Heyer, beim Versuch den Ball zu spielen, getroffen. Statt den Ball, trifft Heyer den Hinterkopf des Freiburger Abwehrjuwels. Schiri Deniz Aytekin übersieht das aber. Freiburgs zentraler Abwehrmann krümmt sich am Boden, das Spiel läuft aber weiter, was Christian Streich mächtig in Harnisch bringt, denn der HSV greift an und Schlotterbeck fehlt hinten... Dann ist die Partie unterbrochen und Aytekin bekommt vom VAR den Hinweis, dass da etwas vorgefallen ist. Inzwischen habe ich die Wiederholung auf meinem Bildschirm auf der Pressetribüne gesehen und weiß: Der Heyer hat nichts Böses oder gar mit Absicht gemacht aber er trifft mit seinem Fuß den Hinterkopf des gestürzten Spielers. Die Konsequenz muss Elfmeter sein. Sofort sage ich Moderator Noah Schönberger, der permanent mit mir in Verbindung steht, dass es Elfmeter geben wird und ich eine Schalte außer der reihe brauche. Und schon kommt die Geste von Aytekin, das den Bildschirm symbolisierende Rechteck und der Fingerzeig Richtung Punkt. Vincenzo Grifo knallt das Ding unhaltbar in die Maschen – 0:3 – im Halbfinale des DFB-Pokals, vor 57.000 Fans im Volksparkstadion. Es scheint mir unwirklich. Klar spielt Freiburg besser, vor allem cleverer und effizienter als der HSV; aber 0:3, das ist schon ein Hammer.

In der Halbzeitpause höre ich im Pressecenter, wo ich mir einen Kaffee hole, wie sich Hamburger Kollegen unterhalten. Klar habe der HSV etwas Pech gehabt, beim 0:1 durch Petersen als Sallai vermeintlich im strafbaren Abseits stand, was dann aber ganz knapp doch nicht der Fall war, oder beim Elfmeter, weil das Foul na allenfalls ungeschickt aber nicht beabsichtigt war, „aber“ resümiert einer, „Freiburg ist dann doch eine Nummer zu groß für den HSV.“ Die anderen nicken.

Hintergrund: Für einen Tabellensechsten der 2. Liga hatten die Hamburger durchaus ansehnlich gespielt. Dass die Freiburger Pressing-Attacken, besonders auf der rechten Angriffsseite gut begründet und geplant waren und dass die Effektivität, der Torriecher von Nils Petersen, die gute Form von Nicolas Höfler und die überzeugenden Elfmeter von Vincenzo Grifo eben auch Qualität ausmachen, eine Qualität, der der HSV nicht gewachsen war, hatten die Hamburger Kollegen offenbar erkannt.

In der zweiten Halbzeit war es immer noch ein Halbfinale aber die Spannung war gänzlich raus. Die Freiburger ließen die Hamburger machen und konzentrierten sich auf Ergebnisverwaltung und gelegentliche Konter. Die zweite Halbzeit hat kaum Höhepunkte, nur dass für den SC das Finale in Berlin immer näher rückt…

Die Hamburger erzielen ein Tor, das nicht zählt, weil der Schütze klar im Abseits stand als er angespielt wurde. Kurios war nur, dass der Schiedsrichterassistent auf dem Platz nicht erkannt hatte, was ich von der Pressetribüne aus sofort gesehen hatte. Der Jubel der Hamburger Fans, hatte Noah Schönberger schon nervös gemacht, doch ich beruhigte den  jungen Nachwuchsmoderator, das war abseits, ganz klar, Dennoch lag der Ball zu diesem Zeitpunkt auf dem Mittelpunkt des Platzes – dann kam das Zeichen, der VAR hat eine Abseitsstellung festgestellt – Freistoß statt Anspiel – weiter 0:3 statt 1:3.

In der 88. Minute fällt dann doch der durchaus verdiente Ehrentreffer der Hamburger, die nie aufgegebenen haben. Meffert spielt auf Muheim, der kann völlig unbedrängt flanken und HSV-Torjäger Glatzel kann unbedrängt einköpfen. Da war die Defensive des SC etwas zu sorglos und die Abstände haben nicht gepasst.  In der 90. Minute trifft Ermedinn Demirovic mit einem Distanzschuss den Pfosten des HSV-Tores aber dann ist – nach fünf Minuten Nachspielzeit auch wirklich Schluss und ein Traum wird wahr. Der SC Freiburg steht zum ersten Mal in seiner 118-jährigen Vereinsgeschichte im Finale des DFB-Pokals.

 

Das Nachspiel

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Es ist eine Englische Woche – bisher mit zwei Siegen – deshalb fungiert das „Nachspiel“ vom Hamburg-Tagebuch zugleich als „Vorspiel“ zum Gladbach-Text.

Rückblende: Nach dem Abpfiff im ausverkauften Volksparkstadion bediente ich, während die siegreiche Mannschaft von den Fans in der Kurve gefeiert wurde, baden.fm noch mit zwei weiteren Liveschalten – mit viel Emotionen natürlich, die auch über mich hereinbrachen, trotz einer gewissen Eingeschränktheit der Gefühle aufgrund eines immer deutlicher und heftiger werdenden grippalen Infektes, kein Corona, soviel stand bereits fest. Danach funkte ich mit der WZO-Redaktion, wo Kollege Michael Maier meinen Text in den Computer hämmerte. Die Bilder waren schon auf der Seite – danach ging das Ding, drei Stunden später als üblich, an die Druckerei nach Freiburg.

Jetzt packte ich meinen Kram zusammen und betrachtete das ans Herz gehende Schauspiel. Nie habe ich die Spieler des SC Freiburg so intensiv jubeln sehen. Es waren großartige Momente; Gänsehaut pur – und sicher nicht wegen des Infektes… Als sich das lang anhaltende und immer wieder neu aufflammende Jubelspektakel langsam legte, lief ich mich freundlich von Hamburger Kollegen und dem Personal verabschiedend durchs Pressezentrum zum Fahrstuhl und fuhr ganz alleine runter ins Erdgeschoss. Dort lief ich direkt zwei Herren in die Arme, die ich gut kenne: Ich gratulierte Christian Streich zum Sieg, sagte sowas wie „Wahnsinn“ und wir nahmen uns in den Arm – gleiches Spiel mit Sascha Glunk, dem Pressesprecher, der übrigens früher auch ein Kollege im Funkhaus Freiburg war. Wir umarmen uns trotzdem eher selten – es war halt ein besonderer Abend von sporthistorischer Bedeutung. Die beiden wollten zur digitalen Pressekonferenz, die für mich nicht mehr relevant war, da die Show zu Ende und die Möglichkeit für ein 1:1-Interview auch nicht gegeben war. Zwischen Tür und Angel wollte ich den Trainer auch nicht in ein Interview drängen. Eigentlich wollte ich nur noch genießen…

Ich lief etwa eine Viertelstunde durch den dichten Verkehr rund ums Stadion in dieser Hamburger Nacht, bis ich ein freies Taxi sah und anhielt. Ich ließ mich zum Hotel fahren, wo ich als einer der Ersten ankam. Nur mein Namensvetter war noch schneller gewesen… Später saßen wir bis kurz nach drei Uhr zusammen, meine Söhne, Freunde, darunter – das macht mich durchaus stolz – auch nicht wenig Bad Krozinger Lokalprominenz. Es war ein netter Abend mit zwei von drei Doppelmagnum-Flaschen Cuvée Felix vom Edel-Winzer Fritz Waßmer aus unserem Städtchen. Die Dritte ist dann fürs Finale oder so. Wir haben sie nicht mehr geköpft, weil es auch den einen oder anderen Biertrinker unter uns gab und die Damen langen ja auch nicht so hin wie siegestrunkene Männer. Kinder und Jugendliche schon gar nicht. Es war einfach eine große, nette Runde und die sechs Liter Edel-Wein mussten ja auch erstmal getrunken werden.

Mir schwand im Laufe der Nacht die Stimme und der Infekt schlug am nächsten Morgen voll durch. Erst riss ich mich zusammen, verabschiedete Ben (13), der mit in meinem Zimmer geschlafen hatte, nach dem gemeinsamen Frühstück, zur Abfahrt im Pkw einer befreundeten Familie, heim nach Südbaden, dann legte ich mich wieder aufs Ohr und sagte für mich sämtliche touristischen Termine ab. Am Nachmittag wagte ich mich dann raus, trank vor dem Café May auf St. Pauli einen Milchkaffee und verfasste, begleitet von einem Foto vom angeschlagenen Frank mit seinem Milchkaffee folgenden post bei Facebook:

„Hallo SC-Fans, in jedem anderen Job hätte ich mich gestern krankgemeldet. Aber nicht, wenn der SC im Halbfinale steht und ich den Kick bei Baden.fm kommentieren darf… Also hab ich’s durchgezogen - und bis Samstag kommt bestimmt auch meine Stimme zurück…
Ich bin sehr glücklich, dabei gewesen zu sein, als der SC erstmals das DFB-Pokal-Finale erreicht hat. Stolz und glücklich bin ich auch, dass, neben vielen Freunden, meine beiden Söhne in dieser fantastischen rot-weißen Kurve dabei waren. Die SC-Fans haben sich gestern auch für das Finale qualifiziert…
Am Mikrofon habe ich mich zusammengerissen - mein persönliches Empfinden bei diesem Triumph war natürlich durch meinen Gesundheitszustand etwas getrübt. Ich lag auch schon gegen 3.30 Uhr im Hotelbett.
Deshalb habe ich mir vorgenommen, am Final-Wochenende in Berlin, 100 Prozent bei Kräften, umso mehr zu ESKALIEREN!!!
In diesem Sinne: Berlin, Berlin, wir… (Danke, SC!) – Zitatende

Auf dem Rückweg traf ich auf Andreas aus unserer Reisegruppe, der in einem rockigen Straßencafé direkt auf der Reeperbahn saß und die Menschen beobachtete, die vorbei liefen – und das ist wirklich ein Spektakel. Ich gesellte mich zu ihm und trank bei lauter Rockmusik – zunächst aus den Boxen, dann live von einem richtig guten Straßenmusiker interprätiert, zur Gaudi meines Spezis, zwei Erdbeertee; wegen meiner Medikamente (BoxaGrippal), ist doch klar. Er lachte trotzdem. Per WhatsApp verabredeten  wir ein gemeinsames Abendessen um 19 Uhr in einem Fischrestaurant.Danach wollten wir in einer Sportsbar das andere Halbfinale, Leipzig gegen Union sehen. Pustekuchen - ein mediterranes Essen im vermutlich angesagtesten Restaurant eines sehr attraktiven Gastro-Viertels unweit von St. Pauli - aber eben völlig anders - dauert eben länger als eineinhalb Stunden. Wir haben den Abend sehr genossen, feinstes Essen, Wein Bier, immer wieder Schnapsrunden aufs Haus, ein inbrünstiger Sänger mit Gitarre, ein Chefkoch, der später kam und in Konversation machte. Es war recht teuer, aber sehr schmackhaft, dazu unterhaltsam, etwas ungewohnt und langwierig - insgesamt fast unvergesslich... Vom zweiten Halbfinale haben wir noch die Schlussviertelstunde gesehen, in einer Spelunke mit Beamer. Anaschließend noch mal die Reeperbahn hoch und runter, ein paar aufsässige Mädels abwehren und dann ab ins Bett. Um 8.30 Uhr ging schließlich der Rückflug...

Jetzt ist es Samstagvormittag und das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach steht vor der Tür. Unvergessen ist das Hinspiel: 0:6 im Borussia-Park. Christian Streich sagt mit Recht, dass das heute keine Rolle mehr spielt. Für die Gäste vielleicht doch, denn die würden natürlich am liebsten Revanche nehmen für diese Schmach. Ob sie dazu in der Lage sind, hängt von mehreren Komponeneten ab:

1. Wie stabil ist BMG nach der Derbyniederlage? Die Gladbacher schienen endlich in die Spur gekommen zu sein und in einer ziemlich verhunzten Saison endlich erfolgreich zu kicken, als das Derby gegen Köln auf dem programm stand und die einstige Fohlenelf ein weiteres Mal im eigenen Stadion vorgeführt wurde; nicht 0:6 gegen Freiburg, aber 1:3 im Derby, keine Ahnung was in Mönchengladbach schwerer wiegt und für die Fans schlimmer ist. Ein Horde Wahnsinniger probte nach dem Spiel einen Kabinensturm, begleitet von dumpfen Gesängen, wie "Wir sind Gladbach und ihr nicht!" Wie sehr rüttelt so etwas am Selbstvertrauen einer Mannschaft? Wieviel Spaß macht es gerade, im BMG-Trikot zu kicken und vor dem Spiel in die Gästekurve zu grüßen? Also: Wie stabil ist Gladbach heute?

2. Wie stabil ist der SCF? Der Halbfinalsieg vor vollem Haus in Hamburg war sporthistoirisch bedeutsam und eine Zäsur. Die Spieler haben gejubelt wie noch nie und auch ein bisschen gefeiert. Diese besondere Zeit wird auch die Jungs nicht unberührt lassen - im Gegenteil, sie sind ja mittendrin. Wir gut können sie heute umschalten und sich auf die Bundesliga und Borussia Möcnhengladbach fokussieren? Kriegen sie Hamburg abgestreift und sind körperlich und mental zu einhundert Prozent bei der Sache? In der Bundesliga entscheiden Kleiniglkeiten über den Ausgang der Spiele. Ich bin gespannt, ob dieser besondere Spagat gelingt. Der vierte Pflichtspielsieg in Folge, der dritte Bundesliga-Dreier in Reihe und natürlich auch der dritte Erfolg innerhalb der englischen Woche  - das wäre eine unglaubliche Performance, wie man neudeutsch sagt; selbstverständlich ist das aber nicht. Unsere Kicker sind schließlich auch nur Menschen...

Menschen, wie auch ich. Und mir hängt Hamburg noch heftig nach - vor allem körperlich. Mich hatte ja ein Grippe-Anflug nach Norddeutschland begleitet - kein Corona, so viel steht fest. Es ist auch ein grippaler Infekt, den ich in seinem Verlauf schon kenne, weil ich ihn schon öfter erlitten habe. Ein zeitweises Verschwinden der Stimme gehört dazu, was in meinem Fall eher ungünstig ist, weil meine Stimme ja im Radio mein Kapital ist. Seit der Rückkehr am Donnerstag war ich praktisch stumm. Auch gestern hätte ich noch kein Fußballspiel kommentieren können. Ich spürte allerdings, dass sich die Situation stündlich verbesserte und jetzt glaube ich, ich kriege es hin. Ansonsten hänge ich ähnlich in der Uhr wie in Hamburg, aber das macht nichts. Fußball live ist für mich die beste Medizin. Dazu stets einen heißen Tee neben mir und häufig abhusten, dann wird es schon gehen.

Heute habe ich übrigens einen besonderen Gast als Zuschauerin meiner Arbeit dabei. Als wir uns zum ersten Mal zu einem Redalktionsgepräch im WZO-Verlag gegenübersaßen und ich die damalige Bürgermeisterin von Rheinfelden und Kandidatin im Wahlkreis Lörrach/Müllheim für die anstehende Bundestagswahl zum Fototermin bat, überraschte mich Diana Stöcker nicht schlecht als sie mich um ein Selfie bat - sie kannte eben nicht nur den Redaktionsleiter Rischmüller aus dem Zeitungsbereich, sondern auch die Radiofigur. Daraus entwickelte sich ein netter Plausch, indem sie mir gestand, dass sie unheimlich gerne mal bei so einem Radioeinsatz neben mir säße, um das alles mal hautnah ,mitziuerleben - das Spiel aber auch die Radioarbeit. "Jetzt machen wir folgendes", habe ich zu ihr gesagt. "Sie werden zunächstmal Abgeordnete des Deutschen Bundestages und wenn dann Corona halbwegs überstandem ist und wieder die Möglichkeit dazu besteht, lade ich Sie mal ein. Diana Ströcker gewann den Wahlkreis für sich und sitzt nun als Abgeordnete der CDU im Bundestag. Heute ist sie mein Gast im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach; wer weiß, vielleicht  uss sie ja sogar einspringen, wenn meine Stimme mitten im Spiel versagt, was vor über 25 Jahren, in einem Heimspiel gegen Dynamo Dresden, tatsächlich schon mal vorgekommen ist...

Ich kommentiere das Bundesligaspiel SC Freiburg gegen Borussia Mönchengladbach ab 15 Uhr in der baden.fm-Bundesligashow.