Viertelfinale des DFB-Pokals, FC Bayern München gegen SC Freiburg

Dienstag, 4. April 2023, 20.45 Uhr *

Allianz Arena, München *

FC Bayern München - SC Freiburg *

 

Das Vorspiel

Der Montag kommt mir diesmal wie der Dienstag vor – und mit Fußball hat es diesmal nichts zu tun. Wir haben lediglich einen deutlich vorgezogenen Abgabetermin für unsere fertigen Seiten der vier Lokalausgaben ReblandKurier für diese Woche. Statt am Abend müssen wir am morgigen Vormittag fertig sein – das hängt bereits mit den bevorstehenden Oster-Feiertagen zusammen. Da ich im Verlag ohnehin den Dienstag und Mittwoch als Urlaubstage angemeldet habe, um fürs Radio halbwegs stressfrei und entspannt zum DFB-Pokal-Viertelfinale nach München reisen zu können und ich die Seiten ja alle kontrollieren und freigeben muss, machen wir den ReblandKurier also heute schon fertig; damit ist der Montagabend gewissermaßen wie sonst ein Dienstagabend – nur noch etwas stressreicher, da uns ja einige Produktionsstunden fehlen. Trotzdem konnte ich zwischendurch ein Stündchen ins Europa-Park Stadion zur Pressekonferenz mit Christian Streich fahren. Der Trainer hat erzählt, dass er nach all den Jahren noch immer gerne zu Spielen nach München reist, auch wenn er bei den Bayern noch nie gewinnen konnte; immerhin, zwei Unentschieden habe es gegeben und auch nicht alle verlorenen Spiele seien aus Freiburger Sicht schlechte Spiele gewesen. Irgendwann wolle man halt mal den Bock umstoßen hat er sinngemäß gesagt, in jedem Fall wollen sie es immer wieder probieren. „Wir fahren dahin, um zu gewinnen!“ hat er anschließend fast trotzig erklärt.

Für mich als begleitender Reporter für baden.fm ist es schon so, dass ich zugeben muss, selten Freude daran habe, ein Auswärtsspiel in München zu kommentieren. Entweder, es gab Demütigungen der unangenehmeren Art, oder du zitterst und bangst, um eventuell mal einen Punkt mitzunehmen. Hoffnungen auf einen Sieg in München, während eines Spiels, hatte ich eigentlich nur einmal in all den Jahren: Axel Sundermann und Jens Todt hatten den SC im Februar 1995 mit 0:2 in Führung gebracht, bis Scholl kurz vor der Pause der Anschluss gelang und die Siegeshoffnungen so einen herben Dämpfer erlebten… Immerhin gelang dem Favoriten FC Bayern damals im Olympiastadion nur noch der Ausgleich durch Helmer.

Im Mai 1997 gab es an gleicher Stätte ein torloses Remis. Es war das Spiel, in dem Klinsmann in die Tonne trat, weil er für Carsten Lakies, einen Spieler der Bayern-Amateure ausgewechselt wurde. An anderer Stelle habe ich schon mal erzählt, das ich Lakies zufällig kannte und mit ihm und einem weiteren Kicker der Bayern-Amateure am Vorabend eigentlich um die Häuser ziehen wollte, so wie wir es in Darmstadt schon einmal gemacht hatten, „Lacki“ dann aber absagte, weil er im Profi-Kader gegen Freiburg stand. Verrückte Welt…

Im November 2000 gab es nochmal ein Remis, in dem Jancker für Bayern und Vladi But für den SC sehr früh die beiden einzigen Tore schossen.

Im Februar 2012 – ganze 12 Jahre später also – gab es beim 0:0 wieder einen Punkt. Trainer war damals seit wenigen Wochen Christian Streich. Witzig, dass das allwissende Internetportal Fussballdaten.de bei diesem Spiel noch Marcus Sorg als verantwortlichen SC-Trainer führt. Nobody is perfect…

Den nächsten Punkt aus München gab es im November 2018, beim 1:1. Gnabry hatte Bayern in Führung gebracht – Lucas Höler gelang in der 89. Minute der Ausgleich. Das war mal geil… Man, habe ich gebrüllt am Mikrofon…

Die meisten anderen Spiele in all den Jahren brachten meistens zum Ausdruck, was einfach Tatsache ist: Die FC Bayern München AG trennen vor allem wirtschaftlich Welten vom SC Freiburg e.V.. Der Sport-Club, dessen Philosophie mir deutlich sympathischer ist, hat richtig gute Kicker in seinen Reihen, eine fantastische Mannschaft, die sich in diesem Jahr sogar auf der europäischen Bühne glänzende Meriten verdient hat. Bei Bayern hast Du aber eigentlich nur Weltstars, die sich sportlich und noch mehr finanziell in ganz anderen Sphären bewegen. Und wenn Du als SC Freiburg dann mal vier, fünf, sechs oder sieben Gegentore kassierst, was alles mehrfach vorgekommen ist, dann ist das letztlich normal. Es macht verdammt nochmal aber keinen Bock, das im Radio zu kommentieren.

Und ein Auswärtssieg bei den Bayern war es ja noch nie…

Und doch kribbelt es schon im Bauch und ich fahre morgen gut gelaunt und erwartungsfroh nach München. Das Drumherum gestalte ich dann meistens etwas luxuriöser als sonst, damit das Spiel mir nicht die Laune verdirbt…

Der Plan für morgen sieht wie folgt aus: Um 11 Uhr werde ich am Funkhaus in Freiburg den Fahrzeugtausch vornehmen und dann mit dem baden.fm-Corolla, am Bodensee vorbei, nach München juckeln. Um mir Gutes zu tun, erlaube ich mir morgen mal ein Vier-Sterne-Hotel. Ein knappes Dutzend Freunde, so ziemlich alle aus unserem Rotary Club Bad Krozingen reisen später auch noch an. Wir wohnen alle im Design-Hotel „Maison Schiller“ und wollen auch ein wenig feiern; uns, das Leben,  unseren gemeinsamen Spaß am Fußball und am SC – vielleicht sogar den Einzug ins Pokal-Halbfinale, wenn es wider Erwarten eine Sensation gibt. Wir freuen uns einfach, mit dem SC so weit gekommen zu sein. Wir sind vernünftige Leute und entwickeln keine Anspruchshaltung daraus.

Ich muss und werde halt schaffen. Möglichst gut und je besser der SC kickt, umso leichter wird es mir fallen.

Auf der Pressekonferenz hat Christian Streich verraten, dass Philipp Lienhart die Reise nach München nicht mit antreten wird, um vielleicht beim Bundesligaspiel gegen die Bayern am kommenden Samstag wieder eine Alternative zu sein. Lucas Kübler war krank, könnte aber in München eine Option sein. Unerwähnt blieb auf der PK, dass Michael Gregoritsch natürlich wieder im Kader steht – er fehlte gegen Hertha wegen einer Gelb-Sperre – sein Einsatz dürfte gesichert sein. Da auch Vince, „Litz“ und „Lucky“ Höler gut drauf sind, bin ich auf die Systematik in München gespannt… Bleibt es hinten bei einer Fünferkette müsste einer dieser Offensiven auf die Bank. Schaun mer mal...

Eine Englische Woche mit zwei Spielen gegen die Bayern – eigentlich ist das ja eine Bestrafung. Oder es wird die Woche der Sensationen… Wenn nicht, Krönchen richten und dreifach in Bremen punkten. Und gegen Schalke und in Köln – denn in der Bundesliga gibt es noch große Ziele.

Ich kommentiere das DFB-Pokal-Viertelfinale FC Bayern München gegen SC Freiburg am Dienstag ab 20 Uhr live bei baden.fm.

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.092. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Am Ende der 96 Minuten stand ein (sport-)historischer Sieg des SC Freiburg; der Erste als Gast des FC Bayern München im 24. Anlauf (20 Niederlagen, drei Remis). Und das kam so:

Christian Streich und seine Mitstreiter hatten sich für eine 4-2-2-2-Formation entschieden; Ziel war es, das Zentrum zu schließen und dadurch Kimmich und die nachrückenden Innenverteidiger Upamecano und De Ligt auszubremsen – ein Vorhaben, das gelingen sollte. Das Spiel begann mit der erwarteten Feldüberlegenheit der Bayern, die allerdings kaum zu klaren Abschlüssen kamen. In der 19. Minute hatten die Stars des Rekordmeisters dann den Bayern-Bonus auf ihrer Seite. Kimmich schlug einen Eckball von links hoch Richtung zweiter Pfosten. Die Münchner bewegten sich im Pulk dorthin, Upamecano stützte sich bei Maxi Eggestein mit beiden Händen auf, kam so zum Kopfball und brachte die Kugel zum 1:0 im Netz unter. Die Proteste der Freiburger waren deutlich, doch sowohl Schiedsrichter Harm Osmers also auch Video-Assistent Robert Schröder, beide aus Hannover, hatten nichts gegen den eindeutig irregulären Treffer einzuwenden – das Tor zählte.

Wer befürchtete, der SC würde jetzt zusammenbrechen, sah sich getäuscht. Die Gäste zogen ihr kluges Spiel weiter durch, sogar noch etwas mutiger und offensiver als zuvor – in jedem Fall immer sehr kompakt beisammen, egal, wo auf dem Spielfeld. In der 25. Minute „belagerten“ die Freiburger den Strafraum des prominenten Gastgebers im wahrsten Wortsinn. Eine Rechts-Flanke von Kiliann Sildillia verpasst Michael Gregoritsch im Zentrum zunächst, doch die Szene geht weiter: erneut fliegt der Ball in den Strafraum, diesmal von der linken Seite. Michael Gregoritsch steigt hoch und köpft aufs Bayern-Tor – Sommer ist zur Stelle. Zwei Minuten später sieht es anders aus – wieder scheint sich der SC für kurze Zeit am Bayern-Strafraum festzusetzen. Comans Abwehrschlag gerät zu kurz und landet zentral bei Nicolas Höfler, der den Ball kurz stoppt und dann aus 25 Metern per Dropkick draufhält. Sommer streckt sich vergeblich und der Ball schlägt ein - 1:1, der Ausgleich; ein erster Hinweis auf einen außergewöhnlichen Fußballabend vor 75.000 Zuschauern, darunter etwa 8.000 SC-Anhänger, die sich an einer blitzsauberen und taktisch klugen Auswärtsleistung erfreuen.

Es brennt selten im Freiburger Strafraum an diesem Abend, in der Nachspielzeit der ersten Hälfte ist es aber der Fall: Eine Flanke von Coman wird von Mark Flecken abgewehrt, allerdings landet der Ball genau vor den Füßen von Müller, der direkt abzieht. Mark Flekken liegt nach seiner Abwehraktion noch am Boden, doch der auffällig stark spielende Matthias Ginter steht genau richtig und klärt für seinen geschlagenen Torhüter. Von Ginter prallt der Ball in die Arme des am Boden liegenden Keepers. Dann ist Halbzeit in München – es steht 1:1; ein ungewohntes Gefühl. „Sollten wir hier tatsächlich eine Verlängerung erreichen und vielleicht übers Elfmeterschießen ins Halbfinale kommen?“ frage ich mich im Stillen. An mehr wage ich nicht zu glauben…

In der zweiten Hälfte gibt es Phasen, in denen der Druck des FC Bayern München übermächtig erscheint. Freiburg zieht sich phasenweise bis vor den eigenen Strafraum zurück, wirkt ab und zu eingekesselt von den Münchener Superstars. Was aber auffällt: Klare Abschlüsse haben die Bayern nicht, schlagen aus ihrer optischen Überlegenheit kein Kapital. Thomas Tuchel wechselt nach einer Stunde Spielzeit weitere Stars ein: Gnabry und Musiala, beide sind Hoffnungsträger unserer deutschen Nationalmannschaft für die EM 2024 im eigenen Land, kommen in Minute 64, Weltstar Mané kommt in der 79. Minute. Trotzdem: Nur zwei Mal kommt der große FC Bayern in der zweiten Halbzeit in die Nähe eines Torerfolgs: In der 62. Minute kommt Pavard nach einem Kimmich-Freistoß zum Kopfball. Die Bogenlampe landet an der Querlatte – sah unscheinbar aus, war aber höchst gefährlich und knapp. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit setzt sich Gnabry links durch und schießt aus spitzem Winkel – der Ball geht knapp am zweiten Pfosten vorbei. Auf der anderen Seite häufen sich Fouls der frustrierten Bayern und damit Freistoßsituationen für den SC. Drei Minuten Nachspielzeit sind angezeigt – immerhin, es winkt die Verlängerung.

Weltstar Mané führt sich bei einem Kurzeinsatz  gruselig auf; hatte den sehr solide spielenden Manuel Gulde schon nach wenigen Sekunden eine blutige Lippe geschlagen, war aber ungesühnt davongekommen. In der 92. Minute schlägt er erneut zu, trifft Manuel Gulde diesmal am Hals und sieht (endlich) „Gelb“. Das Spiel ist unterbrochen – der SC bekommt den fälligen Freistoß. In der Folge hat Nicolas Höfler, der Schütze des Ausgleichstores, im Strafraum eine Schussmöglichkeit. Aus der Luft knallt Freiburgs Routinier den Ball Richtung Tor. Musiale sprinkt in die Flugbahn und blockt den Ball unter Zuhilfenahme seiner beiden Ellbogen regelwidrig ab. Schiri Osmers zögert keine Sekunde – Elfmeter für Freiburg!

Jetzt kommt es zu unwürdigen Szenen im Strafraum. Pavard versucht den Elfmeterpunkt zu zerstören, um beim Strafraum einen kontrollierten Schuss zu verhindern, selbst Kimmich tritt noch einmal auf den weißen Kreidepunkt. „Grifo ist ausgewechselt, wer soll den Elfer schießen?“ frage ich mich und sehe, dass sich „Lucky“ Höler den Ball schnappt, aber noch nicht ans Werk gehen kann, weil sich um den Elfmeterpunkt herum ein Rudel gebildet hat. Auf der Videowand steht, der VAR prüfe die Elfmeterentscheidung. Das ist eigentlich redundant, denn selbstverständlich wird jede Elfmeterentscheidung im Kölner Keller gecheckt. Die Gestik von Osmers lässt nicht erahnen, dass irgendetwas in Frage stünde – zu klar war das Handspiel des Jungstars, der schuldbewusst mit hängendem Kopf durch die Gegend stapft. Dann knallt „Lucky“ Höler den Ball ins Netz und mein Herz macht einen Sprung. Die Sensation ist jetzt greifbar nahe… Nach 96 Minuten, der für Vincenzo Grifo eingewechselte Roland Sallai war gerade abgeklärt mit dem Ball Richtung Eckfahne gelaufen, um Sekunden zu schinden, kommt der Abpfiff. Jetzt war die Situation komplett – nach 30 Jahren, das erste Pflichtspiel zwischen dem FC Bayern und dem SC Freiburg hatte es 1993 gegeben, und im 24. Anlauf ist es dem Sport-Club erstmals gelungen, als Gast des FC Bayern München ein Spiel zu gewinnen. Nicht irgendeines, sondern ein Pokal-Viertelfinale, ein sogenannter k.o.-Wettbewerb. Der SC hatte die Bayern k.o. geschlagen… Welch ein Tag, welch eine Nacht!

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

München, 4. April 2023, gegen 22.45 Uhr; Mannschaft, Trainer und Betreuer tanzen in der Gästekurve, 8.000 SC-Anhänger in der Allianz-Arena rasten aus. Ich beschreibe live am Radiomikrofon die Situation und fasse die eigentlich unfassbaren 96 Minuten noch einmal zusammen. Mir ist klar, ich erlebe gerade Sportgeschichte live. Ich muss jetzt funktionieren, denke nicht viel nach, sondern schieße meine Worte …Ratatatatatatatatata… ich weiß, dass ich das kann, dass das funktioniert. Ich komme auch unfallfrei durch. Weil die Jungs unten feiern, nehme ich mir die Zeit, in Windeseile die Kabel auszustecken und meinen Technikkoffer zu packen. Dann eile ich in den Bauch der Allianz-Arena, stelle den grünen Rollkoffer im Pressekonferenzraum ab und eile in die Mixedzone. Die Kollegen, die keinen Nachbericht im Hörfunk sprechen mussten, „vernehmen“ bereits Kapitän Christian Günter, ich ärgere mich kurz, bin aber guter Dinge, dass „Günni“ mir hinterher noch einmal zur Verfügung steht, er ist ja ein Netter… Dann geht die Tür zum Kabinenbereich auf und … „Lucky“ Höler, Schütz des siegbringenden Elfmeters, tritt in die Mixedzone und kommt direkt auf mich zu. „Jetzt ärgern sich die anderen“, denke ich mir und beobachte, wie sich schon während meiner ersten Frage zahlreiche Mikrofone von Sky bis unbekannt, zu uns umschwenken. Als ich zur zweiten Frage ansetzen will, ruft irgendein Futzi von hinten eine Frage ein, doch „Lucky“ und ich sind ein gutes Team, er (wie auch die Freiburger Kollegen) weiß, wie es funktioniert; meine Interviews laufen als 1:1-Stücke auf der HP des SC und von baden.fm. Ich stelle also ruhig meine zweite Frage, „Lucky“ antwortet und weitere Störungen bleiben aus, bis ich mich bedanke und ihn den anderen Kollegen überlasse.

„Günni“ wird zwischenzeitlich von einem mir unbekannten Kollegen mit Diktiergerät befragt. Als sie fertig sind bitte ich den SC-Kapitän um den üblichen „Zweiminüter“, der manchmal auch länger gerät, für baden.fm und die Vereinshomepage. „Klar“ sagt „Günni“ – so kenne ich den Captain. Nach dem Talk  laufe ich wieder die 200 Meter bis zum Pressekonferenzraum. Bald darauf kommen Christian Streich und sein Kollege Thomas Tuchel aufs Podium. Das ist in München besonders hoch und ich sitze in der ersten Reihe in der Mitte – ganz tief vor den Trainern. Ich finde Tuchel blass. Er sieht nicht gesund aus. Er schaut mich lange an – warum, weiß ich nicht. Mehrere Kollegen stellen Fragen an beide Trainer – immer zuerst eine an Christian Streich, dann eine an Thomas Tuchel. Ein Muster fällt auf: Immer ergreift Tuchel zuerst das Wort. Wir Freiburger Kollegen, Daniela Frahm, René Kübler und ich grinsen und ein Grinsen rutscht auch kurz über das Gesicht von Christian Streich. Tuchel ist aufgewühlt, resümiere ich. Belege dafür sind seine auffällige Blässe und sein ungewöhnliches Kommunikationsverhalten.

Nach dem offiziellen Teil kommt es – wie immer – zum Kurztalk mit Christian Streich. Weil der SC bei Bayern München gewonnen hat und weil ich weiß, dass in der Allianz-Arena der Weg von der Kabine zum Bus durch die Mixedzone führt, gehe ich noch einmal rüber. Michael Gregoritsch kommt mir entgegen, kurzer Shakehands, mehr nicht, denn hier ist neutrales Gebiet, nicht die Interviewecke des großen Raumes. Ich halte mich an die Spielregeln. Ich habe Glück: Als ich im  Interviewbereich ankomme, tritt Nicolas Höfler aus dem Kabinentrakt, für mich, als Torschütze und Beteiligter an der Entstehung des Elfmeters, der Mann des Spiels. Pech habe ich, weil mein iPhone, mit dem ich die Interviews aufzeichne und verschicke, gerade abgestürzt ist. Ich bitte „Chico“ also, einen Moment zu warten, bis alles wieder läuft – und der Held des Abends wartet geduldig; zwei Minuten, drei Minuten…  dann ist der kleine Computer wieder hochgefahren und alles läuft wieder. „Chico“ gibt mir bereitwillig Auskunft.

Zufrieden schicke ich auch dieses vierte und letzte Interview des Abends an die verschiedenen Abnehmeradressen und trotte zum Parkhaus. Dass heute 75.000 Zuschauer im Stadion waren, merkt man deutlich. Noch immer ist rund ums Stadion Verkehrschaos. Das Navi leitet mich aber sicher und ohne Umwege zum Designhotel  „Maison Schiller“. Es geht auf 1 Uhr in der Nacht, als ich in meinem Zimmer bin und noch den Nachbericht fürs Frühprogramm von baden.fm sprechen und verschicken muss.  Da ich meinen Arbeitskoffer im Auto gelassen habe, fehlen mir die Utensilien, um den Bericht vorzuschreiben und professionell abzulesen und vorzutragen. Ich entschließe mich also zu einem Aufsager ohne Manuskript. Der erste Anlauf geht schief – der zweite sitzt. Vermutlich klingt er sogar besser als abgelesen. Um Punkt 1 Uhr nachts maile den Bericht ans Funkhaus und mache Feierabend.

Mit dem Lift fahre ich ins kleine Hotelfoyer, wo gerade die meisten meiner mich begleitenden Freunde eingetroffen sind. Die waren noch beim Döner erzählen sie mir, nachdem wir auf den Sieg abgeklatscht haben. Dann geht’s ins Zimmer von Hansjörg und seiner Frau Elke, denn der junge Mann, Rotarier wie alle von uns, hat Geburtstag. Ich hatte ihm um kurz nach Mitternacht schon vom Auto aus telefonisch gratuliert und Hansjörg hatte angedeutet: „Wir sehen uns ja noch!“ So war es dann auch: mit zwei Flaschen Sekt stießen wir im Hotelzimmer auf sein Wohl an – seine Frau Elke, das Geburtstagskind und ein halbes Dutzend Herren im gesetzten Alter zwischen 50 und 63. Um 2 Uhr zogen sich alle zurück, wollten ins Bett. Und ich? Ich war noch – ähnlich wie nach dem Pokalfinale damals in Berlin – voller Adrenalin. Es war 2 Uhr nachts, wo geht noch was? Wo kriege ich noch was zu trinken? Wo kann ich runterkommen und bettschwer werden? Von der Leuchtreklame geleitet, landete ich gegenüber vom Hotel in einem Table-Dance-Club der gepflegteren Sorte. Ich nahm an der Bar Platz, orderte ein Viertel Rotwein und schaute mir das bunte Treiben in dem Laden an. Halbnackte Mädels kamen und gingen, boten mir „private dance“ für 60 Euro oder „VIP Lounge“ für 200 Euro an. „Ich will nicht hochkommen, ich will runterkommen, erklärte ich mehr schlecht als recht auf Englisch meine Situation – die Damen kamen aus Polen. Sie merkten dann schnell, dass mit mir kein Umsatz zu machen war und ließen mich in Ruhe. Nach dem dritten Viertel Wein, es war drei Uhr geworden, spürte ich die erhoffte Bettschwere und verschwand wieder über die Straße ins „Maison Schiller“. Punkt neun Uhr war gemeinsames Frühstück angesagt. Ich war zur Stelle – fit und frisch, wie es sein muss. Schließlich stand noch eine viereinhalbstündige Rückfahrt auf dem Stundenplan. Bis zum Funkhaus – keine besonderen Vorkommnisse. Zurück in Freiburg beteiligte ich mich noch an einem kurzen Video für die Netzwerkpräsenzen des Senders, dann fuhr ich im privaten Kuga heim. Zwei Stunden Büro standen noch auf dem besagten Stundenplan, Nachbereitung unserer aktuellen Ausgabe vom ReblandKurier. Als ich mit meinem E-Scooter vom Verlagshaus zurückkam, lief bereits der Vorlauf zum Spiel Nürnberg gegen Stuttgart. Es gab ein schmuckloses 0:1 für den Erstligisten. Auch der Kick zwischen Leipzig und Dortmund war eher enttäuschend. Vor allem der BVB blieb vieles schuldig. Als Halbfinalgegner kommen nun Stuttgart, Frankfurt und Leipzig in Frage – in dieser Reihenfolge würde ich sie auch als Gegner für den SC präferieren. Am liebsten in einem Heimspiel. Bitte nicht auswärts in Leipzig – das wäre, schon reisetechnisch, sehr aufwendig. Auslosung ist am Sonntag ab 19 Uhr in der ARD-Sportschau.

Ich habe festgestellt, dass die Hotelpreise in Berlin am Finalwochenende (rund um den 3. Juni) schon jetzt recht hoch sind. Vor diesem Hintergrund habe ich – mit der Möglichkeit einer kostenlosen Stornierung – ein Zimmer in derselben Herberge reserviert wie 2022; gleich am Ku’damm. Natürlich träume ich von der nochmaligen Finalteilnahme unseres SC, auch wenn ich meinen Südfrankreich-Urlaub dann zwei Tage früher beenden müsste als ohne Finale mit dem SC in Berlin. Das würde ich gerne auf mich nehmen…

Wie ich immer sage: Das Brot-und-Butter-Geschäft ist die Bundesliga. Da ist es besonders spannend: Der SC hat als aktuell Vierter tatsächlich noch eine reelle Chance, sich erstmals für die Champions League zu qualifizieren und so ans ganz große Geld zu kommen; realistischer scheint mir die Qualifikation für die Europa League, wobei auch das Herausrutschen aus den „internationalen Rängen“ (Platz 1 bis 6/7) noch möglich ist, zumal die Verfolger wie Leverkusen oder auch Mainz drängen.

Vor diesem Hintergrund wäre es fantastisch, wenn das Heimspiel am Samstag, gegen einen gewissen FC Bayern München, nicht verloren ginge. Natürlich fürchte ich ein wenig, dass der SC nach seinem Pokal-Coup am Samstag von den gefrusteten Bayern verprügelt wird. Aber selbst wenn, nach dem Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals gegen diesen Gegner, könnte ich es emotional wegstecken, wenn Bayern am Samstag den Sieg davon trägt. Ich bin guter Dinge, dass der SC danach in Bremen, gegen Schalke und in Köln beste Chancen hat, Punkte einzufahren und seine Situation in der Spitzengruppe zu zementieren.

Keine Ahnung, wie man, vier Tage nach dem 1:2 von München, so einen zweiten Vergleich mit den deutlich favorisierten Bayern angeht… Vielleicht verrät es Christian Streich nachher in der Pressekonferenz. Ich werde hier darüber berichten…

In der Wartezeit gönne ich Euch meine ReblandKurier-Kolumne von dieser Woche:

Vorab ein Hinweis: Leider führt das Fernsehdiktat vor dem Hintergrund   der damit verbundenen Einnahmemöglichkeiten der Clubs noch immer zu fanunfreundlichen Anstoßzeiten am späten Abend. Auch Teile der Printmedien sind negativ davon betroffen. So wurde diese  Kolumne aus  technischen Gründen schon vor Austragung des gestrigen DFB-Pokal-Viertelfinales zwischen dem FC Bayern München und dem SC Freiburg (Anstoß war um 20.45 Uhr) angefertigt. Inhalte zu finden, fällt trotzdem nicht schwer – die Fokussierung der Bundesliga ist ja vielleicht auch für die Freiburger Protagonisten auf dem Platz ein guter Tipp. Zuletzt wurden im Ligabetrieb vier Punkte unnötig liegengelassen: Sowohl beim 1:1 in Mainz als auch beim 1:1 gegen Hertha BSC ist es dem SC Freiburg nicht gelungen, am Ende eines über weite Strecken überlegen geführten Spiels eine verdiente Führung über die Ziellinie zu bringen. In Mainz fiel der Ausgleich in buchstäblich letzter Sekunde, nach einer Unkonzentriertheit. Gegen Hertha führte eine solche eine knappe Viertelstunde vor Schluss zum eigentlich unerwarteten Treffer des Gegners, der  den Sport-Club wichtige Punkte kostete. Übrigens: Vier der letzten fünf Ligaspiele des SC Freiburg endeten mit einem Remis. Das wäre in früheren Zeiten, als es regelmäßig  darum ging, den Abstieg zu vermeiden, eine gute Bilanz, zumal der SC seit sieben Bundesligaspielen ungeschlagen ist. Im Kampf um die vorderen Plätze in der Tabelle,  um die „europäischen Fleischtöpfe“ wie es so schön heißt, wäre eine höhere Siegquote wünschenswert, denn die Konkurrenz ist groß und das Restprogramm  der  Freiburger überaus anspruchsvoll. Es wäre nicht fair, dem SC zu unterstellen, er habe sich das Saisonziel „Champions League“ auf die Fahnen geschrieben. Richtig ist aber, dass die Chance in diesem Jahr selten groß ist, diese von der UEFA geschaffene „Geldmaschine“ erstmals zu erreichen.  Es wäre ein Quantensprung in der Vereinsgeschichte. Umso ärgerlicher sind scheinbar „verschenkte“ Punkte auf der Zielgeraden. Zumal auch ein realistischeres Ziel, das erneute Erreichen der Europa League, noch längst nicht in trockenen Tüchern ist. Leverkusen und Mainz drängen nach und auch Frankfurt und Wolfsburg wollen international spielen – mit beiden muss sich der Sport-Club noch in direkten Duellen messen. 
Die letzte Saisonphase verspricht also interessant zu werden – mit vier Punkten mehr auf dem Konto wäre sie entspannter. Los geht’s auf der Zielgeraden mit dem Heimspiel am Samstag, 8. April, um 15.30 Uhr gegen Rekordmeister Bayern München (live bei Sky und baden.fm). Ein Spiel, in dem ein 1:1 ein Erfolg wäre; anders als in Mainz oder gegen Hertha BSC …  (Zitatende)

Also, Freunde, ich melde mich nach der PK!

- Fortsetzung im Tagebuch zum Heimspiel gegen Bayern -