Halbfinale des DFB-Pokals, SC Freiburg gegen Leipzig

Dienstag, 2. Mai 2023, 20.45 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - Leipzig *

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Abpfiff in Köln. Ich sehe, wie die schwarz gekleideten Jungs fröhlich winkend in die Gästekurve laufen und sich zurecht feiern lassen. Bei baden.fm läuft, wie immer nach Siegen, der SC-Song von „Fisherman‘s Fall“, dann kommt meine Spielanalyse. Ich lasse nicht unerwähnt, dass der Sieg glücklich ist, lobe aber die Top-Leistung von Mark Flekken (Note 1+), der beiden Innenverteidiger „Gintes“ und Lienhart, sowie die spielerischen Farbtupfer, die der Siegtorschütze „Litz“ Doan dem Spiel gegeben hatte. Dann geht’s für mich treppab in die Mixedzone, wo ich gerade rechtzeitig ankomme, um Kapitän Christian Günter zu interviewen, kurz darauf dann auch Lucas Höler. Die nachfolgende Pressekonferenz, in der mal wieder deutlich wurde, dass zwei der prominentesten und besten Trainer der Bundesliga, Christian Streich und Steffen Baumgart, gut miteinander könne, sich mögen und auch gerne mal miteinander Witzchen machen. Das Interview mit dem Freiburger Chefcoach ist schnell im Kasten – alles noch schnell online verschicken, schon Minuten später sind die Interviews auf der Homepage des SC Freiburg und jener von baden.fm zu hören. Endlich kann ich durchschnaufen. Drei Halbzeiten Fußball live schlauchen ganz schön… Ich hatte ja, seit 13 Uhr, etwa eine Stunde lang inhaltlich vorbereitet, ab 14 Uhr von meinem Platz auf der Pressetribüne in Köln aus, auf Bildschirmbasis, die erste Halbzeit vom Drittligaspiel SC U23 gegen Dynamo Dresden kommentiert. Danach hatte Moderator Noah im Studio die Beobachtung des Drittligakicks (Endstand: 1:1) und die Kurzberichterstattung darüber übernommen und ich hatte mich auf FC gegen SC konzentriert. Dann der Nachklapp – ich war also von 13 Uhr bis 18.30 Uhr im Vollstress gewesen – und jetzt war Feierabend. Ich lobte mich selbst für meine Entscheidung, nicht den vierstündigen Tripp nach Hause anzutreten, sondern nach einem schnellen Stündchen auf der A3 wieder im Maischeider Hof abzusteigen. Ich gab mir noch ein, zwei Dosen Jacky-Cola von der Tanke, wurde im Laufe des Aktuellen Sportstudios richtig müde und war eingeschlafen, bevor es im Studio am Mainzer Lerchenberg zum Torwandschießen kam beziehungsweise bevor das ausgestrahlt wurde – denn live ist das ja schon lange nicht mehr.

Am Sonntagmorgen produzierte ich den Nachbericht für baden.fm, der wegen des Feiertags am Montag und des bevorstehenden Halbfinals am Dienstag ausnahmsweise zwei Mal im Sonntagnachmittagsprogramm ausgestrahlt wurde. Danach gings zum Frühstück und – gut gelaunt – wieder heim nach Südbaden.

Am Montag war dann, wie geplant, Redaktionsarbeit im WZO-Verlag für mich auf dem Plan, ergänzt durch die Pressekonferenz mit Christian Streich um 13 Uhr. Dort habe ich den Coach einmal mehr interviewt, der Talk lief dann um 15.20 Uhr im Programm von baden.fm. Konkret also vor ein paar Minuten.

Morgen ist es so weit. Halbfinale gegen Leipzig – die Chance auf eine erneute Finalteilnahme in Berlin. Es wäre ein Traum… Die Hürde Leipzig ist freilich hoch – aber überwindbar. Ich träume davon, dass morgen Abend zu irgendeinem Zeitpunkt, wenn ein Weiterkommen des SC quasi feststünde, das ganze Stadion singt: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ – Gänsehaut und Freudentränen wären bei mir vorprogrammiert. Für mich persönlich hätte die Finalteilnahme und damit die Chance, diesmal wirklich den Pokal zu gewinnen, tatsächlich einen höheren Stellenwert als das Erreichen der Champions League, auch wenn das wirtschaftlich falsch gedacht sein mag. Freiburg kickt nicht primär wegen der Kohle, sondern wegen der Leidenschaft und Emotionen. Das bietet der Pokal und das mögliche Finale in Berlin.

Heute habe ich hier in der Redaktion auch schon mal meine Kolumne für die ReblandKurier-Ausgabe vom kommenden Mittwoch gemacht. Aus Termingründen spielt das Pokalspiel dabei keine Rolle Und dennoch geht es um Fußball, den SC und interessante Hintergründe:

SC INTEAM

Fantastisch, dass das enge und höchst spannende Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Köln und dem SC Freiburg vom Sport-Club mit 0:1 gewonnen wurde und den SC seinem Ziel, im nächsten Jahr an einem der internationalen Wettbewerbe teilzunehmen, ein Stück nähergebracht hat. Gut, dass es bei dem Spiel keine Szenen gab, in denen der Videoassistent entscheidend eingreifen musste. Aus unerfindlichen Gründen hatte der DFB mit Daniel Schlager einen Unparteiischen aus dem südbadischen Fußballverband an die „Schalthebel der Macht“ im sogenannten Kölner Keller gesetzt. Spielentscheidende Eingriffe zu Gunsten der Freiburger hätte man dem aus Hügelsheim bei Rastatt stammenden Videoassistenten unter Umständen vorgeworfen und der wusste das natürlich und war  daher  mutmaßlich befangen; für mich  daher eine Fehlbesetzung. Nur gut, dass nichts anbrannte und der Kölner Keller beim Spiel FC gegen SC keine Rolle spielte; ganz anders als einen Tag zuvor, beim Spiel Bochum gegen Dortmund. Für die eklatanteste Fehlentscheidung, einen nicht gegebenen Foulelfmeter nebst gelb/roter Karte für den foulenden Bochumer Spieler, gibt es vielleicht eine Entschuldigung für Schiedsrichter Sascha Stegemann, nicht aber für das Nichteingreifen des Videoassistenten Robert Hartmann. Letzterer ist übrigens Unparteiischer des Bayerischen Fußballverbandes.   Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Fakt ist: Nach dem Stolpern der Dortmunder in Bochum konnte Bayern München im Kampf um die Deutsche Meisterschaft wieder in die Pole-Position rücken. Die Existenz des VAR hat dem Fußball nichts Gutes getan und zum Beispiel den Reiz der unmittelbaren Emotion genommen. Die Diskussionen über Fehlentscheidungen sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Das liegt vor allem an der mangelhaften praktischen Anwendung des VAR, bis hin zur personellen Besetzung. Beides gehört massiv hinterfragt.

Ich kann mich in dieser Kolumne so ausführlich einem Randthema widmen, da es aus drucktechnischen Gründen nicht möglich ist, in der heutigen Ausgabe auf das gestrige Halbfinale im DFB-Pokal einzugehen. Der ReblandKurier wurde gedruckt, bevor das Pokalspiel gestern abgepfiffen wurde. Die späten Anstoßzeiten im Spitzenfußball sind – nicht wegen unserer Wochenzeitung, sehr wohl aber wegen der Kinder oder auch wegen der aus größeren Entfernungen anreisenden Fans – ebenfalls reformbedürftig...

In der Bundesliga geht es für den Sport-Club nun mit vier finalen Spielen gegen Mitbewerber um die Plätze für das internationale Geschäft weiter. Danach wird abgerechnet. Egal, was gestern im Pokal war – am Samstag ab 15.30 Uhr (live bei Sky und baden.fm) gilt es, vor Leipzig zu bleiben! (Zitatende)

 

So weit, wie gesagt, die Zeitungskolumne für kommenden Mittwoch. Jetzt müssen wir die innere Uhr wieder zurückdrehen, denn es ist je erst Montag; wir sind noch vor dem DFB-Pokal-Halbfinale SC Freiburg gegen Leipzig.

In unserer Zeitung war das schon am vergangenen Mittwoch eine große Sonderveröffentlichung. Für alle die es in der Printausgabe, im Netz oder hier im Tagebuch verpasst haben, hier nochmal der Rohtext:

Die Stunde der Revanche

Im Halbfinale des DFB-Pokals trifft der SC Freiburg auf den amtierenden Pokalsieger RB Leipzig

Freiburg. Am 22. Mai vergangenen Jahres gewannen etwa  50.000 SC-Fans in der Hauptstadt Berlin die imaginäre Fan-Meisterschaft: Fröhlich feiernde, friedliche Fans vor dem Finale der Fußballer – faire Verlierer danach. Fußball-Deutschland staunte über diese südbadische Fan-Kultur. Am 3. Juni könnte sich das für alle, die dabei waren, unvergessliche Erlebnis – die Finalteilnahme des SC Freiburg in Berlin – wiederholen, allerdings nur, wenn sich der Sport-Club am Dienstag, 2. Mai, im heimischen Europa-Park Stadion im Halbfinale durchsetzt.

Pikant daran: Der Gegner ist erneut der konzeptionelle Gegenentwurf zum eingetragenen Verein mit über hundertjähriger Tradition, SC Freiburg, nämlich das Marketingprojekt des österreichischen Brauseherstellers Red Bull, RB Leipzig. Jenes Konstrukt, welches das Vorjahresfinale im Berliner Olympiastadion nach verdienter 1:0-Führung der Freiburger durch Eggestein, einer Roten Karte gegen den Leipziger Halstenberg und in Summe fünf Alu-Treffern des SC – vier aus dem Spiel heraus, einer im abschließenden Elfmeterschießen – denkbar glücklich und knapp für sich entschieden hatte. SC-Anhänger frohlocken jetzt mit Recht: Am Dienstag kommt die Stunde der Revanche! Schien die Führung im Finale von Berlin den auf diesem Niveau völlig unerfahrenen SC nervös zu machen und offenbar zu lähmen, dürften die erfolgreichen Spiele in der Gruppenphase der  UEFA Europa League, die Auftritte auf Augenhöhe mit dem Welt-Club Juventus Turin und nicht zuletzt der Auswärtssieg im Viertelfinale des DFB-Pokals bei Rekordmeister FC Bayern München das Nervenkostüm der Freiburger gestählt haben. Der SC könnte jetzt reif sein, um dem als Marketingprojekt eines Weltkonzerns wirtschaftlich besser aufgestellten Rivalen in einem k.o.-Spiel sportlich die Stirn zu bieten und ihn zu schlagen. Und vielleicht nicht nur im Pokal – auch im Kampf um den Einzug in die Champions League heißt der mutmaßlich größte Rivale des SC Freiburg    einmal mehr RB Leipzig.

Vor dem Bundesliga-Spitzenspiel aber lautet das Motto des SC, der eine furiose Saison spielt: Revanche für die Final-Niederlage nehmen, Leipzig am Dienstag schlagen und am 3. Juni, beim 80. Pokalfinale der Geschichte, in Berlin am Start zu sein. Frank Rischmüller (Zitatende)

 

Die Stunde der Revanche – morgen scheint sie gekommen. Ich fiebere dem Halbfinale entgegen, wie sonst selten einem Spiel. Wie sagte mir doch Christian Streich neulich in einem privaten Autausch: „Wenn wir das noch einmal schaffen würden, das Finale in Berlin zu erreichen, das wäre so geil…“ Wie recht er hat…

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.097. SC-Livespiel am Radio-Mikrofon)

Das mit großen Erwartungen begleitete Pokalspiel - ungezählte gebuchte Flug- und Zugtickets, reservierte Hotelzimmer in Berlin, Träume vom übernächsten Schritt, dem Pokalsieg, noch vor dem nächsten und all das – war noch keine Viertelstunde alt, da stand es schon 0:2 für die Gäste aus Leipzig. Und das, obwohl die Partie, in die der SC mit einer 3-4-3-Formation gestartet war, bei gegnerischem Ballbesitz mit Fünferkette, zu Beginn sogar frohlocken konnte, das lief doch! Gleich zu Beginn hatte Lukas Kübler den Kollegen Lucas Höler bedient, der den Ball mit einer beinahe artistischen Aktion zum einschussbereiten Michael Gregoritsch weitergeleitet hatte… ja, das wäre es gewesen – aber Haidara rettete in höchster Not und verhinderte so, dass „Gregerl“ an den Ball kam. Kurz darauf schoss „Litz“ Doan denkbar knapp am Tor vorbei. Die Berlin-Träume bekamen auch noch Futter, bevor Leipzig plötzlich und extrem effizient als Spaßbremse auftrat. In der 13. Minute passierte es, Nkunku, Torschütze zum Ausgleich im Finale in Berlin und auch im jüngsten Ligaspiel der „Dosen“ gegen Hoffenheim, hat auf der rechten Angriffsseite viel zu viel Platz und flankt unbedrängt ins Zentrum – der Ball fliegt allerdings über Freund und Feind hinweg und landet auf dem linken Flügel  Halstenberg, der – wir erinnern uns – im Finale die Rote Karte gesehen hatte. Jetzt flankt der aufgerückte Linksverteidiger unbedrängt ins Zentrum und findet dort den spanischen Internationalen Dani Olmo, dessen Kopfballaufsetzer von Kiliann Sildillia nicht verhindert wird und zum 0:1 einschlägt. 60 Sekunden später ist wieder Olmo, der zum besten Mann auf dem Platz mutieren wird, in Aktion. Einen Ball von Werner verlängert der Spanier mit „One-Touch-Fußball“ zum aufgerückten Rechtsverteidiger Henrichs und wieder schlägt es hinter Mark Flekken ein; 0:2 in der 14. Minute – ein Alptraum für alle, die es mit dem SC Freiburg halten… Auch ich, der Mann am Radiomikrofon, bin erstmal bedient.

Der SC steht zu diesem Zeitpunkt neben sich und muss reagieren. Der formschwache Killiann Sildillia muss raus, Vincenzo Grifo kommt. Damit ist das Experiment mit der Fünferkette schnell beendet. In der Theorie war das ein kluger Schachzug und Streich & Co., um zum Beispiel dem schnellen Timo Werner keinen Raum für seine Tiefenläufe zu geben, in der praktischen Umsetzung aber fehlte die gewohnte Kompaktheit des Teams und letztlich die notwendige Ordnung. Die Freiburger überließen den überzeugend spielenden Gästen viel zu viel Raum.

Doch auch die Rückkehr zum gewohnten 4-4-2 oder 4-2-3-1 brachte keine Wende. Leipzig war jetzt total selbstbewusst und in Schwung.

Schwache Tagesform beim SC auch im Mittelfeld – Maxi Eggestein, sonst ein Garant an Zuverlässigkeit – lässt den jeweiligen Gegenspielern viel zu viel Raum und die Leipziger Spielfreude lässt auch die Freiburger Innenverteidigung verzweifeln: Doppelpass von Olmo und Szoboszlai, Matthias Ginter wird dabei getunnelt und der Ungar vollstreckt eiskalt zum 0:3. In meinem Empfinden am Mikrofon ist das die Entscheidung. Ich bin down… Doch es kommt noch schlimmer: In der Nachspielzeit der ersten Hälfte bedient der grandios aufspielende Spanier Olmo den Franzosen Nkunku und der Leipziger Torjäger, der mutmaßlich vor einem Wechsel in die Premier League steht, steht völlig frei und schließt eiskalt ab. 0:4, dann ist Halbzeit und mir ist die Lust vergangen…

Natürlich kommentiere ich auch in den zweiten 45 Minuten weiter, nur allzu viel Spaß macht es nicht mehr…

Der Sport-Club startet mit Yannik Keitel für Maxi Eggestein und mit Roland Sallai für den angeschlagenen „Litz“ Doan in die zweite Halbzeit. Charakter hat die SC-Truppe, denn von Resignation ist nichts zu spüren. In der 56. Minute entwischt der sehr dynamisch auftretende Roland Sallai nach einem guten Pass aus dem Mittelfeld seinem Gegenspieler Gvardiol. Kurz vor der Strafraumgrenze hält der Kroate den flinken Ungarn an der Schulter fest und reißt ihn dadurch um. „Außerhalb des Strafraums checkt der VAR nicht“, schießt  es mir durch den Kopf – „es sei denn, Schiri Jablonski hätte ein Rot-würdiges Foul übersehen. Da um mich herum Fernsehkommentatoren mit Bildschirmen sitzen – links der Kollege Kai Dittmann von Sky, rechts ein Kommentator von „Servus TV“ aus Österreich, sehe ich die Wiederholung und erkenne, das Gvardiol letzter Mann war, das Foul damit eine „Notbremse“ und somit eine „Rote Karte“ nach sich ziehen müsste. Und schon geht Jablonskis Hand ans Ohr. Dann geht der junge Bremer Schiri zum Bildschirm und zückt kurz darauf die Rote Karte.

Neue Hoffnung für den SC? Nein, nicht wirklich, aber vielleicht die Chance, das Ergebnis erträglich zu gestalten.

Rund um die 70. Minute passiert einiges im Europa-Park Stadion. Sportlich ist es harmlos. Lukas Kübler trifft nach einem Steilpass unabsichtlich den Leipziger Orban. Leipzig-Keeper Orban mischt sich ein und will „Kübi“ zur Rechenschaft ziehen oder was auch immer. Der Freiburger schubst den Torhüter, der theatralisch zu Boden geht. Jetzt tillen Teile  der Südtribüne durch, Bierbecher und andere Gegenstände fliegen aufs Spielfeld; wie man jetzt weiß auch eine Zwei-Euro-Münze. Diese trifft den Leipziger Ersatzspieler Silva am Kopf, was nun diesen „niederstreckt“. Die Situation droht zu eskalieren. Neun schwarz gekleidete, teilweise vermummte Zuschauer klettern über den Zaun und nehmen eine bedrohliche Haltung ein. Spieler des SC Freiburg und Ordner drängen die Männer zurück, fordern sie auf, sofort wieder auf die Tribüne zu gehen. Dem wird Folge geleistet. Aber die Stimmung ist nun vergiftet. Auch von der teuren Haupttribüne fliegen Bierbecher aufs Spielfeld, geworfen Richtung Leipziger Spieler und Betreuer. Geht’s noch? Ein Unding! Freiburg blamiert sich vor einem Millionenpublikum an den Fernsehschirmen in ganz Europa. Bei mir ist Fremdschämen angesagt.

Dann geht das Spiel weiter; endlich kann ich wieder über Sport reden. Und sogar positiv: Der auffällig gute Roland Sallai setzt sich in Minute 75 auf dem rechten Flügel durch und flankt ins Zentrum, wo Michael Gregoritsch hochsteigt und den Ball ins linke Tordreieck köpft.  1:4 und Überzahl… Sollte hier doch noch was gehen? Nein, ich glaube nicht wirklich daran, tröste mich aber mit der Idee, dass Freiburg vielleicht die zweite Halbzeit für sich entscheidet… Und dann kommt es doch anders als erhofft: Nach einem Leipziger Eckball in der siebten Minute der Nachspielzeit berührt Kübler Simakan am Standbein und der lässt sich natürlich fallen. Streng genommen kein Foul, aber der Kick ist ja eh entschieden und fast durch. Es gibt jedenfalls Elfmeter und Szoboszlai markiert seinen zweiten Treffer zum 1:5-Endstand. Es war ein Fußballspiel, dass für Freiburger nicht wirklich vergnügungssteuerpflichtig war. Eigentlich war es nur furchtbar…

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Man musste freilich konzedieren, dass Leipzig in Freiburg in Bestbesetzung antreten konnte und einen Sahne-Tag erwischt hatte; vor allem in Sachen Effizienz. Die „Dosen“ sind eigentlich bekannt dafür, in einem Spiel auch schon mal drei, vier Mega-Chancen liegen zu lassen. Im Pokalspiel hatten sie, den geschenkten Elfmeter mal außen vorgelassen, sechs Chancen und machten aus dem Spiel heraus vier Tore. Das ist ungewöhnlich für das Starensemble von Trainer Rose. Und der Sport-Club? Unabhängig vom System waren die Jungs als Team nicht kompakt genug, standen insgesamt zu hoch und boten den Gästen, ungewohnt schwach in den Zweikämpfen, viel zu viel Raum und Freiheiten an. Leipzig nutze diesen negativen Ausnahmetag des SC Freiburg in meisterlicher Manier aus.

Fast mechanisch wickelte ich meine Interviewer-Aufgaben ab und fuhr missgelaunt nach Hause. Spät nach Mitternacht produzierte ich noch eine kritische Nachbetrachtung für die Morningshow von baden.fm, trank zwei harte Mischungen Brugal/Coke Zero und knallte mich frustriert ins Bett.

„Und am Samstag geht es schon wieder gegen die…“ war einer meiner missmutigen Gedanken am Tag danach. Am TV verfolgte ich, entgegen meiner theoretischen Pläne für den Fall des Ausscheidens des SC, das andere Halbfinale, sah Frankfurts Sieg in Stuttgart. Wenigstens etwas… (Mein Sohn Jérôme aus Zürich, Eintracht-Fan, war live dabei)

Zuvor hatte ich meine Zimmer in Hannover und Berlin für das lange Final-Wochenende storniert.

Dann war schon wieder Donnerstag und ich musste mich unter anderem mit einem Vorbericht fürs Frühprogramm von baden.fm befassen. Wenn es irgendetwas Positives aus der Pokal-Schlappe mitzunehmen gab, dann vielleicht, dass nur der SC aus dem Spiel lernen konnte. Klar, Leipzig kommt mit der breiten Brust, die sie jetzt haben, kaum noch durch die Tür. Aber der SC weiß seit Dienstag genau, wie er den Sachsen am Samstag keinesfalls beikommen kann. Und die Nachlässigkeiten vom Pokalabend – schlechte Staffelung, zu große Abstände, zu wenig Tempo und zu zweikampfschwach – all das lässt sich in einem neuen Spiel, das bei 0:0 beginnt, verbessern.

Schon mit einem Remis könnte ich am Samstag gut leben; dann stünde der SC in der Tabelle noch immer auf einem der vier vorderen Plätze und – nicht unwichtig – weiter vor Leipzig, die ja auch noch gegen Bayern kicken müssen. Ein Unentschieden wäre riesig, ein Heimsieg wäre sogar ein Traum. Dann wäre der Ärger über den unerfüllten Pokal-Final-Traum bald verflogen. Und auch Leipzig würde plötzlich merken, dass das Bundesligaspiel rein wirtschaftlich sich deutlich bedeutender ist als der Pokalfight, der keiner war. In der Form von Dienstag sind die Sachsen am Samstag natürlich trotz allem Favorit. Ich halte den SC aber für lernfähig. All das packte ich in den kompakten Vorbericht fürs Radio und wies am Ende noch darauf hin, dass ich ganz privat lieber Capri-Sonne trinke als Red Bull. So ging mein Bericht mit einem imaginären Augenzwinkern zu Ende.

Mein Anlauf auf den 31. Bundesligaspieltag beginnt mit dem „Schicksalsspiel“ meiner fußballerischen Jugendliebe und Heimat, Arminia Bielefeld, heute, am Freitagabend gegen Greuther Fürth. Danach werde ich Mainz gegen Schalke und Leverkusen gegen Köln schauen – ich hoffe, das gibt es irgendwo in Konferenz zu sehen. Ansonsten hätte der Schalker Überlebenskampf meine Priorität.

Morgen Vormittag kickt die U15 der SG Markgräflerland mit meinem jüngeren Sohn Ben in der C-Junioren-Landesliga im nordbadischen Bühl. Schon ein Punkt würde unseren Jungs zum vorzeitigen Meistertitel verhelfen und es wäre der zweite Titel hintereinander für diese tollen Jungs – und ich kann nicht dabei sein… Das ärgert mich sehr. Ich möchte mich morgen aber auf meine diversen Aufgaben im Radio konzentrieren. Das bedeutet: 13 Uhr im Europa-Park Stadion sein, mich inhaltlich auf das U23-Spiel vorbereiten und dann die erste Halbzeit des Drittligaspiels 1860 München gegen SC Freiburg U23 auf Bildschirmbasis kommentieren. Ab 15 Uhr übernimmt dann Kollege Benny im Sendestudio das Informieren über den Drittligakick und ich konzentriere mich ganz auf SC gegen Leipzig in der Bundesliga… Ich hoffe schwer, dass die Jungs das rocken und nicht wieder so einen Reinfall erleben, wie am Dienstag. Wenn „Litz“ Doan wegen seiner Kapselbeschwerden im Knie tatsächlich ausfällt, kann ja vielleicht Roland Sallai seine auffällig gute Form in der Startelf nutzen, um das Tor der Sachsen in Gefahr zu bringen.