Rückspiel der Europa-League-Playoffs um den Einzug ins Achtelfinale, SC Freiburg gegen RC Lens

Donnerstag, 22. Februar 2024, 18.45 Uhr *

Europa-Park Stadion, Freiburg *

SC Freiburg - RC Lens *

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel 

Unentschieden halt; nach drei Niederlagen in der Bundesliga endlich wieder etwas Zählbares, wenn auch nur ein Punkt. Aber wieder drei Gegentore kassiert - wie schon in Bremen gegen Stuttgart und in Dortmund - das waren Gedanken, die mich nach dem Spiel beschäftigten und auch in die Interviewführung mit einflossen. Nicolas Höfler, Yannik Keitel und Christian Streich waren meine Gesprächspartner. Alle Interviews sind - wie immer - auf den Internetpräsenzen vom SC Freiburg und baden.fm anzuklicken und zu hören. Gedanklich schaltete ich danach schnell um - Bayern spielte in Bochum und lag zurück und auf den SC und auch mich wartete eine spannende Woche: Am Donnerstag, 22. Februar (also morgen, um ehrlich zu sein) steht das Rückspiel gegen den RC Lens an.

Bevor ich mich ganz der Europa-League-Euphorie und dem Traum von der zweiten Achtelfinalteilnahme der Vereinsgeschichte hingeben kann, wartete aber ein arbeitsreicher Wochenanfang auf mich. Nicht nur mein normaler Job als Redaktionsleiter stand auf der Agenda, zudem musste ich die Vertretung einer Kollegin übernehmen, die bei uns im WZO-Verlag die Ausgaben Kaiserstuhl und Tuniberg  betreut, also koordiniert und baut. Dazu gehören auch die beiden Sonderseiten "Stadtanzeiger" im Auftrag der Stadt Breisach. Das ist viel Gerödel und bedingt ein Multitasking der besonderen Art. Dankenswerter Weise hatte die Kollegin die Ausgabe 08 des laufenden Jahres gewissenhaft vorbereitet und so hatte ich zwar viel zu tun, alles blieb aber im Rahmen. Als am Dienstagabend Feierabend war, konnte ich zufrieden nach Hause fahren und  mich gedanklich langsam der Europa League annähern. Üblicher Weise brauche ich dienstagsabends immer ein bisschen "Nervennahrung", um den Adrenalinspiegel, den die beiden intensiven Produktionstage unserer Wochenzeitung ReblandKurier angehoben haben, langsam runterzupegeln und auf andere Gedanken zu kommen. Zuletzt war häufig dominikanischer Rum der Marke Brugal, gemischt mit prickelndem Tonic-Water, ein guter Begleiter für den Dienstagabend. Der Rum war aber aus - natürlich schon wieder bestellt, am Dienstagabend aber stand er nicht zur Verfügung.

Ich erinnerte mich, dass ein sehr aktiver Fan der Arminia namens Marcel Lossie - zu meiner aktiven Zeit als Arminia-Reporter hat er, damals noch Schüler, den "Fanclub Aufstieg" gegründet - später eine Firma gegründet hat, die seinen "Gin Lossie" produziert. Und ein Fläschchen dieses Getränkes hatte mir einer meiner Bielefelder Gäste letzte Woche  mit zu meinem Jubiläumsumtrunk im Dreisamstadion gebracht. Jetzt kenne ich mich mit Gin überhaupt nicht aus. Ich bemühte also Google mit "Mixgetränk für Gin" und stieß sehr schnell auf Tonic-Water und Limettenscheiben... Das Gute daran: Beides war im Haus. So verbrachte ich den Dienstagabend mit zwei oder drei bauchigen Cocktalgläsern mit Eiswürfeln, Gin Lossie, Tonic-Water und Limettenscheiben darin - was soll ich sagten? Geiles Getränk! Hat gut geschmeckt und seinen Zweck erfüllt. Ich verbrachte eine gute Nacht und war ab Mittwochmorgen ganz auf SC gegen Lens in der Europa League programmiert.

Am Mittwoch erschien dann der ReblandKurier, unter anderem mit meiner allwöchentlichen Fußballkolumne, die ihr auch hier gerne nachlesen könnt:

SC INTEAM

Nach drei Niederlagen am Stück in der Bundesliga, meldete sich ein verbesserter SC Freiburg mit zwei Remis-Spielen auf einem anderen, höheren Spielniveau zurück: Beim 0:0 im Hinspiel der Europa-League-Zwischenrunde im nordfranzösischen Lens bestach der SC mit einer disziplinierten Defensivleistung, hatte aber Pech, dass Roland Sallai  in der ersten Halbzeit bei einem aussichtsreichen Abschluss nur die Querlatte traf und ein Flachschuss aus fünf Metern von Eggestein in der zweiten Hälfte von Abwehrspieler Danzo auf der Linie abgewehrt werden konnte. Der aus Breisach am Rhein stammende Yannik Keitel stach in seiner neuen Rolle als zentrales Glied einer Dreier-/ Fünferkette  in der Defensive ebenso heraus, wie Merlin Röhl als Energie ausstrahlender  „Box-to-Box-Spieler“, wie sich der in Berlin geborene Mittelfeldspieler selbst gern  einordnet. 
Ebenfalls mit einem Unentschieden endete das Bundesliga-Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt, in dem Merlin Röhl, wegen seiner Roten Karte aus dem  Spiel  gegen Stuttgart  gesperrt fehlte. Beim 3:3 im ausverkauften Europa-Park Stadion gelang es dem SC dreimal, eine Führung der Eintracht auszugleichen. Wie schon in Lens war  der Sport-Club dem Sieg in der turbulenten Schlussphase näher als der Gegner, hatte aber kein Glück im Abschluss. Auffälligster Spieler gegen die Frankfurter war der agile „Litz“ Doan. Erfreulich, dass auch von allen eingewechselten Spielern – Sildillia, Weißhaupt, Gregoritsch, Muslija und Philipp – neue, gute Impulse ausgingen und so die Intensität hoch gehalten, ja, sogar gesteigert  werden konnte. 
Ärgerlich ist freilich, dass der letzte Sieg der Freiburger vom 20. Januar (3:2 gegen Hoffenheim) datiert. Es folgten drei Niederlagen und zwei Remis. Am morgigen Donnerstag, 22. Februar, um 18.45 Uhr, im Rückspiel gegen den RC Lens (live bei RTL+ und baden.fm), braucht der SC einen Sieg, um sich für das Achtelfinale der Europa-League zu qualifizieren.   Dafür muss es gelingen, den starken Defensivauftritt vom Hinspiel zu wiederholen und vorne effizienter zu agieren als zuletzt. Die eigenen Fans im Rücken könnten den SC, der wieder auf Merlin Röhl zurückgreifen kann,  in diesem besonderen Spiel beflügeln. Ein Erfolg gegen den französischen Vizemeister würde nicht nur zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte die Achtelfinalteilnahme in der Europa League sichern, sondern  auch Rückenwind für den  Bundesliga-Betrieb  bedeuten. Am Sonntag, 25. Februar, um 19.30 Uhr kickt der SC beim FC Augsburg (live bei DAZN und baden.fm). So hat der Sport-Club in dieser Woche die Chance, durch zwei Erfolge  wichtige Weichenstellungen vorzunehmen, bevor die Bayern nach Freiburg kommen... (Zitatende)

Der Mittwoch verging wie im Fluge. Zwischen 10.30 Uhr und 12 Uhr kümmerte ich  mich in der WZO-Redaktion um die Nachbereitung der Zeitungsausgabe 08 und um Nachholarbeiten am Internet-Tagebuch, das ja auch ein Produkt unseres WZO-Verlags ist und keine Privatangelegenheit. Dann ging ich zum mittwochs üblichen Rotary-Meeting inklusive Mittagesssen im Restaurant Dipiu, von dem ich mich aber bereits um 13.30 Uhr wieder verabschiedete. Mit Kribbeln im Bauch fuhr ich zur Pressekonferenz des SC Freiburg anlässlich des bevorstehenden Europa-League-Spiels. Es war mächtig viel los, weil auch schon viele französische Kollegen vor Ort waren, die, da wir uns aus Lens schon kannten, sehr freundlich und aufgeschlossen auf mich zukamen, da sie wussten, dass ich einerseits ganz gut informiert bin, was den SC betrifft, und andererseits ihre Sprache spreche, was wiederum mit meiner sehr francophilen Vita zusammenhängt. Im Gespräch versprach ich den Gästen aus Lens und Umgebung, zur PK ihres Clubs um 18 Uhr eine Liste mit Restauranttipps für den Mittwochabend mitzubringen.

Es folgte die PK, nach der ich Christian Streich und Vincenzo Grifo interviewte. Die Interviews liefen am Abend zwischen 20 Uhr und 21 Uhr, in der Show von Conny Ferrin,  im Programm von baden.fm. 21 Uhr war übrigens auch der Termin, zu dem die französischen Kollegen in Freiburg essen gehen wollten. Zwischen der PK des SC und jener des RC Lens bastelte ich im Verlagshaus weiter am Tagebuch und ging auf Recherche, bei der mir mein Freiburger Spezi Wolfgang mit ein paar Vorschlägen unter die Arme griff. Ich rief also im "Hirschen" in Lehen  an und erfuhr, dass die mittwochs Ruhetag haben. Als nächstes stand Deutschlands ältestes Restaurant "Bären" auf meiner Liste. Dort würden die  letzten Bestellungen um 20.45 Uhr entgegengenommen, teilte man mir mit. Für meine französischen Freunde könnte das zu früh sein. Die Franzosen essen allgemein etwas später und in konkreten Fall stand ja noch die PK des RC Lens, deren Verarbeitung und der Bezug der Hotelzimmer auf der "To-do-Liste" der Kolleginnen und Kollegen. Fündig wurde ich am Ende im "Großen Meyerhof" in der Grünwälder Straße. Diese Adresse überbrachte ich den Franzosen um 18 Uhr, als ihr Trainer Franck Haise sich mit dem offensiven Mittelfeldspieler Florian Sotoca im Presseraum des Europa-Park Stadions die Ehre gab. In der PK deutete der Trainer an, dass Lens vor allem in der Offensive besser agieren müsse als im torlosen Hinspiel. Übrigens: Abwehrchef Kevin Danso,  der im Hinspiel einen Schuss von Maxi Eggestein noch von der Linie gekratzt hatte, wird im Rückspiel gesperrt fehlen. 

Nach der PK fuhr ich erwartungsfroh nach Hause - ein Fußball-Thema, das nichts mit dem Europa-League-Rückspiel zu tun hat, brannte mir aber noch auf den Nägeln. In den vergangnen Wochen hatte ich mich einige Male über die öffentlichen Äußerungen des deutlich prominenteren Kollegen Marcel Reif im Streit um den Investorenplan der DFL geärgert. Am MIttwoch teilte das DFL-Präsidium nun mit, dass es das Investorenprojekt nicht weiter verfolgen werde und aus den Verhandlungen aussteigt. Wie ich finde, eine gute Nachricht! Ich wendete mich also via Facebook an den bis vor kurzem so hoch geschätzten, berühmten Kollegen Reif:

Lieber Marcel Reif,

Ich habe Ihnen immer gerne zugehört. Bei Ihrer ergreifenden Rede im Bundestag hatte ich einen Kloß im Hals und eine Träne im Knopfloch. In der Branche waren Sie eine Art Vorbild für mich.

Sorry. Alles vorbei.

Dass wir in der Investorenfrage nicht einer Meinung sind - geschenkt. Das hätte meine Wertschätzung nicht geschmälert.

Mit welcher Arroganz Sie aber über die - weitgehend friedlichen - Fanproteste gesprochen haben, wie klein Sie die Gruppe der Protestierer und Investorengegner geredet haben; wie ignorant Sie die Aufdeckungen des Hannover 96 e.V. totgeschwiegen haben und wie Sie gegen eine neue Abstimmung gewettert haben, weil doch mehrheitlich abgestimmt worden sei - komplett verschweigend, dass es eine erste Abstimmung gegeben hatte , ohne die erforderliche Mehrheit für das Investorenmodell, und wie dubios die zweite Abstimmung verlaufen ist (Hannover 96, s.o.) - das alles macht Sie für mich zu einem prominenten Büttel und Handlanger einer bestimmten Interessengruppe.

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass nicht eine Handvoll Ultras, sondern z.B. die JHV des SC Paderborn und damit der Hauptverein mit seinen 50+1 Prozent der Kapitalgesellschaft, deren Management aufgefordert hat, anders als beim letzten Mal, bei einer eventuellen neuen Abstimmung gegen das Investorenmodell zu stimmen!

Die Proteste waren keine Machtprobe einiger verstrahlter Ultras, sondern legitimer und friedlicher Protest derer, die auch Teil der besonderen Faszination Bundesliga sind und den ganzen Bums mit ihrem Eintrittsgeld, TV-Abos und mit ihrer Masse - als Zielgruppe von Werbung - bezahlen.

Ein Satz wie, „Ich habe mich getäuscht“, stände Ihnen gut zu Gesicht!

Mit freundlichen Grüßen

Frank Rischmüller,

ein kleiner Radio-Fuzzi aus Freiburg, der den Fußball und das Kulturgut deutsche Bundesliga liebt. (Zitatende)

 

Dieses, mein Statemen ging im Netzwerk ziemlich viral. Aber das nur nebenbei, weil es halt auch am Tag vor dem Rückspiel und am Spieltag selbst irgendwie Thema war und ist.

Jetzt aber gilt alle Konzentration dem heutigen Match. Laut Christian Streich fällt Yannik Keitel wegen Rücken- und inzwischen auch Wadenproblemen aus. Keito war freilich im Hinspiel einer der besten Freiburger. Möglich, dass Matthias Ginter stattdessen als zentrales Glied der Dreier-/Fünferkette auftaucht, den der Trainer eventuell - "wenn er schmerzfrei ist" - als Option für die Bank angekündigt hat. Ginter hatte zuletzt mit einer Archillessehnenreizung ausgesetzt. Keito oder Gintes - einer von beiden wird in der Startelf stehen, da bin ich ziemlich sicher. Ansonsten sehe ich Manuel Gulde oder Nicolas Höfler als zentralen Mann in der Kette. Weiter vorne kehrt garantiert der gegen Frankfurt in der Bundesliga gesperrt fehlende Merlin Röhl in die Mannschaft zurück. Auch er war in Lens bärenstark. 

Es ist tatsächlich ein besonderer Tag für Fußball-Freiburg. Erst einmal, im vergangenen Jahr, erreichte der SC das Achtelfinale in einem europäischen Werttbewerb. Heute könnte es ein zweites Mal gelingen und das wäre - auch angesichts des großen Verletzungspechs der laufenden Saison - ein gigantischer Erfolg. Was mir Mut macht? Natürlich die starke und disziplinierte Leistung vom Hinspiel. Die Jungs wissen, was die Stunde geschlagen hat. Mut macht aber auch die Tatsache, dass der heimstarke Gegner, RC Lens, keines seiner letzten 14 Auswärtsspiele auf europäischer Ebene gewinnen konnte. Nein, kein einziges... Der letzte Sieg auf femdem Platz in einem Europapokal-Spiel gelang den Nordfranzosen im Jahr 2005. Zwischendrin waren sie freilich auch viele Jahre gar nicht in Europa vertreten. Aber 14 Spiele sind 14 Spiele... Was hinzu kommt: Es könnte ja zum Elfmeterschießen kommen - auch da stolziert der Racing-Club nicht mit stolzer Brust durch die Fußballwelt. Vor ein paar Monaten stand der RC Lens im Coupe de France in Monaco im Elfmeterschießen. Lens verlor, weil vier Elfmeter vergeigt wurden.  Will sagen: Der Gegner ist stark, aber keine Übermannschaft. Der RC Lens hat in etwa die Kragenweite des SC Freiburg. Wenn es unseren Jungs gelingt, angetrieben vom eigenen Publikum an die Grenzen zu gehen, wenn dem SC eine Top-Leistung gelingt, bestehen gute Chancen, auch im März wieder durch Europa zu reisen. Die Spieltermine - Heimspiel am 7. März, Rückspiel auswärts am 14. März - habe ich mir dick im Kalender angestrichen. Und ich spüre es deutlich: Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergisst...

Ich kommentiere das Rückspiel der Europa-League-Playoffs, SC Freiburg gegen RC Lens, am heutigen Donnerstag ab 18 Uhr live bei baden.fm.  

 

Das Fußballspiel

(Mein 1.133. SC-Livespiel am Radiomikrofon)

Es war ein galaktischer Fußballabend im restlos ausverkauften Europa-Park Stadion. Es begann aber etwas trostlos: In der ersten Hälfte war es ein relativ unspektakulärer Kick zweier Mannschaften auf Augenhöhe. Zumindest die Freiburger Anhänger riss nichts von den Sitzen – anders, die gut 2.300 Gästefans aus Nordfrankreich. Die jubelten wie ab, als SC-Torwart Noah Atubolu in der 28. Minute, nach einer relativ harmlosen Freistoßflanke, eine Faustabwehr misslang und der Ball 14 Meter vor dem Tor vor den Füßen des portugiesischen Spielmachers Costa landete, der direkt abzog und zum 0:1 traf. Für die Platzherren sollte es aber noch schlimmer kommen: In der Nachspielzeit der ersten Hälfte flog ein lang und hoch geschlagener Ball aus der Tiefe des Raumes Richtung halbrechte Angriffsposition des RC Lens, wo Stürmer Wahi und der Freiburger Verteidiger Manuel Gulde warteten. Gulde verschätzte sich und plötzlich hatte der 30-Millionen-Euro-Einkauf vom Montpellier HSC freie Bahn, lief auf Atubolu zu und überwand den Freiburger Keeper mit einem Lupfer. 0:2 für Lens zur Halbzeit – die Gäste wirkten wie der bereits feststehende Sieger.

Mir kam allerdings der Gedanke, dass Du in einer k.o.-Runde bei 0:2 nicht gleich drei Tore bis zur 90. Minute brauchst, um ein Spiel zu drehen, sondern dass Du dich durch zwei Treffer erstmal in die Verlängerung retten kannst und dann psychologische Vorteile in der Verlängerung hättest. Im Radio orakelte ich: „Wenn hier ein Tor fällt, brennt die Hütte“ – und genauso sollte es tatsächlich kommen.

Der SC veränderte Statik und Personal: Nach einer Art Mischsystem in Halbzeit eins, war nach dem Wechsel ein klares 3-4-3 zu erkennen. „Chico“ Höfler, gelernter Sechser, spielte – ähnlich wie „Keito“ Keitel im Hinspiel – erstmals in seiner Karriere – zentral in der Dreierkette. Merlin Röhl und Maxi Eggestein besetzten das zentrale Mittelfeld, Noah Weißhaupt machte auffällig gut Dampf über die linke Seite, Roland Sallai über rechts und zentral wartete „Joker“ Michael Gregoritsch auf Flanken. Der SC übernahm jetzt klar das Kommando, hatte aber das slowenische   Unparteiischen-Gespann nicht auf seiner Seite. In der 61. Minute wird Merlin Röhl im Strafraum klar vom 19-jährigen Usbeken Khusanov per rüdem „Bodycheck“ umgehauen – ohne eine Chance des Verteidigers, an den Ball zu kommen. Es war ein glasklares elfmeterreifes Foul. Der Pfiff von Schiri Rade Obrenovic bleibt aber aus. Ich sehe die Wiederholung auf der Pressetribüne auf einem Bildschirm und verkünde bei baden.fm „es müsste Elfmeter geben, der VAR wird eingreifen.“ Doch Pustekuchen! Das Spiel läuft weiter, als ob nichts passiert wäre. So werden die Angriffe der Freiburger noch wütender und münden sechs Minuten später im hoch verdienten Anschlusstreffer. „Litz“ Doan flankte einen Freistoß in den Strafraum. Der Ball wird zunächst abgewehrt, landet aber bei Roland Sallai, der aus sechs, sieben Metern mit Schmackes abzieht. Der Argentinier Medina fälscht den Ball ab, der prallt gegen den Innenpfosten und dann landet dann im Netz.

Es kam, wie angekündigt: Die Hütte brannte. In der 72. Minute feuert Lukas Kübler von halbrechts aufs Tor – Samba, Torwart und Kapitän der Nordfranzosen, drei Jahre Premier-League-Erfahrung bei den Wolverhampton Wanderers in der sportliche Vita, zeigt eine Monsterparade.  Lens wechselt zwei Mal zwei Spieler aus. In Minute 86 tauscht auch der SC nochmal, bringt Matthias Ginter für Manuel Gulde und Vincenzo Grifo für den abgekämpften Merlin Röhl. Ruhe und Erfahrung für die letzten, aufregenden Minuten… Fünf Minuten Nachspielzeit werden angezeigt; noch immer führt der RC Lens mit 1:2 – ein Angriff nach dem anderen rollt gegen das Tor der Franzosen, die in Minute 90 aber noch einmal eine Chance haben, die von Noah Atubolu stark zunichte gemacht wird. In Minute 90.+2 explodiert das Stadion… Eine Freistoßflanke aus dem Halbfeld landet auf dem Kopf des aufgerückten Matthias Ginter und wird dann zum „Flipperball“ im Strafraum. „Litz“ Doan zieht ab, der Schuss wird abgeblockt, landet aber zehn, elf Meter vor dem Kasten bei Roland Sallai, der jetzt sein Glück versucht und draufhält. Haidara fälscht noch ab, dennoch landet der Ball im Tor – das Europa-Park Stadion gleicht einem Tollhaus. „Tor – Tor – Tor – Tor Tor!!!“ schreie ich ins Mikrofon – „alles ist wieder möglich!“

Eckball für Freiburg in Minute 90.+5. Vincenzo Grifo flankt von rechts und findet den Kopf von Michale Gregoritsch, der versucht, die Kugel mit einem Aufsetzer im Tor unterzubringen – doch vom Rasen der Spielfläche prallt der Ball über das Tor. Abpfiff – Verlängerung.       

Neun Minuten nach Wiederbeginn ist es dann so weit: Noah Atubolu schlägt lang auf Nicolas Höfler, der flankt auf Michael Gregoritsch. Der Österreicher versucht  per Kopf im Strafraum Roland Sallai zu bedienen, der mit Haidara – Körper gegen Körper – robust aber fair um die beste Position  zum Ball kämpft. Schließlich kommt keiner der beiden an das Spielgerät, sondern Michael Gregoritsch läuft seiner eigenen Vorlage hinterher, umkurvt Samba und schiebt eiskalt flach ein. Das 3:2. Mir fällt keine Superlative mehr ein, um die Begeisterung im Stadion zu treffend zu beschreiben. Es war alles nur unglaublich: Der Spielverlauf, die Begeisterung  - die daraus resultierenden Perspektiven: Der SC steht zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte im Achtelfinale der UEFA Europa League.

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Es ist schön, wenn der Fußball Glücksgefühle vermittelt. Gestern war das so. Auf deutscher Seite, nur glückliche bis maximal neutrale aber beeindruckte Gesichter. Die Franzosen wirken total geschockt.  

Anders als noch zu Beginn der Europa-League-Erfahrungen, klappt jetzt auch alles in der Mixedzone. Der UEFA-Beauftragte stellt sich nicht mehr quer. Klar kriegen erst die Rechteinhaber, also RTL beziehungsweise RTL+ ihre Interviews – das ist in Freiburg aber schon räumlich so geordnet. Die Presseabteilung des SC organisiert, dass auch wir – akkreditierte Radios und Printkollegen sowie eine Onlineteam des SWR mit Kamera die wichtigsten Protagonisten vor die „Flinte“ bekommen. Das sind am Donnerstagabend ganz eindeutig Doppeltorschütze Roland Sallai und Siegtorschütze Michael Gregoritsch. Außerdem schnappe ich mir noch Matthias Ginter, der seine Achillessehnen-Reizung schneller überwunden hat als befürchtet und in den heißen letzten Minuten mit auf dem Platz stand, sogar am 2:2 entscheidend beteiligt war. Alles läuft locker und flockig – so ist das nun mal nach großen Siegen… Auch die PK und das Interview mit Christian Streich lässt sich so sehr gut beschreiben.

Dann gehe ich zurück an meinen Arbeitsplatz – das war gestern, wegen der Bedürfnisse von RTL – ausnahmsweise mal – statt Reihe 14, Platz 14 wie in der Bundesliga – Reihe 14, Platz 1. Jetzt packe ich zufrieden meine Sachen, glücklich, dass die Europareise mit unserem SC noch weitergeht…

Auslosung ist am heutigen Freitag, 23. Februar, um 12 Uhr im schweizerischen Nyon. Fest steht: Der SC beginnt am 7. März, also schon in knapp zwei Wochen mit einem Heimspiel – am 14. März ist die Auswärtspartie. Es gibt sechs oder sieben mögliche Gegner, auf die der SC treffen kann. Auf der Setzliste stehen die Gruppensieger der acht EL-Vorrundengruppen – im anderen Topf sind die Qualifikanten, also auch der SC. Fest steht, dass der SC im Achtelfinale (noch) nicht auf Leverkusen treffen kann.  Im Topf sind: West Ham (ENG)  Atalanta (ITA), Brighton (ENG), FC Liverpool (ENG), Glasgow Rangers (SCO), Slavia Prag (CZE) und Villarreal (ESP) als mögliche Gegner. 

West Ham ist es dann geworden. Dass es die britische Insel wurde. war ja irgendwie klar bei vier von sieben potentiellen Gegnern von der Insel. Wieder West Ham... na ja, es lohnt sich schon, mehr als einmal im Leben nach London zu reisen. Ich habe Lust auf Revanche...

Doch zurück zum Donnerstagabend. Als ich glückselig zuhause ankomme, ist Ben schon da, seine in Lens gekauften weiße SC-Regenjacke hängt über dem Stuhl, ein Fan-Schal liegt auf der Erde, er auf dem Sofa. Im TV läuft die Wiederholung der Highlights. Auch mein Junior ist happy… Auch ich schaue mir alles noch einmal an und setze mich dann an den Tisch, um noch etwas zu arbeiten. Nachbericht für die Morningshow, schreiben und aufzeichnen, Vorbericht für Augsburg, schreiben und aufzeichnen. Dann ist Feierabend. Jetzt gilt es, das Adrenalin herunterzupegeln. Der Brugal-Nachschub (dominikanischer Rum) wurde geliefert, ich genieße, ein, zwei Gläschen. Noah Schönberger, Moderator der gestrigen Radioshow und der nächsten am Sonntag, hat mir einen Mitschnitt der drei-SC-Tore geschickt. Die höre ich mir an, während ich am Glas nippe. Das ist schon ein geiler Job, den ich da habe, denke ich. Gegen 2 Uhr bin ich bettschwer…

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – schon übermorgen reise ich nach Augsburg. Die Akkreditierung liegt vor, das baden.fm-Corolla ist ebenso reserviert wie das Hotelzimmer in Stuttgart zur Zwischenübernachtung nach dem Spiel, das am Sonntag ja erst um 19.30 Uhr angepfiffen wird. Die Spieler waren sich gestern einig, dass der Sieg gegen Lens und das Erreichen des Achtelfinales ihnen Energie für das Baundesligaspiel geben wird und nicht vorrangig Kräfte gekostet hat. Sie wüssten genau, wie sie zu regenerieren hätten – „Beine hochlegen, viel essen“ verriet Michael Gregoritsch.

Außerdem habe ich den Eindruck, dass der Kreis der Spieler, die ruhigen Gewissens eingesetzt werden können, größer geworden ist. Noah Weißhaupt und Florent Muslija sind Spieler, die jederzeit eingewechselt werden können – aber eben auch mal in der Startelf vorstellbar sind. Genau wie Matthias Ginter und Vincenzo Grifo, die sicher nicht so entkräftet sind, wie jene Kollegen, die über 120 Minuten (oder fast) ranmussten.

Bevor es am Sonntagmorgen via Stuttgart (Hotel am Wilheimsplatz) nach Augsburg ging - inzwischen schreibe ich rückblickend - war ich noch bei der Bühnenshow von Mario Basler "Basler ballert". die in Müllheim stattfand. Privat wäre ich nicht dahin gegangen, ich war aber für die Zeitung da; ein, zwei Fotos und ein paar Zeilen - so der Plan. Was ich erlebt habe war... na ja...: Hier mein kurzer Text:

Auf dem Platz genial – auf der Bühne … geht so ...

Der frühere deutsche Nationalspieler Mario Basler hatte seine größte Zeit in den neunziger Jahren – mit „Super-Mario“ war seinerzeit auch immer ein Schuss Genialität  mit auf dem Platz. Heute steht Basler in verschiedenen Trash-TV-Formaten, einem Podcast und als Bühnenkünstler in der Öffentlichkeit und vermarktet, wo immer er auftaucht,  sein Image  als großmäuliger Lebemann. Dem einstigen Flügelflitzer ist es leider nicht gelungen, seine Genialität vom Platz mit auf die Bühne zu retten, wie am Freitagabend, 23. Februar, in Müllheim deutlich wurde. Drei, vier  Anekdoten, bei denen er ehemalige Mitspieler, wie den bekennenden Alkoholiker Uli Borowka, in die Pfanne haut,  sind, angereichert mit PR für das eigene Buch, den eigenen Podcast und das Beantworten von Fan-Fragen leider nicht wirklich abendfüllend. Das war dünn, Mario … (Zitatende)

Mit hohen Erwartungen fuhr ich nach Augsburg...